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Editorial

Michael Oberhofer

ist teilhabender Geschäftsführer der Unternehmensgruppe für Tourismus HMM mit den Agenturen Brandnamic und OMS sowie der Softwarefirma Yanovis mit insgesamt über 150 Mitarbeitern. Zusammen mit seinen Mitinhabern Hannes Gasser und Matthias Prader stellt er sich diesen herausfordernden Zeiten mit umfassenden Maßnahmenpaketen für die Kunden. Kostenlose Webinare mit führenden Experten gehören dazu ebenso wie die Bereitstellung von Content, gesammelte Informationen zum Thema Corona und zielgerichtete Marketingmaßnahmen für die Phase während und nach der Pandemie.

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Es gibt seltene Geschehnisse, die so einschneidend, so umwälzend sind, dass sie alle anderen in den Schatten stellen und unser Leben in seinen Grundfesten erschüttern. Ans Jahr 2020 werden wir uns nicht deshalb erinnern, weil es mit den australischen Buschbränden eingeleitet wurde, oder weil Großbritannien aus der Europäischen Union ausgetreten ist – ja, sogar die amerikanischen Präsidentschaftswahlen, die so wichtig waren wie vielleicht keine andere Abstimmung zuvor in der Geschichte der USA, verblassten neben dem Ereignis, das unsere Welt schlagartig zu einer anderen machte: die globale Verbreitung von SARS-CoV-2, der Corona-Pandemie.

| Ein Virus geht um die Welt | Die anfängliche Hoffnung, das aus China stammende Virus könne rasch eingedämmt werden, erwies sich als trügerisch. Wir nahmen unseren gewohnten Alltag nicht wieder auf. Stattdessen erfuhren wir so etwas wie kollektive Machtlosigkeit. Viele von uns erlebten zum ersten Mal eine weitreichende Einschränkung der persönlichen Bewegungs- und Entscheidungsfreiheit und das Gefühl, ausgeliefert zu sein: der Angst um die eigene Gesundheit und jener der uns wichtigen Menschen; dem Bangen um die wirtschaftliche Existenz nicht nur unseres Betriebs, sondern einer ganzen Branche. Fiel es uns in der ersten Phase im Frühling noch leichter, uns nicht unterkriegen zu lassen, wurde das mit der zweiten Infektionswelle und dem Lockdown im Herbst entschieden schwieriger, bedeuteten sie doch einen Rückfall in einen Zustand, den wir gerne überwunden gewusst hätten. Und gerade weil die Beherbergungsindustrie von den Maßnahmen zur Eingrenzung der Pandemie übermäßig betroffen war und ist, begriffen wir, dass es bei ihrem Erhalt um so vieles mehr geht als um die Rettung eines wichtigen Wirtschaftssektors.

| Reisen ist mehr als ein Wirtschaftsfaktor |

Reisen, das wissen wir alle, die wir unser Leben dem Tourismus widmen, ist nicht nur ein luxuriöses Privileg zur Gestaltung unserer Freizeit. Reisen ist ein Traum, ein Lebensgefühl. Wenn wir uns auf den Weg machen, das andere zu entdecken, machen wir uns in Wahrheit auf den Weg zu uns selbst – einem besseren, freieren, unbeschwerten Selbst. Tourismus ermöglicht die Begegnung von Menschen, die sich sonst nicht begegnet wären, Menschen mit unterschiedlichen Geschichten, unterschiedlicher Herkunft, und das heißt: Er eröffnet Perspektiven, öffnet den Geist. Reisen bedeutet Lebensqualität, Reisen machen uns mutiger, sie machen uns wacher, sie lenken unsere Gedanken in neue Bahnen, lassen uns andere Aspekte unserer selbst erproben und erkennen, schaffen Zuversicht und Glückszustände. Neue Landschaften inspirieren uns, denn wir betrachten sie nicht bloß, wir erfahren zutiefst, was uns umgibt. Auf Reisen sind wir für jeden Eindruck empfänglicher. Es ist keine Plattitüde, dass Reisen offen machen, und zwar unsere Gäste wie auch uns Gastgeber, denn wir bereichern uns gegenseitig.

| Positives betonen | Diese Erkenntnis durften wir aus der Pandemie gewinnen, oder zumindest auffrischen. Was sagt uns das? In jedem Schrecken liegt eine Erfahrung, aus der wir Positives ziehen können – und das ist nicht zynisch gemeint. 2020 hat uns gelehrt, wie wichtig Zusammenhalt ist, welcher Trost darin liegt, uns gegenseitig Mut zuzusprechen; dass Geschichte nicht etwas ist, das klanglos an uns vorüberzieht und uns nicht berührt, sondern dass sie, immer, aus menschlichen Schicksalen gemacht ist. Wir haben gelernt, dass wir die Ungewissheit manchmal einfach aushalten müssen, wir müssen es ertragen, zu warten, auch wenn wir es gewohnt waren, zu handeln; dass wir nicht immer vorauseilen können, sondern bisweilen verlangsamen und Tag für Tag, Schritt für Schritt gehen müssen. Wir durften den Wert wahrer Gastfreundschaft wiederentdecken, und dies war in der Tat ein Geschenk, haben wir sie doch in der Vergangenheit zu oft zugunsten anderer Aspekte unserer Arbeit vernachlässigt. Worauf es ankommt, so wissen wir wieder, ist die Begegnung von Mensch zu Mensch und was wir füreinander sein und tun können. 2020 hat uns vor allem gelehrt, dass nichts selbstverständlich ist, aber auch, dass wir immer weitermachen werden, weil wir keine Alternative zur Hoffnung gelten lassen. Wir waren zweifellos auf einem Weg – im Tourismus, in vielen anderen Lebensbereichen –, der uns und der Welt nicht nur gutgetan hat. Vielleicht vermögen wir wieder zu Werten zu finden, die uns menschlicher machen. Gelingt es uns, nach diesen Zeiten der Furcht, der Zuversicht, des Aufbegehrens, des Miteinanders, der Wut, der Einsicht, der Verzweiflung, der Hoffnung die Pandemie nicht nur als Bedrohung, als Wendepunkt zu sehen, sondern sie auch als Chance zu nutzen, es in Zukunft besser zu machen?

| Es geht immer weiter | Die Geschichte zeigt: Das Licht kehrt nach jeder Dunkelheit wieder. Wir haben keine Wahl, als weiterzugehen, als uns gegenseitig zu beschützen, als auf das Schöne zu vertrauen. Das Wunderbare an einem Traum wie dem unseren, dem Traum unserer Branche – nämlich dem Reisen – ist, dass er nie enden wird. Er ist derart identitätsstiftend und beflügelnd, so menschlich, dass er langlebiger sein wird als jedes Virus. Wir werden uns immer über unsere Horizonte hinwegträumen, deswegen fällt uns das Eingesperrtsein auch so schwer. Das Reisen ist ein Glücksversprechen, das eingehalten werden will. Wir können uns gewiss sein, dass die Gäste nach jedem Lockdown wiederkehren werden. Den Tourismus aus unserer Landschaft wegzudenken, würde uns ärmer machen. Ihn neu zu denken und besser zu denken, ist die große Aufgabe unserer Zeit.

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