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Unser weiter Weg zum VfGH
Lothar
Trierenberg und Christina Aumayr (Pressetext)
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Manchmal muss man auch unseren Rechtsstaat in die Pflicht nehmen, um Veränderungen zu erkämpfen – oder zumindest auch diesen Weg nicht unversucht lassen.
Vor rund sieben Jahren haben wir mit vielen anderen Schulen in freier Trägerschaft (Waldorf-, Montessori- und Alternativschulen) unser erste „Klage“ auf Gleichbehandlung unserer Schulen mit konfessionellen Privatschulen eingebracht.
Durch viele Abweisungen, weitere Verfahrensschritte und negative Bescheide haben wir diesen Weg weiterverfolgt.
Zum Glück hat auch Wolfram Proksch, unser Anwalt in dieser Sache, einen langen Atem und versucht mit uns gemeinsam immer wieder, neue Wege zu finden, den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu einer eindeutigen Entscheidung zu zwingen.
Der Weg des Verfahrens ist so verworren, dass ich ihn hier gar nicht mehr erläutern kann, aber im Grunde ist das Ärgerliche in der ganzen Sache, dass der VfGH bis heute keine inhaltliche Stellungnahme zu der von uns dargestellten Ungleichbehandlung abgegeben hat.
Das aktuelle Privatschulgesetzt stammt aus dem Jahr 1962; damals gab es nur unsere Schule (mit wenigen SchülerInnen), die davon betroffen war.
Wir hoffen nun, durch die noch einmal nur von unserer Schule eingebrachte Beschwerde, die mit einer neuen Argumentation dasselbe Ziel verfolgt, endlich einen Schritt weiter zu kommen.
Mit einer entsprechend abschlägigen Antwort können wir dann auch vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ziehen – wir werden sehen. Hier ein Ausschnitt aus dem Pressetext, der begleitend veröffentlicht wurde, auch als Argumentationshilfe für Sie, wenn Sie in der Gesellschaft für unsere Schule Position beziehen möchten:
Waldorfschule zieht wegen Ungleichbehandlung vor den VfGH
Österreichs älteste Waldorfschule klagt erneut auf Gleichheit und Gleichstellung und gegen Diskriminierung. Für Österreichs Waldorfschulen wird die VfGH-Entscheidung zur finanziellen Überlebensfrage. Die rechtliche wie finanzielle
Ungleichbehandlung nichtkonfessioneller gegenüber konfessionellen Privatschulen ist im Konkordat begründet. Warum für die Mitglieder des VfGH bereits zweimal ein Vertrag mit dem Heiligen Stuhl mehr wog als das Recht der Verfassung auf Gleichheit aller Staatsbürger, bleibt den Antragstellern ein Rätsel. Handelt der VfGH abermals nicht, wird die pädagogische Vielfalt des Landes ruiniert.
Österreichweit besuchen im laufenden Schuljahr 2.593 Schülerinnen und Schüler eine Waldorfschule. Lagen die jährlichen staatlichen Subventionen im Jahr 2014 noch bei 815 Euro pro Jahr und Kind, liegt die Förderung mittlerweile nur mehr bei 704 Euro pro Jahr und Kind. Seit zehn Jahren steigt die Schülerzahl, während die Förderung stagniert, was de facto eine Kürzung um 25 Prozent ergibt. fessionellen Volksschulen werden um das über Zehnfache höher gefördert als Waldorfschulen, nämlich mit rund 7.300 Euro pro SchülerIn und Jahr versus den 704 Euro pro SchülerIn und Jahr an einer Waldorfschule.
WaldorfpädagogInnen verdienen nur die Hälfte Pädagoginnen und Pädagogen an Waldorfschulen verdienen nur die Hälfte des Gehalts der Staatslehrer. Denn vom Bund und den Ländern erhalten nichtkonfessionelle Privatschulen maximal zehn Prozent des aufgewendeten Budgets. Hintergrund dieser Ungleichbehandlung ist das Konkordat, also der Vertrag Österreichs mit dem Heiligen Stuhl. Darin verpflichtet sich Österreich seit 1934 neben vielen weiteren Kirchenprivilegien, die Lehrerkosten konfessioneller Privatschulen zur Gänze zu finanzieren. Die Lehrergehälter konfessioneller Privatschulen werden bei laufend steigenden Schülerzahlen aus dem Steuertopf bezahlt und valorisiert. Katholische und evangelische Privatschulen veröffentlichen weder die Bilanzen ihrer Schulen, noch werden Gewinne an die Republik Österreich zurückbezahlt.
Dr. Wolfram Proksch: Verfassungsrecht auf Gleichheit wird verletzt
„Wir bauen darauf, dass die Mitglieder des VfGH anders als bisher die verfassungsrechtliche Ungleichbehandlung als solche auch benennen. Während konfessionelle Privatschulen einen Rechtsanspruch auf Subventionen zur Deckung ihres gesamten Personalaufwands haben, werden nichtkonfessionelle Privatschulen lediglich mit jederzeit widerrufbaren Ermessensförderungen bedacht, die den Personalaufwand nicht annähernd decken. Zudem werden die Förderungen nach nicht nachvollziehbaren Kriterien intransparent und willkürlich vergeben. Die massive Schlechterstellung ist sachlich unbegründet, da die Antragsteller ebenso wie konfessionelle Privatschulen die öffentliche Hand entlasten, einen Beitrag zum staatlichen Erziehungsauftrag und zur pädagogischen Vielfalt leisten. Hinzu kommt, dass der Staat zu religiöser und weltanschaulicher Neutralität verpflichtet ist. Durch die jetzige Schlechterstellung werden die nichtkonfessionellen Privatschulen in ihrem Verfassungsrecht auf Gleichheit verletzt“, sagt Anwalt Wolfram Proksch, der die Beschwerde beim Verfassungsgericht eingebracht hat.
Novellierung des völlig veralteten Privatschulgesetzes ist überfällig
Ein Ende der Diskriminierung der Schulen in freier Trägerschaft wurde bereits im Expertenbericht der Bildungsreformkommission 2015 gefordert. Die Expertengruppe empfahl, „nichtkonfessionelle Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht in Bezug auf die Lehrerpersonalbewirtschaftung mit konfessionellen Privatschulen gleich zu behandeln.“ Der Reformbedarf bei diesem Gesetz wird seither vom Gesetzgeber ignoriert. „Die rechtliche Ungleichbehandlung ist neben dem Konkordat im Privatschulgesetz begründet, das im Jahr 1962 zu einem Zeitpunkt in Kraft getreten ist, als es überwiegend konfessionelle Privatschulen und noch keine nichtkonfessionellen Privatschulen in freier Trägerschaft gab. Abgesehen davon, dass die Differenzierung zwischen konfessionellen und nichtkonfessionellen Privatschulen bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens gleichheitswidrig war“, sagt Proksch.
In Deutschland längst Realität: Waldorfschulen dürfen nicht benachteiligt sein Dass eine rechtliche wie finanzielle Gleichstellung der Waldorfschulen problemlos möglich ist, zeigt Deutschland. In deutschen Waldorfschulen werden rund 70 Prozent des gesamten Schulbudgets vom Staat abgegolten. Aus einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts ging hervor, dass Eltern für die Schule ihrer Wahl nur „sozial verträgliche Kosten“ in der Höhe von maximal 150 Euro pro Kind und Monate entrichten müssen.
In den Waldorf-Unterstufen ist die pädagogische Freiheit der Schulen groß, in den Oberstufen sehr ähnlich der in öffentlichen Gymnasien. In Deutschland besuchen 90.000 SchülerInnen eine Waldorfschule – ohne deren Eltern in finanzielle Bedrängnis zu bringen und ohne finanzielle Selbstausbeutung der Lehrerinnen und Lehrer. ¶
Lothar Trierenberg und Christina Aumayr sind Eltern an unserer Schule.