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Inklusion
Im Ferienzentrum Centro Magliaso wird Inklusion gelebt
Das Centro Magliaso ist ein ganz spezielles Ferienzentrum direkt am Luganersee. Hier wird Diversität aktiv gelebt und gefördert: Das Centro soll ein Ort der Begegnung, des Wohlbefindens und der Inspiration für Menschen sein, unabhängig von Alter, Behinderung, Ethnie, Geschlecht oder Religion.
Text: Artur K. Vogel
Das Centro Magliaso, zehn Kilometer westlich von Lugano, wurde vor mehr als 75 Jahren als Gruppenunterkunft für kirchliche Lager gegründet und hiess damals «Centro Evangelico». 1989 übernahm die ausgebildete Hotelière Claudia Zbären die Leitung. Dass sie einen Transformationsprozess anstossen würde, war schon wegen ihrer Vorgeschichte klar: Sie hatte die renommierte Hotelfachschule in Lausanne absolviert und war in mehreren bekannten Häusern wie dem «Schweizerhof» in Luzern, im ehemaligen «Guardalej» in Champfer oder im «Swissotel» in New York tätig gewesen.
Claudia Zbären, geboren 1961 als Tochter eines protestantischen Pfarrers in Luzern, verwandelte das evangelische Zentrum in eine moderne, konfessionell unabhängige Ferienanlage für bis zu 240 Gäste. Änderungen waren dringend notwendig, wie sie erzählt: «Als ich hier einstieg, war die Situation ziemlich prekär. In jene Gebäude, die in den 1970er-Jahren gebaut worden waren, hatte man 15 Jahre lang nichts investiert. Zum Teil waren Flachdächer undicht. Zimmer, Bäder und Toiletten waren nicht mehr zeitgemäss.» Aber auch heute muss ständig renoviert und investiert werden wie in jedem Hotelbetrieb.
Weitläufiges Gelände am See
Auf dem weitläufigen Gelände am See stehen zehn ältere und neuere Gebäude, die auf unterschiedliche Bedürfnisse von Familien, Paaren, Gruppen oder Menschen mit Behinderungen zugeschnitten sind. Je nach Grösse der Familie oder der Gruppe finden sich diverse Arten von Zimmern: Doppelzimmer mit Bad, Duplex-Zimmer für grössere und kleinere Familien, teils mit eigenem, teils mit Etagen-Bad. Das Haus Bosaccio, vor kurzem umfassend renoviert, ist komplett barrierefrei; die zwölf Doppelzimmer sind für Menschen mit Behinderungen ausgestattet, mit Pflegebetten, befahrbarer Dusche und WC.
Pool, Liegewiese, Kinderspielplatz, ein kleiner Strand, das Angebot diverser Sportarten, eine Lounge, Tagungsräume sowie ein Grotto mit grosser Terrasse fürs Kaffeetrinken, Eisessen und fürs Apéro runden das Angebot ab. Wer nicht einfach am See faulenzen will, für den ist das Centro ein idealer Ausgangspunkt für Wanderungen, Biketouren und Ausflüge im Tessin und nach Italien, dessen Grenze nur vier Kilometer entfernt ist.
Auf die Küche wird im Centro grosser Wert gelegt. Für einige Jahre wurde die bekannte Gastronomin und Ernährungsberaterin Annagret Schlumpf als Coach beigezogen, die zuvor unter anderem die renommierte «Alpenrose» in Wildhaus im Toggenburg geführt hatte. Nach der Pensionierung des langjährigen Küchenchefs stieg der Veltliner Mauro Imperial ein, der zuvor unter anderem im Luxushotel «Badrutt’s Palace» in St. Moritz und im italienischen Restaurant «Trocadero» in Bad Ragaz gewirkt hatte.
Das Centro Magliaso, von Frühling bis Herbst geöffnet, gehört noch immer der Reformierten Kirche der Stadt Zürich. Diese ist allerdings nicht für den Betrieb verantwortlich; dafür zuständig ist vielmehr die Genossenschaft Evangelisches Zentrum für Ferien und Bildung. Obwohl es auch soziale Aufgaben erfüllt und zum Beispiel für Familien mit sehr schmalem Budget Ferien zu stark reduzierten Preisen anbietet, hat das Centro seit ihrem Einstieg «nie rote Zahlen geschrieben», betont Claudia Zbären. «Um das erreichen zu können, muss man einfach enorm kostenbewusst arbeiten, und bis anhin haben die Erwachsenen immer auch die Jugendgruppen quersubventioniert.»
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Ein Ort der Offenheit
«Wir wollen ein Ort der Begegnung, des Wohlbefindens und der Inspiration für Menschen sein, unabhängig von Alter, Behinderung, Ethnie, Geschlecht oder Religion», sagt sie dazu. «Das Centro bietet zeitgemässe Angebote für Ferien, sportliche Aktivitäten und Bildung zu zahlbaren Preisen.» Was das Feriendorf jedoch nicht sein will, ist ein Hotel. «Im Hotel macht jede*r für sich Ferien. Wir aber wollen ein Ort sein, an dem sich alle treffen. An dem die nötige Offenheit herrscht, sich mit anderen auszutauschen, einander kennenzulernen», sagt Claudia Zbären.
Der Kontakt zu andern ist jedoch kein Muss: «Natürlich können Gäste, die das wollen, unter sich bleiben», beteuert die Leiterin. «Doch für jene, die sich mit anderen austauschen möchten, stelle ich Tischpläne zusammen und setze Gäste zueinander, von denen ich denke, dass sie einander etwas zu sagen haben.» Beim Besuch dieses Berichterstatters bestand die durchkomponierte Tischrunde neben dem Journalisten aus einem Basler Theologen-Paar, einer jungen Frau, die als Buchhalterin arbeitet und wegen einer degenerativen Muskelerkrankung auf den Rollstuhl angewiesen ist, sowie ihrer Begleiterin. Für einen anregenden Abend war gesorgt.
Nur in einer einzigen Hinsicht herrscht keine Diversität im Centro Magliaso: Die dominierende Sprache ist Schweizerdeutsch; die allermeisten Gäste stammen von jenseits des Gotthards. Im Sommer kommen vor allem Familien, Paare und Einzelreisende. Im Frühling und Herbst beherbergt das Centro viele Gruppen. Auch Seminare, Studien- und Kurswochen werden hier abgehalten. •
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