Archäologie in Deutschland 6/17 Leseporbe

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Titelthema

20 Burgen der Lausitzer Kultur Den Begriff »Lausitzer Kultur« prägte 1880 der berühmte Mediziner Rudolf Virchow. Zwischen 1300 und 500 v. Chr. entstanden von der Elbe und Saale bis zur Weichsel, von der Slowakei bis zur Ostsee zahlreiche gleichförmige Friedhöfe mit teils über 1000 Brandgräbern, die oft ganze Geschirrsätze, doch wenig Metall enthielten. Ganz anders die vielen Burgen dieser Zeit: Bei Ausgrabungen zeigt sich ein lebendiges Bild religiöser, wirtschaftlicher und politischer Zentren mit weit reichenden Verbindungen. Die Burgen kontrollierten die Handelswege, in ihrem Schutz gedieh das Metallhandwerk, von dem umfangreiche Horte mit Bronzen zeugen.

Inhalt AiD 6 2017

8 Erste Bauern in Südbayern Das Vordringen bäuerlicher Kolonisten nach Mitteleuropa im 6. Jt. v. Chr. gilt als historische Großtat. Doch die »Bilderbuchkultur« der Linienbandkeramik hat auch ihre Schattenseiten. Neue Forschungen in Südbayern bringen die dunkle Seite der Neolithischen Revolution zutage: Prunksucht, Gewalt gegen Fremde, Frauen und Kinder sowie Raubbau an der Natur gehörten ebenso zu dieser Kultur wie ein ausgesprochen rigides Gesellschaftsmodell.

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1 Editorial

26 Lebus – Zentralort im Oderland, Knotenpunkt im europäischen Netz

4 Spektrum Archäologie

30 Exemplarische Forschungen in Lossow

8 Forschung: Erste Bauern in Südbayern Die Kehrseite der Medaille Unser Titelbild zeigt Biskupin, eine wiederaufgebaute Burg der Lausitzer Kultur in Polen.

Für alle Fragen zum Bezug der »AiD« gibt es folgende Service-Nummern: Tel.: 02225-7085-361, Fax 02225-7085399. Wie immer erreichen Sie Redaktion und Leserservice auch elektronisch unter redaktion@aid-magazin.de und service@aid-magazin.de.

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38 »Sumpfschanzen« – Burgen im Sumpf 42 Biskupin – das »polnische Troja«

14 International: Nordamerika vor

Kolumbus Effigy Mounds – Monumente aus der

Service für unsere Abonnenten

34 Kult und Ritus hinter Wällen

Glaubenswelt der Ureinwohner 20 Titelthema: Burgen der Lausitzer Kultur 20 Kulturelle Kontinuität über Epochengrenzen 22 Wächter an der Rauen Furt

44 Aktuelles aus der Landesarchäologie 60 Fenster Europa: Landschaftsarchäologie

im Alpenvorland Pfahlbauten und mehr 64 Reportage: Rettung für die Radiokarbonmethode Die Uhr tickt


14 USA: Woodland-Kultur Zwischen dem Mississippi und den großen Seen stießen die Pioniere auf rätselhafte Hügel mit gegenständlichem Umriss: teils Symbole, teils Tiere, auch Geister oder menschenähnliche Gestalten. Wie alt sind diese Hügel? Sind es Gräber? Besteht eine Beziehung zu den Totemtieren der Stammes-Clans? Amerikanische Archäologen lüften das Geheimnis der Bilderhügel in Wisconsin.

66 Reportage: Denkmalpflege im Zeichen

des geflügelten Pferdes PEGASUS-Programm in Sachsen: Schulen adoptieren Denkmale 68 Museum: Lieblingsprojekt

Kaiser Wilhelms II. Römer hautnah auf der Saalburg 70 Denkmal: Zeugen aus der

Frühzeit Berlins Franziskaner-Klosterkirche und Graues Kloster 72 Nachrichten

60 Pfahlbauten Seit mehr als 150 Jahren werden die prähistorischen Pfahlbauten des Alpenraums erforscht. Sie datieren zwischen 5300 und 800 v.Chr. und sind eine wichtige Quelle zur frühen Geschichte Europas. 111 ausgewählte Pfahlbaufundstellen aus sechs Ländern wurden als UNESCO-Welterbestätten anerkannt. Ein neues Projekt zielt nun weit über die alten Forschungen hinaus.

78 Ausstellungen

64 Ist die Radiokarbonmethode zu retten? Schon in naher Zukunft wird eine Datierung organischen Materials mit der Messung des Kohlenstoisotops 14 C nicht mehr zweifelsfrei funktionieren. Denn mit dem massiven Ausstoß von fossilem Kohlendioxid verändert sich der Anteil von 14C in unserer Atmosphäre – und damit das scheinbare Alter organischen Materials.

Aus dem Netz gefischt

Großsteine in Frankreich Bruno Marc ist engagierter Amateurarchäologe und betreut eine private 75 Autoren dieses Heftes Website zu den megalithischen Bauten 80 Bildnachweis im Süden Frankreichs. Die einzelnen Fundplätze werden auf Französisch und Englisch erläutert. Mithilfe der ausführlichen Linksammlung kann man weitere Seiten zum Thema finden: http://prehist.free.fr AiD Folgen Sie der ok auch auf Facebo Sie n re rie und regist r te un er slett sich für den New azin.de! www.aid-mag 81 Rätsel

76 Bücher Archäologie in Deutschland 6 | 2017

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Titelthema | Burgen der Lausitzer Kultur

Kulturelle Kontinuität über Epochengrenzen Lange Zeit wurde der Lausitzer Kultur nicht die gebührende Aufmerksamkeit zuteil. Doch großflächige Ausgrabungen in Brandenburg und Sachsen machten neue vielfältige Erkenntnisse zu Siedlungswesen und Landschaftsentwicklung möglich. In diesem Heft werden Projekte zur Erforschung der für die Lausitzer Kultur so typischen Burganlagen vorgestellt.

Von Carola Metzner-Nebelsick

I

m Reigen der vorgeschichtlichen Kulturen Europas führte die Lausitzer Kultur lange ein Schattendasein. Dies war nicht immer so. Insbesondere zu Beginn prähistorisch-archäologischer Untersuchungen nahmen entsprechende Funde und Fundplätze einen prominenten Platz innerhalb der europäischen Vorgeschichtsforschung ein. Nach dem Zweiten Weltkrieg und der folgenden politischen Teilung in ein westliches und östliches Europa geriet die Lausitzer Kultur jedoch in den Schatten regionaler Forschung, die zumindest in Westeuropa weitgehend unbeachtet blieb. Erst nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurden die teils noch zu DDR-Zeiten erfolgten Großgrabungen von Gräberfeldern wie Klein Lieskow in Brandenburg oder Niederkaina bei Bautzen in Sachsen publiziert. Zusammen mit neuen Grabungen wie im sächsischen

Liebersee machen sie die Bedeutung dieser Kultur im Herzen Europas nun wieder deutlich. »Erfinder« der Lausitzer Kultur: Rudolf Virchow Die Bezeichnung »Lausitzer Kultur« ist ein Sammelbegriff für unterschiedliche Fundgruppen von der Mittelbronzebis zur älteren Eisenzeit, d. h. vom 15. Jh. bis Anfang des 5. Jh. v. Chr., die in Brandenburg, Sachsen, im westlichen Polen, in Nordostböhmen, Nordmähren und der westlichen Slowakei verbreitet waren und sich durch übereinstimmende Bestattungssitten, eine trotz regionaler Unterschiede und zeitlicher Entwicklungen ähnliche materielle Kultur sowie spezifische Siedlungsformen auszeichneten. Kein Geringerer als der bekannte preußische Mediziner, Politiker und Prähistoriker Rudolf Virchow prägte 1872 für

Im Gegensatz zu anderen Epochen findet man auf Friedhöfen der Lausitzer Kultur viele Kinder. Bisweilen hatten sie Tonrasseln im Grab.

Grabgrube von Groß Jauer, Brandenburg, mit gezimmerter Grabkammer und schützenden Steineinbauten, typisch für die spätbronzezeitliche Lausitzer Kultur.

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bronzezeitliche Keramik aus der Niederlausitz im heutigen Brandenburg den Begriff des »Niederlausitzer«, später »Lausitzer Typus«. Er verstand darunter eine spezifische, durch Buckelornamente und Kanneluren verzierte Keramik, die sich in Brandgräbern mit Urnen und in befestigten Siedlungen fand. Bereits Virchow fiel auf, dass sich vergleichbare Keramik, Grabsitten und Burgenarchitektur über ein großes Verbreitungsgebiet erstreckten. Daher wurde »Lausitzer Typus« bald im Sinne einer kulturellen Bezeichnung als »Lausitzer Kultur« verstanden. Regional verschieden und doch gleich Als hervorstechende Merkmale der Lausitzer Kultur sind Gräberfelder zu nennen, in denen von der Mittelbronzezeit bis zum Ende der älteren Eisenzeit ausschließlich Brandbestattungen beigesetzt wurden, die als häufigste Fundgattung Keramik des Lausitzer Stils in großer Zahl enthalten. Dominieren in der Mittelbronzezeit Hügelgräber, so werden ab der Jungbronzezeit vor allem Flachgräberfelder angelegt. Der Begriff »Jungbronzezeit« orientiert sich an der Benennung der Nordischen Bronzezeitkultur durch Oscar Montelius. Vor allem ab der späten Bronzezeit und in der Eisenzeit sind oft sehr große, mehr als tausend Gräber umfassende Nekropolen mit einer über Jahrhunderte kontinuierlichen Belegung typisch. Diese späte Phase der Lausitzer Kultur wird in Sachsen und Polen auch Billendorfer (polnisch: Białowice) oder in Brandenburg Göritzer Gruppe genannt. Eines der am besten erforschten Gräberfelder dieser Art findet sich im sächsischen Niederkaina. Die entscheidende Besonderheit der Lausitzer Kultur ist der innerhalb der europäischen Vorgeschichte singuläre Nachweis räumlicher wie kultureller Kontinuität. Ab der späten Bronzezeit lassen rechteckige Umrisse der Grabgruben und vereinzelte Holz- oder Steineinbauten gezimmerte Grabkammern


erkennen, die zahlreiche, zu Sätzen komponierte Keramikgefäße enthalten. Häufig wurden mehrere Individuen innerhalb eines Grabes beigesetzt, was familiäre oder andere soziale Bindungen nahelegt. Die Größe der Gräberfelder lässt zudem darauf schließen, dass fast die gesamte Bevölkerung bestattet wurde, zumal der Anteil von Kindern grundsätzlich sehr hoch ist; bisweilen wurde ihnen Spielzeug aus Ton wie Rasseln beigegeben. Nach gängiger Annahme dienten die umfangreichen Geschirrsätze der Totenfürsorge mit Speise und Trank – im Gräberfeld Niederkaina konnten beispielsweise auch Reste von verkohltem

Brot und Brei nachgewiesen werden; darüber hinaus lassen sich anhand des unterschiedlichen Zustands der teils mit auf dem Scheiterhaufen verbrannten Grabkeramik komplexe Totenrituale rekonstruieren.

Gräber der Lausitzer Kultur enthalten wenig Metall, aber umfangreiche Ensembles aus Keramikgefäßen.

Reich an Keramik – arm an Metall Selten finden sich in den Lausitzer Bestattungen Metallbeigaben, und wenn, dann handelt es sich meist um Trachtzubehör wie Nadeln oder auf dem Scheiterhaufen bis zur Unkenntlichkeit verbrannte Stücke. Diese kulturelle Eigenart erschwert es, die damalige Lebenswelt zu rekonstruieren. Elitäre Status-

repräsentation durch aufwendige Grabbeigaben gehörte im Gegensatz zur südlich angrenzenden bronzezeitlichen Urnenfelder- und eisenzeitlichen Hallstattkultur nicht zu den Merkmalen der Lausitzer Kultur. Vielmehr wurden Metallobjekte, die normalerweise den persönlichen Status zum Ausdruck bringen, zumeist in zahlreichen Horten entäußert. Trotz regionaler, meist struktureller Besonderheiten in der Zusammensetzung dieser Horte belegen die Bronzeobjekte darin vielfältige Kontakte in den Bereich der Urnenfeldergruppen und zur Nordischen Bronzezeitkultur. Neben den Grabinventaren bringen Weihefunde wie Horte oder für das Oderland typische bronzene Deichselwagen religiöse Vorstellungen und rituelle Praxis zum Ausdruck. Literatur

Gefäße mit charakteristischer Buckelverzierung. Rudolf Virchow prägte dafür den Begriff »Lausitzer Typus«.

F. Koch-Heinrichs, Bronzezeit: die Lausitz vor 3000 Jahren. Begleitband zur Ausstellung im Museum der Westlausitz (Kamenz 2007). R. Müller, Lausitzer Kultur. Reallexikon für Germanische Altertumskunde (RGA) 18, 2001, 144§-§ 157. Das prähistorische Gräberfeld von Niederkaina bei Bautzen. Bd. 1§-§11. Landesamt für Archäologie Sachsen (Dresden 1997–2008).

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