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Bessere Bahnen bauen

„Für Entwickler bedeutet der komplexe weltweite Markt für Schienenfahrzeuge und seine zahlreichen Technologien, dass es noch jahrzehntelang Möglichkeiten für Neuerungen geben wird, um mehr Effizienz und geringere Emissionen zu erreichen.“

Technologie im Detail

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Philip Lechner

Technicial Specialist Power, Avnet Abacus

Der Druck, den CO2-Ausstoß zu verringern, betrifft jeden Aspekt unseres Lebens – von unserer Ernährung bis hin zu unserer Art zu reisen. Er treibt Neuerungen im gesamten Verkehrssektor voran, insbesondere im Schienenverkehr, obwohl dieser in Bezug auf kohlendioxidäquivalente (CO₂e) Emissionen pro Fahrgastkilometer zu den umweltfreundlichsten Fortbewegungsmitteln zählt. Hier werden so viele Fahrten durchgeführt, dass die Auswirkungen auf die CO2-Bilanz erheblich sind.

Für Entwickler bedeutet der komplexe weltweite Markt für Schienenfahrzeuge und seine zahlreichen Technologien, dass es noch jahrzehntelang Möglichkeiten für Neuerungen geben wird, um mehr Effizienz und geringere Emissionen zu erreichen.

Das Gebot, den CO2-Ausstoß zu senken

Warum ist die Dekarbonisierung des Schienenverkehrs so wichtig? Laut dem britischen Office of Rail and Road verbrauchten britische Personenzüge in den Jahren 2019 bis 2020 an die 4186 Mio. kWh Strom, was einem Anstieg von 5,3% gegenüber 2018 bis 2019 entspricht, und 476 Mio. Liter Diesel (1,5% mehr als 2018 bis 2019). Dieser Trend ging mit steigenden Fahrgastzahlen einher, wodurch die Emissionen pro Personenkilometer auf 35,1 g sanken (4,9% weniger als 2018 bis 2019). Die gesamten CO₂e-Emissionen für elektrische und dieselbetriebene Personenzüge betrugen 2400 kt (2,7% weniger als 2018 bis 2019).

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Auffallend an diesen Zahlen ist die Auswirkung, die eine 1%ige Verbesserung der Effizienz bei der Umwandlung von Energie in Fahrgastkilometer hätte: fast 4,2 Mio. kWh Strom, fast 5 Mio. Liter Diesel und 2,4 kt CO₂e-Emissionen würden eingespart. Ein wichtiger Schritt, diese Art von Effizienzgewinn zu erreichen, zumindest auf großer Ebene, ist die Elektrifizierung der Eisenbahnen. In einem Plan aus dem Jahr 2020, der zur Dekarbonisierung des Schienenverkehrs in Großbritannien aufgelegt wurde, erklärte Network Rail (verantwortlich für die britische Schieneninfrastruktur), dass von den 15.400 km noch nicht elektrifizierten Schienenkilometern bis zu 11.700 km elektrifiziert werden sollten. Von den restlichen Kilometern sollen 900 km mit wasserstoffbetriebenen Zügen und 400 km mit batteriebetriebenen Zügen bedient werden. Die richtige Technik für die verbleibenden 2400 km an Strecke muss noch festgelegt werden. Der Bericht schlägt zudem vor, weitere 1340 km zu elektrifizieren, 400 km mit wasserstoffbetriebenen Zügen und 400 km mit batteriebetriebenen Zügen zu belegen. Eine Technik für die verbleibenden 260 km muss noch ausgewählt werden. Wenn dieser Plan umgesetzt wird, werden bis zu 96% der Fahrgastkilometer mit elektrischen Antrieben und 4% mit Wasserstoff- und Batterieantrieb bedient. Im Güterverkehr werden rund 90% der Frachtkilometer elektrisch bedient, der Rest mit Diesel oder anderen Antriebsformen.

Lückenschluss mit Batterien

Die vollständige Elektrifizierung des britischen Schienennetzes wird Jahrzehnte dauern, in denen die Bahnbetreiber mit teilweise elektrifizierten Netzen arbeiten müssen. Ein Weg dazu werden batteriebetriebene oder batteriegestützte Züge sein – eine Idee, die bereits für Start-ups und etablierte Zughersteller von Interesse ist. Das junge Start-up Vivarail mit Sitz in Southam, Warwickshire, hat einen batteriebetriebenen Zug für den Einsatz in U-Bahnen, Pendler- und Regionalzügen entwickelt. Der Zug wird durch neue Technik möglich, mit der Vivarail neuartige batteriebetriebene Züge bauen, bestehende Dieselzüge umrüsten oder Batterien zu Elektrozügen hinzufügen will, um deren Reichweite zu erhöhen. Vivarail betreibt bereits Batterie- und Hybridzüge, wobei eine der Varianten eine Reichweite von knapp 100 km allein mit Batterien bietet. Vivarail hat auch ein Ladesystem entwickelt, das aus einer großen Batteriebank besteht, die mit Netz- oder Ökostrom und einem Stromabnehmer- und Schienenverbindungssystem unter dem Zug erhaltungsgeladen wird. Laut Vivarail sollen damit die Batterien eines Zuges in zehn Minuten aufgeladen werden. Hitachi Rail entwickelt elektrische Züge, die Strom sowohl für den Antrieb als auch für das Laden der Batterien aus der Oberleitung beziehen und dann in Gebieten, in denen die Installation der Oberleitungsinfrastruktur nicht möglich oder zu teuer ist, auf reinen Batteriebetrieb umschalten können. Das Unternehmen schlägt auch vor, einen Teil der Dieselaggregate in seinen aktuellen oder zukünftigen Intercity-Zügen durch Batterien zu ersetzen, um die Kraftstoffkosten um bis zu 30% zu senken und es den Zügen zu ermöglichen, im Batteriemodus in nicht elektrifizierte Bahnhöfe einzufahren, was für die Fahrgäste leiser und sauberer vonstatten gehen würde.

Hitachi ABB Power Grids unterstützt die Initiative von Hitachi Rail durch die Bereitstellung modularer, containerbasierter Ladestationen, die entlang beliebter Strecken verteilt werden können, um regelmäßiges Aufladen zu ermöglichen. Ein ähnlicher Ansatz wird bereits für E-Busse verwendet, z.B. auf der Strecke zwischen dem Genfer Flughafen und den Vorstädten. Hier hat das Unternehmen Schnellladestationen an 13 der 50 Bushaltestellen der Strecke installiert. Kommt ein E-Bus an einer Ladestation an, verbindet er sich mit einer Oberleitungsbrücke und lädt dann 20 Sekunden lang mit 600 kW. CAF Power & Automation hat ein ähnliches System in Sevilla, Spanien, entwickelt und installiert. Es ermöglicht das Schnellladen von Straßenbahnen an der Endhaltestelle – über einen Oberleitungs-Stromabnehmer, der mit einem Ladesystem verbunden ist.

Für die Bahn wird ein ähnliches System Strom aus dem allgemeinen Netz beziehen, die Spannung in 25 kV umwandeln und an einen kurzen Abschnitt der Oberleitung liefern, über die der Zug einige Sekunden lang eine Schnellladung mit hoher Leistung erhalten kann.

Herausforderungen bei der Wandlung

Wie bei vielen E-Mobilitätslösungen ist die Effizienz der Energiewandlung in elektrischen Zügen entscheidend, um die Auswirkungen auf unsere Umwelt zu verringern. Bedenkt man, dass die Energie für eine elektrische Bahn vom Kraftwerk mit 400 kV verteilt wird, die Fahrgäste aber erwarten, dass sie ihre Smartphones über einen 5-V-USB-Anschluss an Bord aufladen, besteht das Potenzial für viele verlustbehaftete Wandlungsstufen zwischen diesen beiden Spannungsebenen. Diese Herausforderung stellt sich nicht nur bei elektrischen Bahnen. Die Hersteller von DC/DC-Wandlern und die Halbleiterunternehmen, die sie mit Schaltbauelementen beliefern, entwickeln ihre Schaltungen und Bauteilarchitekturen ständig weiter, um eine höhere Wandlungseffizienz zu erzielen. Erschwert wird dies für Bahnbetreiber durch die anspruchsvollen Umgebungen, in denen sie arbeiten, und die Erwartungen an eine sehr lange Betriebslebensdauer. Elektronik für Bahnanwendungen muss Umgebungen standhalten, in denen sie Verschmutzung und Salznebel, großen Temperaturschwankungen (-40 bis +85 °C) und hoher Luftfeuchtigkeit sowie extremen Stößen und Vibrationen ausgesetzt sind. Sie müssen zudem feuer- und rauchbeständig sein und gegen Unterbrechungen, Schwankungen und Umkehrungen ihrer Versorgungsspannung geschützt sein.

„Wie bei vielen E-Mobilitätslösungen wird die Effizienz der Energiewandlung in elektrischen Zügen entscheidend sein, um ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt zu reduzieren.“ Viele dieser Anforderungen sind in strengen Standards festgelegt, die sich nur durch gute Technik in Verbindung mit umfangreichen elektrischen und Umgebungstests erfüllen lassen. Anwendungen für DC/DC-Wandler in der Bahntechnik werden in der Regel in streckenseitige und zuginterne Anwendungen unterteilt.

„Wie bei vielen E-Mobilitätslösungen wird die Effizienz der Energiewandlung in elektrischen Zügen entscheidend sein, um ihre Auswirkungen auf unsere Umwelt zu reduzieren.“

Technologie im Detail

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„Die Herausforderung für Entwickler, die daran arbeiten, den CO2-Fußabdruck des Reisens zu reduzieren, wird darin bestehen, ihre Gestaltungsmöglichkeiten zu erkunden, um diese Art von systemischen Vorteilen zu erzielen.“

Bessere Bahnen bauen

Zu den streckenseitigen Anwendungen zählen die Steuerung der Bahnsignalisierung und die Kommunikationsinfrastruktur. Anwendungen innerhalb eines Zuges können Traktions-, Brems- und Schmiersysteme sein; Sicherheitssysteme wie Türsteuerung, Brandschutz, Beschilderung und Kameraüberwachung sowie Komfortfunktionen für Fahrgäste wie Beleuchtung, Infotainment und Heizungs-/ Lüftungssysteme. Low-Voltage-DC/DC-Wandlermodule für die Leiterplattenmontage sind häufig vergossen, um sie vor dem Eindringen von Staub und Feuchtigkeit zu schützen. Sie können auch einen integrierten Kühlkörper aufweisen, um überschüssige Wärme von den innenliegenden Wandlerschaltkreisen abzuleiten und eine effektive Kühlung zu ermöglichen. Die Module werden in Standardformaten geliefert, die in der Bahntechnik weit verbreitet und als Half-, Quarter- oder Eight-Brick bekannt sind.

Umstellung auf Siliziumkarbid (SiC)

Die meisten High-Voltage-Traktionswandler in der Bahntechnik basieren auf Silizium-IGBTs, Dioden und MOSFETs. Da jedoch eine effiziente Energienutzung immer wichtiger wird, experimentieren einige Hersteller mit Bauelementen aus Siliziumkarbid (SiC). Diese können schneller schalten als Siliziumbauelemente, sodass die Resonanzbauteile in Stromwandlern (z.B. Spulen) kleiner ausfallen können. SiC arbeitet auch bei Temperaturen, die ein Siliziumbauteil zerstören würden, sodass sie mehr Strom verarbeiten können oder weniger Kühlung benötigen. CAF Power & Automation mit Sitz im spanischen Baskenland entwickelt ein elektrisches Traktionssystem mit SiC-Bauelementen, das nach eigenen Angaben Energieeinsparungen von bis zu 15% im Vergleich zu herkömmlichen Ansätzen ermöglicht. Der Zughersteller arbeitet bei der Entwicklung und Erprobung mit dem Technologiezentrum IKERLAN und Euskotren zusammen, einem örtlichen Betreiber öffentlicher Verkehrsmittel, um die Technologie zu entwickeln und zu erproben.

CAF behauptet, dass durch den Einsatz von SiC die Verluste allein im Traktionsumrichter um 70% gesenkt wurden und hohe Schaltgeschwindigkeiten für einen höheren Wirkungsgrad möglich sind. Zudem werden viel höhere Betriebstemperaturen als mit Silizium erreicht, und die Wärme lässt sich schneller abführen, da die Wärmeleitfähigkeit von SiC dreimal höher ist als die von Silizium. Dies vereinfacht die Kühlung und trägt dazu bei, das Volumen und die Masse der gesamten Traktionslösung um 25% zu verringern. Dies wiederum macht die Züge leiser und verbessert den Fahrgastkomfort.

Die Arbeiten an dieser Entwicklung laufen seit 2016 im Rahmen des EU-geförderten Forschungsprojekts „Horizon 2020“. Die vorherige Version des Traktionssystems verwendete einen Si-IGBTWechselrichter und SiC-Dioden, was zeigt, dass neue Technologien schrittweise aufgegriffen werden und einen wichtigen Beitrag für die Bahntechnik leisten.

Neuerungen in der Bahnindustrie werden voll von dieser Art systemischer Optimierungen sein, bei denen Verbesserungen in einem engen Aspekt des Zugdesigns zu Vorteilen in anderen Bereichen führen. Die Herausforderung für Entwickler, die daran arbeiten, den CO2-Fußabdruck des Reisens zu reduzieren, wird darin bestehen, ihre Designoptionen zu erkunden, um diese Art von systemischen Vorteilen zu erzielen.

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