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«Glutenfrei ist kein Big Deal» Lebensmittel Allergien und Unverträglichkeiten – wie ein PionierHotel und eine Betroffene mit dem Problem umgehen und leben

«Glutenfrei ist kein Big Deal»

Hotel Hornberg war ein Pionier in der Küche für Gäste mit Allergien und Unverträglichkeiten. © Hannes Niederkofler

Hilmar Gernet

Liebe Gäste, es ist uns eine Freude, für Sie da zu sein. Ihre Gastgeber und Inhaber des Romantik Hotel Hornberg. Brigitte und Christian Hoefligervon Siebenthal.» So begrüsst das Besitzerpaar die Gäste auf der Webseite. Die Erwartung, einen Hinweis auf das besondere Angebot für Gäste mit NahrungsmittelIntoleranzen zu finden – Fehlanzeige. Im Hotel Hornberg, einem Pionierhotel für gesundheitliche Sensibilitäten beim Essen, ist das besondere Angebot seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit.

«Glutenfrei oder laktosefrei, das ist kein Big Deal, keine grosse Sache», erklärt Manfred Spengler, als Stellvertreter der Inhaber des Hornberg Hotels in Saanenmöser. Die gluten oder laktosefreie Küche für Personen, die Lebensmittel mit diesen oder anderen Elementen (z.B. auch Sellerie oder Histaminintoleranz) nicht vertragen, «läuft bei uns sozusagen nebenher». Es sei eine Zusatzaufgabe, die «voll in den Alltag des Hotels integriert» sei, erklärt der gelernte Koch und Absolvent der Hotelfachschule Thun. Man tue alles, damit sich die Gäste mit LebensmittelIntoleranzen wohlfühlten, nach dem Motto «glutenfrei, laktosefrei, sorgenfrei». Letztlich gehe es ja darum, die GästeBedürfnisse so optimal wie möglich zu erfüllen.

Vom USP zur Selbstverständlichkeit

Sensibel geworden für das Thema Unverträglichkeiten und Allergien ist man aufgrund der persönlichen Betroffenheit von SeniorChefin Elisabeth von SiebenthalWild. Daraus entstand der Anspruch, eine «perfekte Kulinarik anzubieten, die lecker und verträglich zugleich ist – auch wenn Gäste in irgendeiner Weise empfindlich auf bestimmte Allergene reagieren». Es wurde eine Auswahl an Speisen entwickelt, die fein und vielfältig ist. Anfänglich war dieses Angebot im Markt ein Alleinstellungsmerkmal (USP).

Inzwischen ist es im Hotel Hornberg eine Selbstverständlichkeit und die Auswahl für die betroffenen Gäste gross. Dazu Manfred Spengler: «Wir haben Stammgäste mit Unverträglichkeiten, solche die uns wegen des besonderen Angebots finden und solche, die uns zufällig finden.» Ein höheres Bewusstsein für Intoleranzen stellt er heute aber auch in anderen Gastbetrieben fest. Er geht noch einen Schritt weiter und postuliert gluten und laktosefreie Gerichte als «ein Must». Denn es sei die «wesentliche Aufgabe von Gastgebern, ihren Kunden einen schönen, angenehmen Aufenthalt in allen kulinarischen und atmosphärischen Belangen zu bereiten».

Geschulte und informierte Mitarbeitende

Damit alle Gäste «komplett sorgenfrei ihr Essen geniessen können, dass es verhebt», braucht es gut geschulte und informierte Mitarbeitende in allen relevanten Bereichen: Service, Einkauf, Küche, Direktion. Eine zentrale Aufgabe kommt dabei dem Empfang, der Rezeption zu, wenn die Gäste einen Aufenthalt

Die Inhaber Brigitte und Christian Hoefligervon Siebenthal und Manfred Schwengler (rechts) sorgen dafür, dass sich alle Gäste wohlfühlen. © Hannes Niederkofler

buchen, einen Tisch reservieren oder zum Essen eintreffen. «Da gilt es, aufmerksam hinzuhören und die Informationen vor allem auch bezüglich Unverträglichkeiten aufzunehmen», sagt Manfred Spengler. Zudem müssten die internen Abläufe «stabil und verlässlich funktionieren», damit diese wichtigen Informationen schnell an die richtigen Stellen weitergegeben werden. So könne die Sicherheit für den betroffenen Gast und das Wohlfühlerlebnis gewährleistet werden.

Romantik-Hotel keine Klinik

«Diese Selbstverständlichkeit haben wir uns durch die jahrelange Erfahrung und eine grosse Stabilität bei den Mitarbeitenden erarbeitet», sagt Manfred Spengler, der seit bald 12 Jahren die Unternehmung mitgestaltet. Neue Mitarbeitende würden persönlich und sorgfältig in das Thema eingeführt, auch mit Unterlagen der IG Zöliakie. Und in der Anfangszeit habe man ja sowieso «ein Auge» auf die neuen Mitarbeitenden. Zudem stelle man fest, dass die neuen TeamMitglieder das Knowhow rund um Unverträglichkeiten häufig als «job enrichement» sehen.

«Unschlagbares Brotsortiment»

Für die Kommunikation auf der Menükarte habe man einen anderen Weg gewählt. Für àlaCarteMenüs gäbe es eine separate Karte und einen schriftlichen Hinweis, welche kulinarischen Anpassungen die Küche bei Unverträglichkeiten vornimmt. So würde man lesen können, dass die Spätzli beim Hackbraten glutenfrei produziert und zubereitet seien. Kommt hinzu, dass alle Suppen und Saucen im Hause Hornberg grundsätzlich glutenfrei sind. Bei Halbpension würden immer MenüAlternativen angeboten.

«Unschlagbar ist das Brotsortiment beim Frühstück», schwärmt Manfred Spengler. Kernen und Kastanienbrot, Zöpfli, aber auch SchoggiKuchen oder Guetzli. Einige der glutenfreien Köstlichkeiten werden von Elisabeth von Siebenthal übrigens selbst gebacken. Dabei macht sie kein Geheimnis aus ihren Rezepten. Als Betroffene gab und gibt sie die Anleitungen gerne weiter, früher auch in Kursen. Sie möchte so dazu beitragen, das Leben von Leuten, die mit Unverträglichkeiten leben müssen, zu erleichtern.

Einen Diätkoch gibt es im Hotel Hornberg nicht. Man verzichtet auch auf die Verwendung von Symbolen oder Labels auf der Menükarte, welche die Unbedenklichkeit bezüglich Gluten oder Laktose signalisieren. Man wolle vermeiden, dass man sich im Ferien und RomantikHotel wie «in einer Klinik» vorkomme, kommentiert Spengler.

«Tüpfli auf dem i ist glutenfreies Brot»

Maja Giger. © Elfi Rasser

Hilmar Gernet

Allergien, Sensibilitäten, Unverträglichkeiten beim Essen, Maja Giger lebt gut damit. Das war nicht immer so. Als Kind hatte sie immer einen kugelrunden Bauch und musste viele ärztliche Untersuchungen über sich ergehen lassen. Die Krankheit Zöliakie war noch kaum bekannt. Man war der Meinung, es sei eine Kinderkrankheit, die mit 18 Jahren überwunden sein sollte. So durfte Maja Giger dann plötzlich Brot und Pizza essen. «Es war brutal hart, mit diesen guten Sachen wieder aufzuhören», sagt sie, denn die Schmerzen und Symptome kehrten sofort zurück. Wie geht Maja Giger, beim Fachmagazin Hotelier zuständig für Marketing, Verkauf und Beratung, mit der GlutenUnverträglichkeit im täglichen Leben um?

Wie würde sich bei Dir zeigen, wenn in einem Essen Gluten enthalten waren?

Maja Giger: Ein Bissen Brot oder zwei, drei Löffel Suppe verursachen starke Blähungen und eine sehr schmerzhafte Darmentzündung. Zwar kollabiere ich nicht und

Was ist Zöliakie?

Es ist eine Unverträglichkeit des Dünndarms gegenüber Gluten. Gluten ist ein Sammelbegriff für Proteine (Klebereiweisse), die in den Getreidesorten Weizen (inkl. Einkorn, Emmer und Khorasan Weizen – oft erhältlich unter dem Namen Kamut), Dinkel und Ur-Dinkel, Grünkern, Gerste, Roggen und Hafer enthalten sind. Zöliakie betrifft etwa 1 von 100 Personen. Bei Menschen mit Zöliakie löst der Verzehr von Gluten eine Entzündung der Dünndarmschleimhaut aus. Dadurch sterben mit der Zeit die Zotten des Dünndarmes ab und es kommt zu einer Unterversorgung des Körpers mit lebenswichtigen Vitaminen. Nährstoffe werden nur noch vermindert aufgenommen. In vielen Fällen dauert es lange, bis eine Zöliakie diagnostiziert wird, da diese Erkrankung verschiedene, oft nicht eindeutig zuzuordnende Symptome verursacht.

zoeliakie.ch müsste auch nicht ins Spital eingeliefert werden. Aber während einigen Stunden kann ich nicht stehen, sondern nur noch liegen. Es dauert dann drei, vier Tage, bis die Bauchschmerzen und die Flatulenzen vorbei sind. Alles sehr unangenehm und schmerzhaft.

Was machst Du, um keine Gluten-Attacke zu erleben?

Ich muss akribisch vorsichtig sein. Beim Einkaufen lese ich jede Verpackungsbeilage in allen Details. Beim Auswärtsessen frage ich immer, ob das Gericht glutenfrei ist. Manchmal ist das mühsam, wenn auf der Menükarte nichts deklariert wird. Aufgrund meiner Erfahrung würde ich sagen, dass rund 60 Prozent des Servierpersonals nicht verlässlich Auskunft darüber geben können, ob ein Gericht glutenfrei ist, 40 Prozent sind gut informiert. Um mit der Unverträglichkeit gut zu leben, heisst es für mich lesen, lesen, lesen und fragen, fragen, fragen.

Es scheint, dass man als Gast mit einer Allergie nicht immer wertschätzend behandelt wird.

Ja, gelegentlich beschleicht einem das Gefühl, man verursache Probleme. Warum brauchst du eine Extrawurst? Kannst du nicht normal essen? Solche, nicht verbal mitgeteilte Botschaften sind unangenehm. Oder wenn das Essen trotz des Hinweises mit Brotcroutons oder der Kaffee mit Bisquits serviert wird, weiss man, dass die nötige Sensibilität fehlt. Aber es gibt auch den andern Fall. Das Tüpfli auf dem i ist, wenn einem glutenfreies Brot gereicht wird. Das ist echte Wertschätzung.

Gibt es kein Label, das für glutenfreie Produkte steht und den Betroffenen den Alltag erleichtert? Doch. Das GlutenfreiSymbol ist eine durchgestrichene Ähre in einem Kreis. Das Symbol ist im Handel und immer mehr auch in der Gastronomie verbreitet. Für mich schafft das Label echte Sicherheit, dass es sich eindeutig um ein kontrolliertes, glutenfreies Produkt handelt. Das Symbol wird von der IG Zöliakie vergeben.

Sharing Food – Freude teilen

«Das grösste soziale Netzwerk der Welt ist das Essen. Nicht Facebook.»

Ferran Adrià; spanischer Koch, Mitbegründer der Molekularküche

In modernen Gesellschaften treten zunehmend Freundesgruppen an die Stelle von Familie und festen Partnerstrukturen. Aber die Sehnsucht nach familiärer Nähe und Nestwärme bleibt und verlagert sich ins Restaurant. Gemeinschaftliches Essen an langen Tafeln und das Revival von grosszügigen Schüsseln und Platten ermöglichen Geselligkeit, Austausch und geteilte Gaumenfreuden.

Sharing Food

Was liegt da Feines auf dem Teller vor meinem Tischnachbarn? Probieren ist jetzt kein Problem mehr! Dieser Trend zieht sich heute durch alle Schichten der Gesellschaft. Ob bei veganen Snacks oder bei exquisiten ApéroHäppchen im LuxusRestaurant – Essen zum Teilen ist heute überall zu finden. Mit ein Grund dafür ist wohl auch die Qual der Wahl in einem riesigen Menüangebot. Sich aus einer Fülle von Speisen für ein einziges Gericht entscheiden zu müssen, kann schwierig sein. Viel verlockender erscheint da die Möglichkeit, verschiedene Häppchen zu probieren und sich darüber zu unterhalten. Lassen Sie sich inspirieren. Ob in unserem Showroom in Sempach Station mit persönlicher Beratung oder jederzeit in unserem neuen Onlineshop. Wir freuen uns auf Sie.

MIX & MATCH

Bei dem Sharing Konzept lassen sich auch perfekt Artikel aus unterschiedlichsten Materialien mischen. Man kann ungezwungen Keramik, Porzellan, Stein, Holz, Glas usw. miteinander kombinieren. Wagen Sie es, stellen Sie die Artikel intuitiv, humorvoll und doch professionell zusammen, denn daraus entsteht eine Liebeserklärung an die Kunst des kulinarischen Inszenierens.

Full of taste – Zero waste

Die Wegwerfgesellschaft bekommt scharfen Gegenwind. Denn die Müllberge wachsen, und auf den Ozeanen dümpeln Kontinent grosse Plastikteppiche. Weniger Abfall, mehr RohstoffErhaltung ist daher der Kompass eines nachhaltigeren Lebensstils. Dazu gehören unverpackte Lebensmittel genauso wie eine mit regional angebauten Zutaten arbeitende Küche. Passend zur neuen Achtsamkeit gibt es nun bei PLAYGROUND die Serie ReNew – eine innovative Kollektion aus recyceltem keramischem Material. Für den Megatrend der NeoÖkologie zählt nicht nur was draufsteht, sondern was drin ist. Die innovative Kollektion ReNew ist zu 90 Prozent aus recyceltem keramischem Material hergestellt. Zusammen mit natürlichen Zusatzstoffen wird es bei 1180 Grad Celsius gebrannt. Durch die hohe Temperatur entsteht eine vollständig gesinterte und «verglaste» Oberfläche. Die auf der Aussenseite matten Artikel sind innen vollständig glasiert, für FoodPräsentationen auf einer hygienischen Oberfläche. Die Glasur verhindert zudem Verfärbungen auf der Speisefläche. So ergänzen sich handwerkliche Optik und Praktikabilität.

berndorf.ch

Spitzengastronomie kann einen Beitrag gegen Klimawandel und für Biodiversität leisten

Kochkunst auf höchstem Niveau reicht in der Spitzengastronomie heute nicht mehr aus. Es gilt, dem Gast relevante Aspekte zu Nachhaltigkeit und Biodiversität transparent zu machen. Warum Relais & Châteaux hier ein Vorreiter ist und welche Kraft von 350 MichelinSternen ausgeht, erklärt Jan Stiller, Delegierter von Relais & Châteaux Schweiz und Liechtenstein.

Interview: Dorothee Neururer

Nachhaltigkeit und Klimaerwär-

mung sind die globalen Megatrends. Welche Nachhaltigkeitsmassnahmen gibt es bei Relais & Châteaux?

Jan Stiller: Die erste Aktion gab es bei uns schon 2009 mit der Unterzeichnung der Ethic Ocean Charta. 2014 haben wir dann unsere «Vision für eine bessere Welt durch Kochkunst und Gastfreundschaft» der UNESCO vorgelegt. Seitdem hat sich unser Engagement stetig weiterentwickelt und deckt heute vier Kernthemen ab: Saving the Oceans. Dahinter steht die Zusammenarbeit mit der Umweltorganisation Ethic Ocean. Die Leitidee, nachhaltige Fischereipraktiken zu entwickeln, die Verschmutzung und Überfischung der Ozeane zu reduzieren und die Zusammenarbeit zwischen Fischern, Gastronomen, Wissenschaft und Politik zu fördern. Viele unserer Häuser sind in Küstenregionen. Deren Chefs verstehen sich als Teil des maritimen Naturraumes. Hinter Food for Change steht die Zusammenarbeit mit Slow Food. Wir haben die gleiche Wertehaltung und viele Teilnehmer sind unsere Lieferanten. Dank des Engagements unserer Chefs wurden 85 Lebensmittel neu in die Arche des guten Geschmacks aufgenommen. Letztes Jahr zum Beispiel die Schwarzkirsche und das Bündnerfleisch aus der Schweiz. Sustainable Infrastructure beinhaltet unter anderem Abfallvermeidung und Clean Mobility. Das Relais & Châteaux Union Øye in Norangsfjorden in Norwegen zum Beispiel hat eine NullAbfall und NullPlastik Strategie. In der Schweiz sind es die Relais & Châteaux Castello del Sole und Alex Lake Zurich, die sich bis 2023 komplett plastikfrei präsentieren möchten und auf EMobility und ÖV setzen. Bei Acknowleding People geht es um das Wohlergehen und die Wertschätzung unserer Mitarbeitenden.

Interessiert Nachhaltigkeit den Gast in einem Luxushaus überhaupt? Will man da nicht einfach mal auf hohem Niveau geniessen?

Nachhaltigkeit ist überall ein Thema, und ein Gast lässt seine Wertvorstellungen ja nicht zu Hause, wenn er zu uns kommt. Im Gegenteil, das wird gerade bei uns und zuallererst in der Kulinarik erwartet. In den anderen Bereichen ist es die Art, wie man mit dem Gast darüber spricht. Bei uns im Lenkerhof erklären wir in einem Booklet, dass wir Kosmetik und VanitySets nur auf Wunsch abgeben. Oder die Green Feet Aktion, wo der Gast seine eigenen Slipper mitbringt. Dafür geht ein kleiner Betrag in ein Nachhaltigkeitsprojekt in unserem Haus, zum Beispiel in Bienenstöcke. Die Gäste verstehen das. Unser Verständnis von Luxus ist, dass alles vorhanden ist, was man in

Jan Stiller, Delegationsvorsitzender Relais & Châteaux: «Wir nutzen unsere Power und engagieren uns weltweit.» © GjB Fotografie

Algen sind viel mehr als ein Superfood. © Stefan Andrews Viele Relais & Châteaux Häuser halten eigene Bienenvölker. ©Matt Round Photography

einem 4 und 5SterneHaus erwarten kann. Aber der Gast entscheidet selbst, was und wie viel.

Und die Zukunft der Kernthemen?

Wichtig ist, es ist kein starres System, sondern ein Werterahmen, in dem es Platz für eigene Ideen gibt. Zudem sehen wir, dass das, worin wir früher Vorreiter waren, heute an vielen Orten noch immer gut, aber Standard ist. Derzeit machen wir eine Erhebung in allen Häusern zum Status Quo der Nachhaltigkeitsaktivitäten in allen Geschäftsbereichen. Diese Bestandsaufnahme wird die Ausgangsbasis für künftige Schritte.

Die Food-Trend-Forscherin Hanni Rützler sieht die Spitzengastronomie als Vorreiter und wichtige Botschafterin, wenn es um Nachhaltigkeit in der Lebensmittelbranche geht. Können Sie das unterschreiben?

Definitiv. Die Spitzengastronomie ist dem, was morgen Standard ist, ca. 5–10 Jahre voraus. Daniel Humm, der in New York rein vegan kocht, sagt: «Wenn die Spitzengastronomie nicht vorlebt, was ethisch wichtig ist, wie kann man erwarten, dass es an der Basis ankommt?» Stéphane Décotterd im Relais & Châteaux Maison Décotterd in Glion arbeitet heute zu 100 Prozent mit lokalen Produkten. Man hatte ihm prophezeit, er würde seine Sterne bei der Umstellung verlieren. Zwei Jahre hat er getüftelt. Seine Beharrlichkeit hat sich gelohnt. Er hat nicht nur die Sterne behalten, sondern servierte das erste 0KilometerMenü. Einige unserer Chefs arbeiten intensiv mit Algen. Hugo Roellinger im Relais & Châteaux Le Coquillage in der Bretagne geht es nicht darum, Algen als Superfood zu promoten. Er zeigt, dass man ethisch und nachhaltig kochen kann, weil Algen von Natur aus schon immer im marinen Lebensraum vorhanden sind. Man muss sich klar machen, dass Relais & Châteaux mit seinen über 580 Mitgliedern über das grösste Netzwerk von Chefköchen verfügt. Sie haben nicht nur 350 MichelinSterne erkocht, sondern verfügen auch über ein immenses Wissen über Lebensmittelkreisläufe und Landwirtschaft. Wir nutzen diese Power, um zum Erhalt der Biodiversität und gegen die Klimaerwärmung beizutragen.

relaischateaux.com

«Cancel culture» in der Küche

Hilmar Gernet

Köche haben einen in vielfacher Weise höchst anspruchsvollen Beruf. Derzeit scheint er, um eine sensible Dimension erweitert zu werden. Setzen sie sich dem Vorwurf der «kulturellen Aneignung» aus, wenn sie Gerichte kochen, die Elemente fremder Küchen enthalten?

Als Fachmagazin berichtet der Hotelier über möglichst alle Aspekte in und ums Hotel. Dazu gehören auch Texte über Köche und ihre KochPhilosophie; auch in der vorliegenden Ausgabe. Da ist zu lesen, dass der neue Chief Exekutive Kulinarik des The Chedi in Andermatt, Carsten Kypke, von der asiatische Küche fasziniert und inspiriert sei. Er freue sich, für die Gäste «als Besonderheit» bei jedem Gericht ein Produkt ins Zentrum zu stellen – «einmal asiatisch und einmal europäisch interpretiert».

Das FIVE in Zürich preist in der Mitteilung zur Neueröffnung, dass das Hotelerlebnis «mit einer preisgekrönten, innovativen, japanischen Küche» beginne. Und im chinesischen Gourmetrestaurant des Hauses werde «kulinarische Tradition mit kantonesischen, Sichuan, Shanghai und PekingEinflüssen» serviert. Schliesslich wartet das «Soul St.» mit «Cocktails und StreetFoodKöstlichkeiten» auf. Auch das nicht unbedingt helvetische Küche, wenn «die Party schon beim Essen los geht“.

Nur noch Ländler-Musik?

Im Restaurant (!) Brasserie Lorraine in Bern wurde kürzlich ein Auftritt der Band «Lauwarm» abgebrochen. «Während dem Konzert kamen mehrere Menschen unabhängig voneinander auf uns zu und äusserten Unwohlsein mit der Situation. Es ging dabei um die Thematik ‹Kulturelle Aneignung›», schreibt das Restaurant auf Facebook. Zudem entschuldigt man sich bei allen Menschen, bei denen das Konzert «schlechte Gefühle» ausgelöst habe sowie für eigene «Sensibilisierungslücken». Die Band spielte nach Angaben des InternetPortals watson, das einen Gast zu Wort kommen liess berndeutsche Songs, die «Elemente von Reggae, Pop und Worldmusic» enthielten. Ein User fragt: «Gibts in Zukunft nur noch LändlerMusik bei euch? Wobei man beim ‹Schottisch› wohl schon wieder einschreiten müsste».

Rösti unter Druck?

Dass ausgerechnet «Progressive» zunehmend «jede Vermischung in Kunst, Sozial¬wissenschaften und sogar in der Küche als Diebstahl und Ausbeutung» brandmarken sei eine gefährliche Entwicklung, schreibt die NZZ. Sie befürchtet im Artikel «Kulturelle Aneignung – ein gefährlicher Vorwurf» (4.8.2022), dass Antirassismus «in Schubladendenken und Ghettoisierung» kippt. Geschlagen wird auch eine Brücke zur internationalen Küche.

«Das absolute Verbot kultureller Aneignung wäre der Tod der Kultur, die mit Selbstüberschreitung zu tun hat. Das gilt selbst für die Küche.» Konkret hingewiesen wird auf eine Kritik, mit der sich der Starkoch Jamie Oliver konfrontiert sah. Sein «JerkRice» würde vom Original aus Jamaica abweichen. Der Autor, David Signer, Ethnologe und langjähriger AfrikaKorrespondent der NZZ kommentierte: «Kochen ist doch das Paradebeispiel für einen Schmelztiegel! Vielleicht wird demnächst auch die Rösti wegen kultureller Aneignung gecancelt. Schliesslich stammt die Kartoffel aus Südamerika.»

Erkenntnisse und Erlebnisse

Das Fremde, das Andere scheint von einer Minderheit zunehmend als Zumutung, als Angriff, als Unverträglichkeit mit dem Bekannten, dem Eigenen, dem Hiesigen gesehen. Vielfalt, Entdeckung, Überraschung, oder Neues wird darin nicht gesehen, das eine Auseinandersetzung verdiente oder verlangen würde. Vielmehr soll es verbannt werden. In der «kulturellen Aneignung» sieht man eine gesellschaftliche Unverträglichkeit, bei der auch kein Warnhinweis «Vorsicht international» genügen würde. Speisen aus der Hotelküche können Spuren oder Elemente anderer Kulturen und Küchen enthalten.

Die offene, plurale, westliche Gesellschaft mit ihren freiheitlichen Errungenschaften ist, zugegeben, nicht leicht zu ertragen, gelegentlich mühsam und anstrengend. Eine Alternative zu einem toleranten Nebenund Miteinander gibt es nicht. Wir müssen uns der Auseinandersetzung stellen. Diese bringt fast immer neue kulturelle Erkenntnisse und kulinarische Erlebnisse.

Das 29. Concerto del vino italiano, 4.und 5.September 2022

Weine, die zum Erfolg führen

in der Gastronomie

Sehr geehrte Gastgeberinnen und Gastgeber Dank Internet und automatisierten Logistikleistungen sind wir heute so weit: die meisten Weine kann man fast überall kaufen. Deshalb wird der Teil unserer Aufgabe immer wichtiger, bei dem es darum geht, aus der unendlichen Vielzahl der Weine jene auszuwählen, die sich über ihre Qualität aus dem Meer der Angebote herausheben.

Wir führen nicht alles, aber das, was wir im Angebot haben, das ist gut. Eine Versicherung gerade für Gastronomen, deren Weine nicht nur zum Lokal passen müssen, sondern darüber hinaus im Gesamtsortiment auch eine gewisse Bandbreite abdecken und ein exzellentes Preis/Genussverhältnis haben sollten.

An unserem Concerto finden Sie, was Sie brauchen. Über 40 der besten Winzer Italiens präsentieren ihre Weine, erklären, wie sie gemacht wurden und warum sie sind, wie sie sind.

Kommen Sie vorbei, degustieren Sie, vergleichen Sie, lassen Sie es sich gut gehen – am 4. und 5. September im Dolder Grand in Zürich.

Mit freundlichem Gruss

Ueli Schiess

Alle Programmdetails erfahren Sie unter www.caratello.ch

Caratello Weine AG Zürcher Strasse 204E, CH-9014 St.Gallen T 071 244 88 55, F 071 244 63 80 info@caratello.ch, www.caratello.ch

Azelia

Domenico Clerico

Aldo Conterno

Moccagatta

Monchiero Carbone

Ca’del Bosco

Buglioni

Gini–Scajari

Venica & Venica

Castellare

Fontodi

Castello dei Rampolla

Le Macchiole

Petra

Castiglion del Bosco

Poliziano

Sterneküche mit Blick auf See und Berge.

Chance des Lebens gepackt: Punkte und Stern geliefert

Seit 20 Jahren betreibt das Grand Hotel Villa Castagnola in Lugano die Galerie Arté al Lago direkt am See. Genauso lang wirkt der Schwabe Frank Oerthle dort mit grossem Erfolg als Küchenchef: Sein Restaurant ist mit einem MichelinStern und 16 Punkten GaultMillau bewertet.

Artur K. Vogel

Die Galerie Arté al Lago ist ein überaus elegantes Restaurant direkt am Lago di Lugano, im vorderen Bereich in hellen Tönen gehalten, im hinteren mit tiefgründig wirkenden Wänden in Aubergine, alle Plätze mit unverstellter Sicht auf See und Berge. Gleichzeitig dient das Lokal als Galerie, die wechselnde Ausstellungen moderner Kunst zeigt – im Moment gerade eine Retrospektive auf die bisherigen Ausstellungen aus 20 Jahren mit Werken von zehn Künstlerinnen und Künstlern.

Ausgesprochen künstlerisch wirken auch die Teller, die aus Frank Oerthles Küche auf die Tische kommen. Ein kleines Türmchen mit Foie gras, Langustinen in zwei verschiedenen Zubereitungsarten, Lammfilet oder Hummerschwanz: Alles ist ebenso verspielt wie präzise angerichtet, sodass man es schade findet, zu Gabel und Messer zu greifen und die Werke zu zerstören. Und erst die Desserts: durchgestylte Köstlichkeiten, die im Mund zergehen.

«Die Optik ist sehr wichtig», hat Oerthle vor dem Essen bei einem Gespräch betont: «Die Leute kommen zu uns, weil sie etwas Gutes und Schönes essen wollen.» Aber überkandidelt oder abgehoben soll es nicht sein. Oerthles Küche ist selbstverständlich saisonal und arbeitet wo möglich mit lokalen Produkten. Als «avanciert mediterrane Küche mit optischen Akzenten» hat GaultMillau diese bezeichnet.

Südliche Küche

Der 54jährige Chef schmunzelt: Natürlich ist Lugano eine südliche Stadt. Aber die Tessiner Küche wäre für die Galerie Arté al Lago dann doch etwas zu simpel und rustikal gewesen. Also orientieren sich die Menüs – das Degustationsmenü, das alle 14 Tage wechselt, und die Speisekarte, die viermal im Jahr umgebaut wird – an Italien und dem Mittelmeerraum.

Sein Handwerk gelernt hat Oerthle, der aus Stuttgart stammt und in München aufwuchs, in einem Sporthotel in Oberstorf im Allgäu. Seinem damaligen, «extrem engagierten» Chef ist er noch heute dankbar: «Er hat mich in alle Facetten der Kochkunst eingeführt.» Das Hilton und das Sheraton in München sowie mehrere Sterneküchen waren Oerthles nächste Stationen. Doch nun feiert er ein persönliches Jubiläum: Er kam vor 30 Jahren ins Tessin, um seine damalige bayerische Freundin zu besuchen, die in Ascona arbeitete. Und er blieb: sowohl im Tessin als auch bei der Lebenspartnerin, die inzwischen in einem 4SterneHotel oberhalb von Ascona die Restauration leitet. Vorerst war er sechs Jahre lang Souschef im 5SterneHaus Giardino

Weitläufiger Park des Grand Hotel Villa Castagnola. Seit 20 Jahren verantwortet Frank Oerthle die kreative Küche im «Arté».

in Ascona. Danach begann er in der gleichen Position in der Villa Castagnola.

Die Villa Castagnola zählt schon seit dem späten 19. Jahrhundert zu den führenden Hotels der Schweiz und ist seit 40 Jahren im Besitz der Familie Garzoni. Diese übernahm 2002 das ehemalige Hotel Du Midi direkt am See, baute es zu Residenzen um und eröffnete im Erdgeschoss gleichzeitig das Restaurant mit Kunstgalerie.

Wie eine private Villa

Die Villa Castagnola will genau dies sein: eine Villa, in der die Gäste betreut und umsorgt werden. Als Gast spürt man diese persönliche Atmosphäre sofort, was auch mit dem überaus freundlichen, zuvorkommenden und gut geschulten Personal zu tun hat. Einige Angestellte arbeiten seit Jahrzehnten hier. Auffällig sind zudem die Kunstwerke, die wertvollen Wandteppiche und Sammelstücke aus aller Welt, die man sowohl in der Lobby, den Salons und Restaurants bestaunen kann als auch in den Gängen, den Zimmern und im weitläufigen, gegen den See hinunter sanft abfallenden Park.

Zurück zu Frank Oerthle. Er bekam seine Chance 2002: Während das Restaurant mit Kunstgalerie umgebaut wurde, «kam Frau Garzoni, die Chefin, auf mich zu. Sie machte mir ein Angebot, das allen meinen Träumen entsprach: ‹Das da unten, Bursche, das kannst du machen. Aber ich möchte Sterne und Punkte sehen›. Die Chance meines Lebens!» Frank Oerthle strahlt noch heute, wenn er diese Geschichte erzählt, und fügt hinzu, dass die Chefin, inzwischen 85 Jahre alt und aktiv wie eh und je ist, «für mich wie eine strenge, aber freundliche Grossmutter».

Der Küchenchef lieferte, was man von ihm erwartete: 2008 erhielt er die GaultMillauPunkte, 2010 kam der MichelinStern hinzu. Heute ist die Galerie Arté al Lago unbestritten eines der besten Gourmetlokale in Lugano. «Ich habe mich für die Chance, die man mir gegeben hatte, revanchiert», sagt Oerthle.

Sein Küchenteam ist klein, fünf Personen und gelegentlich eine Aushilfe. «Wir ergänzen uns prima, das geht Hand in Hand bei uns», sagt er. Der Vorteil einer kleinen Equipe sei, «dass ich als Chef Hand anlegen kann und nicht nur dirigiere wie in grossen Küchen». Oerthle erzählt weiter, «die Passion fürs Kochen, die liegt mir im Blut, ebenso die Kreativität». Eine weitere Passion sind seine sportlichen Aktivitäten. Beides nimmt man ihm als Gast ohne weiteres ab, spätestens wenn das erste kulinarische Kunstwerk auf den Tisch kommt.

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