Kurzvorschau _ Traugott Senn

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Traugott

Maler seiner Welt

Senn

Traugo! Senn
Maler seiner Welt
Martin A. Senn

Impressum

Alle Angaben in diesem Buch wurden vom Autor nach bestem Wissen und Gewissen erstellt und von ihm und vom Verlag mit Sorgfalt geprü .

Inhaltliche Fehler sind dennoch nicht auszuschliessen. Daher erfolgen alle Angaben ohne Gewähr. Weder Autor noch Verlag übernehmen Verantwortung für etwaige Unstimmigkeiten.

Alle Rechte vorbehalten, einschliesslich derjenigen des auszugsweisen Abdrucks und der elektronischen Wiedergabe.

© 2025 Weber Verlag AG, 3645 Thun/Gwa!

Weber Verlag AG

Idee und Texte: Martin A. Senn

Verlagsleitung: Anne!e Weber-Hadorn

Projektleitung: Madeleine Hadorn

Gestaltung Cover: Sonja Berger

Gestaltung und Satz: Cornelia Wyssen

Korrektorat: Madeleine Hadorn

Der Weber Verlag wird vom Bundesamt für Kultur mit einem Strukturbeitrag für die Jahre 2021–2025 unterstützt.

ISBN 978-3-03818-661-8

www.weberverlag.ch mail@weberverlag.ch

Traugott

Maler seiner Welt

Senn

Zu den Bildern

Titelbild: Traugo! Senn: Landscha , 1941; Öl auf Leinwand, 53#×#68 cm. Das Gemälde befindet sich im Eigentum der Schweizerischen Eidgenossenscha , Bundesamt für Kultur, Bern, Foto: Dominique Uldry, Bern.

Bild auf der Rückseite: Traugo! Senn an der Staffelei im Berner Seeland, fotografiert von Paul Senn, 1944. (Paul-Senn-Archiv, Kunstmuseum Bern). Der Bildschni! entspricht der Abbildung in der Kulturzeitschri «Du», Nr. 5 / 1945.

Der Fotograf Paul Senn (1901–1953), von dem wir in diesem Buch mehrere Bilder abdrucken, war nicht verwandt mit Traugo! Senn; er fotografierte diesen im Sommer 1944 im Rahmen einer Serie von Künstlerporträts.

Bildquellen-Angaben: Wo in der Bildunterschri nichts anderes vermerkt ist, stammen die in diesem Buch abgebildeten Gemälde aus Privatbesitz und wurden vom Autor fotografiert.

Der Autor

Martin A. Senn (*1958), Journalist und Historiker, aufgewachsen in Bern, lebt und arbeitet als freiberuflicher Publizist in Chur. Zuvor war er lange als Redaktor, Autor und Kolumnist in Schweizer Printmedien tätig. Er absolvierte ein Lehramtsstudium in Bern, studierte angewandte Geschichte in Zürich und liess sich in Luzern und Minneapolis-St. Paul zum Journalisten ausbilden. Traugo! Senn war sein Grossonkel, allerdings starb dieser drei Jahre, bevor der Grossneffe zur Welt kam.

Steckbrief

Traugo! Senn, Schweizer Kunstmaler (*9.9.1877 in Maisprach BL; †21.4.1955 in Ins BE). Aufgewachsen als dri!es von acht Kindern des Lehrers Go!fried Senn und der Pfarrerstochter Sophie SennRothpletz im Kanton Basel-Landscha . 1892 Umzug der Familie nach Bern, Abschluss der Sekundarschule, Lehre als Dekorationsmaler und vier Jahre Wanderscha in Süddeutschland und der französischsprachigen Schweiz. 1901–1903 Studium an der Kunstgewerbeschule Bern und, finanziert durch ein Stipendium des Berner Regierungsrats, vom Herbst 1903 bis Sommer 1904 Studienaufenthalt im Atelier des Kunstmalers Luc-Olivier Merson in Paris. Ab 1904 wird Traugo! Senn engagiertes Mitglied der «Berner Schule», einem Kreis von Malerfreunden unter der Führung Ferdinand Hodlers. Auch Senn pflegt zunächst die stark von Hodler Landscha en inspirierte «Malerei der grossen Geste» mit ihren klaren Linien und konstruierten Bildflächen. 1916 heiratet er Anna Elise Raas, ein Jahr später folgt die Geburt von Robert O!o, dem einzigen Kind des Ehepaares. Nach dem Tod Hodlers (1918) entwickelt Traugo! Senn eine eigene, stillere Landscha smalerei im Stil des «paysage intime». 1924 zieht er nach Ins, einem Bauern- und Winzerdorf im Berner Seeland, wo schon Albert Anker lebte und arbeitete. Die Ebene zwischen den drei Jura-Seen wird seine neue künstlerische und menschliche Heimat. Senn erarbeitet sich den Ruf des künstlerischen Entdeckers des Seelands. Neben zahlreichen Landscha sbildern malt er Stillleben und gelegentlich Porträts sowie vereinzelte Akt-Studien. Insgesamt nimmt Traugo! Senn an rund 140 nationalen, internationalen und regionalen Ausstellungen teil. Seine Werke befinden sich in zahlreichen privaten und mehreren öffentlichen Sammlungen, so in der Kunstsammlung des Bundes (13 Werke), in der Kunstsammlung der Stadt Biel (15 Werke), im Kunstmuseum Bern (11 Werke) und

vereinzelt u. a. im Kunstmuseum La Chaux-de-Fonds (1 Werk) oder im Museo d’arte della Svizzera Italiana in Lugano (1 Werk) und im Museo Villa dei Cedri in Bellinzona (1 Werk). Ein Ölbild von Traugo! Senn hing während des Zweiten Weltkriegs im Hauptquartier von General Henri Guisan in Interlaken, ein anderes im Vorraum zum Sitzungszimmer des Schweizerischen Bundesrats. Im Bundesgericht in Lausanne hängt eines von Traugo! Senns Bildern bis heute.

Traugott Senn in seinem Atelier, fotografiert von Paul Senn. Paul Senn war mit Traugott Senn nicht verwandt; er fotografierte ihn im Sommer 1944 im Rahmen einer Serie von Künstlerporträts. (Paul-Senn-Archiv, Kunstmuseum Bern).

Vorwort

Traugo! Senn war mein Grossonkel. Gekannt habe ich ihn nicht, er starb drei Jahre, bevor ich auf die Welt gekommen bin. Streng genommen müsste ich als Autor dieses Buches demnach als befangen bezeichnet werden. Umso mehr habe ich versucht, Traugo! Senn nicht durch die Brille der Verwandtscha zu betrachten. Das fiel mir umso leichter, als der Kunstmaler in meiner Familie kaum präsent war. In prägender Erinnerung aus meiner Kindheit ist mir nur ein Bild geblieben: Es hing bei meinem Grossvater, einem jüngeren Bruder Traugo!s, über dem Sofa. Mächtig floss die tiefgrüne Aare da auf den Betrachter zu. Für mich als Bub ha!e das Bild etwas Furchterregendes, zumal, wenn ich auf dem Sofa unruhig hin und her rutschte, mein Grossvater mir drohte, das Flusswasser werde auf mich hinunterstürzen, wenn ich nicht ruhig sitzen bliebe.

Mit den Jahrzehnten wuchs mein Interesse an Traugo! Senns Malerei. Je mehr ich mich damit befasste, desto mehr entdeckte ich. Nie hä!e ich geglaubt, dass der Maler, dessen kaltes Flusswasser mich als Bub so ängstigte, ein halbes Jahrhundert lang in der Schweiz derart präsent war, wo überall er seine Bilder ausstellte, in wie vielen Häusern und in welch bedeutenden Amtsstuben, bis hin zu jener des Generals und dem Vorzimmer des Bundesrats, sie hingen. Zeitzeugen, die Traugo! Senn persönlich kannten, gibt es in meiner Verwandtscha keine mehr, und auch ausserhalb nur noch sehr wenige. Meine Nachforschungen über ihn basieren deshalb fast ausschliesslich auf historischen Dokumenten, der überwiegende Teil davon ist öffentlich zugänglich. Den letzten Anstoss, dieses Buch zu schreiben, gab mir ein Brief des Schri stellers, Journalisten und Kunstkritikers Carl Albert Loosli, auf den ich im Schweizerischen Literaturarchiv gestossen bin. Loosli, der erste Hodler-Biograf

der Kunstgeschichte, ha!e 1947 Material für einen grossen Artikel zu Traugo! Senns 70. Geburtstag zusammengetragen. Und nun schrieb er dem mit ihm befreundeten Maler: «Es schämt mich einigermassen daraus bloss einen notwendigermassen unvollständigen, unvollkommenen Zeitungsartikel extrahieren zu können. Eigentlich hä!e ich Lust, eine Monographie über Dich zu verfassen.»

Es ist höchste Zeit, sagte ich mir da, nachzuholen, was der grosse Loosli nicht mehr scha&e: ein Buch über Traugo! Senn zu schreiben.

Traugott Senn auf Motivsuche auf St. Jodel bei Ins. (Foto: Paul Senn. Paul-Senn-Archiv, Kunstmuseum Bern).

Einleitung: Maler seiner Zeit

«Wir kennen keinen grossen Künstler, der je etwas anderes getan hätte, als seiner Sache und nur ihr zu dienen.»1 Nimmt man diesen Satz von Max Weber zum Massstab, dann war Traugo! Senn ein grosser Künstler. Seine Sache war die Kunst, seine Kunst. Nie ha!e er etwas anderes im Sinn. Es ging ihm nicht darum, etwas darüber hinaus zu vermi!eln, eine kritische Sicht auf die gesellscha lichen Verhältnisse seiner Zeit etwa, wie sie Jahrzehnte später die «progressive» Kunstkritik schon fast zum Goldstandard für die zeitgenössische Kunst erklären sollte. Auch versuchte er nie, einen neuen Stil, eine revolutionäre Maltechnik zu entwickeln. Und erst recht nicht, seine eigene Person zum Kunstwerk zu machen, wie dies andere taten. Im Gegenteil: Traugo! Senn war ausgesprochen schlecht darin, sich selbst zu «vermarkten», wie man heute sagen würde. Und sein Malstil ha!e etwas ausgesprochen Unspektakuläres, mitunter beinahe Naives. Bereits in seinen frühen Jahren, als er in Ferdinand Hodlers grossen Fussstapfen den Weg in die Kunstwelt fand, spürte man bei ihm eine leise Scheu gegenüber dieser Malerei der grossen Geste, die er als technisch versierter Maler durchaus erfolgreich auch selbst betrieb. Daneben malte er jedoch stets auch Anderes, Stilleres, Kleineres, das seinem wahren künstlerischen Naturell näherkam, wie aufmerksame Feuilletonisten damals schon bemerkten. Es war dieses Naturell, das auf Traugo! Senns spätere Berufung hinwies als der Meistermaler des Seelands, dieser für schweizerische Verhältnisse weiten Ebene zwischen dem Bieler-, Murten- und Neuenburger-See. In diesem Schwemmland, das erst

1 Weber, Max: «Wissenscha als Beruf» (Vortrag 1917), Henricus Grossdruck, Berlin 2019.

Traugott Senn in seiner Welt: Zu Fuss auf der Suche nach einem malerischen Sujet in der freien Natur. (Foto: Paul Senn, 1944. Paul-Senn-Archiv, Kunstmuseum Bern).
Täglich entdeckte er Neues: Traugott Senn in seiner späteren Wahlheimat, im Seeland. (Foto: Paul Senn, 1944. Paul-Senn-Archiv, Kunstmuseum Bern).

durch die gewaltige Juragewässer-Korrektion trockengelegt worden war, fand er fast täglich etwas Neues, eine frisch gebrochene Ackerscholle, einen Wegrank in einem san ansteigenden Kornfeld, einen frühen Herbstscha!en, einen ungewohnten Dunst, ein Vibrieren der Lu , eine Birke im Frühlingslicht. Unermüdlich zeigte Traugo!

Senn in seiner Kunst sein Seeland, seine Welt, so wie er sie sah und empfand. So intensiv tat er dies, bis seine Welt mit seiner Kunst verschmolz. «Das Grosse Moos, das vor kurzem noch ein wenig beachteter Landstrich war, ist durch Traugo! Senn als kostbarer Besitz in die Kunst erhoben worden», schrieb Fritz Eduard Knuchel, der Senns künstlerisches Schaffen über Jahrzehnte als Feuilletonist der Basler Nachrichten begleitet ha!e.2 Traugo! Senns Welt, das Seeland, das war seine Kunst. Und seine Kunst war seine Erfüllung. Grosse Worte brauchte er dafür nicht. Als ihn sein Freund, der Schri steller Carl Albert Loosli, bei der Recherche für einen Zeitungsbeitrag zum 70. Geburtstag nach seinem künstlerischen Credo fragte, antwortete er: «Viel mehr kann ich Dir nicht sagen, als dass ich meine Wahlheimat recht liebe und dass ich noch vieles davon in meinen Bildern zeigen möchte.»3

Mehr Theorie über sein Werk war Traugo! Senn nicht zu entlocken. Für den heutigen Kunstbetrieb, in dem Künstler vor TV-Kameras händeringend ihre Werke erklären müssen, wäre er nicht geeignet

2 Basler Nachrichten, 8.9.1947, Nr. 378.

3 Korrespondenz Carl Albert Loosli – Traugo! Senn, 19.5.1925: Schweizerisches Literaturarchiv, SLA Ms-Kq-84/1-28.

gewesen. Wir verzichten in diesem Buch denn auch auf eine vertie e kunsthistorische Einordnung seiner Malerei. Über seine erste Schaffensperiode in der unter Ferdinand Hodlers Führung stehenden «Berner Schule» ist im Zusammenhang mit seinen Malerfreunden Emil Cardinaux, Max Brack, Eduard Boss oder Emil Prochaska von kompetenten Kunsthistorikern schon vieles geschrieben worden. Auch Traugo! Senn war zunächst stark geprägt von Hodlers Landscha smalerei, «die in grossen, klar konstruierten Flächen und Plänen dachte und den Bildraum in rhythmischer Stilisierung gliederte», wie Arnold Rüdlinger, der Direktor der Berner Kunsthalle, 1952 im Katalog zur Ausstellung «Max Brack, Alfred Glaus, Traugo! Senn» schrieb.4 Später, im Seeland, entwickelte Senn schliesslich seinen ureigenen Stil, der sich nur schwer mit den herkömmlichen kunstgeschichtlichen Begrifflichkeiten erfassen lässt. Die Kunsthistorikerin Isabelle Messerli spricht von einer «unheroischen Malerei, [die] nichts äusserlich Anspruchsvolles» hat: «Sie ist poetisch und zart empfunden. Senn gibt sein Seeland – im Sinne des paysage intime – mit einem leicht romantisch getönten Stimmungsgehalt wieder.»5 Andere rückten Traugo! Senns Landscha smalerei ins grosse Umfeld des Impressionismus, oder sie zogen, wie der Schri steller O!o Zinniker, eine direkte Verbindung zu den weiten Landscha sbildern der sogenannten Barbizon-Schule, die der junge Senn während seiner akademischen

4 Kunsthalle Bern: Ausstellungskatalog «Max Brack, Alfred Glaus, Traugo! Senn», 1952. 5 Messerli, Isabelle: «Traugo! Senn», 2007.

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