AiD aid-magazin.de
| N DEUTSCHLAND
03 2018 Juni – Juli
Kulturerbe Europas –
Austausch UNBEQUEME BODENDENKMÄLER
4
190842
511959
03
€ (D) 11,95
Sonderfall Schwerindustrie – immense Anforderungen an Ausgräber £ Seite 8
NASCA IN PERU
WELTERBE IM SALZ
Vorkolumbianische Kultur im trockensten Winkel der Welt £ Seite 14
Hallstatt: bergmännischer Abbau des weißen Goldes seit der Bronzezeit £ Seite 62
Titelthema
20 Kulturerbe Europas – Austausch Bereits in der Jungsteinzeit, als die ersten Bauern nach Europa kamen, gab es eine komplexe Infrastruktur: Rohstoffe und Fertigprodukte bis hin zu Luxusgütern wurden über weite Entfernungen verhandelt. Ursprünglich reichte man die meisten Güter von Hand zu Hand. Das Fundmaterial römischer und mittelalterlicher Städte bietet zahlreiche Belege für internationalen und professionellen Handel. Neue Forschungsergebnisse geben Einblick in die Vielfalt des Warenverkehrs und die Auswirkungen des Handels von der Vorgeschichte bis zum Mittelalter.
Inhalt AiD 3 2018
8 Archäologie der Schwerindustrie Industrieanlagen sind nach wie vor eine Ausnahme im archäologischen Alltag. Doch zunehmend geraten Industriebrachen, die neu genutzt werden sollen, in den Fokus der Bodendenkmalpflege. Allein aufgrund ihrer Größe stellen sie die Ausgräber vor ganz besondere Herausforderungen. Die Autoren geben einen Überblick, wie man diese Quellengattung für die Forschung erschließen kann.
|
1 Editorial 4 Spektrum Archäologie
24 Rom trifft Germanien 28 Köln – römisches Handelszentrum am Rhein 32 Antike Warenetiketten – Notizen auf Blei
8 Forschung: Herausforderung Neuzeit Archäologie der Schwerindustrie Unser Titelbild Handel und Transport bestimmen seit jeher den Austausch der Kulturen. Service für unsere Abonnenten Für alle Fragen zum Bezug der »AiD« gibt es folgende Service-Nummern: Tel.: 02225-7085-361, Fax 02225-7085399. Wie immer erreichen Sie Redaktion und Leserservice auch elektronisch unter redaktion@aid-magazin.de und service@aid-magazin.de.
2
Archäologie in Deutschland 3 | 2018
14 International: Nasca in Peru Vorgänger der Inka zwischen Anden und Pazifik 20 Titelthema:
Kulturerbe Europas – Austausch 20 Handel und Verkehr durch die Jahrtausende 22 Kupferbarren – europäische Währung der Frühbronzezeit?
36 Edelsteine im Frankenreich – Massenware aus Südasien 40 Archetyp einer mittelalterlichen Kaufmannsstadt – Lübeck 42 Aktuelles aus der Landesarchäologie 58 Interview mit der Caroline-von-Humboldt-
Preisträgerin Natascha Mehler Vision einer Archäologie der Menschheitsgeschichte 62 Fenster Europa: Bergbau in Hallstatt Weltkulturerbe konserviert im Salz
14 Ahnen der Inka Im Süden Perus, in einer der trockensten Wüsten der Welt, entstand ab 200 v.Chr. die Nasca-Kultur. Die Nasca hinterließen riesige Figuren: Tiere und Pflanzen, geometrische Symbole, kilometerlange Linien. Vor 40 Jahren verstieg sich Erich von Däniken zu der These, es handele sich um Zeichen für Außerirdische. Neue Forschungen bieten endlich solide Erklärungsansätze für das rätselhafte Phänomen.
64 Reportage: Bandkeramische Siedlung
62 Neue Grabungen in Hallstatt Weltkulturerbe unter Tage: Wegen der besonderen Bedingungen im Bergwerk Hallstatt hat sich der Betriebsabfall des bronzezeitlichen Salzabbaus perfekt erhalten. Die Funde bieten Einblick in die prähistorische Arbeits- und Lebenswelt. Das Kulturerbe in 100 m Tiefe stellt jedoch große Anforderungen an alle Beteiligten.
68 Denkmal:
Trutziger Turm an unterer Oder Der »Grüttpott« – Symbol für die Entstehung Brandenburgs 70 Unterwegs: Mittelalterlicher Bergbau
im Schwarzwald Vom Forschungsobjekt zum Lehrpfad für jedermann 72 Nachrichten 76 Bücher
In Heskem beim hessischen Marburg wird seit 2017 eine bandkeramische Siedlung ausgegraben. Mitten in der Siedlung hatten die frühen Bauern ein kleines Mädchen beigesetzt. Diese Entdeckung wurde von den Medien mit großem Interesse aufgenommen. Die Ausgräber berichten von der laufenden Grabung.
78 Ausstellungen
Aus dem Netz gefischt
81 Rätsel
Mehrere Archäologen aus verschiedenen Ländern haben sich zusammengefunden und betreiben in englischer Sprache einen Webauftritt, der ausschließlich den neolithischen Wall-Graben-Anlagen Europas gewidmet ist. Das Thema wird sehr anschaulich und umfassend dargestellt mit vielen Bildern und einer interaktiven Karte.
mit Kinderbestattung Mädchen in der Grube
64 7000 Jahre altes Kindergrab
75 Autoren dieses Heftes 80 Bildnachweis
AiD Folgen Sie der ok auch auf Facebo n Sie und registriere sletter unter sich für den New azin.de! www.aid-mag
generic.wordpress. soton.ac.uk/ ditchedenclosures
Archäologie in Deutschland 3 | 2018
3
Titelthema | Kulturerbe Europas – Austausch
Handel und Verkehr durch die Jahrtausende Schon früh ist eine Intensivierung von Warenverkehr und Austausch in Europa zu beobachten. Spätestens als Kupfer und Zinn zu bedeutenden Rohstoffen wurden, gewann der überregionale Handel an Bedeutung. Wie aber ist Warenaustausch erkennbar, worin manifestiert er sich und was sind Begleiterscheinungen?
Von Susanne Kuprella und Benjamin Wehry
B
ereits im Neolithikum setzte mit Gewinnung und Verbreitung ortsspezifischer und weiträumig nachgefragter Rohmaterialien ein begrenzter, aber schon überregionaler Ressourcenund Warenaustausch in Europa ein, als spezielle Rohstoffe, Halbfabrikate und Fertigprodukte über den Eigenbedarf hinaus abgebaut, hergestellt und exportiert wurden. Eines der prägnantesten Beispiele ist die Verteilung des in ganz Westeuropa begehrten, am Monte Viso anstehenden Jadeits, der dort in großem Stil gewonnen wurde. Man kann jedoch noch nicht von professionellem weiträumigem Handel sprechen. Vielmehr wurde die Ware von Hand zu Hand weitergereicht innerhalb kleiner, aber kettenartig übergreifender Interaktionsradien, in denen gemeinsame Wertmaßstäbe galten, die als Grundlage des Kontakt- und Austauschraumes dienten. Dabei wurden von weit her importierte Waren zu Prestigeobjekten: je weiter entfernt der Ursprung, desto wertvoller. Mit der europaweiten Verteilung von Kupfer und Zinn oder der Legierung Bronze, Gold und anderen Luxusgütern vergrößerte sich das Spektrum solcher Prestige- und Luxuswaren, und es stieg in zunehmend hierarchischen Gesellschaften die Nachfrage nach repräsentativem Tracht- und Kleidungszubehör, Prunkwaffen und Statussymbolen. In der Bronzezeit wurde das verhüttete Metall in gut zu handhabenden Materialeinheiten in Beil-, Ring- und Spangenform verhandelt und transportiert, die zur Weiterverarbeitung ebenso wie als normiertes Zahlungsmittel genutzt werden konnten. Solche Barrenformen sind in variabler Zusammensetzung als Hortfunde überliefert und geben Auskunft über die Einbindung mitteleuropäischer
20
Archäologie in Deutschland 3 | 2018
Tremesis aus dem Grab von Boilstädt (s. auch Abb. rechts).
Fundregionen in bronzezeitliche Wirtschaftsräume West- und Südosteuropas. In den letzten Jahren wurden Aufsehen erregende Horte entdeckt, so der 2003 geborgene Tüllenbeilhort aus Lebus in Brandenburg mit 103 Beilbarren aus verschiedenen Regionen Europas oder der 2014 ausgegrabene Hort aus dem baye-
Die Tuchplomben (unten) aus der späten Neuzeit sind die archäologischen Überreste eines regen Handels von Stoffen u. a. aus Sachsen, den Niederlanden und England, die in Bremen verhandelt wurden.
rischen Oberding, der mit 796 Spangenbarren in Bündeln zu je zehn Stück zu den bisher umfangreichsten seiner Art zählt. Im Frühmittelalter war die gehobene Schmuckproduktion vollständig von Importen des begehrten Almandin und anderen Halbedelsteinen aus Indien und Afghanistan abhängig, ohne die die reizvolle Cloisonnéverzierung nicht gefertigt werden konnte. Dabei wirkten sich die Verlagerung der Handelsstraßen quer durch Asien und Europa sowie die damit verbundene Materialverknappung in Mitteleuropa auch auf das Erscheinungsbild der Produkte aus. Austausch über alle Grenzen Intensivierte Ressourcennutzung, Überschussproduktion und, daraus resultierend, verstärkter Regional- und Fernhandel begünstigten die Ausprägung verkehrsgünstig gelegener Warenumschlagsplätze und Distributionsorte, in denen der Handel organisiert, koordiniert und abgewickelt wurde. Welche Ausmaße der Warenaustausch innerhalb Europas und darüber hinaus annehmen konnte, zeigen eindrucksvolle Funde aus dem Bereich des römischen Hafentores von Köln, das im Zuge des U-Bahn-Baus in großen Teilen freigelegt wurde. Mil-
gründung der Stadt Lübeck, die im 12. und 13. Jh. zur wichtigen Handelsstadt der Hanse aufsteigen sollte. Die um 1160 errichteten Häuser des Gründungsviertels sind in ihren Grundlagen ganz an die Bedürfnisse der Kaufleute angepasst. Große mehrstöckige Fachwerkgebäude wurden dicht an dicht in direkter Zuwegung zwischen Marktplatz und Hafen angelegt. Das Besondere war das neuartige Stecksystem aus standardisierten Balken, Ständern und Schwellen, das erlaubte, Häuser inklusive Keller als Warenlager in kurzer Zeit ganz nach individuellen Wünschen errichten zu können. Neben Handelsgut fanden sich im 2009 bis 2016 freigelegten Grabungsareal Luxuswaren und architektonische Elemente, die auf einen gehobenen Lebensstandard schließen lassen, der in anderen mittelalterlichen Städten nicht selbstverständlich war. Erfolgreicher Handel wirkte sich auch in den folgenden Jahrhunderten auf die Stadtanlage aus, als die Häuser samt Keller infolge eines erhöhten Lagerflächenbedarfs größer und ‒ stabil und brandsicher ‒ aus Backstein errichtet wurden, so wie sie bis heute Lübecks Stadtbild prägen. Die Ausstellung »Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland« zeigt die komplexen Ausprägungen des Warenaustausches innerhalb Europas. lionen Scherben von Transportgefäßen, die als Hafenmüll im Uferbereich landeten, zeugen von einem regen Handel. Hunderte Amphoren tragen noch lesbare Beschriftungen, die einen guten Überblick über Inhalt und Herstellungsort der in ihnen verhandelten Waren geben. Die Römer brachten nicht nur neue Güter und Produkte an den Rhein, sondern etablierten auch ein ausgereiftes logistisches Vertriebsnetz und verfügten über ausgebaute Wege und große Transportschiffe ‒ so genannte Prahme ‒ für einen europaweiten Warenverkehr. Ähnliches ist in anderen römischen Städten Ober- und Untergermaniens zu beobachten: In Trier etwa geben zahlreiche Funde von Bleietiketten Auskunft über Handelsgüter, Preise und Qualität. Auch hier ist es die Beschriftung, die uns die Herkunft spezieller Waren verrät. Die kleinen unauffälligen Anhänger tragen Inschriften, die u. a. auf Pfeffer und Zimt
aus Indien verweisen oder luxuriöse und exotische Speisen deklarieren. Natürlich beschränkt sich der Warenverkehr römischer Grenzstädte nicht nur auf innerrömischen Handel. Römische Waren sind bei den Germanen ebenso häufig anzutreffen wie germanische Produkte auf römischer Seite. An römischen Importen innerhalb Germaniens stechen vor allem hochwertige Bronze- und Silbergefäße, Terra sigillata und Glasgefäße hervor. Diese meist in reich ausgestatteten Gräbern entdeckten Luxusgüter dürften allerdings eher als diplomatische Geschenke oder gar als Beute zu ihren neuen Besitzern gelangt sein ‒ auch das ist eine Form von Austausch. Handel prägt das Stadtbild Am Ort der Vorgängersiedlung Liubice, die bereits mit Handelsprivilegien ausgestattet war, erfolgte 1143 die Neu-
Der Herr von Boilstädt (Thüringen, um 600 n. Chr.) hatte den Grabbeigaben zufolge weitreichende Kontakte: Während die byzantinische Lampe mit christlicher Symbolik nach Osten weist, kommt der goldene Tremisis (linke Seite) von der Iberischen Halbinsel. Wie diese Objekte letztendlich zu ihrem Besitzer kamen, ist unbekannt.
Kulturerbe Europas 2018 ist Europäisches Kulturerbejahr! Unter dem Motto »Sharing Heritage« – das Erbe teilen – wird der Blick auf die verbindenden kulturellen Werte Europas gelenkt. In Deutschland liegt der Schwerpunkt dabei auf dem baulichen und archäologischen Erbe. Das archäologische Kulturerbe wird ab 21. September 2018 in der Ausstellung »Bewegte Zeiten. Archäologie in Deutschland« im MartinGropius-Bau in Berlin dargestellt, gegliedert in die Themen Mobilität, Konflikt, Austausch und Innovation. Die AiD greift diese auch heute aktuellen Schwerpunkte in den Titelthemen der Hefte 1 bis 4 auf.
Archäologie in Deutschland 3 | 2018
21