Nominierte Kinderrechtsheldin • Seiten 50–70 WARUM IST ROSI NOMINIERT?
Rosi Gollmann
Rosi Gollmann ist für den Preis der Kinder der Welt 2016 (World’s Children‘s Prize 2016) nominiert worden, weil sie sich seit über 50 Jahren für die allerärmsten und schwächsten Kinder in Indien und Bangladesch einsetzt. Rosi ist während des Zweiten Weltkriegs im von den Nationalsozialisten beherrschten Deutschland aufgewachsen und musste den Terror des Krieges, Diskriminierung und die Abschaffung der Demokratie erleben. Mit 18 Jahren beschloss sie, ihr Leben der Unterstützung armer Menschen zu widmen, indem sie ihnen Hilfe zur Selbsthilfe bietet. Rosi hat die Entwicklungsorganisation Andheri-Hilfe gegründet, die im Laufe von 50 Jahren über 3.000 Projekte mit Partnern vor Ort durchgeführt und damit zehn Millionen Menschen zu einer besseren Zukunft verholfen hat. Mit Rosis Hilfe sind 50.000 zur Kinderarbeit verdammte Kinder befreit worden und durften in die Schule gehen. Auch Zehntausende von Kindern mit Behinderungen haben Unterstützung und Ausbildung erhalten. Rosi und die Andheri-Hilfe helfen Familien, die mit HIV/Aids leben, und sie kämpfen dagegen, dass nach alter Tradition, Mädchen den Göttinnen geweiht zu Tempelprostituierten gemacht werden. In Bangladesch haben dank Rosi und ihrer Partner vor Ort über eine Million blinder Menschen das Augenlicht zurückbekommen. Durch die Kampagne „Kein Mädchen ist unerwünscht“ ist 12.000 indischen Mädchen, die sonst gleich nach ihrer Geburt getötet worden wären, das Leben gerettet worden. Gleichzeitig sind die Rechte der Mädchen gestärkt und die Verheiratung von Kindern gestoppt worden.
Es ist schon Abend, als die siebzehnjährige Rosi ins Krankenhaus kommt, um ihren lungenkranken Vater zu besuchen. Viele der anderen Patienten haben schwere Verbrennungen erlitten. Schon seit vier Jahren ist Krieg, und inzwischen fallen fast jede Nacht Bomben.
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lötzlich geht der Alarm los, und Rosi hört das Dröhnen der Bombenflugzeuge. Ein schrecklicher Krach erschüttert das Haus, und alle Fensterscheiben zerspringen. Krankenschwestern eilen herbei, um den schreienden Patienten zu helfen, die Treppen in den Luftschutzkeller herunter zu kommen. Rosi und ihr Vater bleiben allein zurück. Sie ruft nach Hilfe, doch ein ohrenbetäubender Knall lässt das Dach bersten und einstürzen. Rosi schafft es, ihren Vater aus dem Bett zu hieven und die Treppen hinunter zu schleppen. Durch das Fenster sieht sie Bomben vom Himmel regnen. Von den Explosionen und Bränden ist es draußen taghell.
Alle suchen Schutz im Keller, doch als das Krankenhaus zu brennen anfängt, fliehen sie hinaus in den Garten. Draußen bilden alle, die auf den Beinen stehen können, eine Eimerkette, um das Feuer zu löschen. Stundenlang läuft Rosi mit Wassereimern hin und her, und am Morgen ist das Feuer gelöscht. Sie und ihr Vater haben überlebt, aber große Teile des Krankenhauses sind zerstört. Später, als Rosi durch die Stadt zu ihrer Arbeit in einer Arztpraxis geht, brennt es immer noch auf den Straßen. Die Ruinen der Häuser rauchen, und überall liegen verbrannte Menschen, um die sich noch niemand hat kümmern können.
1 Mio Blindenoperationen. Die Waise Hasna (links) kann endlich auf eine Zukunft hoffen. Dank Rosis langem Kampf für die Blinden in Bangladesch wurden Mohammed und sie operiert und können jetzt wieder sehen.
Rosi flieht
Kurz darauf wird auch der Arbeitsplatz von Rosi von einer Bombe getroffen. Sie und ihr Vater flüchten jetzt zusammen mit Tausenden anderer aus der Stadt. Das ist ein gefährliches Unternehmen, denn die Flugzeuge greifen auch Bahngleise und Straßen an. In einer Nacht kann ihr Vater einfach nicht mehr laufen. Da stiehlt Rosi eine Schubkarre, in die sie ihren Vater und ihre Tasche lädt. Auf diese Weise schaffen sie die 40 Kilometer bis zur nächsten Bahnstation und am Ende bis in Sicherheit bei ihrer Mutter, die schon früher aufs Land geflohen war. Im Mai 1945, ist der Krieg zu Ende. Rosi ist froh, dass
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