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1. Berge – Natur und Lebensraum
Berge gehören zum Bergwandern. Je nach persönlicher Neigung nehmen wir sie unterschiedlich wahr: als prächtige Kulissen, als liebgewonnene Erholungslandschaften, als vielfältige Natur, als herausfordernde Sportplätze, als gefährliche Orte, als traute Umgebungen. Berge sind aber auch wichtige und empfindliche Lebensräume für Menschen, Tiere und Pflanzen. Dass wir beim Wandern Rücksicht auf die Natur und deren Bewohner nehmen, versteht sich von selbst.
1.1 Gebirgslandschaften der Schweiz
Mit einer durchschnittlichen Höhe von gut 1300 Meter über Meer ist die Schweiz nach Andorra das «höchste» Land Europas. In seinen Grundzügen geht das heutige Relief der Schweiz auf grossräumige Prozesse zurück, die vor rund 100 Millionen Jahren einsetzten. Die Kollision zwischen eurasischer und afrikanischer Platte war dabei die treibende Kraft und drückte das vorhandene Gestein in die Höhe – allerdings nicht gleichmässig, und nicht überall. Die Erosion nagte dann an diesen Bergen, und die Flüsse beförderten das abgetragene Material in die vorgelagerten Ebenen. So entstand, sehr stark vereinfacht, die vielfältige Topographie der Alpen und Voralpen, des Jura und des Mittellands.
Die Alpen gehören, was die Geologie angeht, zu den komplexesten Gebirgen der Welt. Sie sind sozusagen in die Tiefe gebaut, mit Hauptbauelementen («Decken»), die mehrfach übereinander gestapelt und gefaltet wurden. Das erklärt auch die grosse Vielfalt an Gesteinen, die wir heute an der Oberfläche bestaunen können. Zudem weisen die Alpen einen wesentlich grösseren Höhenbereich auf als etwa der Jura. Hier finden sich unter anderem enge Täler, tiefe Schluchten, hohe Berge, Gletscher, mächtige Fels- und Eiswände und Lawinenhänge, aber auch viel Weidegelände, ungenutzter Wald und tiefe Alpenrandseen. Rund 36 Prozent der Fläche bestehen aus unproduktivem Land (d. h. Gewässer, unproduktive Vegetation, Geröll, Fels, Firn und Gletscher).
Das Mittelland ist ein langes, vom Jura und den Alpen eingefasstes Becken. Es füllte sich während der Entstehung der Alpen mit Abtragungsmaterial, also mit Schutt, das von Flüssen abgelagert wurde. Aus diesem Schuttbecken schufen dann weitere Flüsse und eiszeitliche Gletscher jenes Mittelland, das wir heute kennen. Es ist eher hügelig als flach. Dass satte zehn Prozent der Fläche als unproduktiv gelten, liegt vor allem an den Seen.
Der Jura besteht weitgehend aus Sedimentgesteinen, die sich vor über 100 Millionen Jahren ablagerten. Als Gebirge ist er allerdings wesentlich jünger: Das heutige Massiv entstand durch Verfaltungen und Überschiebungen erst während der letzten Phase der Alpenbildung, sein Alter liegt irgendwo zwischen 2 und 10 Millionen Jahren. Wie ein lang gezogener Bogen folgt der Jura mehr oder weniger der West- und Nordwestgrenze der Schweiz und fächert sich teilweise in parallel verlaufende Bergketten auf. Als Grundgerüst dient Kalkgestein, das oft zum Vorschein kommt – in Form von hellen Graten und kleinen bis mittelgrossen Felswänden. Dazwischen breiten sich Hochplateaus und eher sanfte Täler aus. Unproduktive Flächen machen bloss ein Prozent des Jura aus.
Wenn wir die Grossregionen nach ihrer Gebirgigkeit unterteilen, sieht der jeweilige Flächenanteil etwa wie folgt aus:
Quelle: Landschaftstypologie Schweiz, ARE / BAFU / BFS, 2011 (vereinfacht).
Landschaftsformen
Das Aussehen einer Landschaft wird nicht nur vom geologischen Aufbau bestimmt. Denn an der Oberfläche wirken weiterhin viele geomorphologische Prozesse, die das Relief schrittweise verändern (und die Berge nach und nach einebnen). Viele dieser Vorgänge können wir von blossem Auge an den Landschaftsformen erkennen:
Kraft Beispiele für typische Landschaftsformen
Fliessendes Wasser V-Täler, Sandbänke, Flussdeltas, Schwemmebenen
Schwerkraft Bergsturzgebiete
Gletscher U-Täler, Moränen, Findlinge, viele Seen
Frost Schutthalden
Chemische Verwitterung Karstlandschaften, Höhlen, Dolinen
Einige Beispiele gefällig?
Ein U-Tal (Trogtal) erkennen wir an der ebenen Talsohle und den steilen, oft felsigen Flanken. Hier war ein riesiger Gletscher am Werk und hat das Tal aus dem Gestein herausgefräst. Die Seitentäler sind oft Hängetäler: Sie münden nicht eben ins Haupttal ein, sondern enden weiter oben mit einer abrupten Steilstufe (und oft einem Wasserfall) –weil sich die kleineren Seitengletscher nicht so tief einfressen konnten.
Das V-Tal (Kerbtal) entsteht hingegen durch die Erosionskraft eines Flusses, der sich immer tiefer ins Gelände gräbt. Diese Talform kommt vor allem dort vor, wo das Gefälle ausreichend gross ist, um eine starke Flussströmung und kräftige Hochwasser zu erzeugen. Deshalb sind enge Kerbtäler typisch für alpine und voralpine Regionen.
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Eine Schlucht ist ein Spezialfall des V-Tals. Das Wasser frisst sich ebenfalls immer tiefer in den Fels ein, lässt die Seitenwände allerdings nahezu senkrecht stehen (was stabiles Gestein bedingt). Wenn sie nicht durch aufwändige Bauten touristisch erschlossen sind, gehören die Schluchten zu den unwegsamsten Orten im Alpenraum und lassen sich oft nur mit Canyoning-Technik besuchen.
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