
Hans Markus Tschirren
Hans Markus Tschirren
Hans Markus Tschirren
Wenn die Aussicht vom Ostsignal in Richtung Alpen zu Ihrer DNA gehört, wenn Sie regelmässig auf den Gurten joggen, spazieren oder Velo fahren oder wenn Sie Stammgast sind am Festival, dann glauben Sie bestimmt, den Gurten à fond zu kennen. Der Güsche ist der Hausberg der Stadt Bern (auf dem Gebiet der Gemeinde Köniz) und reicht bis 858 Meter über Meer. Ganzjährig ist er bequem erreichbar mit der Gurtenbahn. Er ist das Zuhause einer Mountainbike-Downhill-Strecke, einer Sommer-Rodelbahn sowie eines Spielplatzes inklusive 600 Meter Isebähnli und wird seit 25 Jahren als Gurtenpark im Grünen durch die Migros betrieben. And last but not least: It’s the home of the legendary Gurtenfestival.
Möglicherweise kennen Sie unseren Lieblingshoger tatsächlich besser als andere. Ich vermute allerdings, dass es Ihnen bei der Durchsicht dieses Buches ähnlich ergehen wird wie mir: Trotz unzähligen Velofahrten, Festivalbesuchen und Familienausfügen muss ich zugeben, dass ich bisher nicht alles über den Gurten wusste. Dank dem Buch «GURTEN» des ehemaligen Lehrers und SRF-Journalisten Hans Markus Tschirren und der Fotografn Alexandra Hertig erhalte ich nun die Gelegenheit, Versäumtes nachzuholen. Ich lerne Neues dazu und entdecke mir bisher Unbekanntes. Dabei wird mir abermals bewusst, wie selten wir im Alltag und im gewohnten Umfeld auf Details achten. Und verpassen so allerhand spannende Geschichten. Doch damit ist – zumindest was den Gurten betrift – nun defnitiv Schluss. Der Güsche gibt in diesem wunderbaren Buch seine letzten Geheimnisse preis, und ich freue mich darüber, sie entdecken zu dürfen.
Als ich mit meinem ersten Kind hochschwanger war, lief ich täglich auf den Gurten. Ich hofte, damit die Wehen auszulösen. Das hat nicht geklappt, meine Tochter nahm sich die Zeit, die sie brauchte. Aber meine täglichen Spaziergänge den Berg hinauf haben meine Nervosität und Ungeduld gebändigt. Denn der Gurten strahlt eine grosse Ruhe aus, und er beruhigt, wer immer an seinen Hängen hinauf oder hinunter spaziert.
Wer wie ich am Fuss des Gurtens lebt, hat in ihm einen täglichen Begleiter. Er ist da, wenn ich morgens auf dem Balkon die Temperatur prüfe, ich sehe ihn, wenn ich mit dem ÖV oder dem Velo ins Könizer Gemeindehaus fahre, ich sehe ihn aus meinem Gemeindepräsidentinnen-Büro, wenn ich aus dem Fenster schaue. Er bietet durch seine markante Erscheinung jederzeit Orientierung.
Wie viele Menschen aus der Region und dem ganzen Kanton verbinde ich unzählige persönliche Erlebnisse mit dem Gurten. Obwohl ich im Berner Oberland aufgewachsen bin, habe ich mein erstes grosses Konzert mit meiner Familie auf dem Gurten erlebt: Ich erinnere mich gut an die Toten Hosen und die schöne Abendstimmung an meinem ersten Gurtenfestival. Viele weitere sollten folgen. Auf dem Gurten habe ich mit meinen Kindern die ersten Schlittelfahrten ihres Lebens unternommen, wir haben stundenlang Boccia-Kugeln auf ihrem Weg durch die legendäre Kugelanlage beobachtet, wir haben an kalten Tagen Pommes mit warmer Schoggi im Tapis Rouge genossen, sind spontan nach Feierabend auf eine Runde Riesenrad oder Rodelbahn und haben unzählige Sonntagsspaziergänge rund um und auf den Berg unternommen.
Der Gurten ist für uns Alltag, dabei vergessen wir manchmal fast, wie beeindruckend er ist. Er dient uns allen als beliebtes Naherholungsgebiet und ist gleichzeitig Veranstaltungsort von Grossereignissen wie dem Gurtenfestival, dem Theater Gurten und dem Gurten Classic. Er ist ein Tourismus-Hotspot des Kantons Bern und kann sich, was Besucher:innenzahlen angeht, mit den Jungfraubahnen messen.
Der Gurten bewegt die Menschen in unserer Region seit Jahrhunderten und hat eine zentrale Rolle in unserer Geschichte gespielt. Höchste Zeit also, ihn genauer unter die Lupe zu nehmen und die Geschichten zu erzählen, die sich an seinen Hängen und auf seinem Gipfel abgespielt haben. Stolz ist die Geschichte unseres Hausbergs, und wir sind stolz auf ihn.
Tauchen Sie ein in die Geschichte des Gurtens. Erfahren Sie Erstaunliches, Amüsantes und Wissenswertes über den Könizer Hausberg, den wir gerne mit der ganzen Region und weit darüber hinaus teilen. Ich wünsche Ihnen eine unterhaltsame Lektüre. Herzlich
Tanja Bauer Gemeindepräsidentin Köniz
Das war damals kein besonders origineller Vorschlag. «Uf e Güsche» gingen wir Buben, wenn wir nichts Besseres zu tun hatten. Der schulfreie Mittwochnachmittag war so ein Zeitpunkt. Dort hatten wir Platz zum Fussballspielen, nachdem der Golfplatz nicht mehr gebraucht wurde. So machten wir uns immer wieder auf den Weg. Zu Fuss natürlich. Das Taschengeld sparten wir für Besseres als für ein «Bähnlibillett». Dass der Gurten der «Hausberg der Stadt Bern» war, kümmerte uns nicht. Wir waren schliesslich alle dort aufgewachsen. Mein Kinderzimmer lag zum Beispiel nur 120 Meter von der Talstation der Gurtenbahn entfernt. Die wundervolle Aussicht auf die majestätische Bergwelt? Der Sonntagsausfug mit der Familie? Touristen aus dem fernen Zürich? Kümmerten uns nicht. Der Gurten war zum Fussballspielen da. Und für mich jeweils am Abend, um mit meinem Hund spazieren zu gehen.
Fast 70 Jahre später machte mir jemand den Vorschlag, doch ein Buch über den Gurten zu verfassen. Ich lebte längst nicht mehr in Wabern, und auf dem Gurten war ich schon jahrelang nicht mehr gewesen. Dennoch oder gerade deswegen hatte die Idee ihren Reiz. Ich machte mich wieder auf den Weg. Zuerst staunte ich. Der Fussweg war immer noch der gleiche wie zu meiner Bubenzeit. Aber er war viel länger. Und steiler! Als ich oben ankam, ging ich erst einmal zum Ostsignal – wegen der Aussicht … Auf einmal wurden wieder Erinnerungen wach: an meine Eltern, an meine damaligen Kollegen, an das Skispringen im Nebel, an die Sonnenfnsternis, die wir 1961 mit der Schulklasse beobachtet hatten, und an den Jahrtausendwechsel mit der unvergesslichen Feier, bei der Bernhard Luginbühl sein monumentales Kunstwerk in Flammen aufgehen liess. Der Gurten war auf einmal voller Erinnerungen, voller Geschichten. Je länger ich ihnen nachspürte, mit Menschen sprach, desto mehr begann der Gurten wieder zu leben. Es war immer noch mein Gurten, aber ich sah ihn jetzt mit ganz andern Augen.
Ich hofe, dass ich etwas davon wiedergeben und Sie mitnehmen kann. Nicht auf den «Hausberg der Stadt Bern», sondern auf den Berg meiner Kindheit.
Hans Markus Tschirren
5 Geleitwort Alec von Grafenried
7 Geleitwort Tanja Bauer
9 «Gö mer ufe Güsche?»
18 Wege auf den Gurten
35 Gotthelfs Gurtenbesteigung
40 Der Zwerglistein
42 Das Gurtendörfi
50 Felszeichnungen
52 Katherin Balsiger: Zurück zu den Wurzeln
54 Im Aebersold
58 Brunch, Beef und Whisky
62 858 m über Meer
66 Das Westsignal
70 Das Gurtenfestival
84 Wie alles begann
86 Das Ur-Festival
90 Von Anfang an dabei: Kathrin und Fredi Hallauer
92 Party bei den einen – Sorgen bei den andern
94 Der Neustart
100 Der Macher: Philippe Cornu
102 Der Höhenfug
106 Heimspiel – Kuno Lauener und Züri West
108 Das Festival entwickelt sich weiter
114 Von der Kindereisenbahn auf die Hauptbühne: Lo & Leduc kennen den Gurten seit ihrer Kindheit
118 Die Festivals, die nie stattgefunden haben
120 «Oben angekommen, war der erste Eindruck einfach nur: Whooww!»
122 Ausklang
126 Gurten-Vielfalt
128 Alle zwei Jahre gibts Theater
130 Der Gurtenwald
139 Ein Bijou
144 Gurten-Sandstein für das Berner Münster
152 Gurten Classic
156 Ertappt!
169 Winterwandern
174 Der Kinderlift
178 Skifahren – wie es früher war
182 Skischule in der Scheune
184 Erstes Skirennen auf dem Gurten
186 Skispringen
189 Andreas Däscher
190 Schlitteln
196 Die Burg Aegerten
198 Die Erstbesteigung des Gurtens
200 General Lentulus und seine Kanonen
201 Der Chutzen
202 Kadetten
204 Die Brauerei zum Gurten
210 Wabräu – die Brauerei im alten Waschhaus
218 Es war einmal – das Schwyzerhüsi
223 Die wechselvolle Geschichte des «Gurten Kulm»
232 Golf
233 Schwierige Zeiten
240 Die Gurtenmatte im Laufe der Zeit
246 Peter Frieden und die Kindereisenbahn
248 Der Ferdinand
250 Die Gurtenmatte: Trefpunkt für alle
254 Der 1. August: Mit Feuerwerk? Oder ohne? Oder doch nicht?
258 Die Idee
262 Die Umsetzung
264 Die Eröfnung
268 Ein Auf und Ab
274 Peter Vinzens: 40 Jahre für die Gurtenbahn
282 Die Zeitenwende
286 Wo sich alt und neu ergänzen: der Gurtenkulm heute
292 Patrick Vogel – wie sieht der Gurten in zehn Jahren aus?
294 Der Spielplatz
296 Kindereisenbahn
300 Kids-Car
301 Gschtelasch
302 Kugelbahn
303 Gurtenseeli
304 Das Gurtengärtli
308 Der Nuggibaum
312 Der Kulturberg
320 Der Biketrail – Abenteuer zwischen Hexenschuss und Pouletkurve
324 Das Riesenrad
328 Rodeln – auch im Sommer
330 Die Sternwarte
332 Fliegende Scheiben
338 Heitere Fahne!
342 Das Nobshaus
344 Rings um den Gurten
349 Dank
352 Bildnachweis
Es gibt fast beliebig viele Wege, um den Gurten zu erklimmen – aber nur vier Jahreszeiten. Und von denen ist der Frühling die schönste. Es ist noch nicht heiss wie im Sommer, nicht neblig wie im Herbst und die Wege sind nicht vereist wie im Winter. Auf den folgenden Seiten erfahren Sie alles über die möglichen Aufwege. Über den Weg hinunter lesen Sie nichts – auf Abwege kommen die Menschen bekanntlich von selbst.
Aufstieg vom Köniztal her.
Die Gurtenbahn entlang (1600 m)
Gleich rechts neben der Talstation warten die ersten Treppenstufen auf uns. Bis die Gurtenschlucht durchquert ist, werden es 228 sein. Hier ist es recht düster und auf der rechten Seite können wir den Sandstein berühren. Bald einmal sind die Stufen geschaft und der Weg führt recht steil in Richtung Hasenbrunnenweg. Rechts von uns befndet sich die Gartenstadt. Linkerhand überquert eine Brücke in Richtung Mätteli und Rossacker das Bahngleis.
Ein paar Schritte und Schweisstropfen weiter oben stehen wir neben einer weiteren Brücke und vor uns liegt die Mittelstation. «Grünenboden» heisst sie, so wie der Bauernhof rechterhand. Wir folgen direkt dem Bahngleis und haben 44 weitere Treppenstufen vor uns. Sie sind allerdings so fach, dass man kaum mehr von einer Treppe sprechen kann.
Nun trefen wir auf den Grünenbodenweg und werden nach ein paar Schritten bereits vor eine Entscheidung gestellt: Entweder wir folgen dem Strässchen nach links oder nehmen rechts den kürzeren (aber steilen!) Fussweg, der uns direkt zum Hotel bringt. Wer dem bequemeren Strässchen folgt, erreicht nach drei oder vier Kurven schon bald des Ende des Waldes und steht beim Ziel der Rodelbahn. Hier sind wir genau 800 Meter über Meer. Die Bergstation und das Hotel sind nun bereits in Sichtweite und nach weiteren 300 Metern Weg und 40 Metern Höhendiferenz kommen wir oben direkt neben der Bergstation an.
Weg kurz vor der Mittelstation.
Verschiedene Wege führen von Kehrsatz ins Gurtendorf. Steil sind sie alle –fach wird’s erst oben.
Von Kehrsatz via Breitägerten und Gurtendörfi zum Ostsignal (3800 m)
Wer den Gurten durch die «Ostwand» erklimmen will, wird vermutlich per Bahn nach Kehrsatz fahren. Vom Bahnübergang am Westende das Bahnhofs folgen wir der Zimmerwaldstrasse. Es gibt drei Möglichkeiten, sich nach rechts von der Strasse abzusetzen und in die Überbauung Breitägerten einzudringen. Welche man nimmt, ist egal. Aber nur wer in der Siedlung den Schildern «Gurtenstrasse» folgt, wird an sein Ziel kommen. Wenn die Strasse auf einmal scharf nach links abbiegt, befnden wir uns auf dem Untergurten.
In einem kleinen Waldstück wechselt die Richtung nochmals, und wenn wir aus dem Wald treten, sehen wir das Gurtendörfi direkt vor uns. Links befndet sich der Burgholzhügel, auf dessen Spitze einst die Burg Aegerten thronte. Wir folgen dem Weg weiter ins Gurtendörfi, von wo die Strasse weiter dem Ostsignal entgegenführt. Wir kommen am Hof «Im Aebersold» vorbei und haben dann freie Sicht auf unser Ziel: das Ostsignal.