3.18 ANTIKE WELT · 49. Jahrgang · Heft 3/2018
Spektakuläre Funde in faszinierenden Bildern
Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte
Das unversehrte Grab einer privilegierten Frau zu Füßen der Heuneburg ist ein unwahrscheinlicher Glücksfall für die Archäologie. Errichtet 583 v. Chr. und prunkvoll ausgestattet, liefert es einen einmaligen Einblick in die keltische Lebenswelt. Die Autoren beleuchten den spektakulären Fund und zeichnen darüber hinaus das Bild der antiken Welt zur Lebenszeit der Fürstin.
Das Geheimnis der Keltenfürstin Der sensationelle Fund von der Heuneburg 2018. 192 S. mit etwa 160 farb. Abb. u. Kt., 24 x 28 cm, geb. mit SU. Theiss, Darmstadt.
39,95 €
Bestellen Sie hier: Internet: www.theiss.de, E-Mail: service@theiss.de Telefon: 0 61 51 / 33 08-330, Fax: 0 61 51 / 33 08-277 Der Verlag Konrad Theiss ist ein Imprint der WBG. WBG Hindenburgstr. 40, 64295 Darmstadt, Germany.
FRIEDEN IN DER ANTIKE
ISBN 978-3-8062-2801-4
Frieden in der Antike € 12,80 (D)
ÄGYPTEN
Schmuck und göttliche Umarmung als Schutz
ITALIEN
Keltische Söldner auf Sizilien?
GRIECHENLAND
Korinth – Neue Forschungen zur Stadt
€ 14,– (A) / sFr 25,–
www.antikewelt.de
Krausse, Dirk / Ebinger-Rist, Nicole
INHALTSVERZEICHNIS
TITELTHEMA 8 von Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt
13 von Marion Meyer
17 von Hannah Cornwell
22 von Stephan Faust
FRIEDEN IN DER ANTIKE EIRENE / PAX – FRIEDEN IN DER ANTIKE. EINE AUSSTELLUNG IN M ÜNSTER Die Ausstellung im Archäologischen Museum der Westfälischen Wilhelms-Universität gibt einen Einblick in die materiellen Zeugnisse zu antiken Vorstellungen von Frieden von den Anfängen bis zum Ausgang der paganen Antike im griechisch-römischen Mittelmeerraum.
LEBENSFREUDE UND ZUKUNFTSPLANUNG – FRIEDE IN DER G RIECHISCHEN BILDERWELT Wie man sich Eirene, den Frieden, vorzustellen hat, untersucht Marion Meyer anhand der ikonographischen Zeugnisse ab der klassischen Zeit.
DIE PAX ROMANA UND DIE IDEE VON EINEM IMPERIUM – FRIEDEN IN DER RÖMISCHEN ANTIKE
Für die Römer war Frieden etwas, das sie ihren Gegnern gewährten und durch das eine vertragliche Beziehung zwischen den Besiegten und Rom entstand.
F R I E D E N F Ü R RO M U N D DA S I M P E R I U M – K A I S E R AU G U S T U S U N D D E R A LTA R D E R PA X
Die Ara Pacis auf dem Marsfeld in Rom ist ein Monument der Friedensideologie zur Zeit des ersten römischen Kaisers Augustus. Sie zeigt in ihrem Bildprogramm die Idee eines Goldenen (Friedens-)Zeitalters.
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Fotos: oben: akg-images / Nimatallah. rechts: © Forschungsstelle Asia Minor, Universität Münster.
THEMENPANORAMA HALSKRAGEN IM ALTEN ÄGYPTEN – SCHMUCK UND GÖT TLICHE U MARMUNG ALS SCHUTZ Die bunten Kragen waren für die alten Ägypter mehr als nur Schmuck. Der Autor geht der Bedeutung und der Entwicklung dieser Kostbarkeiten nach.
PRÄHISTORISCHE METAMORPHOSEN – SÜDFRANZÖSISCHE STATUEN- MENHIRE ALS QUELLEN DER GESCHLECHTERGESCHICHTE
Untersucht wird die Bildsprache der Menhire, insbesondere ihre «männlichen» und «weiblichen» Attribute. Anhand der Umwandlung von geschlechtsspezifischen Symbolen wird der Frage nachgegangen, ob sie die Gesellschaftsordnung widerspiegeln.
33 von Klaus Koschel
39 von Matthias Willing
LOCKRUF DES GELDES – «KELTISCHE» SÖLDNER AUF SIZILIEN?
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Zahlreiche Gewandspangen aus dem 1. Jh. v. Chr. wurden auf Sizilien zutage gefördert. Ihre Spur führt direkt in den oberitalienisch-alpinen Raum.
von Holger Baitinger und Gabriele Rasbach
KO R I N T H – N E U E A U S G R A B U N G E N I N E I N E R M E T R O P O L E D E S A N T I K E N G R I E C H E N L A N D
56 von Konstantinos Kissas
Notgrabungen des griechischen Antikendienstes, die in den letzten 10 Jahren durchgeführt wurden, haben unsere Kenntnisse der älteren Stadtphasen bedeutend erweitert.
DOLICHE – HEIMAT DES IUPPITER DOLICHENUS: NEUE FORSCHUNGEN ZU STADT UND STADTENTWICKLUNG IM ANTIKEN NORDSYRIEN
Doliche war ein wichtiges urbanes Zentrum der römischen Provinz Syria und ist heute einer der wenigen Orte, an denen Fragen von Stadtentwicklung im hellenistisch- römischen Syrien untersucht werden können.
DIE SCHATZJÄGER, WINCKELMANN UND DIE GEBURT DER A RCHÄOLOGIE ALS WISSENSCHAFT – ZUM 250. TODESTAG VON JOHANN JOACHIM W INCKELMANN Vor 250 Jahren, am 8. Juni 1768, starb Winckelmann in Triest. Louis Godart, Berater für den Erhalt des künstlerischen Erbes des italienischen Staatspräsidenten, würdigt ihn in seinem Essay zu den Anfängen der Archäologie als Wissenschaft.
EINE CHAOTISCHE STADT, ABER FAST EINE ZWEITE HEIMAT – W INCKELMANNS REISEN INS KÖNIGREICH NEAPEL
Bei Winckelmanns Reisen nach Kampanien entsprang sein großes Interesse an den Entdeckungen in den antiken Stätten Herculaneum und Pompeji – und seine Liebe zur Stadt Neapel.
79 von Michael Blömer und Engelbert Winter
AW-SPEZIAL JOHANN JOACHIM WINCKELMANN
66 von Louis Godart
72 von Carmela Capaldi
RUBRIKEN
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EIRENE / PAX – FRIEDEN IN DER ANTIKE Eine Ausstellung in Münster
Im Jahr 2018 jährt sich zum hundertsten Male das Ende des Ersten Weltkriegs, und auch der Dreißigjährige Krieg, der 1648 mit dem Friedensschluss in Münster und Osnabrück einen Schlusspunkt fand, feiert ein rundes Jubiläum. Diese Jahrestage sind Anlass dafür, dass fünf Institutionen in Münster sich zum Ziel gesetzt haben, das Thema «Frieden» in kulturgeschichtlichen Ausstellungen umfassend zu behandeln. Dazu haben sich das Archäologische Museum der Universität Münster, das Bistum Münster, das Kunst- museum Pablo Picasso Münster, das LWL-Museum für Kunst und Kultur sowie das Stadtmuseum Münster zu einer Ausstellungskooperation zusammengeschlossen, die in fünf aufeinander abgestimmten Einzelausstellungen das Thema «Frieden. Von der Antike bis heute» in den Blick nimmt.
von Achim Lichtenberger und H.-Helge Nieswandt
F
ünf Ausstellungen in Münster verbindet die Frage, welche Vorstellungen verschiedene Zeiten vom Frieden hatten, wie Friedensideale visualisiert wurden, welche Wege zum Frieden gesucht wurden und mit welchen Maßnahmen und Mechanismen die Menschen versucht hatten, Frieden zu bewahren (vgl. Plakat der Ausstellung auf S. 1). Weiterhin verdeutlichen alle Ausstellungen, dass das Thema Frieden kontinuierlich die Menschheit beschäftigt und dass zahlreiche Ausdrucksformen und Vorstellungen von Frieden bereits in der Antike wurzeln. Die Ausstellung im Archäologischen Museum der Westfälischen WilhelmsUniversität widmet sich dem Thema «Eirene/Pax. Frieden in der Antike». Dabei bietet die Schau einen Einblick in die materiellen Zeugnisse zu an-
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Abb. 1 Urkundenrelief mit Staatsvertrag zwischen Athen und Samos, 403/02 v. Chr. dargestellt durch den Handschlag zwischen den beiden Schutzgöttinnen Hera und Athena.
TITELTHEMA
tiken Vorstellungen von Frieden von den Anfängen bis zum Ausgang der paganen Antike im griechisch-römischen Mittelmeerraum.
Der Friede nimmt Gestalt an
Bereits bei Homer gibt es im 18. Gesang der Ilias eine klare Vorstellung von Krieg und Frieden. Die berühmte Beschreibung des von Hephaistos für Achill gefertigten Schildes liefert ein eindrückliches Bild: «Und auf ihm schuf er zwei Städte von sterblichen Menschen, schöne. In der einen waren Hochzeitsfeste und Gelage: da führten sie Bräute aus den Kammern unter brennenden Fackeln durch die Stadt, und viel Hochzeitsjubel erhob sich und Jünglinge drehten sich als Tänzer, und unter ihnen erhoben Flöten und Leiern ihren Ruf, und die Frauen schauten staunend zu, an die Türen getreten eine jede. Das Volk aber war auf dem Markt versammelt. Dort hatte ein Streit sich erhoben. […] Um die andere Stadt aber lagerten zwei Heere von Männern, in Waffen strahlend. Und denen gefiel ein zweifacher Rat: entweder sie zu zerstören oder halb und halb alles zu teilen, soviel an Habe die liebliche Stadt in ihrem Innern verwahrt hielt. Die aber gaben nicht nach, sondern rüsteten sich zu einem Überfall. Auf der Mauer standen ihre Frauen und die jungen Kinder und schützten sie, und mit ihnen die Männer, die das Alter hielt. Sie aber gingen, und ihnen voran schritt Ares und Pallas Athene.» (Homer, Ilias 18, 490–498 und 509–516, Übersetzer W. Schadewaldt)
Diese literarischen Bilder enthalten bereits Motive, die sich auch später mit der Vorstellung von Frieden verbinden: die Herrschaft des Rechts und Festfreuden. In der griechischen Mythologie ist Dike, die Göttin der Gerechtigkeit, die Schwester der Friedensgöttin Eirene, und so wird Dike auf einer attisch-rotfigurigen Amphora
(um 520 v. Chr.) in Wien gezeigt, wie sie das Unrecht (adikia) besiegt. Neben der Herrschaft des Rechts beschreibt Homer aber auch die Festfreuden des Friedens und auch hier ist diese Vorstellung mythologisch unterlegt: Ein attisch-rotfiguriger Kelchkrater in Wien (410–400 v. Chr.) zeigt eine Gruppe von Personifikationen aus dem dionysischen Kreis. Im Zentrum der Szene bekränzt das personifizierte Verlangen (himeros) den Gott Dionysos. Im oberen Register sind mehrere Gestalten, darunter auch ein Satyr dessen beigeschriebener Name «Süßer Wein» ist und die Friedensgöttin Eirene mit Fackel und Trinkhorn anwesend (vgl. Abb. 1 a.b auf. S. 13). Hier verbindet sich der Bereich des Dionysos mit Vorstellungen von Frieden. Seit klassischer Zeit begegnen uns auch Gesten und Symbole, die in Zusammenhang mit der Herstellung von Frieden zu verstehen sind. Diese Bilder sind zunächst einmal nicht explizite Friedensbilder, sondern eher in Antagonismus zum Krieg zu sehen, wie etwa das Handschlagmotiv auf der berühmten Samos-AthenStele im Athener Akropolismuseum (403/2 v. Chr.), das ein vertrauensvolles Bündnis zwischen zwei Parteien besiegelt und kriegerische Absichten gegeneinander ausschließt (Abb. 1). Auch die Darstellung von erbeuteten Waffen, wie auf dem Fries des Athenaheiligtums von Pergamon (erste Hälfte 2. Jh. v. Chr.) oder bei den zahlreichen Tropaia sind nur insofern ein Bild des Friedens, weil die feindlichen Waffen unschädlich gemacht wurden und der Krieg mit dem Sieg über die Feinde beendet wurde. Waffen besiegter Feinde werden auch in römischer Zeit immer wieder mit Bildern der Friedensgöttin Pax assoziiert und unterstreichen, dass Frieden und Krieg nicht ohne das andere denkbar sind und existieren. In Auseinandersetzung mit den Schrecken des Griechenland in den Griff 9
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nehmenden Peloponnesischen Kriegs (431−404 v. Chr.) nimmt die Idee des Friedens immer mehr Gestalt an. In den Komödien des Aristophanes wird das Friedensthema virtuos und witzig variiert – und schließlich erschafft der attische Bildhauer Kephisodot (wohl 375 v. Chr.) das großartige Bild der Eirene mit dem Ploutosknaben. Die matronale Göttin ist mit ihrer Rechten majestätisch auf ein Standszepter gestützt und trägt auf ihrem linken Arm die knabenhafte Personifikation des Reichtums, Ploutos, und ein Füllhorn. Die Statue, die auf der Agora von Athen aufgestellt war, war ursprünglich wohl aus Bronze gefertigt und wurde in römischer Zeit vielfach in Marmor kopiert und ist uns so in mehreren Repliken erhalten, von denen die qualitätvollste und vollständigste in der Glyptothek in München steht.
Die Münsteraner Rekonstruktion der Eirene des Kephisodot
Seit dem 19. Jh. gab es Versuche, mit Hilfe der verschiedenen Repliken der Eirene das Urbild des Kephisodot zu rekonstruieren. Zur Hilfe nehmen konnte man dabei auch weitere Gattungen, auf denen das in der Antike bereits berühmte Bildwerk abgebildet war, wie etwa die Panathenäischen Preisamphoren oder Münzbilder. So sind ausgehend von der Münchner Replik über die Jahre mehrere Rekonstruktionen entstanden, und für die Münsteraner Ausstellung haben wir eine eigene Rekonstruktion in Zusammenarbeit mit dem Dresdner Restaurator Hans Effenberger erarbeitet (Abb. 2). Strittig bei den bisherigen Rekonstruktionen waren etwa die genaue Haltung des rechten Arms der Eirene, die Ausgestaltung des Füllhorns des Ploutosknabens sowie die Kopfwendung der Eirene. Für die neue Rekonstruktion kam uns ein Neufund einer Eirene aus Palombara Sabina (Italien) zu Hilfe, der zeigt, dass das Standszep-
Abb. 2 Neue Münsteraner Rekon struktion der Eirene mit dem Ploutosknaben des Bildhauers Kephisodot. Die Herstellung der Statue wurde von der Universitätsgesellschaft Münster e.V. finanziert.
ter mit dem rechten Arm recht nah am Körper der Göttin gehalten wurde und nicht so weit abgestreckt wie auf älteren Rekonstruktionen. Bei der Kopfwendung der Eirene haben wir uns an einem Torso aus dem nordafrikanischen Cherchell (Algerien) orientiert, der unterstreicht, dass Eirene und Ploutosknabe in Blickkontakt sind. Eine besondere Herausforderung der Rekonstruktion war das Füllhorn, das von Eirene und dem Ploutosknaben gehalten wird und das bei keiner Replik hinreichend erhalten und nur über Münzbilder und die Panathenäischen Preisamphoren zu erschließen ist. Bisherige Rekonstruktionen zeigen das Füllhorn überladen mit Früchten, doch sind solche überquellenden Füllhörner erst aus hellenistischer und
römischer Zeit belegt. In klassischer Zeit sind sie – wie Reliefs und Vasenbilder zeigen – entweder leer oder nur sparsam gefüllt, so dass wir uns für unsere Rekonstruktion für ein leeres Füllhorn entschieden haben, in das oben einige Früchte und Pflanzen eingesetzt werden können, und somit unterschiedliche Möglichkeiten im Museum ausgetestet werden können. Gestellt haben wir uns auch der schwierigen Frage nach der Polychromie der Statue. Mit hoher Wahrscheinlichkeit war die Statue des Kephisodot aus Bronze. Über die Farbgebung klassischer Bronzen haben wir nur ansatzweise Kenntnis. So ist in Analogie zu anderen Bronzestatuen davon auszugehen, dass bestimmte Partien wie Augen, Brustwarzen und Lippen farb10
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lich (zum Teil in anderen Materialien) hervorgehoben waren. Auch verschiedene Oberflächen wie Haare, Haut und Gewand konnten unterschiedlich farblich abgesetzt werden, wobei Goldtöne bei Bronzestatuen oftmals Verwendung fanden. Wir haben uns daher entschieden, die Münsteraner Rekonstruktion nicht einfach weiß als Gips zu belassen, sondern eine farbliche Rekonstruktion in Gold zu wagen, wohl wissend, dass es sich dabei um nur eine Möglichkeit von mehreren polychromen Fassungen handelt. Die goldene Farbe ist in jedem Fall einleuchtender als das Weiß des Gipses, und so ist die Farbgebung der Münsteraner Rekonstruktion als eine Farbstudie der Statue zu verstehen und ein Impuls, die Statue anders als bislang zu sehen.
Friedensfürsten und Botenstab
Der Zusammenhang von Wohlstand und Frieden wird auch in der Folgezeit von Herrschern instrumentalisiert. So zeigten sich im Hellenismus etwa die ptolemäischen Könige mit dionysischen Bildern und durch körperliche Fülle ausgedrückte Wohlstandsverheißung als Friedensfürsten. Ihr Friede baut auf der zivilisatorischen Leistung des militärisch gesicherten und befriedeten Königreichs auf und ist ein Vorläufer der Pax Romana. Füllhörner, wie wir sie von der Eirene des Kephisodot kennen und wie sie in der Folgezeit in der Ikonographie der römischen Pax kanonisch werden sollten, sind daher zentrale Symbole ptolemäischer Selbstdarstellung. Im von Bürgerkriegen geplagten spätrepublikanischen Rom wird das Thema Pax als Verheißung von den Bürgerkriegsparteien aufgenommen. Nun wird in der Münzprägung der Handschlag mit dem Botenstab (kerykeion / caduceus) kombiniert (Abb. 3 a.b). Der Botenstab ist ein zentrales Friedenssymbol, welches bereits von der Friedensgöttin Eirene im 4. Jh. v. Chr. auf
TITELTHEMA
Silbermünzen der Stadt Lokroi und dann später auf augusteischen Kistophoren als Attribut gehalten wird. Das aus verschlungenen Schlangen bestehende Kerykeion gewährt als Heroldstab den Schutz von Gesandten bei (Friedens-)Verhandlungen, zugleich steht es symbolhaft sowohl für verworrene Verhandlungen als auch für danach entstehende enge Verbindungen. Der Botenstab gehört zu den von der Forschung bislang eher unterschätzten und nur im Ansatz verstandenen antiken Friedenssymbolen, denn er bringt auch eine oft übersehene Dimension in die Beschäftigung mit antiken Friedensbildern ein. Der Botenstab steht für Verhandlungsfrieden und unterstreicht, dass die Fokussierung der Forschung auf militärisch erreichten Siegfrieden zu kurz greift und Frieden in der Antike nicht allein durch kriegerische Erfolge etabliert wurde.
Pax Augusta und Pax Romana
Unter dem römischen Kaiser Augustus erhält die offizielle Friedensideologie einen neuen Schub. 13 v. Chr. beschließt der Senat von Rom die Errichtung der Ara Pacis, des Altars des Friedens. Dieser Friedensaltar ist ein zentraler Baustein augusteischer Ideologie, indem das Bildprogramm die Friedensherrschaft mit religiöser Pietät und Prosperität verbindet. Es erfolgt eine Rückkehr zum friedlichen goldenen Zeitalter unter dem neuen Herrscher und es entstehen Bilder von Wohlstand und Frieden. Dieser Frieden ist universell und umfasst auch die Natur, wie die prächtigen Rankenfriese und die Tieridyllen unterstreichen (Abb. 4). Solche Tier idyllen schaffen wirkmächtige Bilder, die in der abendländischen Ikonographie eine Fortsetzung in den Bildern des Guten Hirten oder in Picassos Friedenstaube finden. Die Entwicklung zu diesen nachantiken Bildern ist nicht geradlinig, sie ist von Sprün-
Abb. 3 a.b Römische Silbermünze (denar) aus dem Jahr 68 n. Chr. Auf der Vorderseite die Stadtgöttin Roma auf Waffenhaufen thronend (a); auf der Rückseite Handschlagmotiv vor Botenstab und Kornähren nebst Mohn (b).
gen und Umdeutungen geprägt, doch es ist gerade ein Anliegen der gesamten Münsteraner Ausstellungskooperation, solche Bezüge durch die Zeiten aufzuzeigen. In der römischen Kaiserzeit wird die Pax entweder als Pax Augusta oder als Pax Romana durchgängig instrumentalisiert, und es sind oft Bürgerkriegszeiten, in denen die Pax eine besondere Betonung erfährt. Nach der Ermordung Neros, der sich – nebenbei erwähnt – ganz in hellenistischer Manier als Friedensfürst inszeniert hatte, kommt es zum Bürgerkrieg, und die
Abb. 4 Marmornes Schmuck relief aus Praeneste mit Tieridyll: L öwin säugt zwei Löwenkätzchen.
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beteiligten Parteien prägten die Friedensgöttin auf ihre Münzen. Der siegreiche Vespasian ist es dann, der der Verehrung der Pax einen neuen Ort in Rom gab. Er erbaute das Templum Pacis, ein multifunktionales Heiligtum im Stadtzentrum, in das Preziosen aus der ganzen Welt, darunter viele Beutestücke gebracht wurden. Statuenbasen, die im Templum Pacis ausgegraben wurden, künden von großen Kunstwerken, die dort aufgestellt waren, eine erhaltene Basis nennt auch den Künstler Kephisodot – vielleicht stand auf der Basis
EIRENE / PAX – FRIEDEN IN DER ANTIKE – Eine Ausstellung in Münster
Abb. 5 Goldmünze (aureus) des Kaisers Severus Alexander (reg. 222−235 n. Chr.). Auf der Rückseite trägt der Kriegsgott Mars den Friedenszweig und wird so zum pacifer (Friedensbringer).
die Eirene. Die neue flavische Dynastie nutzte den Ort, sich selbst zu feiern und vor allem den Sieg über die Juden im Jüdischen Krieg für die eigene Herrschaftslegitimation zu instrumentalisieren. In der Münsteraner Ausstellung zeigen wir auch die neue großformatige polychrome Rekonstruktion eines Triumphalreliefs des Titusbogens in Rom, die 2017 von Steven Fine (New York) mit seinem Team erarbeitet wurde (vgl. Abb. 4 auf S. 20). Das Templum Pacis (vgl. Abb. 3 auf S. 19) ist ein Ort, an dem der Siegfriede gefeiert wird, und auch das Kultbild der Pax kennen wir von Münzbildern: Die thronende Göttin hält einen Frie-
denszweig in der Hand. Dieser Zweig ist ein weiteres charakteristisches Attribut der Friedensgöttin. Er ist erst in römischer Zeit sicher belegt und kann in der römischen Ikonographie sowohl von dem Kaiser in ziviler Toga als auch von Gottheiten mit kriegerischem Charakter wie Mars oder Hercules (als pacifer – Friedensbringer) getragen werden (Abb. 5). Die römischen Kaiser entfachen ein ganzes Feuerwerk von Bildern mit Pax: Der Frieden wird in enge Beziehung zum Kaiser selbst gesetzt, aber auch immer mehr mit anderen Gottheiten verbunden. So werden unterschiedliche Gottheiten Gewährer der Pax, und die Friedensgöttin selbst wird gezeigt, wie sie ihre Attribute hält oder eine Fackel an einen Waffenhaufen legt. Im 3. Jh. n. Chr. kommt es dann geradezu zu einer Inflation der Pax in der Münzprägung. Die Darstellung der Friedensgöttin läuft diametral zum tatsächlichen Frieden im Imperium Romanum und wird auf diese Weise Ausdruck einer Sehnsucht nach und Verheißung von Frieden. Auch unter den christlichen Kaisern geht diese Sehnsucht nach Frieden nicht verloren und aus der Pax Romana wird dann schließlich die Pax Christiana, eine Formel, die auch im Westfälischen Frieden von 1648 Verwendung findet.
Adresse des Autors
Prof. Dr. Achim Lichtenberger und Dr. H.-Helge Nieswandt Institut für Klassische Archäologie und Christliche Archäologie / Archäologisches Museum Domplatz 20-22 D-48143 Münster Bildnachweis
Abb. 1: akg-images / Nimatallah; 2: Hans Effenberger; 3 a.b: Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18228354, Foto: Dirk Sonnenwald; 4: archivio dell’arte | pedicini fotografi, MN3909, Neapel; 5: KHM Museumsverband, Wien; 6: Münzkabinett der Staatlichen Museen zu Berlin, 18237617 18212634, Foto: Reinhard Saczewski. Literatur
A. LICHTENBERGER / H.-H. NIESWANDT / D. SALZMANN (Hrsg.), Eirene / Pax – Frieden in der Antike, Ausstellungs katalog Münster 28.04.−02.09.2018 (2018). H. CORNWELL, Pax and the Politics of Peace. Republic to Principate (2017). E. P. MOLONEY / M. ST. WILLIAMS (Hrsg.), Peace and Reconciliation in the Classical World (2017). M. MEYER, Das Bild des «Friedens» im Athen des 4. Jhs. v. Chr.: Sehnsucht, Hoffnung und Versprechen, in: dies. (Hrsg.), Friede. Eine Spurensuche (2008) 73–79. 84 f. Abb. 5–9. K. RAAFLAUB (Hrsg.), War and Peace in the Ancient World (2007). I. KADER, Eirene und Pax. Die Friedensidee in der Antike und ihre Bildfassungen in der griechischen und römischen Kunst, in: W. Augustyn (Hrsg.), Pax. Beiträge zu Idee und Darstellung des Friedens (2003) 117–160. N. AGNOLI, L’Eirene di Kephisodotos nella replica da Palombara Sabina, in: Xenia Antiqua 7 (1998) 5–24. G. BINDER / B. EFFE (Hrsg.), Krieg und Frieden im Altertum. Bochumer Altertumswissenschaftliches Colloquium (1989). E. SIMON, Eirene und Pax. Friedensgöttinnen in der Antike, SB Wissenschaftliche Gesellschaft Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main 24 Nr. 3 (1988). I. SCHEIBLER, Götter des Friedens in Hellas und Rom, in: AW 15 (1984) 39–57.
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