Zukunftstechnologie mit unbekanntem Risiko Seite 10
Aktion Bienenweide
So machen Sie Ihren Garten zum Blumenparadies für Bienen 30
Die Klimaspezialisten
Häuser mit Schafwolle isolieren ist ökologisch und gesund 24
Illusion grüner Strom
Alternativenergie: gut fürs Gewissen –aber schlecht für die Umwelt 36
Medaillen und ihre Kehrseiten
Liebe Leserin, lieber Leser
Schöne neue Welt: Die Nanotechnologie wird als die Schlüsseltechnologie des 21. Jahrhunderts gefeiert und soll neben «intelligenten» Materialien und Produkten auch für viele Umweltprobleme patente Lösungen liefern – und nicht zuletzt auch ein grosses Geschäft werden. So weit die glänzende Seite der Medaille. Deren Kehrseiten liegen bis jetzt allerdings grossenteils im Dunkeln, denn gesundheitliche und ökologische Risiken lassen sich noch schwer abschätzen. Was man heute weiss oder treffender: dass man vieles nicht weiss, lesen Sie ab Seite 10. Auch Sonnenenergie und andere Formen scheinbar grüner Energieversorgung wie Wind oder Wasserkraft haben ihre Schattenseiten – insbesondere für Natur und Umwelt –, wie der Ökojournalist Hanspeter Guggenbühl in seinem Beitrag ab Seite 36 aufzeigt. Sein Fazit ausserdem: Erneuerbare Energien könnten unseren Energiebedarf überhaupt erst dann decken, wenn wir diesen massiv senken.
Auch erneuerbare Energien
belasten Natur und Umwelt –Sparen wäre angesagt.
Rund ein Drittel des gesamten Energiebedarfs verbrauchen in der Schweiz laut Bundesamt für Statistik die Privathaushalte. Einsparpotenzial ist dort vor allem bei Altbauten vorhanden. Dabei bietet sich statt der herkömmlichen Dämmstoffe Schafwolle als ideale und umweltfreundliche Isolation an. Eine weitere positive Seite: Der Rohstoff muss nicht länger verbrannt und entsorgt werden, wie dies aufgrund mangelnder Rentabilität heute häufig der Fall ist. Was überdies für das Naturprodukt spricht, davon handelt der Artikel ab Seite 24. Eine Medaille könnte dereinst die «Bewegte Modellklasse» in Magglingen gewinnen. Das Pilotprojekt will zeigen, dass bewegter Unterricht kindergerechter ist und sich damit Lehr und Lernprozesse verbessern lassen. Wie dieser umgesetzt wird und mit welchen Ergebnissen, erfahren Sie ab Seite 46.
Herzlich Ihr
Redaktor
Begreifen statt büffeln macht Schule 46
Wo Arzt und Schamane
Inhalt
Gesundheit
8 Quitten gegen Ekzeme
9 Vom Nutzen schädlicher freier Radikale
10 Schöne neue Nanowelt
14 Richtig essen hilft gegen Gicht
18 Heinz Knieriemen über tödliche Erdnüsse
Beratung
20 Sabine Hurni beantwortet Leserfragen
Haus & Garten
23 Ungenügende Abwasserreinigung
23 Geranien überwintern
24 Isolieren mit Schafwolle
30 Remo Vetter: Bienenwelten
Natur
34 Rarität: Vegi-Spinne entdeckt
35 Wetter: Wie Schwalben wirklich fliegen
36 Die Illusion vom grünen Strom
40 Wanderung: Immer der Geschichte nach
Leben
44 Recyclingmode frisch und frech
44 Geburt: ein Kinoereignis
46 Schule: begreifen statt büffeln
52 Indiens ganzheitliche Medizin
56 Öko-Lisa: Haufenweise Häufchen Plus
3 Editorial
6 Leserbriefe
58 Leserangebote
61 Kreuzworträtsel
62 Marktplatz
63 Agenda
65 Vorschau
66 Carte blanche
Raupen im Garten
«natürlich leben» 4-09
Heinz Knieriemen hatte eine Aktion mit Wildem Fenchel aufgezogen. Der Fenchel ist bei uns kräftig gewachsen –und daran auch die Raupen, die wir mit grosser Freude betrachtet haben, wie unser Foto zeigt. Es bräuchte pro Garten, Gärtlein oder Vorgarten nur einen Quadratmeter mit den entsprechenden Pflanzen, um sehr vielen unserer schönen Sommervögel das Weiterleben zu garantieren. Vielleicht hat Herr Knieriemen dazu noch eine gute Idee!
Übrigens: Der aus der Raupe geschlüpfte Schmetterling hat unseren kleinen Garten noch oft besucht. Macht weiter so beim «natürlich leben».
Albert Fischer, per Mail
Ohne Chef ins Bett «natürlich leben» 7-09
Vor Kurzem wäre ich froh gewesen, es wäre kein Funkloch gewesen, schön ist es dort trotzdem. Telefonieren konnte ich dann in einem Hotel, wo es gleich Taxcards für das Festnetz zu kaufen gab. Unmittelbar neben dem Nationalpark gelegen hat man hier immer wieder einmal das Glück, nebst Murmeltieren auch grösseres Wild beobachten zu können. Wovon ich spreche? – Vom Val S-charl im Unterengadin.
Johanna Gut, Lommiswil
Ihr Artikel hat mich direkt berührt. Und das Thema ist ernster, als es scheint. Meine beste Freundin, mit der ich die letzten 25 Jahren gemeinsam Ferien machte, ist handysüchtig. Es ist in der Tat anstren-
gend und wir haben uns fast zerstritten deswegen. Ich fahre nun vorläufig allein in die Ferien. Sie versteht es nicht. Sie ist Businessfrau. Ich träume von früheren Urlauben, da ging es ja auch noch.
Annette Schorer, Regensberg
Garten der Lust «natürlich leben» 7-09
Kräuter können sicher sehr viel Gutes bewirken in unserem Liebesleben. Viel wichtiger ist aber unsere persönliche Einstellung, Traditionen und unsere Sprache. Wie arm ist doch unsere Sprache, wenn es um unser Liebesleben geht. Die meisten Ausdrücke sind vulgär oder medizinisch geprägt. Zudem ist die Frau vielfach das Lustobjekt des Mannes. Ich befasse mich seit einigen Jahren mit Tantra. Im Tantra wird Mann und Frau zu Shiva und Shakti. Die Frau wird zur Göttin. Gegenseitiger Respekt und eine liebevolle Sprache sind wichtige Grundpfeiler. Im Tantra könnte ein Ansatz zur Lösung etlicher sexueller Probleme in unserem Zusammenleben sein! Je früher wir mit dieser Idee in Kontakt kommen und unser Leben danach ausrichten, desto mehr können wir eine wunderbare Sexualität geniessen. Nicht in der Art, wie sie einige Salons als Tantramassagen anbieten. Auch nicht in der akrobatischen Art des Kamasutra. Mehr im stillen Genuss gemeinsamer Harmonie und gegenseitiger Achtung, zur Öffnung der Chakras. Fritz Geissberger, Solothurn
Der Notfall Spitalhygiene «natürlich leben» 8-09
Ich vermisse bei vielen Beiträgen die ganzheitliche Betrachtungsweise, das vernetzte Denken, die Erkenntnisse über die wirklichen, tieferen Ursachen der oberflächlichen Erscheinungen. So zum Beispiel im Beitrag von Heinz Knieriemen. Dass Bakterien und Viren krankmachen können, ist ja eines, dass es dazu jedoch einen Empfänger braucht, der mit Krankheit reagiert, ist doch auch klar.
Weshalb nun der eine krank wird, der andere jedoch gesund bleibt, scheint niemanden wirklich zu interessieren. Wenn wir weiterhin nur an der Oberfläche wischen, bleiben die Probleme erhalten oder verlagern sich einfach, bis sie wirklich gelöst werden. Suchtverlagerung von einer Sucht zur andern, wenn die eine «geheilt» wurde, ist bekannt. Auch Problemverlagerungen sind an der Tagesordnung. Deshalb ist wichtig, dass die Ganzheit und Komplexität eines Themas betrachtet wird, und Ursachen an der Wurzel gepackt werden. Christina Friedli, Zürich
Die Wolfspatrouille
«natürlich leben» 10-09
I ch verstehe nicht, wie Martin Arnold im Artikel über die Schafschutz- und Hütehunde den Bären JJ3 als frech bezeichnet und sein Verhalten als Frechheiten abtut. Hätte er etwas biologisches Hintergrundwissen gesammelt, hätte er gewusst, dass die Mutter von JJ3 von Menschen gelernt hatte, dass Bären keine Scheu vor ihnen haben müssen. Diese Erfahrungen gab sie an ihren Sohn weiter. Für ihn war sein Verhalten daher selbstverständlich. Cristina Schweizer, Grasswil
Krieg der Farben
«natürlich leben» 10-09
Es mutet recht seltsam an, dass namhafte Forscher derartige Theorien in die Welt setzen, dass herbstbedingt verfärbte Blätter einen Einfluss auf den Schädlingsbefall hätten. So dumm kann kein Insekt sein, seine Lebensgrundlage auf einem, dem baldigen Verfall geweihten Futterplatz einzurichten. Abgesehen davon: Anfang Herbst stellen sich auch Schadinsekten auf die kalte Jahreszeit ein und ihre Lebensaktivitäten sind zunehmend eingeschränkt. Schädlinge befallen nur junge, saftige Blätter und keinesfalls verrottende Pflanzenteile. Würden sie sich aber über das absterbende Herbstlaub hermachen, würde dies den Bäumen nicht schaden. Franz Ziegler, Kloten
Briefe an «natürlich leben» Fragen, Anregungen, Lob oder Kritik sind willkommen. Die Leserbriefe müssen mit der vollständigen Adresse versehen sein. Die Redaktion behält sich vor, Briefe zu kürzen. Schicken Sie Ihren Brief per E-Mail, Post oder Fax an: leserbriefe@natuerlich-leben.ch oder: «natürlich leben», Leserbriefe, Neumattstrasse 1, 5001 Aarau, Fax 058 200 56 51
Gesundheit
Forschung _Quitten gegen Ekzeme
Quittenextrakt, der Mäusen mit dem Futter verabreicht wurde, konnte bei den Nagern die Anfälligkeit für Ekzeme deutlich senken, wie Forscher der Shinshu University in Nagano, Japan, kürzlich gezeigt haben. Laut den Wissenschaftlern sank unter anderem die Konzentration von Immunglobulin E im Blut. Dieser vom Immunsystem produzierte Antikörper ist für die Entstehung von Allergien mitverantwortlich. Auch mit Quittenextrakt behandelte Zellen produzierten weniger allergieauslösende Substanzen. Ob und wie Quittenpräparate beim Menschen wirken, ist damit allerdings noch nicht klar. ajo
Gratis: die praktischen eBooks von «natürlich leben»
Schokolade _Gut fürs Herz
DLesen _Herrlich eklig
Vieles, was unser Körper produziert, gilt als unappetitlich. Dabei gibt es gar keinen Grund, sich vor den Flüssigkeiten, Produkten und Gerüchen des Körpers zu ekeln. Die Sekrete, Säfte und Substanzen sind kleine Meisterwerke der Natur. Blut, Schweiss, Tränen und alle anderen Absonderungen des Körpers leisten Grossartiges – sie transportieren Sauerstoff, sie verteidigen den Körper gegen Keime, sie kühlen, verdauen, locken Sexualpartner an, entsorgen Müll und zeigen Gefühle an.
_ Werner Bartens und Sebastian Herrmann: «Herrlich eklig», Verlag Droemer Knaur 2009, Fr. 16.90
er Konsum von Schokolade soll nicht nur Herzproblemen vorbeugen, sondern sich auch nach einem Herzinfarkt günstig auswirken. Wissenschaftler des Karolinska Institute in Stockholm begleiteten über 1000 Frauen und Männer nach überstandenem Infarkt über acht Jahre und stellten fest, dass deren Risiko für einen tödlichen Herzinfarkt entsprechend dem Konsum dunkler Schokolade abnahm. Wer mindestens zwei bis dreimal pro Woche Schokolade ass, hatte laut den Forschern eine um rund einen Drittel geringere Wahrscheinlichkeit, einen erneuten Infarkt zu erleiden. Bei anderen Süssigkeiten zeigte sich hingegen kein solcher Effekt. ajo
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In der Balance
Auch vermeintlich schädliche freie Radikale scheinen wichtig für die Gesundheit.
Freie Radikale und andere sogenannte reaktive Sauerstoffspezies gelten gemeinhin als gesundheitliche Bösewichte, da sie Körperzellen schädigen können, an der Entstehung von HerzKreislaufErkrankungen, Tumoren oder Alterungsprozessen beteiligt sind. Wissenschaftler der Monash University in Melbourne haben nun aber in einer im Fachmagazin Cell Metabolism veröffentlichten Studie herausgefunden, dass die reaktiven Verbindungen auch einen Schutz gegen die Entstehung von Diabetes liefern können.
Laut Tony Tiganis und seinen Kollegen bilden Mäuse, deren Körper aufgrund ei
nes Defektes reaktive Sauerstoffspezies nicht neutralisieren kann, auch bei einer äusserst fettreichen Ernährung keine Insulinresistenzen und keinen Diabetes aus, wie dies normalerweise der Fall wäre. Verabreichten die Forscher den Tieren zusätzlich Antioxidantien, welche die reaktiven Sauerstoffverbindungen unschädlich machen, zeigten die Mäuse hingegen Anzeichen von Diabetes.
Die Resultate der australischen Wissenschaftler relativieren auch die viel beschworene gesundheitsfördernde Wirkung von Antioxidantien. Zumindest bei Menschen mit zunehmender Insulinresistenz und beginnender Diabetes könnten zu viel
dieser Substanzen kontraproduktiv sein, gibt Studienleiter Tiganis zu bedenken. Andere Studien weisen inzwischen ebenso auf mögliche negative Auswirkungen von Antioxidantien hin (siehe auch «natürlich leben» 509). Obwohl diese noch weiter erforscht werden müssten, sei es speziell für gesunde Menschen unsinnig, täglich antioxidative Nahrungsergänzungen zu sich zu nehmen, ist Tiganis überzeugt. Was die reaktiven Sauerstoffverbindungen angehe, herrsche im Körper eine sensible Balance und auch zu viel eines gesunden Stoffes könne die Gesundheit beeinträchtigen. ajo
Die Nanowelt lässt grüssen
Nanotechnologie soll unser Leben revolutionieren und neben Antihaft-Backblechen und intelligenten Textilien auch Lösungen für viele Umweltprobleme bieten. Dabei birgt sie selber noch schwer abschätzbare gesundheitliche und ökologische Risiken.
Auf der Suche nach einem geeigneten Sonnenschutz für die Ferien stehe ich in einem Fachgeschäft vor dem Regal mit Sonnencremen. Gesundheit und Umwelt zuliebe soll die Creme keinen chemischen, sondern einen mineralischen UV-Filter haben. Ein entsprechendes Produkt mit Mikropigmenten scheint mir die ideale Wahl. Laut Hersteller reflektieren und absorbieren bei dieser Creme Pigmente aus Titandioxid das Sonnenlicht und schützen so die Haut vor zu viel UV-Strahlung. Dank diesen mikroskopisch kleinen Teilchen bleibt der Sonnenschutz auf der Haut zudem genauso unsichtbar wie bei chemischen Produkten.
Der scheinbar profanen Sonnenmilch liegt eine Technologie zugrunde, die für viele Experten nichts weniger als die Revolution des 21. Jahrhunderts ist und die von der Materialforschung über die Lebensmittelindustrie bis zur Medizin bahnbrechende Durchbrüche und Milliardenumsätze verspricht: Nanotechnologie lautet das neue Zauberwort allenthalben. Im Zentrum stehen künstlich hergestellte millionstelmillimeterkleine Partikel, die aufgrund ihrer Winzigkeit teilweise völlig neue Eigenschaften haben als das gleiche Material in gröberer Form. Ob kratzfeste Brillengläser, Antigraffiti-Anstriche, Antihaft-Pfannen, selbstreinigende Fensterscheiben, antibakterielle Sportfunktionswäsche, hauchdünne Solarzellen oder gar Quantencomputer – die Visionen von Produktentwicklern, Wissenschaftern und Ingenieuren sind grenzenlos.
In der Medizin sollen dereinst Nanofähren Medikamente gezielt an den
Wirkungsort transportieren. Metallische Nanopartikel werden bereits versuchsweise in Tumorzellen eingeschleust und diese anschliessend durch ein Magnetfeld verkocht. Dadurch sollen effektivere und schonendere Krebsbehandlungen möglich werden. Skalpelle oder Katheter könnten schon bald mit Nanopartikeln aus Silber beschichtet sein. Durch dessen antibakterielle Eigenschaften liessen sich so sterile Medizinalinstrumente herstellen.
Keine Deklarationspflicht
Mehr oder weniger unbemerkt haben bereits diverse Konsumgüter aus der Küche der Nanotechnologie in unserem Alltag Einzug gehalten. Laut dem Project on Emerging Nanotechnologies in Washington sind weltweit über 1000 entsprechende Artikel auf dem Markt. Produkte der Körperpflege, Bekleidung und Sportartikel machen mehr als die Hälfte davon aus.
Auch die Lebensmittelindustrie ist ein wichtiges Tummelfeld für Nanotechnologen. In der Schweiz befinden sich etwa nanobeschichtete Folien und PET-Flaschen im Handel, die eine bessere Barrierewirkung gegen Keime und Gase aufweisen und die Haltbarkeit der Nahrungsmittel erhöhen. Unter der Bezeichnung E551 setzt die Nahrungsmittelindustrie hierzulande schon seit Jahrzehnten Nanokieselsäure als Rieselhilfe in Streuwürzen ein. Nanokleine Carotinoide werden in Gelatine- und Zuckerkapseln als Farbstoff und Antioxidans in Getränken und Vitamintabletten verwendet.
Kugelförmige Nanokapseln, so genannte Micellen, kommen in vielen Wellness- oder Sportgetränken vor und sorgen
Kleinste Partikel mit grosser Wirkung
Nanos bedeutet im Griechischen Zwerg, was versinnbildlicht, womit sich die Nanotechnologie befasst: mit kleinsten Partikeln und Strukturen, deren Abmessungen zwischen 1 und 100 Nanometern, also Millionstel Millimeter n, liegen. Die Nanotechnologie spielt sich auf der Ebene von Atomen und Molekülen ab. In diesem Grössenbereich haben Materialien unter anderem aufgrund der Gesetze der Quantenphysik völlig andere Eigenschaften und reagieren chemisch leichter und heftiger, als wenn sie in grösserer Form vorliegen. Während zum Beispiel Gold in makroskopischer Grösse gelb glänzt und chemisch sehr reaktionsträge ist, haben Nanogoldpartikel eine rote Farbe und sind äusserst reaktiv.
Text Andres Jordi
dafür, dass in ihnen eingeschlossene empfindliche Vitamine, Enzyme, schwerlösliche Fettsäuren oder flüchtige Aromen für den Körper überhaupt verfügbar werden oder sich die Wirkung am richtigen Ort entfaltet. Omega-3-Fettsäuren packt man beispielsweise in Micellen, damit man ihren ranzigen Geschmack nicht im Mund schmeckt. In der Schweiz sollen sich derzeit jedoch keine Lebensmittel mit Micellen in den Läden befinden.
«Was die Anzahl und Art von Nanoprodukten betrifft, fehlt in der Schweiz jegliche Transparenz», bemängelt Josianne Walpen von der Stiftung für Konsumentenschutz (SKS). Es bestehe keine Meldepflicht für nanotechnologisch hergestellte Konsumgüter. «Oft wissen nicht einmal die Detailhändler diesbezüglich über ihre Produkte Bescheid», so Walpen.
Die Konsumentenschützerin kritisiert weiter, dass auf Produzentenseite keinerlei Deklarationspflicht bestehe, was die Situation auch für die Konsumenten völlig unübersichtlich mache. Die Kennzeichnung von Nanoprodukten beruhe alleine auf Freiwilligkeit und sei eher Marketingstrategie denn Aufklärung. Sie fordert daher vom Bund möglichst rasch Abhilfe: «Die Wahlfreiheit muss gewährleistet sein.»
Gesundheitliche Fragezeichen
Dies erscheint auch aus gesundheitlicher Sicht nötig. Aufgrund ihrer Grösse haben freie Nanopartikel das Potenzial, normalerweise schützende biologische Barrieren wie Plazenta, Magenwand oder Blut-HirnSchranke zu überwinden. Zudem kann eine Substanz als Nanopartikel im Körper völlig anders reagieren, als wenn sie in grösserer Form vorliegt. Vor allem die Lunge, der Verdauungstrakt und die Haut sind mögliche Eintrittspforten für Nanopartikel.
Gesundheit und Fitness
Haus und Garten
Elektronik
Nahrungsmittel
Beschichtungen
Fahrzeuge
Geräte
Kinderartikel
Nanoprodukte auf dem Markt Stand August 2009 50
Quelle: Project on Emerging Naonotechnologies
Sonnencreme idealer Wahl enthalten sind – von Körperzellen aufgenommen werden, Entzündungsreaktionen auslösen und die Bildung von freien Radikalen fördern können. Letztere können Zellschäden verursachen. Forscher der Tokyo University of Science haben bei Mäusen kürzlich herausgefunden, dass Titandioxid-Partikel die Aktivität von Genen verändert, die an der Entwicklung des Nervensystems beteiligt sind.
Experten betonen aber, dass solche Effekte nur bei hohen Konzentrationen aufträten und dass die gesunde Haut eine wirksame Barriere gegen die Nanopartikel darstelle.
Feinststaub in die Lunge gelangen. Dies verlangt vor allem bei der Produktion von Nanomaterialien entsprechende Arbeitssicherheitsmassnahmen.
Grosse Wissenslücken
Inserat
Gesundheitliche Fragezeichen sind auch bei Kohlenstoff-Nanoröhrchen zu setzen. Sie gehören momentan zu den vielversprechendsten Errungenschaften der Nanotechnologie. Ihrem geringen Gewicht und ihrer extrem hohen Belastbarkeit wegen sind sie für die Herstellung stark beanspruchbarer Verbundstoffe interessant. Sie werden zum Beispiel zur Verstärkung von Velorahmen eingesetzt.
Der vom Bundesrat letztes Jahr verabschiedete Aktionsplan «Synthetische Nanomaterialien», der den verantwortungsbewussten Umgang mit der Nanotechnologie sicherstellen will, kommt zum Schluss, dass die wissenschaftlichen und methodischen Grundlagen für eine abschliessende Risikobeurteilung momentan noch fehlen. Für Steffen Wengert vom Bundesamt für Gesundheit ist dabei weniger die akute gesundheitliche Gefährdung ein Problem. «Hier greifen die bestehenden Vorschriften des Lebensmittel- und des Chemikaliengesetzes, welche die Behörden zur Zulassung neuer Konsumgüter und Industrieprodukte vorschreiben», sagt er. Langzeiteffekte aufzuspüren, sei dagegen viel schwieriger, da hier meist die Testmethoden fehlten.
Aller Euphorie über die zukunftsträchtige Nanotechnologie zum Trotz: Über ihre gesundheitlichen Auswirkungen weiss man noch sehr wenig. Und was man weiss, wirkt nicht gerade vertrauenerweckend. So zeigen Studien, dass beispielsweise Nanopartikel aus Titandioxid – wie sie als Mikropigmente in eingangs erwähnter
Doch die winzigen Röhrchen ähneln in ihrer Struktur Asbestfasern und stehen in Verdacht, ähnliche Gesundheitsrisiken zu haben wie diese. So zeigen Studien, dass die Nanoröhrchen in den Atemwegen von Nagetieren Entzündungen und Zellschäden verursachen können. Wissenschafter des Lovelace Respiratory Research Institute in New Mexico haben neulich nachgewiesen, wie die Röhrchen das Immunsystem von Mäusen beeinträchtigen.
Gefährlich sind die Kohlenstoffröhrchen jedoch nicht in erster Linie, wenn sie in einem Werkstoff eingebunden sind, sondern in freier Form vorliegen und als
Um die nach wie vor grossen Wissenslücken zu schliessen, hat der Bund das nationale Forschungsprogramm «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» lanciert. Das mit 12 Millionen Franken ausgestattete Projekt startet voraussichtlich Mitte 2010 und soll laut Wengert den Risikoaspekt der Nanotechnologie stärker berücksichtigen.
Bei den gesetzlichen Rahmenbedingungen sieht Wengert keinen grundsätzlichen Handlungsbedarf. Gewisse Anpassungen könnten aber nötig sein und würden gegenwärtig diskutiert. Eher skeptisch begegnet er einer Deklarationspflicht: «Einerseits besteht die Gefahr,
dass der Konsument die Bezeichnung ‹nano› automatisch mit ‹gefährlich› assoziiert, was nicht der Sinn der Sache sein kann. Andererseits ist es schwierig abzugrenzen, welche Prozesse und Stoffe tatsächlich auszuweisen sind, denn viele gängige und seit Jahren eingesetzte Verfahren der Lebensmittelindustrie spielen sich im nanoskaligen Bereich ab.»
Vorsorgeprinzip gefordert
Die EU ist da bereits weiter. Kosmetikhersteller müssen auf ihren Produkten künftig nanotechnologische Inhaltsstoffe ausweisen. Auch im Lebensmittelbereich werde eine Deklarationspflicht kommen, vermutet Wengert. «Im Zug der Rechtsharmonisierung wird die Schweiz der EU
Interview
Nanopartikel können die Umwelt gefährden
Für die Umwelttoxikologin Renata
Behra von der Eidgenössischen Anstalt für Wasserversorgung, Abwasserreinigung und Gewässerschutz (Eawag) in Dübendorf, sollen Einträge von Nanopartikeln in die Umwelt möglichst verhindert werden.
Weshalb können Nanopartikel ein Problem für die Umwelt sein?
Bekannte Materialien haben im Nanobereich oft ganz neue Eigenschaften oder zeigen eine erhöhte Reaktivität. Gelangen sie in die Umwelt, können sie von Pflanzen und Tieren aufgenommen werden und diese möglicherweise schädigen. Wie sich Nanopartikel auf die Umwelt auswirken, ist allerdings noch weitestgehend unbekannt.
Wie gelangen Nanopartikel in die Umwelt und aus welchen Quellen stammen sie?
Die Eintragswege für Nanopartikel sind die gleichen, über die auch Chemikalien in die Umwelt gelangen. Die Stoffe können während der Produktion, bei der Anwendung und Entsorgung, aber
früher oder später folgen.» Josianne Walpen vom SKS verlangt, dass sich die Schweiz in einem weiteren Punkt der EUGesetzgebung annähert: «Wir fordern, dass der Bund das Vorsorgeprinzip übernimmt, anhand dem bei begründetem Verdacht Produkte oder Stoffe verboten werden können, bis die Unbedenklichkeit wissenschaftlich hieb- und stichfest nachgewiesen ist.»
Am Anfang war die Sonnencreme: Die amerikanische Nichtregierungsorganisation Environmental Working Group, eine der schärfsten Kritikerinnen von Nanopartikeln in Konsumprodukten, kommt in ihrer Analyse «2009 Sunscreen Investigation» zum Schluss, dass Sonnencremen mit nanoskaligem Titandioxid oder Zinkoxid
ebenso bei Industrieunfällen beispielsweise über das Abwasser in die Umwelt kommen. Besonders Konsumprodukte sind problematisch, da sie überall und jederzeit unkontrolliert in die Umwelt gelangen können. Von Einträgen sind sowohl aquatische Lebensräume als auch Ökosysteme an Land betroffen.
Welche Substanzen sind problematisch? Es sind vor allem Stoffe, die vermehrt in Konsumprodukten zum Einsatz kommen, so zum Beispiel Nanosilber, das keimtötende Eigenschaften hat und in verschiedenen Artikeln vorkommt, Zinkoxid in UV-Filtern oder Titandioxid, das als weisses Pigment unter anderem in Farbanstrichen zur Anwendung
«Unsere Gesellschaft muss einen vernünftigen Umgang mit Nanoprodukten finden.»
zu den sichersten und wirksamsten auf dem Markt gehören.
Darauf veröffentlichte eine Koalition von Friends of the Earth und anderen Umweltschutzorganisationen einen Gegenbericht, in dem sie aufzeigen, dass Sonnenschutzmittel mit Nanopartikeln das Risiko nicht wert sind.
Was einstweilen bleibt, ist die Unsicherheit beim Konsumenten und grosser Klärungsbedarf, sodass ein solcher Kaufentscheid hoffentlich irgendwann keine Glaubensfrage mehr sein wird. Ich stelle die Sonnencreme auf Mikropigmentbasis zurück ins Regal und nehme stattdessen eine mit chemischem UV-Filter. u
kommt. Wie sich solche Stoffe auf Organismen auswirken, ist bis jetzt kaum bekannt. In unseren Forschungsarbeiten konnten wir aber zeigen, dass Nanosilber aus Anstrichen in Gewässer gelangt und insbesondere für Algen toxisch sein kann.
Wie liesse sich eine Kontamination der Umwelt mit Nanopartikeln verhindern? Es müssen beispielsweise Techniken entwickelt werden, mit denen man Nanopartikel bei der Abwasserreinigung herausfiltern kann. Zudem sollten jene Anwendungen begrenzt werden, die zu schwer kontrollierbaren Einträgen von Nanopartikeln in die Umwelt führen.
Welche Massnahmen sind nötig, damit die Nanotechnologie nicht zu einer ökologischen Zeitbombe wird? Wir müssen in Zusammenarbeit mit den Produzenten von Nanomaterialien sehr genau erforschen, ob und wie deren Produkte in die Umwelt gelangen, was dort mit ihnen passiert und ob sie für Organismen toxisch sind. Von der Politik erwarte ich eine entsprechende Unterstützung im Bereich der Risikoforschung. Zudem muss unsere Gesellschaft einen vernünftigen Umgang mit Nanoprodukten finden.
Des Guten zu viel
Die Schlemmerei am Abend büsst so mancher mit nächtlichen Schmerzen am Grosszehengelenk. Der Schlüssel gegen Gichtanfälle liegt bei der Ernährung und einer ausreichenden Trinkmenge.
Text Sabine Hurni
Und plötzlich schoss ein Schmerz durch meinen Zeh», erzählt Max Bolliger, als er langsam zum Arzt humpelt, um Hilfe zu suchen. Unvorbereitet hat ihn im Schlaf ein Gichtanfall überrascht. In der Schweiz leiden etwa ein bis zwei Prozent der Bevölkerung an Gicht.
Weit mehr Menschen haben eine Hyperurikämie, eine Überproduktion an Harnsäure, die meist lange beschwerdefrei verläuft. Grund dafür ist eine Stoffwechselstörung, die den Abbau sogenannter Purine betrifft. Diese Eiweisse kommen im Zellkern jeder menschlichen Zelle vor. Sie sind ein natürlicher Bestandteil unseres Erbmaterials und werden vom Körper eigens für diesen Zweck gebildet. Da die Zellen einem ständigen Auf- und Abbau unterworfen sind, werden dauernd kleine Mengen von Purinen zu Harnsäure abgebaut. Damit kommt der Körper in der Regel gut zurecht. Ein Teil der Purine scheidet er über die Nieren und den Darm aus, den Rest benötigt er für den Aufbau neuer Zellen.
Was Schwierigkeiten machen kann, sind Purine, die wir aus tierischer Nahrung zu uns nehmen. Kommt Fleisch in der Ernährung eines Menschen mit Veranlagung zu Gicht allzu häufig auf den Teller, kann dies des Guten schnell zu viel werden. Die überschüssige Harnsäure kristallisiert aus und lagert sich in den Gelenken, in Knorpelsubstanzen und im Gewebe ab.
Zu viel Alkohol
Gesunde Menschen scheiden 70 bis 80 Prozent der Harnsäure über die Nieren aus. Den Rest über den Darm. Gichtpatienten hingegen können die Harnsäure nur ungenügend über die Nieren abführen. Oft leiden die Betroffenen gleichzeitig an einem hohen Blutdruck, an Übergewicht, Diabetes oder zu hohen Blutfettwerten. Eine Hyperurikämie verläuft oft über Jahre hinweg absolut symptomfrei, bis dann plötzlich ein heftiger Schmerz in eines der betroffenen, stark entzündeten Gelenke schiesst.
Darüber hinwegsehen und weitermachen wie bisher ist keine Lösung. Für Max Bolliger, dessen Mutter bereits an Gicht gelitten hatte, ist das Grosszehengelenk ein klarer Indikator dafür, dass er wieder einmal über die Stränge geschlagen hat. Wie bei vielen anderen Menschen treten die Schmerzen bei ihm immer dann auf,
wenn er am Abend zu viel Alkohol getrunken und dazu ein üppiges Abendessen genossen hat. Er nimmt die Zeichen jeweils ernst, durchspült die Nieren mit viel Tee und Wasser und ersetzt an den darauf folgenden Tagen Fleischprodukte durch Gemüse und Früchte.
Menschen mit erhöhten Harnsäurewerten müssen nicht zwangsläufig unter Gicht leiden. Sie können auf Medikamente verzichten und stattdessen die Krankheit mit einer purinarmen Kost und der Durchspülung der Harnwege in Schach halten.
Ein Klassiker unter den harntreibenden Heilpflanzen ist die Brennnessel. Die hierzulande weit verbreitete Urtica dioica enthält reichlich Mineralstoffe (Kieselsäure, Kalium, Eisen) und Flavonoide und daneben viele weitere Substanzen. Die Palette an Wirkstoffen ist wohl auch der Grund dafür, dass sie für ein breites Spektrum an Beschwerdebildern verwendet werden kann: Sie wirkt zum Beispiel blutbildend, hilft gegen Haarausfall, bei Hautunreinheiten, träger Darmtätigkeit und Menstruationsbeschwerden.
Harnstoff ausschwemmen
Besonders wirksam ist die Brennnessel in Bezug auf die Harnwege. Die Heilpflanze regt die Nieren- und Blasentätigkeit an und hilft auf diese Weise, die Harnwege durchzuspülen. So lösen sich grosse Mengen an Harnstoff und Harnsäure, die dann über die Niere ausgeschwemmt werden –sehr zum Vorteil von Menschen mit einer Veranlagung für Gicht: Was ausgeschieden
Brennnessel anwenden
Die Brennnessel ist als Frischpflanzentinktur, als spagyrische Essenz, als homöopathische Zubereitung oder als offene Teekräuter erhältlich. Für Gichtpatienten und Personen mit erhöhten Harnsäurewerten empfiehlt sich die Teezubereitung, weil bei ihnen besonders die Durchspülung der Harnwege wichtig ist und neben den Wirkstoffen auch die effektive Trinkmenge eine zentrale Rolle spielt. Für die Zubereitung gibt man 3 bis 4 Teelöffel Brennnesselkraut in eine Tasse mit Teesieb, giesst 2 bis 3 Deziliter kochendes Wasser darüber und lässt den Tee zugedeckt 10 Minuten ziehen. Mehrmals täglich zwischen den Mahlzeiten kann der jeweils frisch zubereitete Tee genossen werden. Wem der Brennnesseltee zu grasig schmeckt, gibt noch ein paar Blättchen Pfefferminze oder Zitronenmelisse dazu oder lässt sich in der Drogerie eine Teemischung zusammenstellen.
Tipps bei Gicht und erhöhtem Harnsäurespiegel
l Keine strengen Fastenkuren oder Nulldiäten machen. Während solchen Kuren bildet sich im Körper noch mehr Säure, die Gelenkschmerzen oder Gichtschübe auslösen kann.
l Täglich mindestens zwei Liter Tee oder Wasser trinken. Die grösste Flüssigkeitsmenge sollte am Vormittag erfolgen, weil in dieser Zeit die Stoffwechselaktivitäten auf Hochtouren laufen. Während den Mahlzeiten und am Abend nicht zu viel trinken. Ersteres kann die Verdauungstätigkeit beeinträchtigen und Letzteres zu unnötig häufigem Aufstehen in der Nacht führen.
l Alkoholhaltige Getränke wie Bier, saurer Most, Weisswein oder Spirituosen meiden.
l Innereien wie Kutteln, Leberwurst, Nieren und Milken sowie Muscheln und Krevetten enthalten besonders viele Purine, ebenso die Haut von Fischen und Geflügel. Günstig hingegen sind Gemüse, Früchte und Salate wie auch Vollkornprodukte und Milcherzeugnisse.
l Bei einem akuten Gichtanfall möglichst viel Wasser trinken und den Arzt aufsuchen.
Puringehalt in Lebensmitteln
(Milligramm pro 100 Gramm)
Fleischextrakt (Bouillon) 3300 mg
Innereien 250 bis 550 mg
Thunfisch 257 mg
Sardellen 239 mg
Kalb und
Schweinefleisch
100 bis 150 mg
Kalbsbratwurst 91 mg
Eier 5 mg
Milchprodukte 0 bis 30 mg
Obst und Gemüse 10 bis 30 mg
Quelle: Schweizerische Gesellschaft für Ernährung
wird, kann sich nicht mehr in den Gelenken einlagern.
Brennnesseln sind keine besonders sonnigen Gemüter, die uns auf der Wiese entgegenlachen. Im Gegenteil: Sie verstecken sich hinter dem Schopf, unter der Brücke, entlang von Zäunen, am Waldrand
Inserat
oder unter Gebüschen. Kommen Kinder beim Spielen das erste Mal mit ihr in Kontakt, vergessen sie die brennenden Blätter so schnell nicht wieder. Kaum eine andere Pflanze eignet sich so gut für Mutproben und kleine Streiche.
Der bekannte Kräuterpfarrer Johann Künzle nannte die Brennnessel seinerzeit einen «ruchen Cholderi mit brennendem Händedruck». Die brennenden Eigenschaften machten sich früher die Rheumapatienten zunutze, indem sie sich Brennnesselsträusse auf die schmerzenden Glieder schlugen. Diese Rosskur erhöht lokal die Durchblutung und vermindert den Schmerz. So kam die Brennnessel auch zu ihrem Gattungsnamen Urtica, das vom lateinischen Urere (brennen) abstammt.
Dioica bedeutet zweihäusig, was bedeutet, dass entweder nur weibliche oder nur männliche Blüten auf einer Brennnesselpflanze zu finden sind. Ihr Stängel ist vierkantig und ihre dunkelgrünen Blätter sind
stark gesägt. Von Juli bis August blühen die unscheinbaren Lippenblüten der Brennnessel in weisslicher Farbe. Das ist die Zeit, in der die Brennnesseln auch selber gesammelt und an einem leicht windigen Ort getrocknet werden können. Selbstverständlich ausgerüstet mit festen Gartenhandschuhen und einer Schere. Denn kaum eine andere Pflanze weiss sich derart gut gegen Angriffe zu schützen wie die Brennnessel. u
«Natürlich leben» im TV
Die Sendung «Gesundheit» mit «Erste Hilfe aus der Natur» auf Tele M1 und TeleTell. Sonntag ab 18.20 Uhr mit stündlicher Wiederholung, Montag bis Samstag gemäss Wochenprogramm. _ Weitere Infos und Video: www.natuerlich-leben.ch
Seit über 20 Jahren setzt sich Heinz Knieriemen für «natürlich leben» kritisch mit den Methoden und den Auswirkungen der Schulmedizin und der Laborwissenschaft auseinander Im AT Verlag hat er mehrere Bücher herausgegeben, unter anderem über Vitamine, Mineralien und Spurenelemente oder Inhaltsstoffe in Lebensmitteln und Kosmetika.
Heinz Knieriemen über
tödliche Erdnüsse
Allergiker leben gefährlich, denn die Lebensmittelindustrie kann nicht mehr garantieren, dass ein Produkt wirklich nur das enthält, was deklariert wird. Harmloses Knabberzeugs wird somit zum Gesundheitsrisiko.
Fassungslos und schockiert haben Verwandte, Freunde und eine breite Öffentlichkeit am Tod eines 16-jährigen Mädchens aus Biberstein (AG) Anteil genommen. Lucia starb letzten Juni in England beim Besuch ihrer Schwester, weil sie Erdnüsse statt der vermeintlichen gebrannten Mandeln gegessen hatte.
Auf Erdnüsse war das junge Mädchen allergisch und es reagierte, was übrigens keinen Ausnahmefall darstellt, zuerst mit den Symptomen einer Lebensmittelunverträglichkeit, deshalb wurde zunächst nichts Schlimmes befürchtet. In der Vergangenheit hatten Erdnüsse und in anderen Nahrungsmitteln enthaltene Erdnussbestandteile nur zu vergleichsweise harmlosen Reaktionen geführt. Es bleibt also die Frage, warum der Genuss von Erdnüssen in diesem Fall tödliche Folgen hatte.
Bekannt ist, dass Erdnüsse zu jenen Nahrungsmitteln gehören, die einen anaphylaktischen Schock auslösen können. Ursache für diese heftigste Reaktion sind neben Nahrungsmitteln auch intravenös verabreichte Medikamente, Röntgenkontrastmittel oder Insektenstiche. Der anaphylaktische Schock führt zu Atemnot wie bei einem Asthmaanfall, verbunden mit einer Gefässerweiterung und dem Übertritt von Körperflüssigkeit in Haut und Schleimhäute, was zu starken Schwellungen führt. Der Schockzustand kann so dra-
matisch verlaufen, dass er in kurzer Zeit zum Herzstillstand führt.
Vergleichbar mit einem Hühnerei
Genau diese Symptome wurden bei Lucia in England nach dem Genuss von Erdnüssen beobachtet, und doch muss es für die aussergewöhnliche Heftigkeit der Reaktion noch weitere Ursachen geben. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Erdnüsse sind gesund. Sie enthalten wichtige Mineralstoffe und Spurenelemente wie Kalzium, Magnesium, Kalium und Phosphor und zudem noch Phytosterine, die als wichtige Krebshemmstoffe gelten. Für gichtgefährdete Menschen ist die Erdnuss wegen des hohen Puringehaltes jedoch nicht geeignet.
Die Erdnuss ist übrigens keine Nuss, sondern gehört zur Familie der Leguminosen, der Hülsenfrüchte. Sie weist einen Fettgehalt von annähernd 50 Prozent und einen Eiweissanteil von mehr als 25 Prozent auf, was etwa dem des Hühnereis entspricht.
Im Zusammenhang mit Erdnüssen fällt immer wieder auch das Wort Aflatoxin. Aflatoxine sind Stoffwechselprodukte des Schimmelpilzes Aspergillus flavus. Diese sind hoch giftig und krebserregend und befallen vor allem eiweissreiche Lebensmittel wie Erdnüsse und Soja. Der Erreger ist gegen Salzen, Zuckern, Rösten und
Die Erdnuss ist übrigens keine Nuss, sondern eine Hülsenfrucht.
auch gegen Backen weitgehend resistent. Wenn nun eine allergiegefährdete Person Aflatoxin-befallene Erdnüsse isst, potenzieren sich die Gefahren für die Gesundheit, wie das bei dem jungen Mädchen aus Biberstein offensichtlich der Fall war.
Risiko im Kinosaal
Mögliche Gefahren für das Auslösen allergischer Reaktionen und für Unverträglichkeiten lauern noch an einem anderen Ort. So warnte vor einiger Zeit das Deutsche Bundesgesundheitsblatt vor «unter Umständen lebensbedrohlichen Schockreaktionen», die vor allem von den immer weiter verbreiteten Soja- und Erdnussproteinen als Geschmacksverstärker von
Snacks und Crackers ausgehen. Zu allergischen Reaktionen und allen möglichen Formen von Unverträglichkeiten kommt es immer dann, wenn Zutaten, Zusatzstoffe oder Hilfsstoffe in grosser Zahl und grossen Mengen in die Nahrungskette einfliessen – dies meist versteckt, häufig sogar undeklariert. Das gilt neben Soja und Erdnuss für industrielle Ei-Erzeugnisse, Milch und Milchzucker, für (Gentech)-Enzyme, synthetische Farben, Aromat und Glutamat, aber auch etwa für Bohnenpulver und Nüsse
Die Tagespresse berichtete von einem Fall, der sich kürzlich in einem Zürcher Kino abspielte: Ein 8-jähriger Knabe knabberte an seinen Kartoffelchips. Plötzlich lief er rot an und rang nach Luft. Die Diagnose im Spital: Ein lebensbedrohlicher anaphylaktischer Schock. Der Auslöser war undeklariertes Bohnenmehl, das wie Erdnussbestandteile mittlerweile auch in Spuren deklarationspflichtig ist.
Kann Spuren von ... enthalten
Ein Blick auf die Zutatenliste etwa von Frühstücks-Cerealien fördert oft Erstaunliches zutage. So folgen auf Getreide, Zucker und gehärtetes pflanzliches Öl neben Glukose und Glukosesirup zwei weitere Stärkezuckerarten sowie der Hinweis: Kann Spuren von Erdnüssen enthalten. Warum kann ein Produkt, das unter Zutaten keine Erdnüsse auflistet, am Ende doch Spuren von diesen enthalten, so dass ein Warnhinweis für die immer grösser werdende Gruppe von Allergikern nötig wird? Die Antwort ist einfach: Die Nahrungsmittelindustrie kann durch die unterschiedlichsten Technologien und Zusatzstoffe nicht mehr garantieren, dass ein Produkt wirklich nur das enthält, was deklariert wird. Es sind immer auch Verunreinigungen möglich. Produkte mit dem Hinweis: «Kann Spuren von … enthalten» sollten daher nicht nur von Allergikern gemieden werden. u
Surftipps für Allergiker _ www.natuerlich-leben.ch/surftipps
Beratung
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Sabine Hurni, Drogistin HF und Naturheilpraktikerin mit Fachrichtung Ayurveda und Phytotherapie, und das kompetente «Natürlich»-Berater-Team beantworten Ihre Fragen zu Gesundheit, Ernährung, Ökologie, Garten oder Natur.
Senden Sie Ihre Fragen an: sabine.hurni@natuerlich-online.ch oder «Natürlich», Leserberatung Neumattstrasse 1, 5001 Aarau
Rat & Tat per Internet Fragen können Sie auch auf unserer Website www.natuerlich-online.ch stellen.
Das «Natürlich»-Berater-Team ist unter der Rubrik «Rat & Tat» auch online für Sie da.
Knochenstark
Aufgrund meiner Knochendichte sollte ich kalziumreich essen. Milchprodukte vertrage ich schlecht und ich trinke am liebsten Leitungswasser. Was kann ich tun, damit ich auf die nötige Kalziummenge komme?
U.O., Gstaad
Milchprodukte sind zwar Kalziumquellen, nicht unbedingt aber bei Osteoporose. Aufgrund des hohen Eiweissanteiles produziert der Körper beim Abbau Säure. Zum Ausgleich des SäureBasenGleichgewichtes holt er sich je nach Ausmass der Säurebelastung zusätzliches Kalzium aus den Knochen, was die Knochenstrukturen zusätzlich schwächt.
Dabei ist das Gegenteil wichtig: Wärme auf allen Ebenen und basenbildende Lebensmittel wie Gemüse, Früchte, Rosinen oder Nüsse. Das können Sie erreichen, indem Sie sich zweimal die Woche von Kopf bis Fuss mit einem warmen Körperöl einmassieren, dies fünf bis zehn Minuten einwirken lassen und duschen. Wärme können Sie sich auch durch die Mahlzeiten zuführen: zum Frühstück warme Fruchtschnitze und zum Znacht warmes Gemüse oder eine Suppe.
Versteifen Sie sich zudem nicht allein auf das Kalzium, sondern sorgen Sie dafür, dass Sie wirklich ausgewogen und gemüsereich essen, täglich eine Handvoll Mandeln verspeisen und Vollkornprodukte den weissen Mehlen und Teigwaren vorziehen. Das Kalzium können Sie dann mit einer sinnvollen Nahrungsergänzung zuführen. Auch Leitungswasser enthält zum Teil viel Kalzium. Erkundigen Sie sich auf der Gemeinde danach und vergleichen Sie mit den kohlensäurefreien Mineralwassersorten. Ideal für die Knochen sind auch Teemischungen aus Brennnesselkraut und Schachtelhalm. Beide Pflanzen enthalten Kieselsäuren, welche die Knochenstrukturen stärken. Zudem wirken Kräutertees basenbildend.
Mit einem aktiven Lebenswandel, der Bewegung, Massagen und viel Lebensfreude beinhaltet, sind Sie auf dem besten Weg, der Osteoporose vorzubeugen. Im
übertragenen Sinn geht es bei Knochenkrankheiten, welche die starren Strukturen unseres Körpers betreffen, nicht zuletzt darum, beweglich und flexibel zu bleiben – in allen Bereichen des Lebens.
Sabine Hurni
Mundgeruch bei Rauchern
Mein Mann ist Pfeifenraucher und hat deswegen öfters Mundgeruch, auch nach dem Zähneputzen. Wie kann er diesen verhindern oder neutralisieren?
A.U., Hochdorf
Mit dem Zähnputzen allein ist es leider nicht getan. Genauso wichtig sind die Zungenreinigung mit einem Zungenschaber (idealerweise aus Metall) und die Reinigung der Zwischenzahnräume. Eine Studie ergab, dass die Reinigung der Zunge faulige Gase und schlechten Atem zu etwa 75 Prozent reduziert. Die übliche Zahnreinigung schafft das nur zu 25 Prozent. Die mechanische Entfernung von Mikroorganismen nimmt also eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Mundgeruch ein. Zudem kann Ihr Mann ab und zu ein paar Fenchelsamen oder eine Ingwerscheibe kauen. Das erfrischt nicht nur den Atem, sondern regt auch die Verdauung an. Eine weitere Methode ist das Ölziehen. Es entfernt sämtliche geruchs und entzündungsfördernden Stoffe aus der Mundhöhle und stärkt das Zahnfleisch.
Sabine Hurni
Restharnmenge nach OP
Vor sechs Jahren wurde meine Prostata operiert. Seither bleiben 3 bis 4 Deziliter Urin in der Blase, die nicht entleert werden. Ich merke davon nichts. Mein Urologe möchte das beheben, indem er zwei kleine Schnitte in die Blase und den Harnleiter macht. Meine Hausärztin würde noch warten damit.
P. K., Zug
Eine ketzerische Frage zum Einstieg: Wer hat hier nun ein Problem – Sie
oder Ihr Urologe? Wieso sollten Sie operieren, wo Sie doch über all die Jahre nichts von der Restharnmenge bemerkten? Fragen Sie bei Ihrem Urologen nach, was sich in Ihrem Leben genau verbessert, wenn Sie sich dieser Operation unterziehen. Oder woran Sie nach der Operation merken, dass Sie operiert wurden. Ich bin keine Ärztin, glaube aber, dass Ihre Hausärztin das richtig sieht: lieber abwarten, anstatt voreilig zu operieren. Solange Sie aufgrund der Restharnmenge nicht in Ihrer Lebensqualität eingeschränkt sind, ist kein sofortiger Handlungsbedarf nötig. Unterstützen Sie die Blase mit Heilpflanzen wie Sägepalmenblätter und Brennnesselkraut und wurzeln. Beides reduziert die Restharnmenge und verbessert die Blasenentleerung.
Sabine Hurni
Was macht die Milz?
Womit kann ich die Arbeit der Milz unterstützen? Vielleicht haben Sie gute Erfahrungen mit natürlichen Mitteln gemacht.
E. T., Olten
Die Milz ist das zentrale Organ unseres Immunsystems und äusserst wichtig für die Abwehrkräfte. Es produziert und speichert die weissen Blutkörperchen und baut die alten ab. Am besten stärken Sie das Organ beziehungsweise das Immunsystem mit einer gesunden Lebensführung, bei der Sie den Konsum von Kaffee, Schwarztee, Alkohol, Nikotin
und Zucker möglichst tief halten sowie die Balance zwischen Stress und Entspannung halten. Was täglich auf dem Programm stehen sollte, ist Bewegung. Das muss kein ambitioniertes Sportprogramm sein. Lockeres Joggen, Walken oder Radfahren sowie zügiges Gehen verbessern die körpereigene Abwehr bereits. Ebenso wichtig für das Immunsystem sind antioxidativ wirkende Vitamine und Mineralstoffe aus Gemüse und Früchten. Gerade im Winter sollte deshalb mindestens eine Mahlzeit von reichlich Gemüse begleitet sein. Das heisst natürlich nicht, dass Sie auf alles verzichten müssen, was Spass macht. «Sündigen» Sie lieber mal mit Hochgenuss und gönnen Sie sich ab und zu Momente, in denen Sie nur nach dem Lustprinzip leben. Denn gerade Glück und Freude sind gut für die Psyche, was sich wiederum positiv auf das Immunsystem auswirkt.
Die Milz spielt übrigens in der traditionellen chinesischen Medizin (TCM) eine zentrale Rolle. Gemäss TCM ist sie die Herrscherin über die Körperflüssigkeiten. Bitterstoffe, wie sie in grünem Gemüse, Endivie und Chicoree enthalten sind, sollen die Milzkraft stärken, ebenso Knoblauch, Zwiebeln und Fenchel, Rettich und Radieschen.
Sabine Hurni
Nahrungsmittelallergie
Ich habe nach einen Bluttest bei meinem Arzt erfahren, dass ich unter Milcheiweiss und Glutenallergie
Bewegung stärkt die Abwehr
leide. Dazu kommt noch eine Histaminintoleranz. Nun bin ich am Anschlag mit meiner Ernährung.
U. S., Basel
Da hat Sie Ihr Arzt scheinbar ziemlich im Regen stehen lassen. Mögen Sie besonders gerne Brot, Käse und Milchprodukte, Schokolade, Wurstwaren und ein gutes Glas Wein dazu? Genau diese Vorliebe könnte auch die Allergie ausgelöst haben. Irgendwann wird es dem Darm und dem ganzen Körper nämlich zu bunt. Langsam schleichen sich chronische, diffuse Verdauungsprobleme in den Alltag. Aber Sie können beruhigt sein. Wenn Sie folgende Diät sehr streng einhalten, dann können Sie bereits in ein paar Wochen wieder kleinere Mengen von Ihren Lieblingsspeisen essen. Doch drei Schritte sind dazu notwendig:
1. Verzicht auf Milch, glutenhaltige Getreidesorten wie Roggen, Weizen, Dinkel, Gerste, Hafer, Grünkern, Urdinkel, Einkorn, Emmer, Kamut – erlaubt sind Reis, Mais, Hirse, Amarant, Quinoa, Buchweizen – und der Verzicht auf alkoholische Getränke (vor allem Rotwein), Nüsse, Salami oder ähnliche Rohwürste, Tomaten, Sauerkraut und Spinat.
2. Aufbau der Darmflora mit lebenden Bakterienstämmen.
3. Aufbau des Immunsystems mit Multivitaminen, die keine Zusatzstoffe wie Aromen oder Farbstoffe enthalten.
Ich weiss, das klingt hart und erfordert am Anfang viel Kreativität. Vor allem deshalb, weil genau diese Lebensmittel bei uns so gebräuchlich sind. In Südamerika oder Asien etwa essen die Leute von früh bis spät Reis, viel Hülsenfrüchte und viel gekochtes Gemüse. Experimentieren Sie mit der thailändischen, indischen oder mexikanischen Küche. Wie wäre zum Beispiel ein heisses Fruchtkompott zum Frühstück, dazu ein Schafmilchjogurt oder etwas Rahm, geröstete Mandelsplitter, Baumnüsse und etwas Honig? Oder zum Zmittag alle Arten von Gemüse mit Quinoa, Hülsenfrüchten, Reis und Kartoffeln in allen Varianten und am Abend eine schmackhafte Suppe aus Maroni, Kürbisoder Randengemüse?
Der ATVerlag führt ein sehr informatives Buch zum Thema: «Lebensmittelunverträglichkeiten» von Hans Jörg Schwyn und Camille Lieners. Stöbern Sie auch mal in ayurvedischen Kochbüchern. Gerade fürs Frühstück sind dort allerlei gute Ideen enthalten.
Sabine Hurni
Haus&Garten
Tipp _Geranien überwintern
1 Geranien können im Herbst lange draussen bleiben. Sie ertragen auch leichten Frost und im Schutz einer Hauswand Temperaturen bis minus 5 Grad. Anfang November sollte man sie ins Haus holen.
2 Sie vertragen meist auch eine Überwinterung im dunklen Keller, besser ist aber ein heller Standort im Wintergarten oder Treppenhaus, wo sie auch ganzjährig durchblühen können.
3 Die Überwinterungstemperatur sollte zirka 8 bis 14 Grad betragen.
4 Während der Ruheperiode nicht düngen und nur so selten giessen, dass die Wurzelballen nicht vollständig austrocknen.
5 Im März topft man die Geranien in frische Erde um und giesst und düngt wieder regelmässig. Nach den Eisheiligen können sie wieder nach draussen. ajo
Kochen _Andrea und Brigitta laden ein
Vegetarisch, vollwertig, tierisch-eiweissfrei –leidenschaftlich haben die beiden Autorinnen Brigitta Hackl-Fritsche und Andrea Donner Staub feine Rezepte kreiert. Gewürze und feine Kräuter machen aus vollwertigen Naturproduvkten Gaumenfreuden für Gesunde und Medizin für Kranke. Das spezielle Kochbuch mit dem Untertitel «Kochen für Gäste» teilt die einfach zu bereitenden Menüs nach Jahreszeiten auf, widmet aber auch Kindern und geselligen Abenden mit speziellen Snacks und Drinks eigene Kapitel. _ Brigitta Hackl-Fritsche und Andrea Donner Staub: «Andrea und Brigitta laden ein – Kochen für Gäste», Bezugsquelle: andrea. donner@bluewin.ch, Fr. 42.–
Umwelt _Ungenügende Abwasserreinigung
Aus Haushalten und Gärten gelangen dauernd unzählige Stoffe aus Medikamenten, Körperpflegeprodukten, Reinigungs- oder Pflanzenschutzmitteln in die Schweizer Gewässer. Laut dem Bundesamt für Umwelt (Bafu) wirken sich solche Mikroverunreinigungen schädlich auf die Umwelt aus und belasten die Trinkwasservorkommen. Das Bafu kommt in seinem jüngst veröffentlichten Bericht «Mikroverunreinigungen in Gewässern» daher zur Einschätzung, dass die Kläranlagen mit Systemen zur Eliminierung von Mikroverunreinigungen aufgerüstet werden müssen. Obwohl für die Bevölkerung keine akute Gefahr bestehe, seien entsprechende Massnahmen aus vorsorglichen Gründen unverzichtbar, schreibt das Bundesamt. ajo _ www.bafu.admin.ch/publikationen/ publikation/01051
Kurs _Hecken richtig pflegen
Hecken sind wertvolle natürliche Landschaftselemente. Damit sie ihre ökologische Funktion als Lebensraum und Vernetzungselement auch langfristig erfüllen, wollen sie aber gepflegt und geschnitten sein. Das Naturama Aargau führt dazu am 9. Dezember einen kostenlosen Kurs durch. Dieser vermittelt, wann, was und wie viel geschnitten werden muss, demonstriert den sicheren Umgang mit der Motorsäge und führt zudem spezielle Maschinen vor. ajo
_ Informationen und Anmeldung: Thomas Baumann, Naturama Aargau, Tel. 062 832 72 87, t.baumann@naturama.ch
Wollig warm
Warum Schafwolle nur als Pullover tragen? Das natürliche Material eignet sich bestens zur Isolation von Alt- und Neubauten. Es sorgt nicht nur für ein gesundes Raumklima, sonder n erfüllt spielend den Minergiestandard.
Text Pirmin Schilliger
Walter und Gabi Scheuss halten auf ihrem Hof in Roggwil (TG) seit vielen Jahren schon Milchschafe. Zur Tierpflege gehört, dass sie die Schafe regelmässig scheren. Die Verwertung der dabei anfallenden Wolle bereitete ihnen mangels Abnehmern immer wieder Kopfzerbrechen. «Mal haben wir die Wolle selber verarbeitet, mal einfach verschenkt», sagt Gabi Scheuss. Ausser Diskussion stand das Verbrennen – eine Entsorgungsmethode, die nicht wenige
Schafhalter praktizieren. «Blödsinn», meint dazu Gabi Scheuss und stellt klar, dass es für sie eine Schande wäre, ein Produkt mit solch hervorragenden Eigenschaften einfach in den Abfall zu werfen.
Wertvolle Wolle wird verbrannt
Heute sind die Sorgen mit überschüssiger Schafwolle zum Glück Vergangenheit. Walter und Gabi Scheuss fahren nach der Schafschur jeweils zur Fiwo in Bischofszell (TG). Dieses Unternehmen hat inzwi
schen ein Netz von 50 Sammelstellen in der Schweiz aufgebaut, an denen rund 4500 Schafbauern die Wolle abliefern können. Auch die Inlandwollzentrale IWZ, eine Tochterfirma des Schweizerischen Schafzuchtverbandes (SZV), organisiert Sammlungen. Im vergangenen Jahr wurden mehrere hundert Tonnen der Verwertung zugeführt.
Trotzdem: FiwoGeschäftsführer HansUeli Scherrer schätzt, dass auch so immer noch rund 40 Prozent der Schafschurernte
verbrannt wird. Der Grund: Der Preis für die Wolle deckt dem Bauern den Aufwand kaum. Zudem ist der Weg zur Kehrichtverbrennungsanlage für manchen Schafhalter kürzer als zur nächsten Wollsammelstelle. Angesichts der klein strukturierten Schweizer Schafzucht ist ein engmaschiges Sammelnetz unabdingbar. Das ist logistisch allerdings aufwändig.
Die Fiwo als Sozialfirma, die Langzeitarbeitslose und Ausgesteuerte beschäftigt, stösst hier in eine Nische, die der freie
Markt mangels Renditeaussichten nicht abdeckt. Sie bewirtschaftet nicht nur erfolgreich ein Sammelnetz, sondern hat vor drei Jahren auch eine moderne Anlage gebaut, um aus Schafwolle formstabile Dämmplatten zu pressen. Diese werden vor allem in neuen Holzhäusern, aber auch bei Renovationen eingesetzt. Sie eignen sich für alle Dämmzwecke, also für Aussen und Innenisolationen, für Zwischenwände und böden.
Und: Sie überzeugen mit Dämmwerten, die denen herkömmlicher Materialien –etwa aus Steinwolle – in nichts nachstehen. «Unsere Dämmplatten passen ideal ins Konzept des neu lancierten MinergiePEcoStandards», betont Scherrer. Dabei sind nebst Komfort und Energieeffizienz zusätzliche Kriterien wie Gesundheit und Ökologie besonders gefragt. In der Tat begünstigt die Schafwolle ein ausgewogenes Raumklima, denn sie nimmt Feuchtigkeit auf und gibt sie wieder ab. Zudem reinigt sie die Luft, neutralisiert Schadstoffe wie Formaldehyd und dämmt Elektrosmog sowie Lärm.
Die Natur ist intelligenter
«Die Bauarbeiter schätzen Schafwolle, ganz im Gegensatz zur Glaswolle, weil sie weder die Haut noch die Schleimhäute reizt», sagt Stefan Amacher. Der Zimmermann aus dem Berner Oberland muss es genau wissen. Er hat vor zwei Jahren sein eigenes Haus in Wilderswil (BE) bis aufs Dach komplett mit Schafwolle isoliert. Im zweigeschossigen Holzbau mit seinen sieben Zimmern herrscht jetzt ein äusserst angenehmes Klima. Amacher hat den Ständerbau mit drei Schichten gedämmt. Das Haus, das mit einer LuftLuftWärmepumpe geheizt wird, erfüllt mühelos MinergieStandard. Die Kosten fürs Heizen belaufen sich noch auf rund 1000 Franken pro Jahr. Amacher plant bereits ein weiteres Objekt. «Selbstverständlich mit dem gleichen Isolationsmaterial», sagt er. Der Handwerker ist auch Schafzüchter, und er hat deshalb grösstes Interesse, dass die Wolle seiner 40 Tiere sinnvoll verwertet wird.
Das Potenzial der Schafwolle, die eben erst so richtig als Isolationsstoff entdeckt
Bauen und Renovieren mit tierischen und pflanzlichen Dämmstoffen
Auf dem Markt sind heute bereits verschiedene natürliche Isolations- und Baustoffe, die Verarbeitung der meisten von ihnen ist auch für Heimwerker kein Problem. Hier eine Übersicht:
1 Schafwolle
Die Schafwolle wurde zwar schon länger zum Isolieren verwendet, aber die Verlegung der herkömmlichen Vliese war kompliziert. Dies hat sich nun mit den formstabilen Dämmplatten, wie sie von industriellen Hersteller n wie Fiwo und Baur Vliesstoffe in den letzten Jahren entwickelt worden sind, auf einen Schlag verändert. Der Einsatz dieser neuen Dämmplatten auf dem Bau erfordert keine besonderen Handwerkskünste. Da die Schafwolle bezüglich Energie-, Öko- und Gesundheitswerten alle anderen Materialien in den Schatten stellt, zeichnet sich ein Durchbruch auf breiter Front ab, vor allem im energieeffizienten und umweltfreundlichen Holzbau, und zwar beim Dämmen von Fassaden, Dächern, Trennwänden und Zwischenböden.
2 Hanf
Die Firma Saint-Gobain Isover AG in Lucens (VD), eigentlich ein Spezialist für Glaswolle, hat seit einigen Jahren die aus Nutzhanf gefertigte Dämmplatte Florapan im Angebot. Diese ist für alle Arten von Wärmedämmung ohne Überlast geeignet. Ein Referenzobjekt steht in Mosnang im Toggenburg. Das Haus besteht ausschliesslich aus natürlichen Materialien, ist nach Minergie-P zertifiziert und vollständig mit Florapan-Platten gedämmt.
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Terrasse mit Aussicht – und der Einsicht, dass nachhaltiges Bauen alles andere als langweilig ist
wird, ist riesig. Denn immer mehr umweltbewusste Bauherren setzen auf natürliche Materialien. «Wir bauen gerade das erste Passivhaus, das mit Wolle isoliert wird», sagt FiwoChef HansUeli Scherrer. Er rechnet damit, dass das neue MinergiePEcoLabel die Nachfrage weiter ankurbeln wird, denn die Schafwolle erfüllt perfekt alle dafür erforderlichen Eigenschaften.
«Schafwolle ist phantastisch zum Isolieren, der Rolls Royce unter den Dämmmaterialien», schwärmt Architekt Heribert Binz aus Schmitten (FR). Nach seinen Plänen ist in der Schweiz das erste mit Schafwolle gedämmte und nach dem Standard MinergiePEco zertifizierte Gebäude entstanden. Im kürzlich vollendeten Wohnund Geschäftshaus in Thun, einem dreigeschossigen Holzrahmenbau, schützen 40 Zentimeter dicke Dämmschichten und eine GrundwasserWärmepumpe vor der winterlichen Kälte. Auf dem Dach ist eine PhotovoltaikAnlage installiert, die den notwendigen Strom liefert. Der Architekt, der dank dem Wunsch des Bauherren die Schafwolle als idealen Isolationsstoff entdeckt hat, ist begeistert: «Es zeigt sich wieder einmal, dass die Natur viel intelligenter ist als die Industrie, denn die Dämmqualitäten der Schafwolle werden selbst mit modernster Produktionstechnik nie erreicht.»
Es gibt nur einen Nachteil
Die Dämmplatte aus Schafwolle kann noch weitere Trümpfe ausspielen. Bezüg
lich grauer Energie ist sie geradezu konkurrenzlos. Bei der Herstellung wird rund zehnmal weniger Kohlendioxid ausgestossen als etwa bei der Produktion von Steinwolle. Die Bilanz würde gar noch günstiger ausfallen, müsste die Wolle nicht zum Waschen nach Belgien oder Österreich transportiert werden. Das soll sich aber bald einmal ändern, plant doch die Fiwo in Bischofszell eine eigene Waschanlage.
Bleibt eigentlich nur ein Nachteil – der Preis. «Unsere Dämmplatte ist tatsächlich teurer als die aus anderen Materialien gefertigten Konkurrenzprodukte», räumt Scherrer ein. Architekt Binz beziffert die Mehrkosten bei einem Einfamilienhaus –je nach gewünschtem Energiestandard –auf 5000 bis 15 00 0 Franken.
HansUeli Scherrer rechnet damit, dass die wollenen Dämmplatten, sobald die Mengeneffekte spielen, mittelfristig günstiger werden. Noch ist die auf 450 Tonnen ausgerichtete Anlage der Fiwo lediglich zu einem Drittel ausgelastet. «Wir sind gerade dabei, einen jungen Markt weiter aufzubauen», sagt er.
Schützenhilfe gibt es von einem Konkurrenten, der deutschen Baur Vliesstoffe GmbH. Dieser Spezialist für Vliese aus natürlichen Rohstoffen wie Baumwolle, Flachs, Hanf und tierischen Haaren stellt ein ähnliches Produkt her. In der Schweiz wird die von ihm entwickelte Dämmplatte aus Schafwolle vom Ökobaumarkt in Bern vertrieben. Den Rohstoff liefert in diesem Falle die IWZ. Allerdings erhält die Wolle über diesen Kanal keine Bundessubven
Haus&Garten Isolieren
3 Kork
Die nachwachsende Rinde der Korkeiche wäre von den physikalischen Eigenschaften her ein hervorragender Dämmstoff. Sie fristet aber – ausser bei Unterlagsböden –eher ein Mauerblümchendasein. Der Grund: Kork ist verhältnismässig teuer. Auf dem Markt erhältlich sind aber Korkplatten von 10 bis 160 Millimeter Dicke, die für alle denkbaren Isolationszwecke geeignet sind. Bei der Herstellung von Dämmplatten aus Kork wird das natürliche Harz unter Druck verflüssigt und der Rohstoff gepresst. Das Harz wird so zum Leim, der die Platte verklebt.
4 Lehm
Ist wohl der älteste, und in vielen ärmeren Ländern bis heute auch der gebräuchlichste Baustoff. Neuerdings wird Lehm dank seinen wärmespeichernden und ästhetischen Eigenschaften bei uns als Baustoff wieder entdeckt. Vorwiegend wird er als Wandverputz eingesetzt. Die Firma Topleem Helvetica hat dafür ein komplettes Lehmbauprogramm entwickelt: Bausteine und -platten, Grund- und Farbputze, Mauermörtel und Farben.
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Moderne Architektur mit nachhaltigen Materialien wie Holz und Schafwolle als Isolationsmaterial
tionen, weil sie nicht in der Schweiz, sondern im bayrischen Dinkelsbühl verarbeitet wird. Das fällt jedoch nicht sonderlich ins Gewicht. «Der Beitrag ist ohnehin nur ein Tropfen auf den heissen Stein», meint SZVPräsident German Schmutz. Rund einen Franken erhalten die Bauern für die Schafwolle eines Tieres, was die Lohnkosten von fünf bis sieben Franken für den Scherer längst nicht aufwiegt. Schmutz betont: «Früher wurden Schafe in erster Linie wegen ihrer Wolle gehalten, das Fleisch war zweitrangig. Heute ist es umgekehrt: Das Wichtigste ist das Fleisch, dann die Landschaftspflege und erst zuletzt kommt die Wolle.»
Eine ganz andere Werteskala kennen inzwischen Walter und Gabi Scheuss. «Am wertvollsten ist bei uns die Schafmilch, doch danach folgt bereits die Wolle», sagt die Bäuerin. Auf dem Hof in Roggwil ist
der Stoffkreislauf kürzlich geschlossen worden: mit Dämmplatten aus Schafwolle, die bei der Renovation des Bauernhauses zum Isolieren verwendet wurden. In den eigenen Wänden stecken jetzt – vielleicht – die Haare der eigenen Tiere. Gabi Scheuss lacht über diese Vorstellung, die ihr durchaus sympathisch ist. «Seit der Renovation», sagt sie, «ist das Raumklima jedenfalls hervorragend; die Luft bleibt frisch und wird nicht muffig, selbst wenn wir einmal ein paar Tage die Fenster nicht geöffnet haben.» u
Surftipps
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Auch für Wandheizungen ist Lehm geeignet. Fertigbauteile aus Lehm werden direkt in Wandheizungen eingebaut. Im Gegensatz zu herkömmlichen Heizkörpern erwärmen die Lehmelemente nicht die Luft, sondern geben die Wärme gleichmässig als Strahlung ab. Das sorgt für ein angenehmeres Klima, denn die Raumluft bleibt verwirbelungsfrei und trocknet beim Heizen auch nicht aus. Zudem wird die Wärme gleichmässiger verteilt, wenn die Lehmkörper richtig platziert sind.
Einen speziellen Biofaserlehm für den Innenverputz hat die österreichische Biofaserlehm GmbH im Angebot. Dieser reguliert die Luftfeuchtigkeit, reinigt die Luft und soll auch Elektrosmog dämpfen. Zudem überzeugt er mit seinen nachhaltigen Eigenschaften, denn für die Produktion braucht es so gut wie keine graue Energie. Das Unternehmen erstellt zudem Passivhäuser ganz in Lehmbauweise, so dass keinerlei synthetische Folien oder Kleber notwendig sind, auch nicht für den Einbau der Fenster.
Pflanzenextrakte: Die Auro Pflanzenchemie AG ist spezialisiert auf ökologische Baufarben, Imprägnierungen, Anstrichmittel und Klebestoffe sowie die zugehörigen Reinigungs- und Pflegemittel. Hergestellt werden all diese Produkte aus verschiedenen Pflanzen und deren Extrakten, ohne chemische Zusätze.
Inserat
Bienenwelten
Herbstarbeiten stehen an. Doch Remo Vetter denkt auch bereits an den kommenden Frühling – und an die Bienen, denen es die intensive Landwirtschaft immer schwerer macht, genügend Nektar zu sammeln.
Der Autor
Remo Vetter wurde 1956 in Basel geboren. 1982 stellte ihn der Heilpflanzenpionier Alfred Vogel ein. Seither ist Vetter im Gesundheitszentrum in Teufen AR tätig, wo er mit Hilfe seiner Familie den SchauKräutergarten von A. Vogel hegt.
Solange es das Wetter vor dem Wintereinbruch zulässt, geniessen wir die schönen Herbsttage wenn immer möglich draussen im Garten. Es geht jetzt alles ein bisschen gemächlicher. Die Natur drängt nicht mehr so wie im Frühling und Sommer. Unsere winterfesten und einjährigen Gründüngungen sind gut angewachsen. Das Ziel, das wir verfolgen, ist eine möglichst permanente Bepflanzung und Schutz der Bodenstruktur. Da in dieser Jahreszeit sehr viel Material im Garten anfällt, sollte es ein Leichtes sein, die Beete mit Ästen und Laub abzudecken, wo dies nötig ist.
Auf den spät zu erntenden Beeten mit Rosenkohl, Federkohl und Lauch haben wir Feldsalat als Bodendecker eingesät, welcher uns auch im Winter mit Vitaminen versorgt.
Wir lassen nicht benötigte Pflanzen den ganzen Zyklus gehen. Eine Pflanze hat eine Hoch-Zeit: Blüte und Erntezeit. Nach dem Samenstadium beginnt das Vergehen, Säfte und Energie ziehen sich in die Wurzeln zurück. Seit wir den Pflanzen diesen Ausreifungsprozess gönnen, seit wir ihnen Ruhephase und Rückzugsmöglichkeit zugestehen, gibt es in unserem Garten kaum mehr Mangelerscheinungen.
Biologisch Gärtnern und Nichtstun sind nicht dasselbe. Wir müssen dann eingreifen, wenn wir sehen, dass Pflanzen kränkeln oder Schädlinge überhand nehmen. Klar ist, dass wir auf jeden Fall auf Pestizide, Herbizide, Fungizide, Schneckenkörner und Kunstdünger verzichten. Wir verwenden auch keinen Torf und ziehen die Pflanzen aus biologischem Saatgut. Die Philosophie ist denkbar einfach: Auf einem gesunden Boden wachsen gesunde Pflanzen und das wiederum gibt gesunde Menschen.
Mist macht guten Boden
Die Einstreu für unsere Milchschafe besteht aus Weizenstroh, getrocknetem Wiesengras, Kräutern und Laub. Der mit dieser Einstreu durchsetzte Stallmist ist ein wertvoller Dünger für die stark zehrenden Gemüsepflanzen. Normalerweise streue ich den Stall vom Herbst bis zum Frühjahr einmal wöchentlich ein. Den Mist bringe ich im Frühjahr aus, um ihn in die neuen Hügelbeete einzuarbeiten. Da unsere beiden Milchschafe nicht genügend Mist produzieren, liefert mir der Bauer zusätzlich ein paar Ladungen Kuhmist aus seinem biologisch bewirtschafteten Betrieb.
In der konventionellen Landwirtschaft wird mit chemischen Zusätzen, Antibiotika, Wurmmitteln und Hormonen gearbeitet. Die Zusätze gehen in den Mist über und belasten den Gartenboden. Also Hände weg von solchen «Wachstumshelfern».
Natürlich könnte ich mehr Milchschafe halten, damit ich nicht auf fremde Ressourcen angewiesen wäre. Aber dann hätte ich wiederum zu viel Milch, müsste mehr Stallarbeit leisten und zusätzliche Schafe scheren. So akzeptiere ich denn das kleinere Übel und kaufe etwas Mist zu.
Text Remo Vetter
Mulchen ist übrigens eine gute Methode, um den Boden rund um die Bepflanzungen vor dem Austrocknen zu schützen. Als Mulchmaterial eignen sich Laub, Kokoshäcksel, Kompost, gehäckselte Blätter, Beinwell oder Gras. Man kann den kahlen Boden auch mit Vlies, Plastikfolie oder Jutesäcken abdecken. Beim Mulchen mit Pflanzenmaterial wird der Boden mit Humus und Nährstoffen versorgt. In der Dunkelheit wächst kein Unkraut. Die Bodenfeuchtigkeit verdunstet weniger, zudem wird die Bodentemperatur besser reguliert: Dank der Isolierdecke erwärmt sich der Boden schneller und kühlt weniger rasch ab. Neben diesen Vorzügen hat das Mulchen auch Nachteile: Früher hatten wir Unmengen von Schnecken im Garten. Sie lieben es, ihre Eier unter der feuchten Mulchschicht abzulegen. Daher verzichten wir seit einigen Jahren auf den Einsatz von Mulch, ausser im Treibhaus, wo wir die Tomaten mit einer dichten Schicht Beinwellund Brennnesselblätter einpacken.
Kupferwerkzeuge für guten Wuchs
In unserem Garten arbeiten wir seit einigen Jahren konsequent mit Gartengeräten aus Kupfer. Dabei stellen wir fest, dass die
Pflanzen von Jahr zu Jahr üppiger gedeihen, dass sich die Bodenstruktur verbessert und die Bearbeitung viel leichter von der Hand geht.
Durch gezielte Versuche zeigte sich bereits in den Fünfzigerjahren, dass die Verwendung von Kupfergeräten Qualität und Ertrag deutlich verbessert. Der österreichische Biotechniker Viktor Schauberger führte dies darauf zurück, dass Eisen in der bearbeiteten Gartenerde eine negative Wirkung entfaltet. Nach seiner Erkenntnis werden durch die mechanische Abnützung von Eisenwerkzeugen feine Eisenteilchen an den Boden abgegeben. Diese bilden einen dünnen Rostschleier, der die Austrocknung des Bodens beschleunigt.
Kupfer hingegen ist in einem gesunden Boden von Natur aus vorhanden und beeinflusst im Gegensatz zu Eisen die natürliche, magnetische Spannung des Bodens nicht. Deshalb bringen Gartengeräte aus Kupfer eine deutliche Verbesserung von Qualität und Ertrag bei Zier- und Nutzpflanzen. Das war bereits in der Hochkultur des alten chinesischen Kaiserreichs bekannt und wurde in unserer Zeit von Schauberger wiederentdeckt. Die Gartengeräte geben feinste Teile von Kupfer,
Gold, Silber und Magnesium ab, beeinflussen damit den Wasserhaushalt und die Fruchtbarkeit des Bodens und schaffen so die Voraussetzung für einen kräftigen, gesunden Pflanzenwuchs.
Eines ist aber ganz klar! Ohne die vielen Nützlinge und Helfer im Garten wären die Ernteerfolge gar nicht möglich.
Für eine Welt mit Bienen
Wer war zuerst da, der Nektar oder die Bestäuberin? Wir werden das vielleicht nie erfahren, aber wir können sicher sein, dass sich die Honigbiene und die Pollenproduzenten im Lauf von Millionen Jahren so entwickelt haben, dass sie perfekt zusammenarbeiten. Die Biene ist sozusagen eigens für ihre Rolle konstruiert.
Dazu eine wahre Geschichte: Es war ein schöner Morgen, als der Bienenzüchter durch seinen kleinen geschützten Obstgarten ging, um seine Bienenstöcke zu öffnen. Vorsichtig nahm er beim ersten den Deckel ab und stellte besorgt fest, das nur eine Handvoll Bienen im Stock waren. Im nächsten waren noch weniger und im dritten keine einzige. Niemals in seiner langen Tätigkeit hatte der Bienenzüchter so etwas erlebt. Er zerbrach sich den Kopf, was wohl der Grund sein konnte. Gab es viel-
Wichtige Arbeiten im November
l Hügelbeete anlegen
l Aufräumarbeiten erledigen
l Nistkästen ausräumen, desinfizieren und aufhängen
Bienen entfernen sich niemals unerlaubt von ihrem Volk.
leicht so viel Nektar, dass mehr Bienen als sonst zum Sammeln ausgeflogen waren? Hatten sich seine Bienen verirrt? Oder hatten sie sich vielleicht verspätet und würden bald zurückkehren?
Er wusste, das alles war Wunschdenken. Bienen sind intelligente Geschöpfe mit einem raffinierten Navigationssystem. Sie sind zuverlässig und haben fast immer eine Brut zu pflegen und ein Volk, das es mit Nektar und Blütenstaub zu versorgen gilt. Und: Sie entfernen sich niemals unerlaubt von ihrem Volk. Trotzdem wartete er noch tagelang, dass sie zurückkehren würden. Doch sie kamen nicht.
Überall auf der Welt ist in den letzten 20 Jahren ein massives Bienensterben zu beobachten. In einzelnen Gebieten in China werden die Obstbäume bereits von Hand bestäubt und in Europa verzeichnen die Imker einen enormen Rückgang der Populationen. Einer der Hauptgründe scheint die exzessive Landwirtschaft, Monokulturen und der Einsatz von Fungiziden und Pestiziden zu sein. Wenn die Biene von der Erde verschwindet, bleiben der Menschheit nur noch wenige Jahre
Da weltweit 90 Prozent der Feldfrüchte von Honigbienen bestäubt werden, würde ein Mangel an Bienen zu Versorgungseng-
pässen bei Früchten und Gemüse, Viehfutter, Nüssen, Saaten und sogar Baumwolle führen. Es gilt zu handeln und mit anstatt gegen die Natur zu arbeiten.
Samen der Hoffnung
In unserem kleinen Refugium im Appenzellerland säen wir auf sämtlichen offenen Flächen wie Wiesen und nicht benutzten Beeten Bienenweide (Phacelia) ein und versuchen den Bienen damit gute Lebensbedingungen zu bieten. Unser Motto lautet: Es ist besser ein Feuer zu entfachen, als über die Dunkelheit zu klagen. Mit einem befreundeten biologisch dynamisch arbeitenden Samenproduzenten haben wir uns entschlossen, den Lesern von «natürlich leben» und biologisch arbeitenden Gärtnern Bienenweide-Saatgut anzubieten. Ein Tropfen auf den heissen Stein mögen Pessimisten denken. Doch viele Tropfen ergeben einen Teich, einen See und wer weiss! Vielleicht säen wir Samen der Hoffnung! u
Literatur
_ Benjamin/McCallum: «Welt ohne Bienen», Verlag Fackelträger 2009, Fr. 34.50
Ich bestelle biologisch dynamische BienenweideSamen (Phacelia) 50g zum Preis von Fr. 7.50. ausreichend für eine Aussaatfläche von zirka 25m 2 )
Samenpäckchen, 50g à Fr. 7.50 (inklusive Versand)
Vorname
PLZ/Ort
Unterschrift
Remo Vetter, Hätschen, 9053 Teufen, oder per Mail an remo.vetter@natuerlichleben.ch
Remo Vetter weiss Rat
Mehltau und Rost
Meine Pfefferminze sowie auch der Salbeistock und die Akelei sind von einem weissen Belag überzogen. Schon letztes Jahr war es so. Ich entsorgte die Pflanzen und kaufte dieses Jahr neue Stöcke, jedoch zeigt sich bei ihnen nun dasselbe Erscheinungsbild. Ist es Mehltau oder ein Schimmelpilz? Auch die Blätter der Stockrosen waren von einem Parasiten befallen. Woran liegt dies alles nur?
Madeleine Munz, per EMail
Gegen Mehltau kann vorbeugend alle 10 bis 14 Tage mit Fenchelöl (Fenicur) vorgegangen werden. Das Produkt erhalten Sie bei Ihrem Gartenspezialisten. Die Stockrose wird häufig von Rost befallen, der sich in roten Punkten auf der Blattunterseite zeigt. Auch dagegen hilft Fenicur. Gegen Pilzkrankheiten hilft auch, wenn die Pflanzen einen der jeweiligen Pflanze entsprechenden Standort bekommen und regelmässig bewässert werden, ohne dass die Blätter benetzt werden.
Himbeeren ohne Beeren
Unsere Späthimmbeeren haben seit zwei Jahren grösstenteils keine Blüten mehr. Die Blätter sind gelb. Nur an der sonnigsten Stelle hat es Beeren – aber eigentlich ist es überall sehr sonnig. Bei den Gartenvorbesitzern hatte es viele Beeren und im ersten Jahr auch bei uns. Ich gebe ihnen entweder Kompost oder Kuhmist. Können Späthimmbeeren alt werden, sodass man sie alle paar Jahre erneuern sollte?
Reto Hilfiker, per EMail
Gelbe Blätter können von einem Ungleichgewicht der Nährstoffe herrühren. Eisenmangel verfärbt die Blätter gelb, während die Blattadern grün bleiben. Bei Magnesiummangel hellen sich zwischen den Blättern die Adern auf und sind hellgrün. Kurzfristig kann mit einer Düngung Optifer (enthält Eisen und Magnesium) beim Austrieb geholfen werden. Möglicherweise sind die Nährstoffe durch eine zu hohe Düngung mit Kompost zu wenig verfügbar, da sich die Nährstoffaufnahme gegenseitig beeinflusst. Empfehlung: Maximal drei Liter Kompost pro
Jahr und Quadratmeter verwenden. Der Kuhmist soll gut verrottet sein. Himbeeren lieben auch leicht feuchten Boden (abdecken mit Mulchmaterialien) und einen nicht zu sonnigen Standort.
Hartnäckige Winden
Ich suche dringend Rat, wie ich diese weissblühende Schlingpflanzen loswerden kann. Es gelingt mir einfach nicht mit Ausgraben. Zwischen den Himbeeren habe ich es mit Bodendeckern versucht – alles nützte bisher nichts, es bleiben immer Wurzelresten drin. Gift möchte ich aber auf keinen Fall einsetzen. Gerlinde Katzer, Uster
Bei der beschriebenen Pflanze handelt es sich um Winden. Hier hilft nur das ausdauernde Ausreissen. Damit die Winden besser gepackt werden können, lassen Sie diese an kleinen Bambusstäben wachsen. So geht das Ausreissen viel besser und ohne Verletzung der Kulturpflanzen, weil die Winden dazu neigen, die Kulturpflanzen «einzuwickeln».
_ Haben Sie Fragen rund um Garten und Balkon? Remo Vetter gibt Ihnen die richtigen Tipps. Schreiben Sie an: «natürlich leben», Gartenberatung, Neumattstrasse 1, 5001 Aarau oder remo.vetter@natuerlich-leben.ch
Natur
Sterngucker im November _Leonidenschauer
Die Leoniden sind einer der schönsten Sternschnuppenschauer und treten vom 10. bis 23. November gehäuft auf. In dieser Zeit durchquert die Erde die Staubwolken des Kometenschweifes TempelTuttle. Wenn diese nur Millimeter grossen KometenstaubKörnchen in die Erdatmosphäre eintauchen, werden sie von der Reibung in der Lufthülle bis zur Weissglut aufgeheizt und erscheinen als Sternschnuppen. Sie bewegen sich mit rund 250 00 0 Kilometer pro Stunde und scheinen alle von einem Punkt auszustrahlen, der sich im Sternbild Löwe befindet – daher der Name Leoniden. Wissenschaftler erwarten dieses Jahr einen besonders intensiven LeonidenSchauer
Andreas Walker
Artenschutz _Zielsetzung verfehlt
Die für 2010 in der Biodiversitätskonvention vereinbarten Ziele zur Reduktion des weltweiten Verlustes der Artenvielfalt werden bei Weitem nicht erreicht werden. Dies ist das Fazit der Experten der Diversitas Open Science Conference, die im Oktober in Kapstadt stattgefunden hat. So liege die Aussterberate gegenwärtig rund hundertmal höher als vor dem Auftreten des Menschen und der Verlust an Biodiversität werde sich in Zukunft sogar beschleunigen. Aufgrund von Missmanagement und steigendem Wasserbedarf seien SüsswasserÖkosysteme besonders gefährdet. Das Artensterben gehe dort bis zu sechsmal schneller vonstatten als bei terrestrischen oder marinen Arten, sagen die Experten. ajo _ www.cbd.int _ www.diversitas-international.org
Entdeckt _Vegi-Spinne
Die rund 40 000 bis jetzt bekannten Spinnenarten seien reine Fleischfresser, glaubte die Wissenschaft bis vor Kurzem. Umso überraschter war Christopher Meehan von der Villanova University in Villanova, USA, als er auf einer Exkursion in Mexiko entdeckte, dass die Springspinne Bagheera kiplingi sich praktisch ausschliesslich vegetarisch ernährt. Die exotische Spinne frisst spezielle Blattstrukturen von Akazien. Von diesen als Beltian Bodies bezeichneten Blattanhängseln ernähren sich auch Ameisen, die mit den Pflanzen in Symbiose leben und sie gegen Fressfeinde verteidigt. ajo
Lesen _Baumgeschichten
Eine spannende Entdeckungsfahrt zu achtzehn Baumarten bietet das vorliegende Buch – von der Fichte und der Buche, die unsere Wälder prägen, über den Olivenbaum und die Zeder bis hin zu typischen Stadtbäumen wie der Platane und dem Ginkgo. Jede Baumart wird in einer ganzheitlichen Perspektive vorgestellt. Neben einem Faktenteil, der botanisches und ökologisches Wissen sowie geografische, forstliche und wirtschaftliche Erkenntnisse umfasst, steht die jeweilige kulturgeschichtliche und symbolische Bedeutung im Zentrum und von Märchen und Mythen abgerundet.
_ Philippe Domont und Edith Montelle: «Baumgeschichten – Von Ahorn bis Zeder: Fakten, Märchen, Mythen», Ott Verlag 2008, Fr. 48.–
Wetter _Schwalben fliegen anders
Fliegt die Schwalbe hoch, wird das Wetter schöner noch, fliegt die Schwalbe nieder, kommt grobes Wetter nieder.» So will es eine Bauernregel und so ist es im Volksglauben verankert. Nur stimmt die Aussage nicht, wie Peter Biedermann von der Universität Bern und Martin Kärcher von der University of Sheffield in der Fachzeitschrift «Egretta» berichten. Die beiden Biologen untersuchten in der Steiermark das vom Wetter abhängige Flugverhalten von
Rauch und Mehlschwalben. Dabei fanden sie heraus, dass sich die Vögel genau umgekehrt verhalten, als es viele Menschen glauben: Sie fliegen bei schlechtem Wetter in grösserer Höhe als bei schönem. Im Vergleich zu den Mehlschwalben bevorzugen Rauchschwalben dabei generell geringere Flughöhen. Die Forscher orientierten sich bei der Höhenbestimmung an mit Helium gefüllten Ballonen, die 80 Meter über dem Boden schwebten. ajo
Auf Kosten der Natur
Die Ausbeutung von Sonne, Wind, Biomasse und Wasserkraft kostet viel Geld, belastet die Natur, spaltet die Umweltbewegung – und kann den wachsenden Energiehunger trotzdem nicht stillen.
Text Hanspeter Guggenbühl
Sonnen-, Wind-, Biomasse und Wasserkraft werden unsere Stromversorgung sichern, wenn die alten Atomkraftwerke in Beznau, Mühleberg, Gösgen und Leibstadt pensioniert werden. Diese Hoffnung nähren nicht nur grüne Lobbyisten wie etwa der Bündner Umweltschützer Gallus Cadonau oder umweltorientierte Politiker wie der Basler SPNationalrat Ruedi Rechsteiner. Auch die Mehrheit der Schweizer Bevölkerung, so zeigen Umfragen, bevorzugen Strom aus Sonnen-, Wind- und Wasserkraft. Und viele Leute glauben, damit lasse sich ihr zunehmender Strombedarf problemlos decken.
Theoretisch haben sie recht: Die Kraft der Sonne, welche die Erde wärmt und den Kreislauf von Wind, Wasser sowie Biomasse antreibt, ist gewaltig. Die Sonne strahlt rund zweihundert Mal mehr Energie auf den Schweizer Boden, als Bevölkerung und Wirtschaft in der Schweiz heute konsumieren. Doch die Ernte dieser stark verdünnten Energie und ihre Umwandlung in Strom ist aufwändig und teuer, wenn man von der – weitgehend ausgeschöpften – Nutzung der Wasserkraft in Grosskraftwerken absieht. Deshalb wird nur ein Bruchteil des natürlichen Potenzials aktiv genutzt.
Grosses Potenzial, kleine Ernte
Zwar montierten Pionierfirmen schon in den 1980er-Jahren die ersten FotovoltaikAnlagen auf Schweizer Hausdächer und 1996 stellte die BKW Energie AG ihr erstes Windkraftwerk auf die Weiden des Mont Crosin im Berner Jura. Seither berichten PR-Agenturen und Medien fleissig über die Fortschritte dieser alternativen Techniken zur Stromerzeugung. Doch Schein und Sein klaffen weit auseinander. Das veranschaulichen die folgenden Vergleichszahlen: Alle Solarstromanlagen und Windkraftwerke in der Schweiz produzierten im Jahr 2008 zusammen erst 54 Millionen Kilowattstunden (kWh) Strom. Damit, so zeigt die neuste Gesamtenergiestatistik, trugen sie weniger als ein Tausendstel zur nationalen Stromproduktion von 63 Milliarden kWh bei. Der Beitrag aller Biomasse- und klei-
nen Wasserkraftwerke (bis 10 Megawatt Leistung), die in den letzten Jahren gebaut wurden, blieb ebenfalls deutlich unter der Ein-Prozent-Schwelle. All diese «neuen erneuerbaren Energien» zusammen vermochten also nicht einmal den Zuwachs des Stromverbrauchs im Jahr 2008 (2,3 Prozent) zu decken, geschweige denn Atom- oder importierten Kohlestrom zu ersetzen.
Kostendeckender Naturstrom
Was nicht ist, soll künftig werden: Bis zum Jahr 2030 müssen die neuen erneuerbaren Energien (exklusive Wasserkraftwerke ab 10 Megawatt) ihren Beitrag an die Schweizer Stromproduktion um 5,4 Milliarden kWh erhöhen; das entspricht einem Anteil von immerhin 8,5 Prozent am heutigen Schweizer Stromverbrauch. Dieses Ziel hat das Parlament 2007 im revidierten Energiegesetz verankert.
Als zentrales Mittel dazu beschloss das Parlament die Kostendeckende Einspeisevergütung, abgekürzt KEV. Bei diesem komplizierten Regelwerk handelt es sich um eine Form von Quersubventionierung: Der konventionelle Strom aus Atom, Kohle- Gas- und grossen Wasserkraftwerken wird mit einer Abgabe von maximal 0,6 Rappen pro kWh belastet. Bei einem nationalen Stromverbrauch von jährlich rund 60 Milliarden kWh – und nach Rückerstattung dieser Abgabe an stromintensive Betriebe sowie weiteren Abzügen –bleiben pro Jahr rund 250 Millionen Franken übrig. Mit diesem Geld deckt der Staat die Differenz zwischen den Marktpreisen und den höheren Kosten, welche die Produktion von Strom aus Solar-, Wind-, Biomasse-Kraftwerken sowie kleinen Wasserkraftwerken verursacht.
Ein unlösbares Dilemma
Je nach Energieträger braucht es mehr oder weniger Vergütung für die gleiche Menge an Strom. Und hier beginnt das Dilemma: Solarstrom-Anlagen zum Beispiel, die in Hausdächer integriert werden, belasten die Natur nur minimal und sind kaum umstritten. Doch Solarstrom ist teuer. Je nach Grösse erfordert eine Kilowattstunde Elektrizität aus einer integrier-
ten Photovoltaik-Anlage eine Vergütung von 60 bis 90 Rappen. Mit den jährlich 300 Subventionsmillionen lassen sich also maximal 500 Millionen kWh Solarstrom vergüten. Gemessen am Ziel von 5,4 Milliarden kWh entspricht das einem Anteil von weniger als 10 Prozent.
Aus diesem Grund beschränkte das Parlament den Anteil der KEV-Vergütung für Photovoltaik-Anlagen auf vorerst 5 Prozent. Dieser Plafond wurde schon kurz nach Anmeldebeginn überschritten. Deshalb figurieren heute viele SolarstromProjekte auf der Warteliste. Mit dem Schlachtruf «weg mit dem Deckel» fordert die Solarlobby nun eine Erhöhung ihres Subventionsplafonds.
Mehr Alternativenergie pro KEV-Franken lässt sich aus Wind- und Wasserkraft sowie Biomasse gewinnen. Deshalb reservierte das Parlament maximal 50 Prozent der KEV-Einnahmen für die Vergütung von Strom aus Klein-Wasserkraftwerken und folgte damit dem Druck der AlpenOpec. Für Strom aus Windkraft und Biomasseanlagen stehen, solange der Gesamtplafond von 0,6 Rappen/kWh nicht überschritten wird, maximal je 30 Prozent zur Verfügung.
Der Wind hat gedreht
Insgesamt kann die bestehende KEV mit 250 Millionen Franken jährlich 3 Milliarden kWh erneuerbaren Strom kostendeckend vergüten, schätzt das Bundesamt für Energie (BFE). Das genügt nicht einmal, um die zusätzliche Menge von 5,4 Milliarden kWh Naturstrom zu fördern, geschweige denn weitergehende Ziele der Umweltverbände zu erreichen. Aber die 250 Millionen reichen, um die Natur zusätzlich zu belasten. Denn zwischen Schutz und Nutzung der Natur bestehen vielfältige Konflikte. Damit droht auch eine Spaltung der Umweltbewegung. Zum Beispiel bei der Windenergie: Einerseits ist das Potenzial an windreichen Standorten in der Schweiz begrenzt. Andererseits beeinträchtigen Windkraftwerke die Landschaft. Deshalb haben Bund, Kantone und Umweltverbände schon 2004 Kriterien definiert, die potenzielle Standorte für Windturbinen erfüllen
müssen. Diese schliessen alle geplanten Anlagen in durch das Bundesinventar der Landschaften und Naturdenkmäler (BLNInventar) geschützten Landschaften aus. Doch Windlobbyisten, angeführt von der Vereinigung Suisse Eole und interessierte Regionen möchten diese Vereinbarung wieder auflösen. Denn sie haben erkannt, dass sich ihre ehrgeizigen Ausbauziele mit den bestehenden Rahmenbedingungen nicht erfüllen lassen.
So plant etwa die – vom grünen Nationalrat Daniel Brélaz präsidierte – Stadt Lausanne zusammen mit Gemeinden des Vallée de Joux, auf dem weit herum sichtbaren Jurapass Col de Marchairuz und innerhalb eines BLN-Schutzgebietes zehn Windturbinen mit einer Höhe von je 140 Meter zu erstellen. Insgesamt sind allein auf den Jurahöhen über 200 Windturbinen geplant. Zusammen könnten diese ein Prozent des heutigen Schweizer Stromverbrauchs decken – würden aber den idyllischen und naturnahen Jura in eine rotierende Spargellandschaft verwandeln.
Deshalb lehnen die Stiftung für Landschaftsschutz und Pro Natura eine Aufweichung der Schutzbestimmungen strikte ab. «Für ein Linsengericht»
Auch bei der Nutzung der Wasserkraft besteht ein Konflikt zwischen Stromproduktion und Naturschutz. Schon vor 30 Jahren warnte der damalige Geschäftsführer der Stiftung für Landschaftsschutz, Hans Weiss: «Für ein Linsengericht drohen die letzten Wasserläufe trocken gelegt zu werden.» So weit kam es nicht: Das revidierte Gewässerschutz-Gesetz mit seinen Restwasser-Vorschriften, vor allem aber der Einbruch der Strompreise in den 1990erJahren versenkte die meisten der damals
mittelgrossen Wasserkraft-Projekte in den Schubladen.
Die KEV-Subventionen schaffen jetzt aber einen neuen Anreiz, die noch frei fliessenden Flüsse und Bäche mit Kleinkraftwerken trocken zu legen. Staatliche Stromfirmen und private Anbieter bewerben sich mit mehr als 350 Wasserkraft-Projekten um KEV-Subventionen, um die Elektrizität aus Anlagen bis 10 Megawatt kostendeckend absetzen zu können.
Mit dem Boom an Projekten wächst der Widerstand auch innerhalb der Umweltverbände, welche sich einst für die Förderung des sogenannten Ökostroms engagierten: «Leider umfasst die an sich begrüssenswerte kostendeckende Einspeisevergütung auch Wasserkraftanlagen bis 10 Megawatt Leistung», schreibt etwa der Rheinaubund und warnt: «Unsere bereits zu 95 Prozent durch technische Massnahmen beeinträchtigten Gewässer laufen nun Gefahr, durch die finanzielle Förderung von Kleinkraftwerken vollends unserem Energiehunger zum Opfer zu fallen.»
Auch Pro Natura bedauert, dass die Vergabe der – auch von ihr unterstützten –KEV nicht an ökologische Kriterien gebunden ist. Zwar müssen auch Kleinkraftwerke die Bestimmungen des Gewässerschutz-Gesetzes erfüllen. Doch, so wendet Christopher Bonzi, Projektleiter Gewässerschutzpolitik bei Pro Natura ein: «Die Kantone sind bei der Bewilligung der vielen Projekte überfordert. Und wer will schon ein vom Bund subventioniertes Projekt abweisen.» Dadurch wachse die Gefahr, dass die Umweltverbände einmal mehr die undankbare Rolle übernehmen müssen, gesetzwidrige Projekte mit dem ungeliebten (und teuren) Verbandsbeschwerde-Recht anzufechten. u
Der überschätzte Ökostrom
Die Hoffnungen und Enttäuschungen, die mit der Förderung von Ökostrom verbunden sind, basieren auf der Vernachlässigung von zwei Faktoren: der Energiemenge und der Energiedichte.
E nergiemenge
Die nicht erneuerbaren Rohstoffe Kohle, Erdöl, Erdgas und Uran verfügen über eine hohe Energiedichte, liefern also auf wenig Raum viel Kraft. Zudem können sie mit relativ kleinem Aufwand aus dem Boden gewonnen werden.
Energiedichte
Die Energiedichte von erneuerbaren Energien hingegen ist vergleichsweise gering. Die Menge an Sonnenenergie zum Beispiel, die in einer Stunde auf einen Quadratmeter Boden strahlt, ist selbst am Mittag viel kleiner als die Menge an Erdöl, die pro Minute aus einer quadratmetergrossen Tanksäule via Zapfhahn in den Autotank fliesst. Deshalb benötigt man relativ viel Material, Platz und mithin Naturraum, um jene Menge an Sonnenenergie zu ernten, die es braucht, um einen Liter Erdöl oder gar ein Kilo Atombrennstoff zu ersetzen. Auch die Ernte von Windkraft oder von Wasserkraft in sanft abfallenden Flüssen mit wenig Gefälle erfordert relativ viel Raum und Material. Die höher verdichteten erneuerbaren Energien hingegen – insbesondere Holz sowie die Kraft des über grosses Gefälle hinab fallenden Wassers – werden bereits weitgehend genutzt (oder übernutzt) und reichen nicht aus, um unseren Energiebedarf zu stillen.
Die Folgerung
Erneuerbare Energien können unsere Nachfrage erst decken, wenn wir den Verbrauch massiv senken.
Immer der Geschichte nach
Das Mittelland ist ein Wanderland. Gewiss, es fehlen ihm die Höhen, die Alpen bleiben stets auf Distanz, dafür entschädigen historische Höhepunkte – zum Beispiel auf dem Weg von Thun ins Gürbetal.
Text Sabine Bolliger
Vom Thunersee ins Gürbetal
Charakter: Leicht – aber mit etwas mehr als fünf Stunden auch lang. Keine nennenswerten Höhenunterschiede. Verschiedene Abkürzungsmöglichkeiten.
Anreise: Nach Thun mit Bahn, Schiff, Bus oder Auto.
Abreise ab Wattenwil: Regelmässige Busverbindungen zu verschiedenen Bahnhöfen.
Verpflegung: Unterwegs verschiedene Verpflegungs-, Einkaufs- und auch Übernachtungsmöglichkeiten.
Route und Sehenswürdigkeiten
Von Thun nach Wattenwil führt die Wanderung in beschaulicher Landschaft, mit der Stockhornkette im Hintergrund, an mehreren Seen vorbei. Neben dem Schloss Thun lohnt sich besonders der Besuch der Kirche Amsoldingen mit ihrer eindrücklichen Krypta. Scherzligen war Mutterkirche jener von Strättligen, Schoren, Allmendingen, Buchholz und eines Teils der Stadt Thun. Die Wallfahrt hierher war beträchtlich. Die Entwicklung Amsoldingens war im Mittelalter ganz vom Chorherrenstift bestimmt. Ein erster Vorgängerbau der Stiftskirche ist bereits um 700 errichtet worden. Die aus dem 10. Jahrhundert stammende Propsteikirche St. Mauritius ist die grösste ottonische Basilika der Gegend und eines der ältesten Bauwerke des Kantons Bern. Es handelt sich um eine typische Pfeilerbasilika mit drei Apsiden und einer Hallenkrypta. Die nörd-
uoRteNr: 400RoRrcshach/Knostnaz - Gnef
Frmo: nuhT
oT: Wattenwli
Tiem:5h02mni
Scale1:000001/00050
liche Wandstütze war ursprünglich ein Meilenstein, der 7 Leugen (etwa 16 km) entfernt von Aventicum an einer Römerstrasse stand, und die beiden westlichen freistehenden Stützen bestehen je aus einem ganzen und einem halben römischen Grabaltar mit Inschrift.
Die Krypta wurde 1978 bis 1980 restauriert. Sie entspricht dem Zustand um 1210 nach der Erneuerung der Gewölbe mit römischen Spolien als Stützen. Der gut erhaltene Hauptbau der Kirche ist in eine eindrückliche Baugruppe mit Schloss, Ökonomiebauten, Mühle, Pfarrhaus, Stöckli und Waschhaus integriert. Der historische Verkehrsweg führt unter der Holzpasserelle zwischen Pfarrhaus und Stöckli durch.
Hihg tpU:123.1m
Hihg toDwn:-682.2m
gneLth:83702.5m
In Wattenwil sind Kirche und Pfarrhaus sehenswert. Der barocke Taufstein stammt wahrscheinlich aus einem Vorgängerbau der Kirche von 1683, ebenso wie zwei Glocken, die in den Jahren 1404 und 1509 gegossen wurden. Eine aussergewöhnliche Geschichte hat der Kirchturm: Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts stand er in Seelhofen bei Kehrsatz.
Sehenswert: Schweizerisches Gastronomie-Museum, Schloss Schadau Thun, Schadaustrasse 45, 3605 Thun, Öffnungszeiten: Dienstag bis Donnerstag 14 bis 17 Uhr oder auf Voranmeldung, Telefon 033 223 14 32, gastronomiemuseum@bluewin.ch
Die teils flache, mehrheitlich jedoch hügelige Topografie macht das Gehen leicht. Wanderungen im Mittelland sind Genusstouren. Durch die geringen Höhenunterschiede entfallen anstrengende Auf- und Abstiege, die abwechslungsreiche Landschaft steht im Vordergrund.
In ihrem Charakter unterschiedliche Regionen sorgen für eine grosse Vielfalt an Natur und Kultur. Im Norden reichen die Regionen Solothurn und Oberaargau von der ersten Jurakette bis zum Napfbergland. Da stehen Burgen und Schlösser auf engem Raum beieinander, beeindrucken historische Gebäude und alte Kulturlandschaften. Bäche und Flüsse, allen voran die Aare, fliessen dem Rhein entgegen. Auf lauschigen Uferwegen kontrastieren nicht selten Natur und Technik, spazieren Wanderer durch sensible Naturschutzund Auengebiete, aber auch durch urbane Siedlungen. An den Flussufern finden sich erfrischende Bade- und viele Spielmöglichkeiten, gleichzeitig zeugen Industriebauten von der Bedeutung des Wassers. Den perfekten Überblick auf das «Wasserschloss der Schweiz», den Zusammenfluss von Aare, Limmat und Reuss, geniesst man vom Gebenstorfer Horn bei Brugg («natürlich leben» 5-09).
WalknigAnlayst
Eintauchen in die Geschichte Im Süden, gegen die Alpen zu, steht die Gantrischkette, haben sich im Schwarzenburgerland die wildromantischen Schluchten der Sense und des Schwarzwassers ihre Ursprünglichkeit bewahrt. Sanfte Hügel senken sich von diesen voralpinen Landstrichen in die Ebenen des Laupenamtes und Seelandes. Wandern heisst hier auch eintauchen in die Geschichte: In Murten spaziert man über eine begehbare Ringmauer, und im Amphitheater von Avenches kämpften einst römische Gladiatoren. Typische Landschaftselemente des Dreiseenlandes sind Gemüsefelder, Rebhänge und natürlich Bieler-, Murten- und Neuenburgersee. Wandern und Schifffahren sind hier eine gelungene Kombination, französische Lebensart geniesst man in
den Strassencafés der zweisprachigen Uhrenmetropole Biel. Zur Zeit der Traubenernte finden am Bielersee Winzerfeste statt, und auf der St. Petersinsel erlebte schon vor über 200 Jahren Jean-Jacques Rousseau glückliche Wochen.
Essen wie Einstein Überhaupt wird kulinarisch einiges geboten im Mittelland. In der Schaukäserei Affoltern erfährt man, wie die Löcher in den berühmten Emmentaler Käse kommen, und im Gürbetal, dem Chabisland
der Schweiz, stellen Besucher beim «Suurchabis-Imachtag» ihr eigenes Sauerkraut her. Wanderungen im dicht besiedelten Mittelland lassen sich auch mit interessanten Stadtbesichtigungen verbinden. In der Barockstadt Solothurn steht die mächtige St.-Ursen-Kathedrale, lebendige Kleinstädte wie Baden oder der Eisenbahnknotenpunkt Olten laden ein zu vielfältigen Entdeckungen. Und in der Hauptstadt Bern staunt man im Einsteinmuseum über Raum und Zeit. Die Berner Altstadt steht auf der Liste des Unesco-
Wettbewerb und Leserangebot
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Wo stand der Turm der Kirche von Wattenwil bis zum 17. Jahrhundert? w Wattenwil w Seelhofen w Thun Richtige Antwort auf den Coupon übertragen und einsenden.
Die Gewinner werden unter den richtigen Einsendungen ausgelost und schriftlich benachrichtigt. Über den Wettbewerb wird keine Korrespondenz geführt, der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
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Weltkulturerbes, und schon Albert Einstein, fürwahr ein kluger Kopf, fand sie «reizend, altertümlich und urgemütlich». u
Wir gratulieren!
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Leben
Ticketverlosung _Mensch ändere dich nicht
Mensch ändere dich nicht – eine Spielanleitung für den Wandel, so lautet das Thema des vom Basler Ausbildungsinstitut Perspectiva am 14. und 15. November 2009 im Congress Center Basel veranstalteten Kongresses. Namhafte Referenten wie etwa Neuropsychologe Lutz Jäncke, ZenLehrer Peter Widmer oder Kommunikationsfachmann und «natürlich leben»Kolumnist Patrick Rohr gehen der Frage nach, wie sich eine sinnvolle und erfüllende Lebensgestaltung verwirklichen lässt. Während der beiden Kongresstage wechseln sich Vorträge mit künstlerischen Beiträgen ab. Der Anlass soll Anregungen und mutmachende Orientierungen für eine aktive und bewusste Lebensgestaltung geben. ajo
Exklusiv für unsere Leserinnen und Leser verlosen wir 10 Tagestickets für die Veranstaltung. Teilnahme unter unter _ www.natuerlich-leben/perspektiva _ www.perspectiva.ch/kongress
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Lesen _Rauchen, Saufen, Kiffen
Gehören Suchtmittel zum Jugendalter? Nicht zwingend. Aber Eltern machen sich Gedanken, wie ihre Kinder mit Alkohol, Zigaretten und Cannabis umgehen. Im Buch «Rauchen, Saufen, Kiffen» finden Eltern Antworten. Wichtig ist, dass Väter und Mütter Suchtmittel und ihre Auswirkungen kennen, um Grenzen und Werte zu setzen. Der Ratgeber bietet umfassende Informationen über Ansichten und Positionen und konkrete Ratschläge. Er zeigt, wie Eltern Selbstwertgefühl und Risikokompetenz ihrer Kinder stärken und ihre Konflikt und Problemlösungsfähigkeit fördern können. So lassen sich auch die Risiken für ein Suchtverhalten vermindern.
D_ Christian Urech: «Rauchen, Saufen, Kiffen», Atlantis-Verlag 2009, Fr. 26.80
ie Geburt eines Kindes ist ein elementares, körperliches und sinnliches Erlebnis. Daran lässt uns der neue Kinofilm «Geburt» der Schweizer Filmemacher Silvia Haselbeck und Erich Langjahr teilhaben. Der Film macht die verschiedenen Momente einer Schwangerschaft unmittelbar erlebbar: die Begegnung zwischen der werdenden Mutter und ihrer Hebamme, die Zuwendung und das Miteinander zwischen Mann und Frau und letztlich einer der intensivsten Momente im Leben eines Menschen, verbunden mit Glück, Schmerz und Ängsten. «Geburt» läuft seit dem 22. Oktober in verschiedenen Schweizer Kinos. ajo _ www.langjahr-film.ch/di_de.html
Kino _Geburt
Augenblicke_ Unter dem Regenbogen
Eine Zugfahrt von Lenzburg nach Olten. Plötzlich wird es hell und das wechselhafte Westwindwetter zaubert einen wunderschönen Regenbogen an den Himmel. Und es scheint, als ob der Zug unter dem Regenbogen hindurchfährt. Jedoch ist ein Regenbogen nicht fassbar und fährt man ihm nach, ändert er ebenfalls seinen Standort, sodass er auf immer und ewig ungreifbar bleibt. Deshalb ist so oft von Schätzen am Ende des Regenbogens die Rede. Gold soll man dort finden oder goldene Regenbogenschüsselchen. Doch bevor der Zug das Ende des Regenbogens erreicht, ist dieser verschwunden – es hat sich eine Wolke vor die Sinne geschoben. Andreas Walker
Begreifen statt büffeln
Hüpfende Kinder behalten den Schulstoff besser – das will die «Bewegte Modellklasse für Kindergärtler und Erstklässler» in Magglingen beweisen. Der Versuch läuft seit einem Jahr und die ersten Resultate lassen Eltern und Lehrer aufhorchen.
Text Regine Elsener
Es ist kalt an diesem Freitagmorgen. Im Wald rund um Magglingen BE, idyllisch über dem Bielersee gelegen, streifen kleine Knirpse durchs Gehölz, beobachten und staunen, was hier kreucht und fleucht. Eine MundharmonikaMelodie erklingt sanft, die Kinder heben die Köpfe, bewegen sich langsam auf die Klänge zu. Lehrerin Susanne Beck erklärt ihren Schützlingen, was jetzt kommt: «Wir suchen Brennnesseln für unsere Suppe.» Mit ihrem Berufskollegen Virgil Brügger händigt sie den Buben und Mädchen Plastiksäcklein und handschuhe aus. Auf einer nahen Wiese wachsen die sattgrünen Stauden. Der Znüni ist jeweils ohne Fleisch und frei von weissem Zucker. Unter Anleitung befestigen die Kleinen ihre Säcklein mit dem Grünzeug am Gurt, «damit ihr die Hände frei habt zum Holzsammeln». Doch auf dem Weg zum Lagerplatz – dort wird später die Suppe über dem Feuer gekocht und mit Brot und Greyerzer geschmaust – hält sich noch der Blaumützler versteckt. Kindliche Freudenrufe künden vom Fund: Der Blaumützler, ein blau bemaltes Holztoggeli, lehnt an einem Baumstamm, neben sich eine schön verzierte ovale Blechdose. Sie enthält ein Klümpchen Baumharz, «s Bluet vo de Böim», wie Susanne Beck aufklärt – und viele kleine Hände streicheln ehrfürchtig das seltsame Gebilde.
Diese Kinder entsprechen nicht dem Bild, das die Medien mit unzähligen Beiträgen zum gewichtigen Thema «Dicke und bewegungsarme Kinder» fast täglich vermitteln.
Bewegung: Mittel zum Zweck
Dieses Bild grundsätzlich etwas korrigieren möchte das Projekt der «Bewegten Modellklasse Magglingen». Allerdings war der Auslöser dazu nicht die steigende Zahl übergewichtiger Kinder, sondern die kindgerechte Gestaltung des Unterrichts, die eine umfassende Entwicklung fördert. Denn: Aus anthropologischer Sicht ist Bewegung das Mittel der kindlichen Weltaneignung.
Deshalb ist dieser Freitag im Wald fester LehrplanBestandteil des vier Jahre dauernden Projekts. Initiiert hat es die Eidgenössische Hochschule für Sport Magglingen (EHSM). Die Institution – unter der Ägide des Baspo, des Bundesamtes für Sport – startete im August letzten Jah
Bewegter Unterricht verlangt nach einem entsprechend eingerichteten Klassenzimmer.
res die «Bewegte Modellklasse» mit 22 fünf bis sechsjährigen Kindern. Jüngere besuchen gemeinsam mit etwas älteren den Unterricht, der jedoch individuell abgestimmt ist. Zusammen mit zehn Vergleichsklassen – vier davon ebenfalls bewegungsorientiert – wird das Projekt wissenschaftlich eng begleitet und ausgewertet (siehe Kasten auf Seite 48).
«Wir wollen zeigen, dass mit kindgerechtem, also bewegtem Unterricht die Freude am Lernen gesteigert und damit die Qualität der Lehr und Lernprozesse verbessert werden», sagt Walter Mengisen, Initiant und Projekt Steuermann der Modellklasse. «Wir sind überzeugt, dass die Kinder den Stoff leichter bewältigen werden – je mehr sie ihre Bewegungen mit einem Inhalt verbinden können, desto nachhaltiger lernen sie», so Mengisen, der auch Rektor der ESHM und Stellvertretender Direktor des Baspo ist.
Konkret: Ziel der bewegten Schule ist, die Lerninhalte in direkten Zusammenhang mit grob und feinmotorischen Tätigkeiten und Erlebnissen zu bringen.
Bunt, animierend, kreativ
Wie die Volkschule muss auch die KindergartenSchulklasse den Lehrplan des Kan
Der Auslöser war nicht die steigende Zahl übergewichtiger Kinder.
tons Bern erfüllen und somit die Vermittlung des Lernstoffes im vorgeschriebenen Zeitraum gewährleisten – obschon Magglingen den Schwerpunkt auf die Bewegungsförderung und erziehung legt. Lesen, Schreiben und Rechnen werden spielerischbewegt vermittelt und erfolgen fächerübergreifend – sie werden miteinander verbunden. Bemerkenswert ist der Stundenplan: Er umfasst doppelt so viele Bewegungs und Sportstunden wie die Regelklassen. Konkret bedeutet das, dass weniger Stunden für den vorgeschriebenen Schulstoff zur Verfügung stehen. Doch die alteingesessenen, sitzenden und damit zum Stillhalten zwingenden Lernmethoden sind durch körperlich aktive und spielerische Lernprozesse ersetzt.
Das Klassenzimmer gleicht einem Spielhaus, Stühle und Pulte sucht man vergebens, jedes Kind hat zum Sitzen – jeweils im Kreis – einen bunten Wollteppich, im Raum animieren grosse Tücher und dicke Seile die Kleinen, ihre Umgebung immer wieder neu zu gestalten, sei es zum Theäterle, zum Singen oder um Reime zu lernen und aufzusagen. Das Spiel mit Gleichaltrigen und in altersdurchmischten Gruppen regt an zum Nachahmen. Die Kinder lernen, Erfahrungen, die sie mit sich machen, in die Gemeinschaft einzubringen.
Mit Beginn des neuen Schuljahres im vergangenen August wird das improvisierte Spiel übergeleitet in das geführte, das in direktem Zusammenhang steht mit den Lerninhalten des 1. und 2. Schuljahres: Buchstaben lernen, Wörter erkennen, Zahlen und Zahlenreihen erfassen. Zu musikalischen Rhythmen und Reimen werden Bewegungsfolgen entwickelt, die Konzentration und Ausdauer steigern und ein bewusstes Üben zum Ziel haben. Zusammen mit den Kindern werden BewegungsChoreografien erarbeitet. Dabei wird nach den Quellen der kindlichen Motivation geforscht.
Das Projekt basiert laut Walter Mengisen auf der Erkenntnis, dass kindgerechter, nämlich bewegter Unterricht die physische, psychische und geistige Entwicklung der jungen Menschen nachhaltig umfassender und gesünder fördert und fordert.
Dazu äussert sich Beat Zemp, Präsident des Lehrerverbandes, grundsätzlich positiv: «Wir unterstützen seit 1990 eine bewegte Schule. Dazu gehören etwa Sitzbälle oder Schrägpulte im Unterrichtszimmer als Alternative zum starren Sitzen.» Wichtig seien aber auch bewegte Unterrichtssequenzen: «Aus der Hirnforschung wissen wir, dass Bewegung einen positiven Effekt aufs Lernen hat.» Dennoch müsse man berücksichtigen, dass es verschiedene Lerntypen gebe, zum Beispiel den auditiven, den optisch/visuellen, den kognitiven oder eben den haptischen Lerntyp, der alles «begreifen» müsse und sich das Wissen motorisch aneigne. «Daher ist es wichtig, im Unterricht möglichst viele Lernkanäle anzusprechen.»
Vorbehalte hat Zemp gegenüber monokausalen Generalisierungen beim Lernen, etwa: «Wer Musik macht oder Latein lernt, wird automatisch intelligenter.»
Trotzdem unterstützt er die Magglinger
Modellklasse: «Solche didaktischen Modellversuche können wichtige Impulse für die Unterrichtsentwicklung geben. Wir müssen aber zwischen der Pilotphase, die
Erste Erkenntnisse aus dem Kindergartenjahr
Auszüge aus dem Bericht über das erste Schuljahr 2008/2009, das insgesamt den Anforderungen des Kindergartens entsprach:
� Im ersten Quartal wussten die Kinder lange nicht, wie (…) die Zeit vertreiben (…) mit den einfachen Spielmaterialien. Es kam aber zu einem Durchbruch, und jetzt sind die Kinder fähig, praktisch ohne Material über längere Zeit intensiv und fantasievoll zu spielen. Die fertigen Spielsachen (Autos, Laserschwerter, Plüschtiere etc.), die die Kinder noch mitschleppen, warten problemlos auf den Fenstersimsen. Das Konstruieren von immer neuen Spielkulissen, das Ausleben verschiedener Theaterrollen interessieren die Kindergärtler wirklich. Sie tauchen ein in eine selbst gewählte Spiel- und Lernumgebung und entwickeln Eigeninitiative.
� Sie haben im vergangenen Jahr eine Fülle von grob- und feinmotorischen Bewegungserfahrungen gemacht und ihren Bewegungsdrang ausleben dürfen: im Wald und beim Rollenspielen drinnen. Sie haben Themen gestaltet, verarbeitet und gelernt, mit Konflikten umzugehen. (…) sie haben sich Ausdauer angeeignet
und eine sehr gute Konzentrationsfähigkeit erworben, sind selbstständiger geworden beim Sich-selber-Anziehen, Schuhebinden, Kleiderwechseln und im Ordnen ihrer Sachen.
� Anfang des Jahres konnte die Schar während etwa zehn Minuten konzentriert bleiben (Kreisaktivitäten). Am Ende des Schuljahres kann die Gruppe bis zu anderthalb Stunden eine bestimmte Tätigkeit verfolgen. Erfahrene Lehrkräfte, die in der Modellklasse hospitierten, haben diese Tatsache mit Erstaunen wahrgenommen.
Ausblick
Wir werden für Tätigkeiten im Sitzen weniger Zeit einplanen als die Regelschulen und wollen den Ler nstoff ebenso gut meister n. Im kommenden Schuljahr werden für die ersten zwei Stunden am Morgen die Kinder in zwei Gruppen geteilt: eine KindergartenGruppe und die Gruppe mit den Erstklässlern.
Basisstufenähnlich wird es möglich, nach Absprache mit den Eltern, die Gruppe für eine bestimmte Zeit zu wechseln: spontane Tagesbesuche von Kindergärtlern in die Schule und umgekehrt.
von begeisterten und gut ausgebildeten Lehrpersonen getragen wird, und der Generalisierungsphase unterscheiden, bei der die Rahmenbedingungen für den Erfolg meistens deutlich schlechter sind.» Und so stellt Zemp gleich selber die Fragen: «Wie sind die räumlichen Verhältnisse im Schulhaus, der soziale Hintergrund der Schulkinder, die zusätzliche Ausbildung des Lehrpersonals?» Sein Fazit: «Es braucht noch viele Verbesserungen, bis man das Magglinger Modell eins zu eins in jede Gemeinde übertragen kann.»
Sprachrohr der Kinder
Diese Meinung teilt Remo Largo indes gar nicht. Der Kinderarzt, Entwicklungswissenschafter und Buchautor sagt dezidiert: «Es gibt bereits zahlreiche Beispiele bewegter Schulen in der Schweiz, nicht nur private, auch öffentliche – etwa das Schulhaus Nordstrasse mitten in Zürich, mit vielen Kindern aus Familien mit Migrationshintergrund, oder ländlicher, die
Schule Prisma in Wil oder die Oberstufenschule in Bürglen.» Und Largo betont: «Sie alle beweisen, dass der Unterricht anders und kindgerechter gestaltet werden kann.» Es sei halt immer noch so, dass jene, die versuchten, Bewegung, Spiel und Sport in den Unterricht einzubeziehen, als Exoten eingestuft würden. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren hielt 2005 fest: «Bewegungserziehung und förderung für alle Schülerinnen und Schüler gehören zum Bildungsauftrag der Schule. Sie leisten einen Beitrag zur Gesundheitsförderung und dienen auch der Persönlichkeitsentwicklung.»
Warum wird dieser Auftrag in vielen Kindergärten und Schulklassen nicht umgesetzt? Den Missstand ortet Remo Largo eindeutig bei der Lehrerschaft: «Sicher, ein Einzelner kann nichts ausrichten, eine ganze Schule muss am gleichen Strick ziehen. Es braucht eine gewisse Konstellation von Lehrpersonal im selben Schulhaus, um den Unterricht umzukrempeln, und es
braucht immer zwei, drei Reisser.» Beispiele wie die oben genannten zeigten nämlich, dass das Klagelied der meisten Lehrer – «wir möchten schon, doch wir können nicht» – einfach nicht stimme: «Lehrer sollen endlich in dieser Hinsicht die Verantwortung übernehmen und die Freiräume nutzen, die sie haben.»
Walter Mengisen rät Eltern, deren Kinder in der Schule bewegungsmässig vernachlässigt werden, sich zusammenzutun und das Gespräch mit der Lehrerschaft zu suchen – es wäre nicht das erste Mal, dass engagierte Eltern auf engagierte Lehrerinnen und Lehrer treffen. u
Zum Arzt, zum Schamanen oder zum Medium? Am besten alles. Im indischen Darjeeling gehen eine Vielzahl von Heilkulturen erfolgreich Hand in Hand. Einsichten in eine andere Moderne, in der sich Naturheilkunde, Götterglaube und Schulmedizin ergänzen.
Text und Fotos Susanne Strässle
Die Göttin Durga ist in Indien so beliebt, dass ihr eine eigene Comic-Reihe gewidmet ist
Aditi Baraily sitzt mit Mütze und Schal im Bett. Die Temperatur steigt in den grossen Patientensälen des Krankenhauses von Darjeeling im Winter kaum auf über zehn Grad. Kein günstiges Klima, um sich von einer Harnwegsinfektion zu erholen. Dennoch ist die 36-jährige Angestellte eines Kleinsparerprogramms auf dem Weg der Besserung. Nicht so das Mädchen mit den Schwellungen drei Betten weiter. Aditi ist sich sicher, dass Pillen und Spritzen dort nichts ausrichten können: «Das ist keine DoktorKrankheit!»
Aditi hat den Verwandten des Mädchens deshalb geraten, eine bestimmte Mata, ein Medium der Göttin Durga, aufzusuchen. Tatsächlich habe diese Konsultation ergeben, dass der erzürnte Schlangengott (nag deuta) hinter der Krankheit steckt. Nun werden Opfergaben dargebracht: Sieben Tassen Milch und Kuhdung müssen zur Quelle gebracht werden, wo die Gottheit wohnt. Auch die eigenen Kleider hat Aditi der Mata für eine Segnung zugesandt. Und den Schamanen –auf Nepalesisch jhankri genannt – kann sie mit dem Handy, das unter dem Kopfkissen liegt, stets erreichen. Ob sie die eigene Genesung letztlich der Schulmedizin oder den Heilern verdankt? Aditi zuckt die Schultern: «Wer weiss…» Für die Nepalesen, die in der indischen Himalajaregion Darjeeling ethnisch die Bevölkerungsmehrheit stellen, können Krankheiten viele Ursachen haben und diverse Einflüsse zusammenwirken. Deshalb ist der eigentliche Auslöser oft schwer zu ergründen. Neben «natürlichen» Krankheiten kann eine Hexe Speisen verwünschen oder der «böse Blick» einer Nachbarin Leid bringen. Vor allem aber machen eine Vielzahl von Geistern, unzufriedenen Ahngottheiten und Seelen unglücklich Verstorbener den Menschen das Leben schwer. Sie hängen sich Angehörigen an oder befallen Fremde in dunklen Gassen, verlassenen Häusern oder öffentlichen Toiletten und machen physisch und psychisch krank. Stehen die Planeten schlecht, ist ein Mensch umso anfälliger für solche Unbill. Deshalb wundert es nicht, dass viele Patienten im Spital erzählen, sie hätten noch
keine endgültige Antwort gefunden, und dass die Schamanen und Göttermedien nicht arbeitslos werden.
Der Schamane auf der Vespa Aditi hat ihren Schamanen vom Bett aus angerufen und meinen Besuch angekündigt. Der Tempelraum in seinem Haus in einem Hain am Stadtrand ist eindrücklich. Hier findet sich eine Unzahl von Ritualobjekten, Räucherstäbchen stapeln sich wie Brennholz bis zur Decke. Der «Batasia Jhankri» ist von Leuten umringt, die auf ihre Behandlung warten. Er verwendet dafür religiöse Objekte, Trommeln, Pfeifen, Zweige, Stachelschweinnadeln und etliche Werkzeuge, mit denen er seine Patienten berührt, abklopft, streichelt und dazu abwechselnd Gebetsformeln, Mantras spricht, pfeift, stöhnt oder singt.
Einer Frau rät er, ja keine Injektionen zu empfangen, sonst sterbe sie. Denn wenn ein Geist einen Menschen besetzt, macht eine Spritze diesen noch rasender. Diese Überzeugung erschwert Behandlungen aus Sicht der Ärzte oft massiv. Andererseits schilt der «Batasia Jhankri» die Mutter eines Buben, dessen Gesicht von einem Ausschlag entstellt ist: «Du Rabenmutter! Warum hast du so lange gewartet? Sofort bringst du deinen Sohn ins Spital!»
Im rauchgeschwängerten Tempelraum wähnt man sich weitab des Stadtlebens. Aber auch hier bringt das Fernsehen die Welt in die Stube und läutet das Handy des Schamanen manchmal während der Rituale. Man mag beklagen, dass Tradition durch moderne Einflüsse gestört und verwässert wird. Das hiesse jedoch zu vergessen, dass Traditionen stets ein lebendiger Teil der Kultur waren, sich mit ihrem Umfeld verändern und deshalb nicht weniger echt sind.
Man ist als westlicher Beobachter geneigt, Bilder wie den Schamanen in Jeans, der auf der Vespa zur Arbeit fährt, als kuriosen Sonderfall zwischen Tradition und Moderne zu sehen. Dieser Mix ist jedoch längst normaler Alltag einer Zeit geworden, in der eine hoch technisierte Medizin ebenso Platz hat wie spirituelle Praktiken und Rituale. Selbst gebildete Patienten können neben dem Arzt einem Schama-
Susanne Strässle
ist Ethnologin und Journalistin und hat in der indischen Region Darjeeling, dem multiethnischen Grenzgebiet zwischen Nepal, Bhutan und Tibet, die Berührungspunkte zwischen traditionellem Heilen und Schulmedizin untersucht. Ihr Buch zeigt, wie die Schulmedizin (in der Ethnologie Biomedizin genannt) das Wirken der Schamanen und Matas in den Städten beeinflusst und herausfordert, wie aber auch viele Ärzte in der Praxis ihren kulturellen Hintergrund nicht ausblenden.
nen oder Guru vertrauen und leitende Beamte von Göttern zu Heilern berufen werden.
Gesegnete Schulmedizin
Manche Ethnologen sprechen daher nicht mehr von einer einzigen, westlich geprägten Moderne, sondern von einer Vielzahl von Modernen: Trotz gemeinsamen globalen Grundbedingungen, Verflochtenheit und weltweitem Informationsfluss ist jede Moderne einzigartig, da sie in der lokalen Kultur verwurzelt ist. Zwar haben alle Gesellschaften heute mit ähnlichen Herausforderungen und Spannungen zu kämpfen – etwa zwischen Religion und Ratio, Gleichheit und Freiheit, Gemeinschaftssinn und Individualität. Doch die Antworten darauf sind auf kreative Weise verschieden, und es wäre falsch, die westliche Lösung als einziges Modell zu betrachten.
In Darjeeling ist die Folge davon ein Medizinsystem, in dem Schamanen, Matas, Lamas, Naturheiler und Ärzte nebeneinander existieren, wenn auch nicht immer spannungsfrei. Der Besuch bei der Mata oder beim Schamanen hat für Rat Suchende wenig mit einem Selbsterfahrungstrip zu tun. Die Heiler bieten in der Stadt eine Art religiöse und soziale Dienstleistung an. Auch wenn manch Probleme umfangreiche Rituale erfordern, in grösseren
Tempeln gibt es feste Konsultationszeiten, wo Menschen gegen eine freiwillige Spende im Alltag Hilfe finden. Schamanen und Matas weissagen heute häufig, ob ein Patient in den Tempel oder ins Krankenhaus gehört. Oft werden die Namen passender Spezialisten oder Kliniken in der Prophezeiung mitgeliefert. Einige segnen Medizin aus der Apotheke, um deren Wirksamkeit zu erhöhen. «Können auch bei Malaria Geister im Spiel sein?», frage ich einmal Mataji Sushri Kumari Cintury (siehe Kasten) und ernte nur Gelächter: Die Heiler nutzen die Schulmedizin bei «natürlichen» Krankheiten selber und haben nicht den Anspruch, alle Krankheiten zu heilen.
Moderne kritische Gläubige
Nicht in jedem Fall ist aber klar, wer für eine Krankheit zuständig ist. Deshalb ist die Suche nach der richtigen Behandlung oft mühselig. Die Leute sind sich der Widersprüche, die unterschiedliche Diagnosen und wechselhaftes Therapieverhalten aufwerfen, durchaus bewusst.
Die Ethnologin Stacy Leigh Pigg hat dafür die Figur des «modernen kritischen Gläubigen» definiert, die auch auf viele Menschen in den Darjeeling Hills passt: Oft geben die Leute hier im vertraulichen Gespräch zu, dass sie an übernatürliche Kräfte glauben, wissen aber, dass sie dafür belächelt werden können und betonen, dass sie es keineswegs blindlings tun. Das zeigt sich daran, dass sie kritisch und vorsichtig ihre Matas und Schamanen wählen. Nicht alle Heiler gelten als gleich mächtig und geeignet, in einem bestimmten Fall zu helfen.
Das Unerklärliche anerkennen
Was für die Patienten gilt, trifft in den Darjeeling Hills unerwarteterweise auch für eine ganze Reihe von Ärzten zu: Sie leben mit der Ambivalenz, «Söhne der Wissenschaft und gleichzeitig Söhne der Kultur» zu sein. Wie jedes Kind in Darjeeling wissen auch sie, dass Mittwoch schlecht ist: Was am Mittwoch begonnen wird, kommt nie zu einem guten Ende, sei es eine Strickarbeit, oder eine Reise. Und schon gar nicht eine Operation. So mancher Arzt wird sich, soweit medizinisch vertretbar, nach seinen Patienten richten, die vor einem Eingriff auch ihr Horoskop berech-
nen lassen. Die Mediziner respektieren dies, weil es auch in ihrer Familie beherzigt wird, weil es die Moral des Patienten stärkt oder auch nur, um sich keine Probleme einzuhandeln, sollte ein Eingriff nicht nach Plan verlaufen.
«Hinter einem Nierenstein oder einem Tumor steckt nichts Übernatürliches», erklärt mir eine erfahrene lokale Ärztin im Städtchen Kalimpong, «doch wenn in einer Familie immer wieder schwere Krankheiten auftreten, dann kann das mit dem Gesundheitskarma zu tun haben. Ich spreche die Leute darauf an: Vielleicht solltet ihr geeignete Rituale machen lassen. Was schliesslich hilft, weiss ich nicht. Mich interessiert nur die Genesung. Wer heilt, hat Recht.» Nachdenklich fügt sie an: «Eigentlich glaube ich nicht an Geister, doch ich habe Dinge gesehen, die ich nicht erklären kann. Was man mit eigenen Augen sieht, muss man einfach glauben.»
Ein Arzt tibetischer Abstammung formuliert es so: «Als Mann der Wissenschaft kann ich natürlich nicht sagen, dass Geister einen Einfluss haben, aber in meiner Kultur spielen sie als Krankheitsursachen eine wichtige Rolle. Deshalb will ich gewisse Phänomene nicht als rein psychologisch abtun. Ich sehe ihre spirituelle Seite.» Dass Glauben und Vertrauen in jeder Art von Medizin eine wichtige Rolle spielen, steht in Darjeeling nicht nur für die Heiler, sondern auch für die Ärzte ausser Frage: «Wenn mir der Patient nicht vertraut und an mich glaubt, hilft auch die Medizin nichts», erklärten mehrere Mediziner. Dahinter steht die durchaus moderne Einsicht, dass jede medizinische Praxis auch eine zwischenmenschliche Begegnung ist, deren Qualität nicht ohne Einfluss auf den Heilungsprozess bleibt. u
Darjeeling und seine Matas
Neben den Schamanen und den buddhistischen Lamas sind die Matas (= Mutter) die wichtigsten spirituellen Heilerinnen im indischen Himalaja. Matas sind hinduistische Medien der weiblichen Gottheit Devi, oft in der Gestalt der zornvollen Gottheiten Kali oder Durga. Unter den Medien können auch Männer sein. Matas verstehen es als Trägerinnen Devis, teilweise in Trance, mit Mantras (Gebetsformeln) und Ritualen zu heilen. Einige Matas führen hoch geachtete Tempel, unter ihnen Mataji Sushri Kumari Cintury im Ma Singha Dham Tempel in Darjeeling. Ihr bescheidenes Leben ist strengen religiösen Regeln unterworfen: «Alles ist Devis Wille. Ich bin ihr Medium weil sie nicht die Zeit hat, Patienten zu heilen», sagt die charismatische Frau, die auch zwischen medizinischen Welten vermittelt: «Einigen rate ich, einen Arzt aufzusuchen, anderen rate ich ab. Es hängt von der Art der Krankheit ab. Die Leute vertrauen mir, weil ich nicht nur meine Methode empfehle.»
Veranstaltung
_ Am 18. November 2009 berichtet
Susanne Strässle im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Ethnologisches Café» in der Lebewohlfabrik in Zürich über Medizin und Schamanismus in der indischen Moderne. Der Anlass beginnt um 19.30 Uhr. www.lebewohlfabrik.ch
Literatur
_ Susanne Strässle: «Biomedizin im Kontext: Medizin, Glauben und Moderne in den Darjeeling Hills» Argonaut Verlag 2007, Fr. 28.50
_ Claudia Müller-Ebeling, Christian Rätsch, Surendra Bahadur Shahi: «Schamanismus und Tantra in Nepal: Heilmethoden, Thankas und Rituale aus dem Himalaya», AT Verlag 2008. Fr. 81.–
Haufenweise Häufchen
Hunde haben ein Bedürfnis, das nicht alle freut, stellt Öko-Lisa fest. Doch Hundekot ist mehr als nur ein Ärgernis – er ist auch Kult und Kunst.
Die Autorin
Geboren 1970 in Bern, arbeitet Nicole Amrein als freie Journalistin und Romanautorin. Nach ihrer Tätigkeit als News-Moderatorin bei einem Schweizer Fernsehsender war sie unter anderem Redaktionsleiterin verschiedener Frauenmagazine sowie Autorin bei einem Gastromagazin. Sie hat mehrere satirische Frauenromane und Romanserien verfasst, darunter einige Bestseller. Jeden Monat gewährt sie uns einen unterhaltsamen satirischen und intimen Blick ins Tagebuch von Öko-Lisa. _ www.nicoleamrein.ch
Der Macho an meiner Seite heisst Pippo, trägt gepflegten Bart und pinkelt ordentlich im Stehen. Trotzdem fällt es mir schwer, ihn an dieser Stelle zu erwähnen, den Zwergrauhaardackel. Noch so ein nutzloser Köter, der die sorgfältig in Form geschnittenen Buchshecken voll kackt und an jede frisch gestrichene Hauswand pisst – als wäre eine halbe Million Hunde für die kleine Schweiz nicht schon mehr als genug, das Boot bis zum Kentern gefüllt!
Den Hundehassern sei versichert: Auch ich bin es leid, haufenweise Ohrenstäbchen zweckzuentfremden, um damit eingetretenen Hundekot aus den Rillen meiner Schuhsohlen zu kratzen, nur weil Nachbars unbeaufsichtigter Lumpi auf einer seiner ausgedehnten Streuntouren durchs Quartier seine Notdurft mal wieder direkt vor unserer Haustür verrichten musste.
Gentest für Sünder
Madrilene müsste man sein! In Spaniens Hauptstadt – mehr als 215 0 00 Hunde – will die Stadtreinigung künftig herrenlose Exkremente mit einem speziellen Gerät angehen. Es ermöglicht eine Schnellanalyse der Haufen und den Abgleich mit den in einem zentralen Register gespeicherten genetischen Daten aller ansässigen Hunde sowie Name und Anschrift derer Besitzer. Letzteren droht eine Geldbusse von bis zu 1000 Franken für jede liegen gelassene «Tretmine», was aber nur beim ersten Hinschnuppern als horrend erscheint. Denn Kläffis Ausscheidung hat durchaus Zerstörungspotenzial: sie greift die für die urbane Ökologie äusserst wichtigen Strassenbäume im Wurzel und
Stammbereich an, führt zu Wuchsbeeinträchtigungen, einer Schädigung der Rinde – und kann, neben dem Ärgernis für den Mensch, auch zu einer Infektionsquelle für denselben werden. Salmonellen, Hakenwürmer, Bandwürmer sind möglich – die Ursache für verschiedene Augen, Leber, Lungen und Gehirnerkrankungen.
Hauchdünn für mehr Gefühl
Von Heiserkeit und Halsschmerzen ist in diesem Zusammenhang nichts bekannt. Jedoch kann gesagt werden, dass auch in Sachen HundekotEntsorgung eine Schweizer Erfindung weiterhilft: der Robidog. Kein Geringerer als der Thuner Joseph Rosenast hat der Welt die grasgrünen Boxen mit den dazugehörigen passendbraunen FäkalienSäcklein beschert. In der Zwischenzeit sind die Tüten auch in den GuteLauneFarben Rot, Blau und Gelb im Umlauf, je nach Stadt oder Gemeinde, die sie abgibt.
In Burgdorf zum Beispiel – 15 346 Einwohner, 596 Hunde – hat man sich unlängst für Grün entschieden, was aber für einigen Unmut gesorgt hat. Nicht die Farbe, sondern die Beschaffenheit der Säcklein. Zu dünn seien sie, so das Fazit kritischer Hundehalter, welche die Häufchen ihrer Lieblinge nun lieber liegen lassen, als vom mulmigen Gefühl befallen zu werden, ungeschützt in Kot greifen zu müssen. Hundemist, sagt man bei der Stadtreinigung. Die neuen Beutel seien genauso reissfest wie die alten, nur halt wesentlich preiswerter im Ankauf. Und, weil hauchdünn, wohl auch mit besserer Ökobilanz, was wiederum den Freiburger Nationalrat Dominique de Buman freuen dürfte.
Der CVPMann hat nämlich dem Polyethylen den Kampf angesagt, will in der Schweiz die Verwendung von WegwerfPlastiksäcken nach dem Vorbild von China, Kenia und Rwanda verbieten lassen. Während seine Motion beim Bundesrat noch hängig ist, wird auf der tansanischen Insel Sansibar mitunter für ein halbes Jahr hinter Gitter gesteckt, wer mit Plastik statt Jute oder Stoff unterwegs ist. Nicht nur, dass für die Herstellung von PolyethylenBeuteln Erdöl verbraucht und bei der Verbrennung Dioxin freigesetzt wird: In der Natur liegengelassen bauen sich die Tüten erst nach Jahrhunderten
Auch ich bin es leid, Hundekot aus den Rillen meiner Schuhsohlen zu kratzen.
selbstständig ab. So erklärt sich auch der «pazifische Müllfleck», ein immenser Teppich aus Plastikabfällen von der Grösse Zentraleuropas, der im Meereswirbel zwischen San Francisco und Hawaii schwimmt und dem die einstige Hippiemetropole mit dem Verbot von Plastiksäcken Einhalt gebieten will. Die Frage, in was für Behältern in Frisco künftig der Hundekot entsorgt werden soll, ist hinfällig, da die Stadtverwaltung sowieso das Projekt «Poop Power» aufzustarten gedenkt – die Gewinnung von Energie aus tierischen Fäkalien. Im besten Fall kommt dabei heisse Luft heraus. Die war bei «Complex Shit»
schliesslich draussen, nachdem die künstlerisch wertvolle Arbeit (eine haushohe HundekotInstallation in der Parkanlage des Berner Paul Klee Zentrums) im Sommer vor einem Jahr von einer heftigen Windböe über 200 Meter in den Garten eines benachbarten Jugendheims katapultiert worden war. Shit happens! – ob es der Umwelt nun gefällt oder nicht.
_Lesen Sie im nächsten Heft: Vornehmen ist gut – umsetzen ist besser
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Sprechen Sie das Lösungswort unter 0901 009 151 (1.–/Anruf) auf Band. Oder senden Sie eine Postkarte mit der Lösung und Ihrer Adresse an: freiraum Werbeagentur AG «Helvetas» Wettbewerb
Baslerstrasse 102, 8048 Zürich. Teilnahmeschluss ist der 27.11. 2009.
Teilnahmebedingungen: Gleiche Gewinnchancen für telefonische oder schriftliche Teilnahme. Mitarbeiter der AZ Medien Gruppe AG und Angehörige sind nicht teilnahmeberechtigt. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen. Die Preise werden nicht in bar ausbezahlt. Es wird keine Korrespondenz geführt.
Lösung des Rätsels aus dem Heft 10-2009
Markt
Natürliche Wärmedämmung
Die richtige Dämmung der Gebäudehülle erhöht die Lebensqualität und bietet Sparpotenzial. Bei älteren Gebäuden lassen sich 30 bis 40 Prozent der Heizkosten sparen und das Haus hat im Sommer und Winter ein angenehmes Raumklima. Natürliche Dämmstoffe wie Zellulose, Schafwolle, Flachs, Holz, Schilf, Kokos und Korkplatten bieten gegenüber künstlich hergestellten Dämmprodukten viele Vorteile. Sie stammen aus nachwachsenden Rohstoffen, sind atmungsaktiv, besitzen feuchtigkeitsregulierende Eigenschaften und enthalten keine Schadstoffe. Dies wirkt sich positiv auf das Raum und Wohnklima aus. Die HagaNaturbaustoffe in Rupperswil, hat sich auf die Produktion und den Vertrieb natürlicher Baustoffe spezialisiert.
_ www.naturbaustoffe.ch
Bewegung und Tanz als Beruf
Das Heiligberg Institut in Winterthur bietet seit zehn Jahren eine berufsbegleitende Ausbildung mit einjährigem klinischem Praktikum für diplomierte Bewegungspädagogen und Tanztherapeuten an. Die Grundlage der Bewegungs, Körper und Tanzarbeit ist die menschliche Bewegungsentwicklung. Die Teilnehmer lernen, wie man mit gesunden und kranken Menschen arbeitet. In der Prävention wird ein bewusstes und gesundes Lebensgefühl gefördert. Beweglichkeit, Haltung, Atmung, Koordination, Kraft und Wahrnehmung gehören zum Aufgabenbereich. In der Tanztherapie stehen die Körpersprache im Vordergrund, der Ausdruck und die unbewussten Signale, wie Schmerz oder Depression, die der Mensch sendet. Es werden Strategien für die Heilung analysiert und entwickelt. Laufend biete das Institut Einführungsseminare an. _ www.heiligberg.ch
Abwehr stärken
Hefepräparate von Strath beeinflussen die körpereigenen Abwehrkräfte positiv. Die Präparate werden die Hefezellen des Typus Saccharomyces cerevisiae mit Kräutern kombiniert und in einem speziellen Gärvorgang verflüssigt. Dieser natürliche Prozess ermöglicht die vollständige Verwertung der zahlreichen in der Hefe enthaltenen Vitalstoffe wie Vitamine, Aminosäuren, Spurenelemente und Mineralsalze durch den Organismus. Strath erhöht bei einer Infektion die Produktion lebenswichtiger Abwehrzellen. Das Präparat enthält ausschliesslich naturbelassene Wirkstoffe, keine künstlich erzeugte Substanzen und Konservierungsmittel und steigert neben der Abwehrkraft zudem die körperliche und geistige Leistungsfähigkeit.
Gesunder Schlaf Nachts kann die Körperhaltung nicht kontrolliert werden. Deshalb ist es wichtig, dass der Körper anatomisch richtig gebettet wird. Ein Bett darf weder zu weich noch zu hart sein, damit sich die Muskulatur entspannen kann und die Bandscheiben entlastet werden. Beim SaminaSchlafsystem wird der vom Körper verursachte Auflagedruck vom frei schwingenden, doppelseitigen Lamellenrost aufgenommen und ideal im Verhältnis von Körpergewicht und Körperlänge verteilt. Dies führt zu einer optimalen Abstützung der Lendenwirbelsäule und zur notwendigen Entlastung der Bandscheiben. Daher eignet sich das SaminaSchlafsystem besonders für Menschen mit Rückenschmerzen und Problemen an der Wirbelsäule. _ www.samina.ch
Magnetfelder h armonisieren
Menschen, die regelmässig Magnetfeldern von Wasseradern, Erdstrahlen oder Elektrosmog ausgesetzt sind, müssen oft eine deutlich reduzierte Lebensqualität erdulden. In vielen Fällen halten die Beeinträchtigungen wie Schmerzen oder Müdigkeit trotz Medikamenten an. Magnetfeldprobleme sind jedoch lösbar. Die Firma Fostac AG hat eine Technologie entwickelt, die solche Störfelder vollständig harmonisiert. _ Fostac AG, Dorfstrasse 28, 9548 Bichwil, Telefon 071 955 95 33, www.fostac.ch
Seminare
Tierhomöopathie –Weiterführungskurs Jungtierkrankheiten, 13.11. 09, 19.00–21.30 Uhr, Fr. 30.–SHI Haus der Homöopathie Steinhauserstrasse 51, 6300 Zug www.shi.ch
Chocodays – die Tage der Schokolade 6.11.– 8.11. 09, Palazzo Civico, Bellinzona www.bellinzona.ch
Andreas Vollenweider 16.11. 09, 20.15 Uhr, im Nordportal, Baden www.nordportal.ch kontakt@nordportal.ch
Die Legionäre kehren zurück! Legionärsfest, 10./11.11. 09, jeweils 10 –17 Uhr in Windisch, findet bei jeder W itterung statt www.legionärspfad.ch
Vom Glück zwischen Spänen und Klängen Vortrag, Apéro und Gespräch mit Mark Wilhelm, Geigenbauer, Suhr 19.11. 09, 20 Uhr, Bullingerhaus, Jurastrasse 13, Aarau
Infos unter Tel. 062 767 60 54. Eintritt Fr. 20.–www.ruegel.ch/www.ref.-aarau.ch
Gesundheit
Natürlich gemeinsam –informieren, ausprobieren Kostenlose komplementärmedizinische Probebehandlungen und Informationen
7.11. 09, 14 bis 18 Uhr, City-Kirche «Offener Jakob», am Stauffacher, 8004 Zürich www.xund.ch
Mit gesunden Zähnen älter werden
10.11. 09, 19.30 – 21.00 Uhr
Aeskulap Klinik, Brunnen
Homöopathie im afrikanischen Busch
Vortrag, 11.11. 09, 19 –21 Uhr
SHI Haus der Homöopathie Steinhauserstrasse 51, 6300 Zug www.shi.ch
Telefon 058 200 56 16 nicole.flueckiger@azmedien.ch
Grafisches Konzept: artdepartment.ch
Herstellung
Vogt-Schild Druck AG Gutenbergstrasse 1, 4552 Derendingen
ISSN 1663-4799
Über unverlangt eingesandte Manuskripte wird keine Korrespondenz geführt.
Wiedergabe von Artikeln und Bildern nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages.
Im Dezember lesen Sie
Von Tigern und Menschen
Wo bei uns Wolf und Bär die öffentliche Meinung spalten, ist es in Indien der Tiger: für die einen gefährdetes und daher schützenswertes Tier, für die anderen ein Konkurrent um Lebensraum.
Richtig festlich schlemmen
Die Organisation Slow Food setzt sich für nachhaltige Esskultur und Geschmacksvielfalt ein – ein Plädoyer für gutes Essen über die Festtage.
Weitere Themen
Generationenprojekt
In Zürich Witikon werden gemeinsam ein Altersheim und eine Kindertagesstätte betrieben. Begegnungen zwischen Alt und Jung sind gewollt.
l Trockene Luft: gereizte Augen und was dagegen hilft l Artischocken: gut fürs Blut l Mohn: berauschend, bekömmlich und gesund l Zilgrei: mit Haltung gegen Schmerzen l Magisch: Wanderung vom Üetliberg zum Fraumünster
«natürlich leben» 11-2009 erscheint am 27. November 2009
Kontakt Aboservice: Telefon 058 200 55 62, Fax 058 200 55 63 oder abo@natuerlich-leben.ch, www.natuerlich-leben.ch
HDie Macht des Linsengerichtes
Thomas Widmer über die Verlockungen des Eintopfs und warum er mehr ist als ein Mahl – nämlich ein Versprechen.
erbst. Draussen Nebel, drinnen Licht in der Stube, obwohl erst Mittag ist. Während ich diese Kolumne schreibe, köchelt es auf dem Herd links von mir. Und genau darum soll es hier gehen.
Ich habe ein Linsengericht aufgesetzt. Zwiebeln mit einem Suppenlöffel Curry in heissem Olivenöl gewendet. Linsen rein und wieder kurz hin und her mit der Kelle. Dann grob gewürfelte Kartoffeln und Tomaten rein und das Ganze mit viel Bouillonwasser beruhigt. Jetzt darf das Linsengericht eine Stunde auf kleinem Feuer köcheln.
Unterdessen habe ich die Musse festzuhalten, dass dies das Ur-Essen der Menschheit ist. Deren erste warme Mahlzeit. Im ersten Buch Mose wird die Geschichte um die ungleichen Zwillinge erzählt: Esau, der Ältere, ist rötlich und behaart. Zu Jakob, dem Jüngeren, sind vorerst keine Eigenschaften angegeben. Ein Muttersöhnchen ist er, stellt sich später heraus. Als die Brüder dann erwachsen sind und Jakob ein Linsengericht kocht, das köstlich duftet, da verkauft der hungrige, vielleicht auch ein wenig naive Esau, der vom Felde heimkommt, dem schlauen Jakob sein Erstgeborenenrecht. Nur um Linsen essen zu können.
Jedenfalls hat das Linsengericht die Gewalt, meine Stube an meinem freien Tag zu beheizen. Ja zu beseelen.
Mir ging das immer schon so mit dem Kochen. Es gibt eine Handvoll Gerichte, die sind mir mehr als Nahrung. Sie sind Zauberspeisen. Heilung für Leib und Seele. Und es ist wohl nicht Zufall, dass es die simplen Sachen sind. Eintöpfe vor allem, bei denen ich an eine Höhle denken muss, an offenes Feuer, an Wurzeln sammelnde Esser, die in Felle gekleidet sind. An eine dunkle Vergangenheit, in der wir irgendwie immer noch wohnen.
Eintopf wie einfach, darum geht es. Nur das Grundlegende nehmen: Dinge wie Linsen, Gelberbsen, Rüebli, Kartoffeln. Speck. Wenn ich eine Sehnsucht habe, dann die nach dem reinen Dreiklang «Mann, Haus, Topf». So sieht Glück aus. Habe ich schlechte Laune, fühle ich mich hin und her geworfen, rütteln wirre Gefühle an mir, bin ich gestresst, dann denke ich: «So, gleich gehe ich heim und mache mir Linsen.»
Das Leben ruft mir zu: «Hey, entspann dich, iss, alles kommt ins Lot.»
Eine solche Macht hat dieses Linsengericht, das alles Zwingende enthält und nichts Überflüssiges. Es ist nicht Akzidenz, sondern Essenz. Es ist auf das Maximum minimiert. Es ist mehr als ein Mahl, es ist ein Versprechen. Das Leben ruft mir zu: «Hey, entspann dich, iss, alles kommt ins Lot.»
Das ist nicht recht. Es ist Betrug. Es ist unappetitlich. Die Geschichte empört mich jedes Mal aufs Neue, wenn ich sie höre. Umso mehr, als Esau wohl gar nicht anders kann. Esau ist ein Opfer. Ein Linsengericht hat nun einmal eine unheimliche Kraft. Das ist bis heute so geblieben.
So, gleich ist es so weit. In fünf Minuten werde ich die Hitze abdrehen, den Topf vom Herd nehmen, mir schöpfen. Das Linsengericht ist bereit. Und da ich es mir selber gekocht habe, muss ich keinem Schlaumeier irgendetwas davon abtreten, um es zu geniessen.
Thomas Widmer, 47, ist Reporter beim «Tages-Anzeiger» in Zürich und schreibt dort auch die Wanderkolumne «Zu Fuss». Er hat zwei Wanderbücher publiziert, www.echtzeit.ch.