Welternährung 1/2014

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welternährung Die Zeitung der Welthungerhilfe

1. Quartal 2014 | 43. Jahrgang

Wer künftig zahlt

Und nebenan ein Täter

wohin steuert afghanistan?

Die Entwicklungszusammenarbeit muss sich neuen Aufgaben und Akteuren anpassen.

Riesenschritte zur Versöhnung: Ruanda hat 20 Jahre nach dem Völkermord viel geschafft.

Ende 2014 ziehen die ISAF-Truppen ab – die Afghanen brauchen aber noch lange Unterstützung.

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WeltHungerhilfe Aktuell

© Andrea Campeanu/Reuters/Corbis

Hilfe für Zentralafrika Bangui  |  Wegen der gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen der muslimischen Minderheit und der christlichen Mehrheit in der Zentralafrikanischen Republik (ZAR) hat sich die Welthungerhilfe jetzt für ein langfristiges Engagement im Land entschieden. Fast eine Million Menschen sind auf der Flucht. »Mit Beginn der Regenzeit Ende März wird sich die Situation noch verschlechtern«, schätzt Welthungerhilfe-Mitarbeiter Rüdiger Erler, der die Mission in Bangui vorbereitet. »Dann werden viele Menschen auf dem Land nicht mehr erreichbar sein.« Die zentral­ afrikanische ­Republik zählt zu den ärmsten Ländern der Welt, laut dem Welthunger-Index ist die Ernährungssituation »sehr ernst«. Die Welthungerhilfe ist seit März vor Ort und will sich mit Nothilfe und langfristigen entwicklungs­ politischen Projekten engagieren. Dabei arbeitet sie eng mit dem französischen ­ ­Alliance2015-Partner ACTED zusammen, der seit 2008 in der ZAR aktiv ist. ces/dh

VERZWEIFLUNG: Mehr als eine Million Menschen sind im Südsudan auf der Flucht – wie diese beiden Frauen, die sich vor den Kämpfen in Bor retteten.

Fair produzieren

Eskalation im Südsudan Im jüngsten Staat der Erde herrscht wieder Bürgerkrieg – Nothilfegelder fehlen Schon ein halbes Jahrhundert schwelen die Konflikte im ­Sudan, doch mit einer so ­plöt­zlichen Eskalation im Süden hätte wohl niemand ­ge­rechnet. Seit Dezember 2013 fliehen Hunderttausende Zivilisten vor kämpfenden ­Armeeeinheiten. Viele sind von jeder Hilfe abgeschnitten.

Von Bettina Rühl

B

ucay Deng hat in ihren 46 Lebensjahren vieles erlebt, Flucht und Vertreibung, Diskriminierung, Korruption – und endlich: die Geburt eines Staates. Der Unabhängigkeit ihres Landes vom Sudan hatte Deng, die seit vielen Jahren für die Welt­ hungerhilfe arbeitet, lange entgegen­ge­fiebert. Sie hatte die Hoffnung nie auf­gegeben, obwohl der Bürgerkrieg um die Unabhängigkeit des überwiegend christlich-animistischen Südens vom mehrheitlich muslimischen Norden mit Unterbrechungen fast 50 Jahre dauerte. Und als der Süden am 9. Juli 2011 tatsächlich der 54. afrikanische Staat wurde, sagte Bucay Deng: »Ich bin sehr, sehr glücklich. Und ich bin froh, Zeitzeugin dieses Moments zu sein.« Aber sie wusste auch, dass der Südsudan vor einer großen Herausforderung stand. Spannungen zwischen mehreren ­Ethnien schienen durch die Euphorie des Augenblicks nur dürftig überdeckt. Landfragen waren in vielen Bundesstaaten ungelöst, und zum Beispiel ­den Medien gegenüber zeichnete sich bereits eine repressive Haltung der Regierung ab. Hinzu kamen viele ungelöste Fragen mit dem Norden, um Grenzverläufe und die Verteilung aus den Erdöleinnahmen. Aber die Gewalt, die seit dem 15. Dezember förmlich explodiert, hat selbst Pessimisten überrascht. Ein angeblicher Putschversuch des früheren

Vizepräsidenten Riek Machar löste die Kämpfe aus. Nach seiner Absetzung im vergangenen Juli hatte er Ambitionen deutlich gemacht, bei den Wahlen im kommenden Jahr statt Präsident Salva Kiir für die Regierungspartei SPLM zu kandidieren. Der Konflikt der beiden Politiker ist noch dazu ethnisch aufgeladen. Machar ist Nuer, Kiir ist Dinka. Zwischen beiden Ethnien gab es schon während des Befreiungskriegs grausame Machtkämpfe.

Flüchtlingslager überfüllt Die aktuelle Situation sei schlimmer als in den dunkelsten Jahren der sudanesischen Diktatur, berichtet Deng. »Ich habe noch nie so viele Tote gesehen.« Zu den Opfern gehören offenbar nicht nur Angehörige sich bekämpfender Armee­ truppen, sondern auch viele ­Zivilisten. Die Vereinten Nationen nennen Zahlen: Mehr als eine Million Menschen sind auf der Flucht, 85 000 ­davon leben auf Grundstücken der Vereinten Nationen in der Hauptstadt Juba und anderen Städten. Aber diese provisorischen ­Lager sind völlig überfüllt, die hygienische Situation untragbar. Seit dem Beginn der Krise verteilt die ­Welthungerhilfe an die Vertriebenen überlebenswichtige Haushaltsgegenstände wie Wasserkanister, Moskitonetze, Kochgeschirr und Zeltplanen. Auch außerhalb von Juba sind die Teams der Welthungerhilfe präsent. »Aber der Bedarf ist riesig. Trotz der Anstrengungen aller beteiligten Orga-

nisationen werden nicht alle Bedürftigen mit dem Nötigsten versorgt«, sagt Kelvin Shingles, Länderdirektor der Welthungerhilfe im Südsudan. Obwohl die Konfliktparteien am 23. Januar eine Waffenruhe vereinbarten, gehen Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Anhängern der Opposition in mehreren Bundesstaaten weiter. »Die Arbeit der Hilfsorganisationen wird immer stärker behindert«, kritisiert Shingles. Plünderungen seien weit verbreitet, auch Hilfsorganisationen das Ziel. Ganze Dörfer seien niedergebrannt, die Menschen ständig auf der Flucht, in der Hoffnung, den Bewaffneten irgendwie zu entkommen. Schulen und Krankenhäuser wurden zerstört. Zu den logistischen Problemen und zu der allgemeinen Gefahr kommt der Mangel an Nothilfegeldern. Das Ausmaß des Desasters im Südsudan werde immer noch unterschätzt, mahnt Shingles. Potenzielle Geldgeber halten sich zurück, lebenswichtige Hilfsmaßnahmen seien kaum zu finanzieren. Dabei drängt die Zeit. Im Mai beginnt die Regenzeit, und dann werden noch mehr Regionen von der Außenwelt abgeschnitten sein. »Das Schlimmste kommt erst noch«, warnt deshalb Shingles. Auch Bucay Deng sieht kein Ende der Krise. Aber sie hat ihren Kampfgeist nicht verloren. »Ich werde weiterhin ­alles tun, um den Menschen zu helfen.« (siehe auch Porträt auf Seite 4). Bettina Rühl ist Journalistin in Nairobi.

Berlin  |  Während der Berliner Fashion Week haben die Welthungerhilfe und der World ­Wide Fund For Nature mit Unternehmen über Sozial- und Umweltstandards gesprochen. Rund zwei Dutzend Vertreter führender ­Textil- und Handelsunternehmen diskutierten darüber, wie sie nachhaltig produzierte Baumwolle einsetzen und ihre Lieferkette transparenter gestalten können. Beide Organisationen sind Partner von Cotton made in Africa, einer Stiftung, die den fairen Handel fördert. Eine weitere Veranstaltung ist 2014 geplant. Info: www.cotton-made-in-africa.com dh

Mehr Syrer fliehen Aleppo  |  In Syrien haben die Welthungerhilfe und ihr tschechischer Alliance2015-Partner People in Need mit immer schwierigeren Bedingungen zu kämpfen. »Der Zugang zu vielen syrischen Städten ist kaum oder nicht mehr gegeben. Das erschwert es zusehends, die Notleidenden zu erreichen«, sagt Länderreferentin Nathalie Demel. »Hilfslieferungen können nur dann nach Syrien gelangen, wenn die Grenzübergänge offen sind.« Beide Organisationen konzentrieren sich auf die Versorgung von 600 000 syrischen Flüchtlingen in der Türkei. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen befürchtet eine Verdoppelung auf 4,1 Millionen Syrienflüchtlingen bis zum Jahresende. Das Welternährungsprogramm spricht von der »schlimmsten humanitären Krise seit Jahrzehnten«. ces

ONLINE SPENDEN: www.welthungerhilfe.de/online-spenden

© Julia Zejn

www.welthungerhilfe.de


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Nachrichten

WElternäHrung

»Unser Wort hat in Brüssel Gewicht«

Kurz notiert

Abkommen schadet armen Ländern

Fördertöpfe für Entwicklungsinitiativen berlin | Gute Idee, aber kein Geld dafür? In einer Broschüre des Netzwerks Selbsthilfe e. V. können Vereine, Projekte und Initiativen Fördertöpfe finden. Das Heft, das bereits in der zwölften Auflage erschienen ist, listet mehr als 330 Stiftungen und Förderquellen auf – geordnet nach den Bereichen Bildung, Jugend, Arbeit, Umwelt­, Soziales, Migration, Antifaschismus, Integration, Wohnen, Kultur, Frauen, Queer Leben und Entwicklungspolitik. Sie kann bestellt werden unter: http://bestellen. netzwerk-selbsthilfe.de cas

Mehr Freiwillige gingen ins Ausland bonn | Ehrenamtliche Entwicklungsdienste werden immer beliebter. Das zeigt eine aktuelle Studie des Aktionskreises Lernen und Helfen in Übersee, der 174 Entsendeorganisationen befragte. Demnach arbeiteten 2012 insgesamt 9 937 Freiwillige ehrenamtlich im Ausland – mehr als in jedem der vergangenen fünf Jahre. Besonders stark gestiegen ist das Interesse an gesetzlich geregelten Auslandseinsätzen im Rahmen von Programmen wie weltwärts, kulturweit oder dem Internationalen Jugendfreiwilligendienst. Gefragte Ziele unter den Entwicklungsländern waren Südafrika, Indien und Tansania. Doch die meisten Freiwilligen halfen in Europa, dem Kaukasus und Zentralasien. Die Zahlen spiegeln nicht unbedingt das Interesse der Ehrenamtlichen wider, sondern die Verteilung der angebotenen ­Plätze. www.entwicklungsdienst.de cas

Der neue Vorsitzende der Alliance2015, Dr. Wolfgang Jamann, will unter anderem die Lobbyarbeit ausbauen © Frommann/Welthungerhilfe

münchen | Das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen zwischen den USA und der Europäischen Union (EU) wird seit Frühjahr 2013 unter Ausschluss der Öffentlichkeit verhandelt. Zum Kern des Abkommens wird die Harmonisierung von Wirtschaftsstandards gehören. Kritiker befürchten, dass unter »Harmonisierung« eine Angleichung an die niedrigsten Standards zu verstehen ist, was ­europäische Umwelt- und Gesundheitsrichtlinien untergraben könnte. Außerdem wären Entwicklungsländer die Verlierer eines solchen Abkommens. Wenn die USA und die EU i­hren Handel intensivieren, würden die Entwicklungsländer weniger exportieren können. Dies ergab zumindest eine Studie der Bertelsmann Stiftung 2013. Laut einer Untersuchung des Münchener IfoInstituts hätten vor allem Staaten in Westafrika das Nachsehen, wenn die Zölle zwischen den USA und Europa ganz fallen. cas

1. Quartal 2014

Interview Der Entwicklungssoziologe Dr. Wolfgang Jamann ist seit 2009 Generalsekretär der Welthungerhilfe. Im Januar 2014 übernahm er für drei Jahre die Präsidentschaft der Alliance2015, eines Netzwerks von acht europäischen Nichtregierungsorganisationen. Jamann arbeitet seit über 20 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit, unter anderem für die Vereinten Nationen in Sambia, für die humanitäre Hilfe von World Vision und als Geschäftsführer für Care Deutschland–Luxemburg.

Wo kann die Welthungerhilfe Vorbild sein? Als »gute Deutsche« werden wir immer für unsere Systematik und Gründlichkeit gelobt; was wir inhaltlich leisten, ist in der Alliance oft Referenz. Gleichzeitig haben wir die europäischen Kollegen mit unserem Visionsprozess neugierig gemacht. Dabei entwerfen wir Szenarien für die Welt im Jahr 2025, um zu entscheiden, wie sich die Welthungerhilfe in Zukunft ausrichten muss.

In den Niederlanden wurde das Entwicklungsbudget um 30 Prozent gekürzt, in Südeuropa tut die Finanzkrise ihr Übriges. Wie geht die Alliance damit um? Gerade jetzt wird es für uns wichtig zusammenzuhalten, ohne uns in die Quere zu kommen. Wir müssen uns in immer enger werdenden Märkten behaupten. Genau dafür ist die Alliance2015 im Jahr 2000 gegründet worden. Wir wollen bei internationalen Gebern und Gremien gemeinsam auftreten und in den Projekten Best Practices und Welternährung: Wie sieht die Alliance2015 in Ressourcen teilen. So können wir unsere Effizienz drei Jahren aus, falls Sie Ihre Ideen umsetzen und Effektivität steigern. können? Wolfgang Jamann: Dann haben wir ein Netzwerk, Wo funktioniert das am besten? das atmosphärisch und inhaltlich noch besser ko- Ausgerechnet in besonders schwierigen Umfeldern, operiert. Die Alliance2015 hat lange nach dem etwa in Nordkorea, Syrien, Somalia und Pakistan. Motto gelebt: »Unsere Vielfalt ist unsere Stärke.« In Nothilfesituationen wird die Zusammenarbeit Doch das führt zu viel Unverbindlichkeit. Wir soll- zwar durch die hohe Geschwindigkeit und die ten unsere gemeinsamen Ziele entdecken und ge- Komplexität erschwert, aber wir nutzen Synergieschlossen dafür eintreten – orientiert an Best effekte. Gerade, wenn wir die Projektarbeit in Practices. Die Chancen dafür stehen gut: Mit der ­einem Land beginnen oder uns zurückziehen, nutSchweizer Organisation Helvetas haben wir gera- zen wir vorhandene Strukturen unserer Partner. So de ein achtes Mitglied aufgenommen, das großes hatte PIN schon Partner in Syrien, als im Frühjahr Interesse an einer verbindlichen ­Zusammenarbeit 2011 der Krieg begann, und Cesvi war in Somalia, als dort im Sommer 2011 die Hungersnot ausbrach hat. Dafür brauchen wir aber Regeln. – die Welthungerhilfe konnte die deutschen SpenWas kann die Welthungerhilfe von den Alliance2015- dengelder also gleich richtig einsetzen. Partnern lernen? Mich beeindruckt bei allen acht die große Einsatz- Entsteht da keine Konkurrenz? bereitschaft, mit der sie auch schwierige Situatio- Im Gegenteil: Bei internationalen Gebern hat ein genen meistern. Jede der acht Organisationen bringt meinsamer Projektantrag der Alliance2015 eine weitetwas Einzigartiges mit: Unser tschechischer Part- aus größere Chance als ein Einzelantrag der Welthunner People in Need, kurz: PIN, ist in mehreren Kon- gerhilfe. Wenn wir mit einem einzigen Antrag eine fliktländern ganz groß unterwegs. So haben sie uns massive Wirkung garantieren können, spart das den sehr geholfen, in Syrien Fuß zu fassen. Concern aus Institutionen Arbeit. So haben wir nach der Flut in Irland setzt sich genau mit der Wirksamkeit ihrer Pakistan 33,4 Millionen Euro beim Europäischen Amt Arbeit auseinander. Und Helvetas macht eine aus- für humanitäre Hilfe eingeworben. Von unseren fünf gesprochen fundierte Politik- und Programmarbeit gemeinsamen Projekten haben zwei Millionen Pakisund ist sehr offen ­Neuem gegenüber – von ihrer In- taner profitiert. Konkurrenz um Spenden könnte alnovationsfreude können wir als Welthungerhilfe lenfalls innerhalb der Länder aufkommen. Um das zu lernen. Wie Sie ­sehen, habe ich hier einen Helvetas- vermeiden, ist die Welthungerhilfe Mitglied beim Kalender an der Wand hängen (lacht). Bündnis Entwicklung Hilft, das seine Einnahmen auf

alle beteiligten Organisationen aufteilt. Die schlechten Praktiken aus den 90er-Jahren, als Organisationen vor Ort die Ellbogen ausfuhren, sind vorbei. Die Alliance-Organisationen haben so viel Vertrauen zueinander, dass wir nicht um Territorien, Zielgruppen oder Einsatzfälle konkurrieren. Die Privatspenden gehen im Norden der Erde zurück und viele Nichtregierungsorganisationen (NGOs) schauen sich nach neuen Gebern um. Geht die ­Alliance2015 da auch gemeinsam vor? In China, arabischen Ländern oder bei Philanthropen haben wir einen Nachteil gegenüber großen NGO-Familien wie Oxfam oder Care, weil wir nicht so bekannt sind – obwohl wir inhaltlich durchaus mithalten können. Das müssen wir ausgleichen, indem wir gemeinsam Wirkung nachweisen. In der Vergangenheit haben wir manche Chance versäumt: So hatte Cesvi gute Kontakte zur Media-MarktGruppe in Italien, die wir nicht auf andere ­Alliance-Länder ausgedehnt haben. Wo legen Sie als Alliance-Vorsitzender Ihren Schwerpunkt? Ich sehe viel Potenzial beim gemeinsamen Lobbying auf europäischer Ebene. Daran hat sogar Brüssel ein Interesse. Die Europäische Union hat der ­Alliance2015 gerade die Entwicklung einer EU-Advocacy-Strategie finanziert. Sprich: Sie bezahlen dafür, in Zukunft von uns Orientierung zu erhalten. Noch hat die Alliance kein Büro in Brüssel, aber das kann sich ändern. Wichtige Besuche, etwa bei Entwicklungskommissar Andris Piebalgs oder ECHO-Direktor Claus Sørensen, machen wir immer im Verbund. Das sichert unseren Anliegen größere Aufmerksamkeit. Unser Wort hat in Brüssel Gewicht; immerhin kommen wir zusammen auf 600 Millionen Euro Spenden und fast fünf Millionen Spender – fünf Millionen Wähler aus Sicht der EU. Wofür streiten Sie in Brüssel? Für die Verbesserung der weltweiten Ernährungslage. Dazu gehört auch, die Kommission oder das Parlament auf problematische Politiken anzusprechen. Das Interview führte Christina Felschen, Mitarbeiterin der Welthungerhilfe.

Weitere Informationen unter: www.alliance2015.org

zahlen & fakten Inhalt 1 Titel Bürgerkrieg im Südsudan 2 Nachrichten 3 Reportage Die Nothilfe auf den Philippinen läuft nach Taifun Haiyan auf Hochtouren

Die Alliance2015 ist seit dem Jahr 2000 aktiv Die Alliance2015 ist ein Netzwerk aus acht europäischen Nichtregierungsorganisationen. Ihr Ziel: Armut und Hunger zu beseitigen, Nothilfe zu leisten und Entwicklungspolitik in Europa zu beeinflussen. 2012 gaben die Alliance-Mitglieder über 600 Millionen Euro für Projekte aus.

4 Reportage Im Südsudan kämpft Bucay Deng gegen das Leid der Flüchtlinge Samangan

5 Fotoreportage Zirkusschule für afghanische Flüchtlingskinder 6 Partner & Projekte Landraub in Kambodscha

Hier arbeitet die Alliance2015

GuatemalaStadt

7 Partner & Projekte Hunger im Nahrungs­ paradies Madagaskar

Länder, in denen mindestens ein Mitglied der Alliance2015 tätig ist

8 Kontrovers Entwicklungshilfe im Umbruch

Länder mit gemeinsamen Projekten und Aktivitäten

9 Dossier Afghanistan 13 Hintergrund 20. Jahrestag des Völkermords in Ruanda 14 Aktionen & Termine 16 Medien & Unterhaltung

Städte, in denen Alliance2015-Mitglieder gemeinsame Büros haben

Quelle: Allliance2015

Hyderabad

Havanna Managua

La Paz

Freetown

Juba

Zambezi


Reportage

1. Quartal 2014

WElternäHrung

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Musik zwischen Trümmerhaufen

© Welthungerhilfe/kigali films

Nach dem Taifun Haiyan läuft die Nothilfe auf den Philippinen auf Hochtouren – Im Frühjahr zeigt sich, ob es eine Ernte geben wird

ENGAGIERT: Freiwillige Mitarbeiter der Welthungerhilfe und ihrer philippinischen Partnerorganisation Philippine Rural Reconstruction Movement verteilen Hilfsgüter wie Reis und Moskitonetze an besonders betroffene Familien.

Auf den Philippinen steht seit dem 9. November 2013 kein Stein mehr auf dem anderen. Durch den Wirbelsturm haben vier Millionen Menschen ihr Zuhause verloren, 8000 auch ihr Leben. Ralph Weihermann heftete sich an die Fersen des Nothilfeteams der Welthunger­ hilfe und fragt: Was passiert, wenn die Helfer gehen und die Ernten ausbleiben? Von Ralph Weihermann

A

uf dem Flughafen von Tacloban im Südosten der Philippinen funktioniert nichts mehr. Das Dach ist zertrümmert, die Schalter weggefegt, das Gepäckband zerstört. Und es funktioniert doch, irgendwie: Auf dem Rollfeld stapeln sich Kartons mit Hilfsgütern, im Hintergrund landen im Minutentakt kanadische Armeehubschrauber, beladen mit Decken, Planen, WerkBhutan Thimphu India zeug. Bei Nieselregen und 35 Grad Celsius steigen wir aus dem Flugzeug. Gehen die wenigen Meter

zur Abfertigungshalle, die es nicht mehr gibt. Hinter den Trümmern des Gepäckbandes steht eine Musikcombo. Vier junge Filipinos begrüßen die Gäste mit Gitarrenspiel und Folklore. Von diesem hinreißenden Optimismus werde ich in den nächsten Tagen noch viel erleben. Aber zunächst muss ich meine Erwartungen mit der Wirklichkeit in Einklang bringen. Natürlich habe ich die Bilder im Fernsehen gesehen, die Berichte gehört und gelesen. Und jetzt? Ist alles noch viel schlimmer. Auf dem Weg vom Flughafen in die Stadt Tacloban steht kein einziges Gebäude mehr. Wo man hinschaut, nur Trümmer und Schutt. Es riecht modrig, das Salzwasser der fünf Meter hohen Welle stand teils tagelang in den Häusern und Hütten. Oder in dem, was davon übrig geblieben ist. Wie leben die Filipinos weiter nach einer solchen Katastrophe? Wie können sie wieder eine Perspektive entwickeln? Der Taifun Haiyan – oder Yolanda wie er auf den Philippinen genannt wird – hat eine der größten internationalen Hilfsaktionen der vergangenen Jahre ausgelöst, vergleichbar mit dem Tsunami in Südostasien 2004 oder dem Erdbeben in Pakistan 2010. Auf den Visayas-Inseln geben sich die ­Nothelfer die Klinke in die Hand. Die Welthunger-

Bangladesh

Dhaka

China

Länderinformation Burma

Hanoi

Bewährte Bündnisse

XXXXXXXXXXX XXXXXXX

Laos

Yangon

Vientiane

Die Nothilfeaktivitäten Welthungerhilfe T h a i l a nder d konnten auch deshalb so schnell anlaufen, weil die Organisation von 1978 bis 2006 Bangkok C a m b30 o d i a Jahre lang ­bereits vor Ort aktiv war. Fast hat sie sich vor allem für Phnom eine Verbesserung Penh VIETNAM der Lebenssituation in den ländlichen Gebieten eingesetzt, die besonders stark von Armut und Unterernährung betroffen sind. Ziel der Projekte war es, Ernährungssicherheit, Geüd -Umweltsundheitsbedingungen, Wohnen Sund chi nes i s ches die schutz zu verbessern. Dabei arbeitete A ceh M eer MALAYSIA Welt­hungerhilfe mit der lokalen Organisation Simeulue Kuala LumpurMovement Philippine Rural Reconstruction zusammen – die Partnerschaft konnte im Singapur Su ma t r awiederbelebt werden. ­November 2013 rasch Indischer Ozean

Manila PHILIPPINEN

BRUNEI Welthunger-Index Rang 28/120 Ländern 13,2 (ernst)

MALAYSIA 0 wenig Hunger

gravierend 40

www.welthunger-index.de

INDONESIEN INDONESIEN Jakarta

hilfe ist eine von mehreren Dutzend Organisationen vor Ort. Ohne Hilfe von außen hätten die Menschen hier kaum eine Zukunft; die Regierung der Philippinen ist dringend auf Unterstützung angewiesen. Während der Nothilfe sind keine ­ entwicklungs­ politischen Debatten gefragt. Kein »Was macht langfristig Sinn?« Kein »Wie kommen wir von der Hilfe zur Selbsthilfe?« Jetzt geht es schlicht und e­ rgreifend darum, mit anzupacken. Im Stadtzentrum von Tacloban liegt der Müll meterhoch auf beiden Seiten der Straße. Zwar sind hier viele aus Stein gebaute Häuser stehen geblieben. Doch auch die wurden überflutet, das Salzwasser hat Möbel und Einrichtung zerstört. Mit bloßen Händen suchen die Bewohner in den Trümmern nach Verwertbarem: nach Kabel, Holz- oder Eisenteilen, mit denen man etwas reparieren kann, nach Stoffresten, um damit Fenster abzudichten.

Verteilung nach Listen Am Nachmittag fahren wir wieder in Richtung Flughafen. In den Vororten der Stadt organisieren verschiedene Hilfsorganisationen Verteilungen von Hilfsgütern. Ich bin überrascht, wie diszipliniert das abläuft. In Zweierreihen stehen die Filipinos vor den Lastwagen, durchnässt vom warmen Regen. Freiwillige reichen Moskitonetze und Säcke mit Reis von der Ladefläche herunter. Wer etwas bekommen hat, geht zufrieden davon. Doch nicht alle stehen auf der Liste. »Uns hat es genauso getroffen, warum bekommen wir nichts?«, ruft ein alter Mann. Für die Hilfsorganisationen ist das ein großes Problem. Der Bedarf ist riesig. Wie wählt man aus, wer Unterstützung bekommt? Die Welthungerhilfe hat zusammen mit den lokalen Behörden Listen erstellt. Die Familien, die am härtesten betroffen sind, werden zuerst bedacht (siehe auch den Beitrag in der »Welternährung« 4/2013, Seite 2). Nach 20 Minuten ist der Lastwagen leer, die Menge zerstreut sich wieder. Ein paar Dörfer weiter findet ein Trauer­ P a l Koror au gottesdienst für die Opfer des Taifuns statt. Fast jede Familie hat jemanden verloren – über 100 Tote gab es allein hier im kleinen Barangay 88, 13 Menschen werden noch vermisst. Unter einem Schild mit ihren Namen zündet der Pfarrer 13 Kerzen an. Die Angehörigen stehen stumm davor – alle wissen, dass niemand überlebt hat. Der Glaube ist für die Menschen hier eine

­ ichtige Stütze, die Philippinen sind ein christw lich geprägtes Land. Da zählt das Wort des Pfarrers, es macht Mut für die Zukunft. Am Abend gehen wir durch die Stadt. Die Ausgangssperre wurde aufgehoben, man kann sich wieder einigermaßen frei bewegen in Tacloban. Aus einem blechernen Lautsprecher beschallt ein kleiner Radiosender mit gefühlten 90 Dezibel die Straße: Popmusik und Werbung klingen so, als ­wäre nichts gewesen. Die Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und Medien treffen sich am Abend bei Giuseppe, einem italienisch-philippinischen Restaurant im Stadtzentrum. Bei Pizza und ­Rotwein werden Neuigkeiten ausgetauscht. Die ­Gesprächsfetzen, die ich höre, lassen darauf schließen, dass hier »Katastrophenprofis« sitzen. Am nächsten Tag fliegen wir nach Roxas, wo die Welthungerhilfe ihr Haupteinsatzgebiet hat. Birgit Zeitler und Jürgen Mika koordinieren die Arbeit. Für die Verteilung der Hilfsgüter ist ­Elisabeth Biber verantwortlich, eine junge Österreicherin, die seit zwei Jahren für die Welthungerhilfe arbeitet. Zunächst werden Kisten mit Werkzeug und Planen verteilt. So können Dächer abgedeckt, Hütten notdürftig repariert werden. Jeden Morgen rollen voll gepackte Lastwagen vom Gelände, das die Welthungerhilfe angemietet hat. Junge Freiwillige haben Kisten verladen und helfen später bei der Verteilung. Manchmal kommt der Lastwagen unverrichteter Dinge zurück, wenn Überschwemmungen die Straßen unpassierbar gemacht haben. Wie lange wird das so gehen? Viele Hilfsorganisationen haben Anfang des Jahres wieder die Koffer gepackt, und das Medieninteresse ließ schon nach wenigen Wochen spürbar nach. Aber die Welthungerhilfe wird bleiben, mindestens ein Jahr lang. »Viele Schäden werden erst im Frühjahr sichtbar«, sagt Birgit Zeitler. »Dann kann man abschätzen, wie es mit der nächsten Ernte aussieht.« Ralph Weihermann ist Filmemacher in Köln.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/nothilfeauf-den-philippinen.html


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Reportage

WElternäHrung

1. Quartal 2014

Kürbisse brennen nicht

© Pilar/Welthungerhilfe

Im Südsudan kämpft Bucay Deng unermüdlich gegen das Leid der Flüchtlinge – Sie war als Kind selbst auf der Flucht

Kämpft für die, die nichts haben: Bucay Deng (rechts), Projektkoordinatorin der Welthungerhilfe, bezahlt Hilfsarbeiter für den Bau einer Hütte in Marial Bai.

Die Programmkoordinatorin Bucay Deng arbeitet für die Welthungerhilfe im Südsu­ dan, dem jüngsten Staat der Welt, in dem seit Ende 2013 ein Bürgerkrieg tobt. An­ gesichts von Hunderttausenden Flüchtlin­ gen ist ihr Improvisationstalent gefragt. Nach einer Jugend auf der Flucht hat sie gelernt, sich durchzusetzen und sich in die Not anderer ­Menschen einzufühlen. Von Bettina Rühl

E

in Huhn könnte helfen. Es hat eine Weile gebraucht, bis Bucay Deng darauf gekommen ist. Ein Huhn sucht sich selbst sein Futter und liefert dann von ganz allein Eier, also wertvolle Proteine. Mit Geld jedenfalls kann die völlig geschwächte Frau, neben der Bucay Deng auf dem sandigen ­Boden hockt, in ihrer jetzigen Lage nichts anfangen: Nyiall Atiell Choul schafft den weiten Weg bis zum nächsten Laden nicht mehr. Die beiden Frauen sitzen in e­ iner schlichten Holzhütte im südsudanesischen Bundesstaat Bahr al-Ghazal, nicht weit von der Grenze zum Sudan. Die Hütte steht in der Nähe des Dorfes Mangar Akot in einem Lager für Menschen, die aus dem Sudan in den Südsudan zurückgekehrt sind. Im Sommer 2011 wurde der Südsudan unabhängig vom Norden. Hunderttausende, die während des langjährigen Bürgerkriegs um die Unabhängigkeit in den Norden geflohen waren, kamen seitdem in ihr ehemaliges Zuhause zurück. So wie Nyiall Atiell Choul mit ihrem Mann und ihren beiden kleinen Kindern. Als Programmkoordinatorin der Welthungerhilfe im Südsudan sind Bucay Deng schon viele Familien wie die von Nyiall Atiell Choul ­begegnet. Die 46-Jährige hält die Projekte der Welthungerhilfe am Laufen, egal, wie schwierig die Umstände sind. Gegenüber Regierungsvertretern, säumigen Transporteuren, unzuverlässigen Mitarbeitern oder unverschämten Zollmitarbeitern kann sie so hart und kompromisslos sein, dass sie ihren Willen am Ende durchsetzt. Das hat auch mit ihrer eigenen Geschichte zu tun. Bucay Deng wurde 1967 in der südsudanesischen Stadt Malakal geboren. Ihre Heimat befand sich damals in einem ersten Bürgerkrieg um die Unabhängigkeit vom Norden.

Fünf Jahre später ­unterzeichnete die islamische Regierung in Khartoum einen Friedensvertrag mit den Rebellen des Südens. Der aber hielt nur elf Jahre, 1983 brach der Krieg w ­ ieder aus. Bucay Deng war ein Opfer, ihr Leben ähnelte dem der Menschen, die sie an diesem Morgen in Mangar Akot trifft. »Nachdem der Krieg wieder angefangen hatte, mussten wir immer wieder fliehen«, ­erzählt sie. »Einmal mussten wir mehr als 100 Kilometer weit laufen, um auf sicheres Gebiet zu kommen.« Solche Erlebnisse haben sie hart gegen sich selbst gemacht. Wenn sie ein Ziel erreichen will, gibt es wenig, was sie davon abhalten kann, und wenig, was sie sich nicht selbst dafür abverlangen würde. Gleichzeitig ist sie offen und einfühlsam für die Nöte der anderen – sie weiß ja, wie schwer viele Situationen zu ertragen sind. Wie Zehntausende andere Familien blieben die Dengs schließlich im Norden. Dort wurden die ­erkennbar dunkelhäutigeren Südsudanesen von den arabischen Nordsudanesen »wie Menschen zweiter Klasse« behandelt, sagt Bucay Deng. Aber sie ließ sich nicht unterkriegen und ergriff die Chancen, die

sie sah. Während es im umkämpften Süden kaum Schulen gab, konnte Bucay in Khartoum einen Schulabschluss ­machen und studieren. Sie entschied sich für Wirtschaftswissenschaften. »Wenn man ein eigenes Unternehmen hat, kann man sich seine Zeit selbst einteilen und hat sein Leben in der Hand. Schließlich möchte jeder Mensch frei sein«, erläutert sie. Dass die islamische Regierung die Frauen zwang, sich zu verschleiern, akzeptierte sie damals, das Ziel der eigenen Freiheit vor Augen. Die hat sie inzwischen erreicht, längst trägt sie keinen Schleier mehr. Als Bucay Deng ihr Examen in der Tasche hatte, war noch immer Krieg. »Es war unmöglich, ein Unternehmen zu gründen.« Und das nicht etwa, weil die islamische Gesellschaft es einer Frau unmöglich g ­ emacht hätte. »Der gesetzliche Rahmen war so unsicher, als hätten wir keine Regierung. Es gab keine Sicherheit – weder unternehmerische noch persönliche.« Daher begann sie, für humanitäre Organisationen zu arbeiten. Bucay Deng half immer da, wo die Lage besonders dramatisch, die Gefahr am größten und die Milizen am skrupellosesten waren. Für die Welthungerhilfe arbeitete sie

Literaturtipp

27 Wege zum Glück – und zu einer besseren Welt Die Geschichte von Bucay Deng ist eine von 27, die das Buch »Es ist möglich« erzählt. ­Namhafte Autoren und Fotografen porträtieren darin 27 Persönlichkeiten, die ihren Traum von einer besseren Welt nicht aufgeben – trotz Konflikten und bitterster Armut. Menschen aus Asien, Afrika und Lateinamerika berichten von ihren Träumen und davon, welche Schritte sie unternehmen, um die Träume Wirklichkeit werden zu lassen. Es sind Geschichten von Erfindungsreichtum und Überlebenswillen, die Mut machen. Das Buch erzählt vom Glück eines behinderten Mädchens in Indien, dessen Lachen für seine Mutter der größte Luxus ist, vom Engagement des

Nicaraguaners Flores, der als Feuerwehrmann seinem Nachbarn das Leben gerettet hat, und von Tsigee Worku, die für eines der kostbarsten Güter ihres Dorfes verantwortlich ist: Wasser. Mit ihrer Tatkraft beweisen diese 27 Frauen, Männer und Kinder: Eine bessere Welt ist möglich! Herausgegeben von der Deutschen Welthungerhilfe e. V., »Es ist möglich. Vorbilder für eine bessere Welt – 27 Porträts«. Mit Texten von Henning Mankell, Hans-Christoph Buch und Ilija ­Trojanow. Knesebeck-Verlag, München 2012, 212 Seiten mit rund 200 farbigen Abbildungen, Weltkarte und Glossar. Gebunden, mit Schutzumschlag, 24,95 Euro.

zunächst einige Jahre im sumpfigen, aber erdölreichen Grenzgebiet zwischen dem heutigen Norden und dem Süden, im Bundesstaat Unity. Wegen der lukrativen Erdölfelder war diese Gegend besonders umkämpft, das Donnern der Kampfhubschrauber ein vertrauter Begleiter. Immer wieder überfielen bewaffnete Gruppen die Dörfer, plünderten die Ernten, stahlen das Vieh. In diesen Jahren war neben Mut auch Einfallsreichtum gefragt. Bucay Deng begriff, dass hier, mitten im Krieg, Saatgut für Kürbisse viel wertvoller war als Getreide. »Kürbisse brennen nicht«, erklärt sie. »Aber von den ­Getreidefeldern blieb nach den regelmäßigen Vernichtungszügen der Milizen nie etwas übrig.«

Der Traum vom Unternehmertum Als 2005 der Friedensvertrag unterzeichnet wurde, hoffte die Wirtschaftswissenschaftlerin, nun ein Unternehmen gründen und Geld verdienen zu können, vielleicht auch für die Regierung zu arbeiten. Doch die Regierungsmitglieder füllten sich die eigenen Taschen und verschoben die lukrativsten Posten innerhalb ihrer Familie oder ihres Volkes. Als der Südsudan 2011 unabhängig wurde, hegte Bucay Deng noch einmal große Hoffnung. Nun würde die Not bald vorbei sein, so glaubte sie – und wurde auch dieses Mal enttäuscht: »Die meisten Menschen müssen immer noch jeden Tag ums Überleben kämpfen.« Seit Mitte Dezember 2013 die Krise im Südsudan ausbrach, werden Bucay Deng und andere Helfer dringend gebraucht. Binnen Kurzem wurde alles zerstört, was sie selbst und ihre Familie sich seit dem Friedensschluss aufgebaut hatten. Ihre Heimat Malakal ist Kriegsgebiet. Wieder einmal. »Ich ertrage es nicht, wenn Menschen keine Hoffnung haben«, sagt Bucay Deng. Sie sieht ihren Platz noch immer da, wo sie wirklich helfen und die Dinge nach vorn bringen kann. In ihrer Lebensplanung hatte eine eigene Familie keinen Platz. In einem Land wie dem Südsudan ist sie damit eine Ausnahme, aber Probleme habe sie deswegen nie bekommen, sagt sie. Vermutlich ist Bucay Deng als Persönlichkeit viel zu stark, als dass jemand wagen würde, ihr in ihr Leben hineinzureden. Bettina Rühl ist Journalistin in Nairobi.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/bildband.html


FotoReportage

© Welthungerhilfe

1. Quartal 2014

WElternäHrung

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Fluchtpunkt Manege Die mobile Zirkusschule unterstützt Flüchtlingskinder in Afghanistan 1 Text: Jasmin Koottummel

© Daniel Asbach/Welthungerhilfe

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© Welthungerhilfe

© Daniel Asbach/Welthungerhilfe

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1 Rund 11 500 Kinder und Jugendliche leben in den Zeltstädten am Rand von Kabul. | 2 Jonglieren ist mehr als nur ein Zeitvertreib in einem Meer von Langeweile und Ödnis: Es fördert die Konzentration. | 3 Quatsch machen, Kind sein: Für viele Flüchtlinge sind das seltene Momente des Glücks. | 4 Akrobatik und mehr: Das Zirkusprojekt bindet Bildung in ­Alltagsfragen ein: Wie bleibe ich gesund, was sind meine Rechte als Kind und warum soll ich zur Schule gehen? Und es fördert die kreativen Talente der Mädchen und Jungen. Zwei dieser Aufnahmen sind einem Flüchtlingskind gelungen.

ünfzehn Kinder warten ungeduldig auf ihre Gesangslehrerin. Sie sitzen dicht beieinander und lachen. Plötzlich bringen die Klänge eines Harmoniums Ruhe in den kleinen Raum, bald darauf ist heller Kindergesang zu hören. Alltag in ­einer Zirkusschule in Kabul. Vor 13 Jahren wäre diese Szene nicht denkbar gewesen. Unter der Talibanherrschaft waren Musik, Gesang und andere kulturelle Ausdrucksformen verboten. Am Abend werden die Jungen und Mädchen in die Zeltsiedlungen der Hauptstadt zurückkehren, in Bussen werden sie bis 20 Kilometer über schlechte Straßen zurücklegen. Ihre Eltern sind durch Landrechtskonflikte, Naturkatastrophen und die angespannte ­Sicherheitslage aus ländlichen Gebieten vertrieben worden; andere sind aus den Nachbarländern Iran und Pakistan zurückgekehrt, fanden ihre Heimatorte jedoch zerstört. Seither leben die Familien auf staubigen Plätzen an Kabuls Stadträndern, nur notdürftig durch Planen und Lehmwände geschützt. Die 11 500 Kinder und Jugendliche sind nicht nur mit e­ xtremer Armut konfrontiert, sondern auch durch Vertreibung und Krieg traumatisiert. Der Zirkus und weitere Flüchtlingsprojekte, die die Welthungerhilfe gemeinsam mit zwei lokalen Partnern durchführt, ­sollen ­ihnen aus dem Alltag helfen und ­Talente fördern. Da sie nicht täglich den langen Weg in die Zirkusschule zurücklegen können, haben die Kinder Container bemalt, mit Zirkusrequisiten gefüllt und in ihre Flüchtlingslager gebracht. Mithilfe der mobilen »Funtainer« können sie weitere Kinder für das Zirkusspiel begeistern. Schon 2002 initiierte der lokale Verein ­Afghan Educational Children Circus die mobile Zirkusschule, seither haben landesweit mehr als 2,7 Millionen Kinder von den Auftritten und Workshops profitiert. Die Welthungerhilfe unterstützt das Projekt seit 2010 in Kabul. Einmal im Jahr treffen Kinder aus den Zirkusprojekten landesweit zusammen, um gemeinsam zu spielen und aufzutreten. Dabei entstehen Freundschaften über ethnische und religiöse Grenzen hinweg. Die Projektförderung läuft zwar 2014 aus, doch die Welt­hungerhilfe will es finanziell und fachlich weiter unterstützen. Denn die Situation der Flüchtlingsfamilien wird nicht besser. In den kommenden Monaten wird mit weiteren Flüchtlingsströmen gerechnet. Die Sicherheitslage droht sich infolge des Truppenabzugs und der Präsidentschaftswahlen im April weiter zu verschlechtern. ­


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© Hacky Hagemeyer

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Kahlschlag für Kautschukpflanzen: In vielen Gebieten Kambodschas ist der Regenwald gerodet worden, Millionen Hektar sind in den Händen der Großindustrie.

Das »Geschenk« der Kautschukbarone Rohstoffkonzerne rauben den Bauern auch in Kambodscha ihr Land – ihre Bulldozer planieren sogar Friedhöfe Die weltweite Landnahme hat auch Kam­ bodscha erreicht: Mit Korruption und ­allerlei Tricks nehmen sich Kautschukfir­ men das Land der Bauern und Indigenen, verwüsten den Wald und heilige Stätten – das alles bislang straffrei. Um ihr Image aufzubessern, verteilen sie nun Geschenke und kostenlose Heilbehandlungen. Von Stefan Kreutzberger

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m Gemeinschaftshaus des Dorfes Kanat Toch steht ein neuer gelber Dieselgenerator mit Namen »Power Generation«. Sein dickes Kabel läuft quer über den Dorfplatz und verteilt den Strom auf alle neun Wohnhäuser. »Den Strom verwenden wir vor allem für die abendliche Beleuchtung, und die jungen Leute laden damit ihre Handys auf«, erzählt Sao Cheng, einer der Dorfältesten. »Ansonsten nutzen wir das Ding eigentlich nicht.« Gekocht wird tra-

ditionell auf einem Holzofen, das Trinkwasser stammt aus e­ inem zentralen Tiefbrunnen, der mit einer Handpumpe betrieben wird. Die Welthungerhilfe hatte ihn bauen lassen. Und auch die drei neuen Gemeinschafts­ toiletten benötigen keinen elektrischen Strom. »Den Generator hat eine vietnamesische Kautschukfirma als Geschenk gebracht, nachdem es zu Landstreitigkeiten mit den Dorfbewohnern gekommen war«, erläutert Thun Soriya, der kambodschanische Programmmanager der Welthungerhilfe. »Es ist gut, dass die Dorfbewohner jetzt Strom haben, aber der Verlust des Landes und des Waldes ist ein zu hoher Preis dafür.« Kanat Toch gehört zu den Millenniumsdörfern, in denen die Welt­hungerhilfe ihre Ressourcen bündelt, um die Millenniumsentwicklungsziele umzusetzen, allen voran die Überwindung von Hunger und Armut. In Workshops sprechen die Bewohner von Kanat Toch über die Verteilung des Dorfentwicklungsfonds, über die Kochkurse der Frauengruppe, über die Hygieneschulungen und den Erfolg der neuen Reisanbau­methode. Aber eine Frage steht in den letzten Jahren immer mehr im Mittelpunkt der Diskussionen: Wie können wir uns gegen

Länderinformation

Fast zwei Drittel der Äcker an die Industrie verloren In der parlamentarischen Wahlmonarchie Kambodscha, halb so groß wie Deutschland, leben rund 14,5 Millionen Menschen. Die durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei THAILAND 59 Jahren. Fast zwei Drittel der landwirtschaftlich nutzbaren Fläche wurde in den letzten zehn Jahren an die Holzindustrie und KAMBODSCHA ausländische Firmen zur Nutzung für Kautschuk, Zuckerrohr und Pfeffer verpachtet. Seit 2004 unterstützt die Welthungerhilfe Phnom Penh VIETNAM die Bewohner zahlreicher Dörfer im Norden des Landes dabei, ihre Lebensbedingungen zu verbessern – unter anderem im MillenniG o l f vo n umsdorf Kanat Toch. Sie lernen, wie sie den Thailand Wald rücksichtsvoll bewirtschaften und den Hunger beenden können. Dazu führte die Welthungerhilfe neue Techniken im ReisanWelthunger-Index Rang 47/120 Ländern 16,8 (ernst) S üd c hi n e s i s ch bau es ein und half, die Gärten vor den Hütten 0 wenig Hunger gravierend 40 mit ­ Zitronengras, Kokosnusspalmen und Meer Wassermelonen neu zu bepflanzen. www.welthunger-index.de LAOS

die zunehmende Landnahme der Kautschukfirmen und die Zerstörung unserer Wälder wehren? Das Millenniumsdorf liegt in der Provinz Ratanakiri, einer hügeligen, bewaldeten Landschaft im Nordosten von Kambodscha, nahe der Grenze zu Vietnam. Hier leben Angehörige mehrerer indigener Gruppen wie der Kachok, der Kreung und der Brov, die zusammenfassend als Hochland-Khmer bezeichnet werden. In der ansonsten homogenen Khmer-Gesellschaft Kambodschas sind die offiziell nur 179 000 Indigenen (Zensus von 2008) eine verschwindende Minderheit. 2001 wurden ihre Rechte und ihre Gemeinschaftsansprüche auf das Land per Gesetz festgeschrieben – aber sie stehen eben nur auf dem Papier.

Bewachte Monokulturen

Bulldozer teilweise bis zu den Hütten der Dorfbewohner vorgearbeitet. Heiliges Land und Friedhöfe fallen ihnen zum Opfer. Da die Gebiete zu einem großen Teil nicht vermessen und die jeweiligen Besitzverhältnisse ungeklärt sind, haben die Landräuber ein leichtes Spiel. Sie schaffen Tatsachen, nutzen die fehlende Rechtskunde der Bevölkerung aus und ergaunern sich zu Spottpreisen und über »Geschenke« die Konzessionsrechte. Ende 2012 waren bereits 2,6 Millionen Hektar Land an private Investoren für agroindustrielle Plantagenwirtschaft verpachtet, davon 1,2 Millionen für die profitträchtige Kautschukgewinnung wie die Umweltorganisation Global Witness berichtet. In ganz Kambodscha steht damit mehr als die Hälfte des landwirtschaftlich nutzbaren Landes unter der Kontrolle von Privatfirmen. Die meisten dieser insgesamt 36 Unternehmen, weiß Soriya, stammen aus Vietnam, China und Kuwait; die größten heißen beispielsweise Vietnam Rubber Group und Hoàng Anh Gia Lai (HAGL). HAGL spielt sich derweil als Schaffer neuer Arbeitsplätze und mildtätiger Samariter auf. Waldarbeiter und Sicherheitskräfte werden besser bezahlt als im Landesdurchschnitt und ein Ärzteteam reist durch die Dörfer und führt kostenlose medizinische Untersuchungen und kleinere Behandlungen durch. Einigen Sehbehinderten bot man auch eine Spezialbehandlung in einer Augenklinik in Vietnam an. In den städtischen Regionen in und um die prosperierende Hauptstadt Phnom Penh schießen gleichzeitig die Bodenpreise in die Höhe. Gewinnträchtige Areale werden als Entwicklungszonen ausgewiesen. Feuchtgebiete werden trockengelegt und planiert, um Platz zu schaffen für neue Shoppingmalls und Satellitenstädte. Die Menschen, die bisher dort lebten, werden mit Gewalt vertrieben und in Vororte zwangsumgesiedelt. Aktuell sind wohl 150 000 Menschen davon bedroht, schätzt die Heinrich-Böll-Stiftung. Die Arbeit der Welthungerhilfe und ihrer kambodschanischen Partnerorganisationen bekommt nun zwangsläufig einen anderen Charakter: von einer eher technisch ausgerichteten Projektarbeit der Jahre 2005 bis 2010 hin zu einer politischen Arbeit für die Ärmsten im Land.

Der einst dichte Tropenwald hatte zwar die US-amerikanischen Streubomben im Vietnamkrieg überlebt, doch gegen die Bulldozer war er chancenlos. Seit ein paar Jahren pflegen Kautschukfirmen aus Kambodscha, Vietnam und China ihre Beziehungen zur autoritären Regierungspartei und nutzen nicht geklärte Landrechtsfragen aus. Sie pachten im großen Stil fruchtbares Land, roden den Wald und pflanzen Kautschukbäume. Wo vor Kurzem noch ein artenreiches und für die animistische Religion der Dorfbewohner mystisches Refugium war, ziehen sich heute von ­Sicherheitskräften bewachte Monokulturen bis zum Horizont. »Wir stehen vor massiven Problemen«, sagt Christina Warning, Regionaldirektorin der Welthungerhilfe. »Dorfbewohner im Norden Kambodschas leiden unter Übergriffen durch Sicherheitspersonal und Erpressung durch Justizbehörden.« Doch sie und ihr Team geben nicht auf. Zusammen mit den kambodschanischen Organisationen CEDAC und Highlander Association sowie der Menschenrechtsorganisation LICADHO unterstützen sie die Dorfbewohner dabei, ihr Land für die Gemeinschaft registrieren zu lassen. Außerdem schulen sie die Dorfbewohner in Rechtsfragen. Der seit Jahrzehnten autokratisch regierende Premierminister Hun Sen baut seine Macht auf ein ­System der Vetternwirtschaft und Bereicherung. Landkonzessionen vergibt er an Militärs, ausländische Firmen sowie politisch gut vernetzte Wirtschaftseliten, etwa an den »Holzfällerkönig« Try Stefan Kreutzberger ist Pheap, einen der reichsten Männer des Landes. In Journalist und Buchautor in Bonn. den letzten vier bis fünf Jahren hat sich dieser Ausverkauf stark beschleunigt; nicht einmal vor ausgewiesenen Schutzgebieten machen die Konzerne Weitere Informationen unter: halt. In den Regionen der Indigenen haben sich die www.welthungerhilfe.de/kambodscha


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Hunger im Paradies Die Ernährungssituation in Madagaskar spitzt sich dramatisch zu, trotz des natürlichen Reichtums der Insel Es ist paradox: Wer einen Markt in ­Madagaskar besucht, meint, im Schla­ raffenland zu sein. Doch durch Wirbel­ stürme, Heuschreckenplagen und ­politische Unruhen sind mehr als die Hälfte aller Inselbewohner von Hunger oder Mangelernährung bedroht.

STILLKIND: Bao Jeanne Soa Emilienne ist alleinerziehende Mutter von drei Kindern. Adelin, den Zweijährigen, stillt sie weiter, denn noch baut sie nicht genug an, um ihn anders ernähren zu können.

Von Jenny Marrenbach

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Drei Wirbelstürme in drei Monaten

Nur wenige Madagassen haben sauberes Wasser

Zyklon Giovanna verursachte neben Verwüstungen auch großflächige Überschwemmungen – eine ideale Brutstätte für Heuschrecken, wie sich wenige Monate später zeigte. Bis Ende 2013 fielen Heuschreckenschwärme von bis zu 15 Kilometern Länge über Felder und Weideflächen her. Zurück blieben nur ein paar Stängel. »Sie fraßen die Weiden kahl, die Reis- und die Maisfelder. Und das mitten in der Erntezeit«, berichtet Tsitohaina ­Andriamaroahina aus dem madagassischen Landwirtschaftsministerium. Presseberichten der Nachrichtenagentur AFP zufolge handelte es sich um die schwerste Heuschreckenplage seit 60 Jahren. Besonders betroffen waren die Regionen im südlichen Teil des Landes, doch Experten warnen vor einer Ausbreitung in den Norden. Die Bevölkerung hat solchen Katastrophen wenig entgegenzusetzen: Zwei von drei Bewohnern leben von weniger als einem Dollar pro Tag. Viele Madagassen fürchten die Arbeitslosigkeit und nehmen daher auch Jobs an, in denen sie nur unregelmäßig bezahlt werden. Währenddessen beutet ­eine

Die ehemalige französische Kolonie Madagaskar liegt am südöstlichen Zipfel Afrikas, umgeben vom Indischen Ozean. Die Insel ist die viertgrößte der Welt und gut anderthalbmal so groß wie Deutschland. Abseits der Hauptstadt Antananarivo lebt ein Großteil der Bevölkerung von der Landwirtschaft. Die Bauern produzieren überwiegend für den Eigenbedarf und sind extrem anfällig für Naturereignisse wie Zyklone und Überschwemmungen. Nur sechs Prozent der Bevölkerung hat Zugang zu sauberem Wasser – Krankheiten und eine hohe Säuglingssterblichkeit sind die Folgen. Die arme Landbevölkerung sieht sich in den letzten Jahren immer häufiger gezwungen, durch Abholzung und Brand­ rodung landwirtschaftliche Anbauflächen und Weideland zu gewinnen. Dadurch werden die Primärwälder vernichtet und mit ihnen die einzigartige Pflanzen- und Tierwelt der Insel.

I nd i s c he r Ozean TANSANIA MOSAMBIK SIMBABWE

SÜDAFRIKA

MADAGASKAR

kleine Wirtschaftselite die Ressourcen des Landes aus – große Mineralienvorkommen und kostbare Tropenhölzer wie Rosenholz. Seit Präsident Marc Ravalomanana 2009 gestürzt wurde, verharrt das Land in einer gefährlichen politischen Starre. Die internationale Gemeinschaft verhängte weitreichende Sanktionen und fror Entwicklungsgelder ein. Seither stehen Politik und Wirtschaft still, Korruption und Vetternwirtschaft greifen um sich. Doch die Präsidentschaftswahlen im Januar 2014 bringen dem Inselstaat neue Hoffnung: Sie wurden von der Europäischen Union als frei und fair beurteilt, ein Ende der Sanktionen ist in Sicht.

© Mirjam Knickriem

Einseitige Ernährung

© Gallo Images/Corbis

er Anblick ist überwältigend: Saftig grüne Reissprösslinge so weit das Auge reicht. Sie füllen die Terrassenfelder, die sich links und rechts der Landstraße in die Hügel schmiegen. Barfuß balanciert ein Bauer auf einem hölzernen Pflug, der von einem Zebu-Rind durch die Felder gezogen wird. Bäume biegen sich unter der Last reifer Litschis. Zimt, Nelken, Vanille und Pfeffer ranken, blühen und sprießen um die Wette. So in etwa muss das Paradies aussehen. Wie kann es da sein, dass Madagaskar zu den 16 Ländern gehört, deren Zustand der Welthunger-Index als »sehr ernst« einstuft? Bao Jeanne Soa Emilienne gibt einen Teil der Antwort. Die junge Frau wohnt im Dorf Mora ­Femo im Südosten der Insel, im Distrikt Farafangana, wo chronische Unter- und Mangelernährung zum Alltag gehören. Sie hat drei Kinder, ihr Mann hat sie nach der Geburt des jüngsten Sohnes verlassen. Während Bao Emilienne auf dem Boden ihrer kleinen Holzhütte sitzt und Flachsteppiche knüpft, kommt der kleine Adelin herangetapst, um von ­ihrer Brust zu trinken. Obwohl fast drei Jahre alt, ist er noch immer auf Muttermilch angewiesen. Der Grund: Das selbstangebaute Obst und Gemüse reicht nicht für Bao und ihre Kinder. »Ich ernähre mich hauptsächlich von Maniok und Jackbaumfrucht«, erzählt Bao. »Erst, wenn wir mehr und ausgewogeneres Essen haben, werde ich Adelin abstillen können. Sonst fehlen ihm wichtige Vitamine.« In den letzten Jahren hat sich die Ernährungssituation in Madagaskar dramatisch verschlechtert. Alleinstehende Frauen wie Bao und ihre Kinder sind besonders stark vom Hunger betroffen. Doch sie sind nicht die Einzigen. Eine steigende Bevölkerungsdichte und extreme Naturereignisse führen dazu, dass die Madagassen nicht mehr ausreichend Nahrungsmittel produzieren können. 2012 fegten gleich drei Wirbelstürme nacheinander über die ­Insel: Chandra im Januar, Giovanna im Februar und Irina im März. Seither warnen das Welternährungsprogramm, die Ernährungs- und Landwirt- KEIN MANGEL: Reis (hier Felder bei Morondava), Gemüse und Fisch gibt es in Madagaskar eigentlich genug. schaftsorganisation der Vereinten Nationen und Nichtregierungsorganisationen vor akuten Versorgungsengpässen. Fast 14 Millionen der insgesamt Länderinformation 22 Millionen Madagassen sind demnach von Hunger oder Mangelernährung bedroht.

Bei einem Bummel über den Markt von Farafangana fragt man sich, wie es Mangel- und Unterernährung geben kann. Papayas, Mangos, Süßkartoffeln, Litschis und frischer Fisch stapeln sich auf den kleinen Holztischen. Alle Produkte stammen aus der unmittelbaren Umgebung. Warum müssen Bao und ihre Kinder trotzdem hungern? »Teil des Problems ist, dass die Madagassen sich sehr einseitig ernähren«, sagt ­Caroline Peyre, die die Programme der Welt­ hungerhilfe in Madagaskar koordiniert und die Insel seit vielen Jahren kennt. »Die Gründe dafür liegen in eingefahrenen Essgewohnheiten und mangelnder Bildung.« Das Hauptnahrungsmittel sei Reis. Obst und Gemüse komme bei Vielen nicht täglich auf den Teller, Fleisch nur sehr selten. Gerade hat die Welthungerhilfe, die auch nach 2009 im Land bleiben konnte, eine Reihe neuer Aktivitäten ins Leben gerufen: Kochkurse und ­lokale Radioprogramme klären vor allem Frauen über die Vorteile und die Zusammensetzung einer aus­ gewogenen Ernährung auf. »Wir verwenden nur ­lokale Produkte, um den Kursteilnehmern zu zeigen, was hier vor Ort machbar ist«, betont Peyre – und gerät ins Schwärmen: von einem Maisbrei mit Fisch und einer grünen Soße aus den Blättern eines ­madagassischen Baums. Am Feldrand diskutiert Projektleiter Arnaud Havet mit einer Gruppe Bauern über Tricks und Kniffe des Reisanbaus. »Wir pflanzen unseren Reis jetzt in geraden Linien und verwenden einen selbstgemachten ökologischen Dünger«, verrät einer der Bauern und zeigt stolz auf Reihen akkurat gepflanzter Reissprösslinge. Er und seine Kollegen sind sich einig: Mit verbessertem Saatgut, kürzeren Anbauzyklen und optimierten Anbaumethoden konnten die Erträge seit Beginn des Projekts verdoppelt werden. Was hier geglückt ist, soll in den kommenden Monaten auf weitere Projektstandorte ausgedehnt werden. Im Dorf Mora Femo tritt Bao vor die Tür ihrer Hütte. Mit einem großen Plastikeimer geht sie auf die Mitte des Dorfplatzes zu. »Seit die Welthungerhilfe hier vor einigen Wochen eine Wasserpumpe installiert hat, muss ich nicht mehr den ganzen Weg zum Fluss heruntergehen, wo das Wasser dreckig und die Straße schlecht ist.« Die gewonnene Zeit hat Bao investiert. Neben Maniok und Jackbaumfrucht baut sie neue Gemüsesorten an. »Ich warte jetzt auf die Kochkurse der Welthungerhilfe. Dann wird Adelins erste feste Mahlzeit eine besonders gute.« Jenny Marrenbach ist freie Journalistin in Berlin.

Welthunger-Index

Rang 70/120 Ländern 25,2 (sehr ernst)

0 wenig Hunger www.welthunger-index.de

gravierend 40

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/madagaskar.html


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kontrovers

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1. Quartal 2014

Wer wird für Entwicklung zahlen? Neue Konzepte gefragt: Die Millenniumsentwicklungsziele laufen aus, der Klimawandel schafft Probleme, Schwellenländer betreiben Entwicklungshilfe

Meinung Dr. Pedro Morazán ist Referent für Entwicklungs­ politik des Südwind-Instituts für Ökonomie und Ökumene in Siegburg. Aufgewachsen in Honduras, lebt er seit mehr als 30 Jahren in Deutschland. Der Wirtschaftswissenschaftler hat sich auf Armuts­bekämpfung, Entwicklungspolitik der Europäischen Union, Evaluationen von Entwicklungsmaßnahmen sowie effektive Formen der Entwicklungszusammenarbeit spezialisiert.

D

as Jahr 2015 gilt als Meilenstein für die internationale Entwicklungspolitik. Spätestens dann sollen die globalen Entwicklungsziele, besser bekannt als Millennium Development Goals (MDGs), erreicht sein. So entschied es eine internationale Arbeitsgruppe im Jahr 2000 in Anlehnung an die Millenniumserklärung der Vereinten Nationen. Auf den ersten Blick wirken besonders die ersten drei MDGs sehr ambitioniert: Die Zahl der von Armut Betroffenen sollte halbiert und der Zugang zu Grundbildung und Gesundheitsleistungen für alle Menschen garantiert werden. Knapp 15 Jahre später fällt die Bilanz gemischt aus. Drei der acht Ziele konnten weltweit zumindest teilweise erreicht werden: So wurde die Zahl der Menschen, die mit weniger als 1,25 US-Dollar pro Tag auskommen müssen, zwischen 1990 und 2015 halbiert (MDG 1A), der Zugang von Mädchen zu Grundschulbildung wurde verbessert (MDG 3) und die Artenvielfalt schwindet deutlich langsamer als zuvor (MDG 7B). Doch dies sind globale Durchschnittswerte, die Probleme in einigen Ländern überdecken. So täuscht die stark gesunkene ­Armut in China über die steigende Armut in vielen afrikanischen Ländern hinweg. Erstmals sollen auch die Entwicklungsländer einheimische Ressourcen für die

Armutsbekämpfung mobilisieren, so empfahl es ein Auch im nichtstaatlichen Bereich kommen neue GeBeratergremium, das der ­Generalsekretär der Ver- ber hinzu, deren freiwillige Beiträge teils höher lieeinten Nationen Ban-Ki Moon einberufen hatte. Da- gen als der Entwicklungshilfeetat einiger Indus­ rüber hinaus sollen r­eiche Länder mehr Finanzres- trieländer wie Österreich oder Italien – etwa die Bill and Melinda Gates Foundation oder das Aga Khan sourcen als bisher ­aufbringen. Dies ist keine neue Forderung: Der Begriff »Öf- Development Network. Teilweise unterstützt die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit« (Official fentliche Hand solche Spenden durch steuerliche ErDevelopment Assistance — ODA) ist bereits Ende der leichterungen – etwa in Deutschland, aber auch in 50er-Jahre entstanden, als die meisten afrikanischen Brasilien. Durch Steuerreformen haben einige EntLänder unabhängig wurden. Der Weltrat der Kirchen wicklungsländer mittlerweile selbst höhere Einnahempfahl den reichen Ländern damals, ein Prozent men, mit denen sie ihre soziale Versorgung ausbauihres Bruttoinlandsprodukts in Entwicklungsländer en können. Lediglich die traditionellen Geberländer erstatten zu übertragen, um dort die Armut zu beenden. Auf internationalen Konferenzen legten Gebernationen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenardie Messlatte niedriger: auf 0,7 Prozent – ein Ziel, beit und Entwicklung (OECD) regelmäßig Bericht das bis heute als Maßstab gilt. Doch trotz zahlrei- über die Ursprünge und die Verwendung ihrer Entcher Beteuerungen und feierlicher Eigenverpflich- wicklungsgelder. Neue Geber wie China oder Indien fühlen sich nicht daran tungen sind selbst die größgebunden. Ihr Argument: ten Geber USA (0,19 Prozent ­Ihre Beiträge seien als Teil im Jahr 2012), Großbritan­ Dem Engagement der ­einer Süd-Süd-Kooperation nien (0,56 Prozent) und BRIC-Länder liegen auch zu verstehen, während In­ Deutschland (0,38 Prozent) dustrie­ länder ODA zahlten, weit davon entfernt, dieses harte wirtschaftliche um arme Staaten für beganVersprechen bis 2015 einzuInteressen zugrunde. genes Unrecht im Kolonialislösen. mus und für das Verursachen Derzeit entsteht ein dopdes Klimawandels zu entpeltes Dilemma: Einerseits haben die Geberländer immer knappere Budgets, an- schädigen. Wenngleich verständlich, kann diese dererseits sind die Empfänger mit zusätzlichen Kos- Haltung für die neue Post-2015-Agenda problematen durch Naturereignisse konfrontiert. Erdbeben, tisch werden. Denn die Situation der BRIC-Staaten Überschwemmungen oder Hurrikans haben gerade (Brasilien, Russland, Indien, China) und anderer in armen Ländern verheerende Auswirkungen. Weil Schwellenländern hat sich dramatisch verändert. es Entwicklungsländern an Widerstandsfähigkeit ­Ihrem Engagement in – vor allem a­ frikanischen – (Resilienz) mangelt, können Dürren und Über- Entwicklungsländern liegt nicht nur das Solidarischwemmungen die Erfolge der Armutsbekämpfung tätsprinzip zugrunde, sondern auch harte wirtin kürzester Zeit zunichte machen (siehe hierzu auch schaftliche Interessen. Daher ist es notwendig, die den Artikel über den WeltRisikoIndex, »Welternäh- Leistungen dieser neuen Geber auf irgendeine Weise transparent zu machen. rung« 3/2013, Seite 13). Wenn es darum geht, den eigenen Beitrag zur Den größten Rückschlag erlebte die ODA durch die weltweite Finanzkrise 2008, die insbesondere Klima- und Entwicklungsfinanzierung zu präsentiereiche Geberländer unter Sparzwang setzte. Zurzeit ren, bemühen sich Regierungen um ein möglichst spricht wenig dafür, dass sich dieser Trend in den positives Image. Leider führt dieser Eifer nicht imnächsten Jahren umkehrt. Andererseits engagieren mer dazu, die eigenen Leistungen real zu verbessern. sich aufstrebende Schwellenländer wie China und In dem Bemühen besser dazustehen, werden zuweiBrasilien seit einigen Jahren als ODA-Geber, obwohl len Leistungen als Entwicklungshilfe deklariert, die sie selbst zum Teil noch Entwicklungshilfe fragwürdig erscheinen. Deutschland rechnet paradoxerweise sogar die Kosten für die Abschiebung ­empfangen.

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von Einwanderern als Entwicklungshilfe an. Zudem versuchen Geber immer wieder, ihre Leistungen für den Klimaschutz als Entwicklungshilfe auszugeben – dabei müssen diese laut Vereinbarung zusätzlich zur Verfügung gestellt werden. Und nicht alles, was als Entwicklungshilfe angerechnet wird, fließt direkt in die armen Länder. Deswegen hat die OECD, der Zusammenschluss der Industrieländer, eine scharfe Trennung zwischen den tatsächlichen Transfers und den Verwaltungskosten verlangt. Und dabei herausgefunden, dass in den vergangenen fünf Jahren lediglich 53 Prozent der ODA direkt in die Entwicklungsländer flossen.

Privatinvestitionen kein Tabu In dieser Gemengelage muss sich auch die Entwicklungszusammenarbeit (EZ) mit ihrem Finanz- und Wissenstransfer neu aufstellen. Daher diskutiert die EZ-Szene darüber, wie der zukünftige ODA-Begriff sowohl die Verantwortlichkeiten der Geber als auch die reale Wirksamkeit von Entwicklungsmaßnahmen abbilden kann. Häufig kann privates Kapital aufgrund fehlender Garantien nicht mobilisiert werden; damit bleiben potenzielle Entwicklungsimpulse aus. Der Bau einer Brücke, einer Landstraße oder einer Solaranlage durch private Unternehmer kann eine nachhaltigere Wirkung auf die Armutsbekämpfung haben als der Bau einer Schule oder eines Krankenhauses durch den Staat. Doch durch die ­Investition in eine Brücke entgehen dem privaten Geber andere Erlöse, sprich: ihm entstehen Opportunitätskosten. Durch Steuererleichterungen ließen sich diese ausgleichen. Aber kann oder darf mit Steuergeldern privates Kapital subventioniert werden, das für die Entwicklung eingesetzt wird? Im Auftrag der deutschen und der niederländischen Regierung hat das European Centre for Development Policy Management jetzt die Einführung eines erweiterten Konzepts (»External ­Financing for Development«) vorgeschlagen, das – entweder ­anstelle des ODA-Begriffs oder diesen ergänzend – traditionelle Entwicklungshilfe (ODA), Klimafinanzierung, Militärhilfe, private Investitionen und private Entwicklungszusammenarbeit (etwa von ­ Nichtregierungsorganisationen) zusammenfasst. In jedem Fall wird es Aufgabe des neuen Konzepts sein, für mehr Transparenz zu sorgen. Leitgedanken dabei sind:   Armutsbekämpfung und Anpassung an den Klimawandel stehen auf verschiedenen Blättern, die nicht miteinander verrechnet werden dürfen.   Entwicklungshilfe ist dafür gedacht, einen Beitrag zur Verbesserung der Lebenssituation von Menschen zu leisten und sollte insbesondere in Länder fließen, die diese Hilfe am dringendsten ­brauchen.   Die Geberländer müssen dafür sorgen, dass ihre Hilfe weder als Exportförderung für die eigene Industrie noch als geopolitisches Machtinstrument eingesetzt wird. Zum Weiterlesen: Morazan, P. et al (2014): Modernising ODA in the frame­work of the post-MDG agenda: challenges and opportunities

Weitere Informationen unter:

© Adriane Ohanesian/Reuters/Corbis; Porträt: Südwind

www.suedwind-institut.de stats.oecd.org

strassenbau ist oft ein anfang: Der Nutzen von Investitionen hängt vom Ziel ab – auch Unternehmen können eine Region voranbringen.


Dossier

WElternäHrung

© Illustration: Julia Zejn; Porträt: privat

Am 5. April wählen die Afghanen einen neuen Präsi­ denten. Doch haben sie wirk­ lich eine Wahl? Was wird aus Afghanistan, wenn die ISAF-Truppen bis zum Jah­ resende abziehen? Von gro­ ßen Hoffnungen und kleinen Fortschritten erzählt dieses Dossier. Inmitten chaotischer Strukturen sind es immer wieder mutige Einzelne, die den Unterschied machen. Die Welthungerhilfe stärkt seit über 20 Jahren die Zivil­ gesellschaft im Land und wird es auch weiterhin tun.

Fluchtpunkt Deutschland: Immer mehr Afghanen verlassen ihr Heimatland. Für ein Bleiberecht demonstrierten sie im Oktober 2013 vor dem Brandenburger Tor.

Afghanistan – quo vadis? Die soziale Kluft hat sich vertieft – Viele Menschen fürchten die Zeit nach dem Abzug der NATO

V Kommentar Thomas Ruttig ist Kodirektor des 2009 gegründeten unabhängigen Thinktanks ­Afghanistan Analysts Networks mit Sitz in Kabul und Berlin. Er hat Afghanistik studiert und spricht die beiden Hauptlandessprachen Pashto und Dari. Er hat seit 1983 über zehn Jahre in Afghanistan verbracht, zunächst als Student und später als Journalist und Diplomat, für die DDR und die Bundesrepublik, die Vereinten Nationen und die Europäische Union.

or fünf Jahren teilte mir ein afghanischer Kollege mit, er habe sich ein indonesisches Visum besorgt. Von Indonesien aus, so hoffe er, könne er nach Australien übersetzen, wo eine große afghanische Diasporagemeinde lebt. Die Nachrichtenbilder gekenterter Boote vor Augen fragte ich ihn entsetzt: »Willst du, dass dich die Haie fressen?« Er erwiderte: »Wenn ich hier bleibe, fressen sie mich auch.« Er hatte schon die Talibanherrschaft (1996 bis 2001) miterlebt. Noch einmal hatte er keine Lust darauf. Inzwischen sind immer mehr Afghanen auf dem Weg ins Exil. Seit 2011 sind sie wieder die größte Asylbewerbergruppe in der Europäischen Union. Selbst viele afghanische Diplomaten kehren nach ­einem Auslandsposten nicht nach Hause zurück. Im Oktober 2013 marschierten junge Afghanen mit anderen Flüchtlingen von Süddeutschland bis nach Berlin, campierten bei eisigen Temperaturen vor dem Brandenburger Tor und forderten mehr Bewegungsfreiheit, Bleiberecht und eine Arbeitserlaubnis in Deutschland. Afghanen gehören zu den Flüchtlingen, vor deren Heim in Berlin-Hellersdorf NPD-inspirierte Bürgerinitiativen aufzogen. (Zum Glück waren die Unterstützer der Flüchtlinge im August 2013 bald in der Überzahl.)

Die Gewalt nimmt weiter zu Viele, die aus Afghanistan flohen, ertranken im Mittelmeer oder vor der Weihnachtsinsel, dem ersten Flecken Australien von Indonesien aus. Wer sich solchen Gefahren aussetzt, macht das nicht ohne Grund. Trotz aller berechtigter Kritik am US-geführten Militäreinsatz fürchten viele Afghanen, dass es nach dem Abzug der NATO-Kampftruppen Ende 2014 noch schlimmer kommen könnte, als es jetzt schon ist. 2013 war nämlich ein Jahr der Negativrekorde: mit mehr Gewalt und mehr zivilen Opfern als im bisherigen Spitzenjahr 2011. Die massive Abwanderung verrät viel über den Afghanistaneinsatz, den Politiker wie Medien seit Jahren fast nur auf seine militärische Komponente reduziert haben. Aber selbst in diesem Bereich fällt die Bilanz negativ aus: Obwohl die US-Truppen massiv aufgestockt wurden, sind die Taliban – 2001 schon fast geschlagen und ohne Rückhalt in der

­ evölkerung – heute wieder landesweit aktiv, wenn B auch in unterschiedlicher Intensität. Bushs »Krieg gegen den Terror« ging in Afghanistan nach hinten los: »Säuberungsaktionen« gegen »Überreste der Taliban« trafen häufig unbeteiligte Zivilisten und trieben ganze Gemeinden zu den Aufständischen. Wer gegen die korrupte Karzai-Regierung opponierte, fand außer den Taliban keine wirksame Plattform. Afghanistans zahlreiche Parteien wurden auf Betreiben Karzais an den Rand gedrängt; sie dürfen bei Wahlen nicht einmal Listen aufstellen oder im Parlament Fraktionen bilden. Zivilgesellschaftliche Gruppen und Studenten dürfen sich laut Gesetz nicht politisch betätigen, und die anfangs enthusiastische Demokratiebewegung hat es aufgegeben, sich an der unter NATO-Aufsicht eingerichteten Fassadendemokratie zu beteiligen. Die Aufstandsbewegung ist also mehr Symptom denn Ursache der inneren Konflikte Afghanistans und der Regierungsführung einer Oligarchie, die vor allem sich selbst bereichert. Die Karzai-Regierung ist aufgrund manipulierter Wahlen schlecht legitimiert, der Rechtsstaat schwach und die Gewaltenteilung funktioniert nicht. Warlords und Kommandanten, deren Loyalität nur oberflächlich der Regierung gilt und die nach 2001 nur ansatz­weise entwaffnet worden sind, beherrschen Schlüsselstellungen in Regierung, Parlament, Justiz, Sicherheitskräften, Wirtschaft und den oft als frei gepriesenen Medien. Die sogenannten Jihadi-Führer dominieren den öffentlichen Diskurs, in dem jede abweichende Meinungsäußerung als »unislamisch« diffamiert werden kann. Noch konkurrieren verschiedene Patronagenetzwerke um die Macht, sodass zwischen ihnen Freiräume existieren. Doch mit sinkender internationaler Präsenz werden die Herrschenden bald weniger Beobachtung erdulden müssen. Die Militarisierung des Konflikts, auch im öffentlichen Bewusstsein, und die Spirale von Eskalation und Gegeneskalation zwischen den US-geführten ISAF-Truppen und den ultraislamistischen Aufständischen hat das Budget aufgefressen, das eigentlich dazu dienen sollte, funktionierende politische Institutionen aufzubauen und die Lebensverhältnisse der Afghanen zu verbessern. Der Westen fordert schon lange keine politischen Reformen mehr. Im sozioökonomischen Bereich hat das »bemerkenswerte Wachstum« (Weltbank) für einige Fortschrit-

te gesorgt, aber auch die soziale Kluft vertieft. Müttersterblichkeit, Alphabetisierungsrate und Einschulungsraten verbesserten sich. Aber nach neuesten offiziellen Angaben wächst der Konsum des obersten Fünftels der afghanischen Gesellschaft dreimal schneller als der des unteren. 36 Prozent der ­Bevölkerung leben in Armut, das hat sich seit zwei Jahren nicht mehr verändert. Über 30 Prozent haben keine Nahrungssicherheit, bei weiteren 30 Prozent ist sie bedroht. Auf dem Armutsindex der Vereinten Nationen nahm das Land 2011 Position 96 unter 105 Entwicklungsländern ein. Bei der Geschlechtergleichheit ist Afghanistan weltweit Schlusslicht (siehe Seite 11).

Am Tropf des Auslands Zudem hängt das Wirtschaftswachstum an externen Zuflüssen, die 85 Prozent des afghanischen Gesamthaushalts ausmachen. Etwa 40 Prozent davon gehen in den Sicherheitsbereich. Mit dem Truppenabzug werden die Entwicklungshilfezahlungen wohl sinken, der größte Geber USA hat schon deutlich gekürzt. Außerdem sind viele soziale Erfolge nur quantitativer Natur. Zwar gehen mehr Mädchen zur Schule, aber 82 Prozent verlassen sie vor dem Ende der 6. Klasse. Nicht zu reden von der Qualität des Unterrichts: Zehn Prozent der Lehrer sollen selbst funktionale Analphabeten sein. Neben der Korruption in den afghanischen Behörden führen auf der Geberseite mangelnde ­ Kon­trolle sowie viel zu hohe Rückflüsse zu einer ineffizienten Verwendung von Entwicklungsgeldern. Selbst die Weltbank erklärt, dass nur 14 bis 25 Prozent der Gelder in Afghanistans Wirtschaft fließen. Zudem verteilt vor allem der größte Geber, die USA, Gelder über militärische Strukturen. Damit bekämpfen sie in den bedürftigsten Regionen eher Aufstände als die Armut. »Wir haben nicht alles erreicht.« Das sagte Außenminister Frank-Walter Steinmeier bei seinem Truppenbesuch in Afghanistan im Februar. Purer Euphemismus. Da lag die ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Margot Käßmann näher an der Wahrheit, als sie in ihrer Weihnachtspredigt 2009 sagte: »Nichts ist gut in Afghanistan.« Einiges ist besser geworden, aber der andauernde Krieg untergräbt dies bereits wieder.

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Tee trinken öffnet Türen Der Landeskoordinator der Welthungerhilfe zur anstehenden Präsidentschaftswahl und dem künftigen Engagement der Organisation im Land

Interview Klaus Lohmann arbeitet seit mehreren Jahren für die Welthungerhilfe in Afghanistan, seit zwei Jahren als Landeskoordinator. Zuvor war der studierte Landwirt für die Welthungerhilfe in Myanmar und Nordkorea sowie für die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit in Pakistan und für den Deutschen Entwicklungsdienst in Kambodscha.

WELTERNÄHRUNG: Was ändert sich für die Welthungerhilfe in Afghanistan, wenn die Bundeswehr und die ISAF Ende des Jahres ihre Truppen abgezogen haben? Klaus Lohmann: Für uns ändert sich erst mal gar nichts. Wir werden unsere Projektarbeit fortsetzen. Wo wir vor Ort sind, war die Bundeswehr entweder nie präsent oder die Truppen sind bereits abgezogen worden, wie in der Stadt Faizabad im Norden. In der östlichen Provinz Nangarhar haben US-Einheiten ihren Standort an a­ fghanische Sicherheitskräfte übergeben, und wir arbeiten in der Region weiter wie zuvor. In einem Jahr oder in sechs Monaten müssen wir dann erneut b ­ eurteilen, wie sich der Abzug des Militärs auf die S ­ icherheitslage ausgewirkt haben wird. Die Welthungerhilfe ist schon seit den 80er-Jahren im Land – anfangs, um afghanischen Flüchtlingen in Pakistan zu helfen. Unser Büro in Kabul haben wir 1992 eröffnet, also noch unter der Talibanregierung und lange vor der militärischen Intervention im Jahr 2001. Von daher sind wir für unsere Projektarbeit nicht auf den Schutz der Bundeswehr angewiesen.

ist interessant zu sehen, wie dieses Mal Regularien durchgesetzt werden, wie wir sie aus westlichen Demokratien kennen. Bevor die erste Kandidatenliste bekannt gegeben wurde, mussten diejenigen, die derzeit ein öffentliches Amt ausüben es offiziell für die Wahlperiode abgeben, um sich zur Wahl stellen zu können. Das betraf einige Gouverneure und einen Minister aus dem Kabinett Karzai. Werden Sie besondere Sicherheitsvorkehrungen während der Wahl ergreifen? Am Wahltag sowie zwei, drei Tage vorher und nachher werden wir das Büro in Kabul geschlossen halten, um auf Nummer sicher zu gehen. Da braucht kein Mitarbeiter ins Büro zu kommen – für den Fall, dass es zu Ausschreitungen kommen sollte. Nach den Wahlen werden wir die Lage neu bewerten, um eventuell weitere Vorkehrungen zu planen. Solche Vorsichtsmaßnahmen sind in Risikoländern wie ­Afghanistan notwendig. Wie schafft es die Welthungerhilfe, ihre Neutralität zu wahren? Wir setzen ganz stark auf Akzeptanz. Das fängt damit an, sich der Kultur und Tradition anzupassen. Bei Projektreisen in sensible Gebiete tragen wir die lokale Kleidung und trinken viel Tee mit den Leuten vor Ort, um uns langsam kennenzulernen. Dabei sprechen wir einfach über die Ernte oder das letzte Erdbeben – oder auch darüber, wo neue Straßen und Brücken gebaut wurden. Themen wie Politik oder Religion sind dabei tabu. Wir versuchen schon bei der Planung von Projekten alle Akteure einzubinden. So stellen wir sicher, dass es im Dorf keinen Widerstand gibt, sondern Akzeptanz und Mitarbeit.

Viele Afghanen sorgen sich, dass Deutschland seine zivile Aufbauhilfe nach dem Abzug der Truppen zurückfahren könnte. Teilen Sie diese Befürchtungen? Die Bundesregierung hat sich in den letzten zehn Jahren mit einem großen finanziellen Aufwand sehr für den zivilen Aufbau in Afghanistan engagiert. Vor Kurzem bestätigte das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, dass weitere Entwicklungsprojekte mittelfristig finanziert werden. Jetzt kommt es darauf an, dass die neue Bundesregierung sich klar dazu bekennt, auch nach 2014 die zivile Aufbauarbeit zu unterstützen, gerade im ländlichen Afghanistan und möglichst für die nächsten zehn Zusammen mit ihren lokalen Partnern hat die Welt­ ­Jahre. hungerhilfe seit 2001 insgesamt 125 Projekte in Am 5. April finden Präsidentschaftswahlen statt. Wie ­Afghanistan durchgeführt. Auf welches sind Sie ist die Stimmung unter den Afghanen, mit denen Sie ­besonders stolz? Die Welthungerhilfe hat zwischen 2006 und 2010 zusammenarbeiten? Die Stimmung unter jungen Leuten ist gespannt, vie- fast 500 Dörfern geholfen, Gemeinderäte aufzubaule sind skeptisch, sagen aber auch nicht von vornhe- en, die die lokale Entwicklung vorantreiben. Diese rein: »Es ist alles nur ein Fake.« Es gibt durchaus auch Civil Development Councils wurden in einem transpositive Stimmen, die sagen: »Vielleicht kommt ja der parenten Verfahren gewählt, sie müssen Rechenrichtige Mann ins Präsidentenamt.« Für mich ist es schaft ablegen und sind staatlich anerkannt. Bei die zweite Wahl, die ich in Afghanistan miterlebe. Es Bauvorhaben und Projekten sind sie Ansprechpart-

ner für alle staatlichen Stellen s­owie für in- und ausländische Organisationen. Mittlerweile arbeiten solche Selbstverwaltungen auf Dorfebene in ganz Afghanistan. Das ist ein großer Schritt, der die ­Lebensverhältnisse der Landbevölkerung verbessert. Was hat sich aus Ihrer Sicht seit 2001 verändert? In Orten wie Masar-e Scharif hat sich unheimlich viel getan: Dort gibt es heute Straßenlaternen, Ampeln und neue Straßen. In Kabul und anderen großen Städten hat es einen Boom an den Universitäten gegeben. Von dort kommen immer mehr gut ausgebildete junge Leute auf den Arbeitsmarkt, die in ihrem Land etwas auf die Beine stellen wollen (siehe Sei­te 11). Die Situation der Frauen ist je nach Region sehr unterschiedlich. Vor zehn Jahren sah man im ­öffentlichen Straßenbild von Masar-e Scharif oder Kabul nur wenige Frauen ohne Burka. Dagegen können Frauen in der konservativen Provinz Nangarhar im Osten Afghanistans noch immer nicht ohne Burka auf die Straße gehen. Wie leben Sie als Ausländer in Afghanistan? In den letzten Jahren sind erste Freizeiteinrichtungen entstanden: In Kabul gibt es unter anderem eine Bowlingbahn, Schwimmbäder und Fußballplätze. In der zentralafghanischen Provinz Bamiyan kann man seit Neuestem auch Ski fahren. Ich selbst gehe einmal in der Woche ins Schwimmbad. Oft koche ich auch gemeinsam mit Freunden, spiele Volleyball oder Cricket. So lässt sich auch in Kabul Normalität leben. Und doch erinnern mich Entführungen und Anschläge hin und wieder daran, dass ich in einem Land ­lebe, in dem politische, aber auch persönliche Auseinandersetzungen mit Gewalt gelöst werden. Daran denke ich manchmal, wenn ich die Berge rund um ­Kabul sehe: Bergspitzen, oft mit Schnee bedeckt, sehr einladend, aber zu gefährlich zum Wandern. Doch sie sind ein Grund mehr, wieder nach Afghanistan zu kommen, wenn es mal Frieden gibt. Das Interview führte Ira Bergmann, Journalistin in Berlin.

Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/afghanistan.html

© Illustration: Julia Zejn; Porträt: prirvat

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Bedroht und verspottet Trotz des Booms im afghanischen Mediensektor ist Gewalt gegen Journalisten an der Tagesordnung: Vor allem Frauen sind betroffen Die Journalistin Sadaa Sultani hat die Tabus der afghanischen ­Gesellschaft durchbrochen: Sie ließ sich scheiden und arbeitet als Journalistin. Wenn die ­inter­nationale Aufmerksamkeit ab 2015 nachlässt, steht ihre neu gewonnene Freiheit auf dem Spiel.

Wissenswertes

Medien in Afghanistan

© Illustration: Julia Zejn

Seit dem Sturz der Taliban erlebt die afghanische Medienlandschaft einen Boom – nicht zuletzt durch den Schutz und die finanzielle U ­ nterstützung des Auslands. Während der Talibanherrschaft von 1996 bis 2001 hatte es neben Radio Scharia keine weiteren ­Medien gegeben. Im aktuellen Presse­ freiheitsindex von Reporter ­ohne Grenzen (ROG) belegt Afgha­ nistan Platz 128 von 180. Damit hat es sich seit 2012 um 22 Plätze verbessert und schneidet gegenüber den Nachbarländern Iran (Platz 174) und Pakistan (Platz 159) sowie ­Indien (140) gut ab. Doch diese Errungenschaften sind laut ROG gefährdet, weil mit dem Truppenabzug womöglich externe Finanzmittel ­versiegen. ces

Von Sadaa Sultani

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ie viele Afghanen bin ich durch den Krieg der US-geführten Koalitionstruppen gegen die Taliban und ihre »terroristischen« Helfershelfer geprägt. Auf meine Rolle als Frau und als Journalistin hatte dieser Krieg ­einen besonderen Einfluss. Ich wurde 1986 in Masar-e Scharif geboren. Als ich sechs Monate alt war, ­zogen meine Eltern in den Iran. Mein Vater starb, als ich elf Jahre alt war. Ein paar Monate später heiratete meine Mutter einen anderen Mann. Damit ich und meine drei Brüder bei unserem Stiefvater bleiben durften, musste ich dessen Sohn heiraten. Da war ich erst zwölf Jahre alt, er 24. Meine gesamte Kindheit und Jugend habe ich als Immigrantin im Iran verbracht. An die Taliban oder den afghanischen Bürgerkrieg kann ich mich kaum erinnern. Erst als Hamid Karzai Präsident der afghanischen Übergangsregierung wurde, kehrte meine Familie 2002 nach Afghanistan zurück. Nun, da die Taliban vertrieben waren, standen die Schulen allen offen. Auch mir. Es war wie ein Geschenk, ein neues Leben für meine Mitschülerinnen und mich. Nach langen, dunklen Tagen gab es einen Neuanfang für die Frauen in Afghanistan. Doch bis heute werden Frauen diskriminiert, auch in meiner eigenen Familie. Mein Ehemann war drogenabhängig, und es wurde für uns immer schwieriger, den Alltag zu bestreiten. Ich beschloss, ­etwas zu tun, um unsere ­finanzielle Lage zu verbessern – so begann ich bei Radio Bayan Shamal zu arbeiten, ­einem der neuen Radiosender in meiner Stadt. Mein Ehemann war grundsätzlich dagegen; unsere Meinungsverschiedenheit führte letzten Endes zur Scheidung. Inzwischen arbeite ich seit fünf Jahren als ­Radioreporterin. Trotz aller Schwierigkeiten und Hindernisse, mit denen eine geschiedene Frau in unserer Gesellschaft zu kämpfen hat, habe ich meine Unabhängigkeit erlangt und meine Träume verwirklicht. Ich bin nicht die einzige Frau, die die Tabus unserer Gesellschaft durchbrochen hat und jetzt aktives Mitglied dieser von Männern dominierten Gesellschaft ist. Radio Bayan Shamal – früher als Radio Voice of Freedom in Shamal bekannt – ist der einzige Sender, bei dem die meisten Mitarbeiter Frauen sind.

Während es zur Zeit der Taliban nur einzelne staat- stellen daher lieber männliche Journalisten ein – lich kontrollierte Medienhäuser gab, ist ihre Zahl ­eine versteckte Diskriminierung. seither sprunghaft gestiegen: auf etwa 1400. Dazu Trotz all dieser Schwierigkeiten sind die Medien zählen mindestens 50 unabhängige TV-Sender und ein attraktiver Arbeitgeber für viele Frauen. Jedes etwa 150 Radiosender. Die Pressefreiheit in Afgha- Jahr bewerben sich mehr Mädchen an den afghaninistan ist besser als in vielen anderen Ländern der schen Journalistenschulen. Seit 2001 haben allein Region, einschließlich Indien, der größten Demokra- an der Balkh University in Masar-e Sharif, der dritttie der Welt. Im Großen und Ganzen dürfen Journa- größten Universität des Landes, 377 Journalisten ihr listen über die Regierung, die Opposition und die Studium erfolgreich abgeschlossen. Etwa 30 Prozent sozialen Ungerechtigkeiten im Land berichten und der Absolventen waren Frauen. Von ihnen arbeitet tun dies auch. Aber sie werden auch leichter Ziel allerdings nur eine Handvoll in Medienhäusern. von Angriffen – vor allem außerhalb großer Städte Schuld daran sind familiäre Zwänge und die Sicherund vor allem die Frauen unter ihnen. heitslage. Alle anderen sind ans Haus ­gebunden Sicher: Afghanische Frauoder haben eine andere Täen haben in den vergangetigkeit aufgenommen, meist nen zehn Jahren sehr viel erals Lehrerinnen. »Wenn ich Funktionäre reicht. Doch die afghanische Jetzt, da die NATO und die in ihren Büros interviewe, Gesellschaft ist nach wie vor US-Truppen abgezogen wertraditionsverbunden, kon­ den, stehen die Errungendarf ich die Tür nicht servativ und von Männern schaften der afghanischen schließen.« ­d ominiert. Reporterinnen Frauen auf dem Spiel. Die können sich nicht so frei be­internationale Gemeinschaft wegen wie männliche Reporhat den Aufbau von Medienter. Die meisten Frauen dürfen nur in Begleitung ei- unternehmen in Afghanistan massiv unterstützt und nes männlichen Familienmitglieds reisen. Viele speziell Frauen im Journalismus gefördert. Falls sich Amtsträger nehmen Journalistinnen nicht ernst; in die ­Sicherheitslage durch den Truppenabzug vereinigen Fällen wurden ­Reporterinnen verspottet, be- schlechtert, könnten Familien und Medienhäuser dies leidigt, belästigt oder bedroht. Wenn ich Funktionä- als Rechtfertigung nutzen, um die Zahl der Reportere in ihren Büros interviewe, darf ich die Tür nicht rinnen auf ein Minimum zu reduzieren. Der Gedanschließen, weil das bei einer Frau viele Fragen auf- ke, meinen Job zu verlieren oder nicht als Journaliswerfen würde – so muss ich bei meinen Radiointer- tin arbeiten zu können, macht mir Angst. views Hintergrundgeräusche in Kauf nehmen. Momentan lebe ich mit meinen drei Brüdern in Wohlgemerkt, das alles passiert in Masar-e Scha- Masar-e Scharif. Neben meiner Arbeit studiere ich rif, einer der aufgeschlossensten Städte des Landes. an der medizinischen Fakultät der Balkh UniversiMeine Kolleginnen im Osten, Süden oder auch Wes- ty. Vor gut 15 Jahren waren meine Lese- und ten des Landes haben es viel schwerer. Dort arbei- Schreibkenntnisse noch dürftig – inzwischen habe ten die meisten Journalistinnen ausschließlich in ich meine ersten beiden Gedichtbände veröffentBüros und erscheinen nur selten in der Öffentlich- licht. Diese Erfolge waren für mich mit großen Ankeit. Wie eingeschränkt Frauen bei ihrer Berichter- strengungen verbunden – ich möchte sie nicht so stattung sind, wissen auch die Medienhäuser; viele einfach hergeben.

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Rosige Zeiten in Nangarhar Seit acht Jahren ernten die Bauern von Nangarhar dank Akbar Mohmand, Projektleiter der Welthungerhilfe, Blütenblätter statt Schlafmohn

Von Daniela Ramsauer

Vor knapp zehn Jahren hat Akbar Mohmand die ersten DamaszenerRosen in den Bergen Afghanistans gepflanzt. Das hat das Leben einer ganzen Region verändert. In Nan­ garhar haben Hunderte Bauern den Anbau von Schlafmohn zur Opi­ umgewinnung aufgegeben und pro­ duzieren stattdessen Rosenöl für die Kosmetikindustrie. Zur Erntezeit wird in den Rosentälern extra ein Waffenstillstand vereinbart – für Krieg bleibt dann keine Zeit.

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osa Blumen? Bei uns?« Es war im Jahr 2004, als Akbar Mohmand den Bauern im Dara-iNur, dem »Tal des Lichts«, und zwei weiteren Distrikten vorgeschlagen hat, vom lukrativen Schlafmohnanbau auf die Rosenzucht umzusteigen. Er blickte in fassungslose Gesichter. Gestandene Männer, die Kriege und schwere Zeiten überlebt hatten – die sollten jetzt mit etwas Rosafarbenem beginnen? »Sie waren sehr überrascht«, erinnert sich der 61-Jährige und lächelt. Er lächelt oft, wenn er vom Rosenprojekt erzählt. Das Lächeln bleibt nicht in den Mundwinkeln hängen, es reicht bis tief in die Augen. Schon 2004 war Mohmand davon überzeugt, dass es etwas wird mit den Tälern und der Rose. Vier Jahre hatte er bereits für die Welthungerhilfe im Bereich Trinkwasserversorgung und Ernährungssicherung gearbeitet, als ihm ein Kollege die Idee unterbreitete, Rosenöl zu produzieren. »Ich fand das fachlich interessant«, sagt der hoch qualifizierte Landwirt. Ende der 60er-Jahre hatte er an einer Landwirtschaftsschule in der südafghanischen Stadt Lashkar Gah seine Ausbildung begonnen. Später, von 1980 bis 1987, schickte ihn die afghanische Regierung zum Studium der Tropischen Landwirtschaft nach Leipzig. Nach a­ llem, was er gelernt und studiert hatte, war sich Mohmand sicher: Das Klima und der Boden in ­Nangarhar eignen sich perfekt für den Anbau der Damaszener Rose, aus der wertvolles Öl g ­ ewonnen wird. Ein Kilo Rosenöl bringt auf dem Weltmarkt rund 7000 Euro. Dafür werden bis zu 8000 Kilogramm Rosenblüten destilliert. Sie werden in einem aufwendigen Verfahren mit Wasserdampf, kaltem und heißem Wasser und Feuer in Kupferkesseln aufgekocht. Am Ende kommt goldgelbes Öl heraus. Genau 1,7 Kilo davon haben die 65 Bauern, die Mohmand nach wochenlanger Überredung überzeugt hatte, im ersten Erntejahr 2006 produziert. 2013 haben sie aus 296 Tonnen Rosenblüten schon stolze 112 Kilo Öl destilliert – fast 100 Mal mehr. In kleinen blauen Fläschchen zu fünf Millilitern hat Akbar Mohmand den Duft aus seiner Heimat eingefangen und nach Deutschland gebracht. Er ist

in sein ehemaliges Studienland zurückgekommen, um neue Abnehmer zu finden. Die Biofach in Nürnberg, die weltweit größte Messe für biologische Produkte, ist ein guter Ort dafür. Akbar Mohmand bahnt sich zielstrebig seinen Weg durch das Gewusel der Messe. »Die Hälfte der Stände habe ich bereits besucht«, sagt er in fließendem Deutsch, das er seinen Studienjahren und späteren Deutschlandbesuchen zu verdanken hat. Ob er sich freut, wieder in Deutschland zu sein? Der 61-Jährige schüttelt den Kopf. Er habe sich zwar wohlgefühlt während des Studiums hier, seine Heimat aber immer vermisst. Auch jetzt, wo er nur vier Tage zum Messebesuch angereist ist, sagt er: »Ich freue mich, wenn es ­zurückgeht.« Vorher hat er noch einiges zu tun. Im 30-Minuten-Takt hat er Termine mit Händlern vereinbart. Der Mann im grauen Anzug besucht Stände, an denen Rosen zu sehen sind – als Rosencreme, Rosenöl oder Rosenduschgel. Mohmand beugt sich über Verkaufstheken, erklärt Messehostessen sein Anliegen, verlangt nach Menschen, die etwas zu entscheiden haben. Oder er setzt sich mit Händlern an einen der Verhandlungstische. Mohmand zieht seine blauen Probierfläschchen aus der Aktentasche. »Riechen Sie«, sagt er auffordernd. Der betörende Rosenduft zieht einem sofort in die Nase. Wieder breitet sich das stolze Rosen-Lächeln auf Mohmands Gesicht aus. »Das ist sehr gutes Öl«, sagt er. Die Probefläschchen lässt er bei den Geschäftspartnern. »Sie analysieren es im Labor – und werden feststellen, dass es hervorragende Qualität ist«, sagt Mohmand. Der Kosmetikhersteller Wala aus Baden-Württemberg weiß das. Das Unternehmen hat den Afghanen von Beginn an Öl abgekauft und dazu beigetragen, dass das Projekt funktioniert. Das Rosenöl aus Nangarhar wird in Produkten der Marke Dr. Hauschka weiterverarbeitet. Selbstverständlich besucht Akbar Mohmand den Dr.-Hauschka-Stand auf der Biofach. Er erzählt Ralf Kunert, der bei Wala für den Rohstoffeinkauf zuständig ist, dass sich das Rosenprojekt inzwischen fast von allein trägt. In den vergangenen Jahren ist die Ölproduktion

s­tetig ­gestiegen. Die Setzlinge, die die Bauern zukaufen müssen, um den Ertrag weiter zu steigern, mussten 2012 nur noch zur Hälfte aus Entwicklungshilfetöpfen bezahlt werden. 2013 konnten die Bauern bereits alles selbst zahlen. In den Bergen Afghanistans könnte bald ein eigenständiger Betrieb entstehen. »Bis es so weit ist, haben wir aber leider noch viel Bürokratie vor uns«, erzählt Mohmand. Als großer Konzern bezieht Wala auch Öl von anderen Lieferanten, zum Beispiel aus der Türkei, Iran und Äthiopien. »Bisher sind die Rosen noch nirgendwo so schnell gewachsen wie in Afghanistan«, sagt Ralf Kunert. »Vielleicht liegt es daran, dass die Pflanze spürt, dass dort etwas Ausgleichendes fehlt.« Tatsächlich sorgt die Rose dafür, dass sich die Stimmung in den Anbaugebieten bessert: »Wenn die Rosen blühen, ist unsere Landschaft sehr, sehr schön«, sagt Akbar Mohmand. Kinder, Frauen und Männer laufen dann glücklich lächelnd durch die Gegend, erzählt er. Und lächelt dabei wieder selbst. Auf den Anbau von Schlafmohn zur Opiumgewinnung verzichten mittlerweile viele Bauern. 800 nehmen bereits am Projekt teil. Sie können von den Einnahmen leben, so gut wie vorher vom Mohnanbau. Die Rosenzucht hat einen entscheidenden Vorteil: Im Gegensatz zum Mohnanbau ist sie legal. Und wer etwas Legales tut, ist automatisch glücklicher, als jemand, der Illegales tut, sagt Mohmand schmunzelnd. Die Rose hat mehr Frieden in zwei der Täler gebracht. Immer wieder liefern sich hier Stämme bewaffnete Auseinandersetzungen, »doch zur Erntezeit brauchen wir Ruhe«, sagt Mohmand. Im April und Mai werden sämtliche Bewohner tonnenweise Blüten pflücken und sie in die große Destille nach Dschalalabad bringen. Für Krieg ist da keine Zeit. »Wir vereinbaren Waffenstillstand«, erklärt Mohmand. In diesem Jahr werden die Bauern womöglich noch mehr Öl produzieren. Für neue Kunden, die unter anderem auf der Biofach gewonnen wurden. Daniela Ramsauer ist­ freie Journalistin in Nürnberg.

Berichtigung

© Illustration: Julia Zejn

Zahlen aus anderer Quelle In den Text »Armut wird städtisch« in der letzten Ausgabe der »Welternährung« (Seite 9) hat sich ein Fehler eingeschlichen. Dort heißt es: »Arme Stadtbewohner geben bis zu 70 Prozent ihres Einkommens für Nahrung aus – in den Elendsvierteln von Bangladesch zeitweise sogar zwischen 99 und 127 Prozent, wie die Stadtgeogra-

fin Dr. Sophie Schetke bei ihren Feldforschungen herausfand.« Diese Z ­ ahlen stammen nicht von Schetke, sondern von Wolfgang-Peter Zingel, Markus Keck, Benjamin Etzold und Hans-Georg Bohle, deren Studie 2011 in der Herausgeberschrift »Health in Mega­cities and Urban Areas« veröffentlicht wurde.


Hintergrund

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© Fotos: Corbis; John Green/Cal Sport Media

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GESTORBEN 1994: In der Gedenkstätte in Kigali hängen Fotos von Toten; die Namen von Hunderttausenden sind auf Tafeln gelistet.

Die Mörder wohnen nebenan Zwei Jahrzehnte nach dem Völkermord in Ruanda ist die Erinnerung lebendig, doch der Hass erlischt

Am 7. April 1994 begann in Ruanda einer der schlimmsten Völkermorde aller Zeiten: Binnen 100 Tagen töteten ­radikale Hutu etwa 800 000 Tutsi und gemäßigte Hutu. Die internationale Ge­ meinschaft intervenierte zu spät. Aline, Marie und Jonathan überlebten – und setzen sich für Versöhnung ein. Von Matthias Maruhn

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line, die so gern lacht und kichert – jetzt sitzt sie still und ernst und sagt: »Ich habe keine Idee, was ich an den Gedenktagen machen soll. Wirklich nicht.« Im April werden die Menschen überall in Ruanda der Tage des Mordens vor 20 Jahren gedenken. Und obwohl es auch für Aline die große Katastrophe ihres Lebens ist, wird es für sie ein Erinnern ohne Erinnerung. Sie war ein Baby, als ihre Eltern von Nachbarn getötet wurden. Aline kann nur erzählen, was man ihr später erzählt hat: Alines Onkel war an jenem Tag im Frühjahr 1994 in die Wohnung der Familie gekommen. Er fand die Toten auf dem Boden liegend, erschlagen. Das Motiv war der Hass zwischen Tutsi und Hutu, der sich über so viele Jahre in Ruanda aufgebaut hatte und der sich nun in einem Völkermord der Hutu an den Tutsi entlud. Zwischen dem 7. April und Mitte Juli 1994 wurden in dem kleinen Land etwa 800 000 Menschen ermordet. Als der Onkel die Leichen untersucht, findet er im Arm der Mutter die kleine Aline, noch kein Jahr alt. Die Mutter hat das Kind im Tod fest an sich gedrückt. Aline lebt und ist unversehrt. Niemand weiß so genau, ob die Nachbarn das Mädchen übersehen hatten oder dann doch davor zurückschreckten, einen Säugling zu töten. Der Onkel löst das Kind aus den Armen der Mutter und nimmt es mit. Hat sie noch ein Bild von den Eltern? Aline greift in die Tasche, holt aber kein Foto heraus, sondern ihr Handy, huscht mit den Daumen über die Tastatur und dreht das Display herum. »Das war mein Vater.« Ein Mann ist zu sehen, fast noch ein Junge. »Und meine Mutter.« Eine junge Frau, hübsch und mit etwas längeren Haaren, die verhalten in die Kamera lächelt. Aline dreht das Handy wieder zu sich, schaut das Bild kurz an, drückt es weg, steckt das Handy ein und schweigt für einen Moment.

Aline kam zunächst zur Großmutter, dann zu einer Tante. Sie überlebte diese blutigen 100 Tage, die drei von vier Tutsi das Leben kosteten, und absolvierte mit Erfolg die Schulzeit, die in Ruanda heute für alle Kinder zwölf Jahre währt. Jetzt lebt sie mit ihrer Cousine zusammen, macht gerade ein Praktikum und antwortet auf die Frage nach der beruflichen Zukunft jugendlich unbekümmert: »Irgendwas mit Tourismus.« Ruanda sei sehr schön, sagt sie mit Nachdruck. Ein wundervolles Land, eine Reise wert. Wer von Kigali durch das Land der tausend Hügel gen Süden fährt, kann das bestätigen. Eukalyptusbäume, Bananenplantagen, Schirmakazien, rote Erde, grünes Land. Die Dörfer und Städte sind sauber, wie man es nur aus wenigen afrikanischen Ländern kennt. Plastiktüten sind verboten und an j­edem letzten Samstag des Monats ziehen alle Ruander zwischen 18 und 65 für vier Stunden hinaus, um für die Gemeinschaft zu arbeiten – »Umuganda« heißt dieser Brauch. Auch bei der »inneren Sauberkeit« hat sich in Ruanda viel getan, es gilt inzwischen als das

am wenigsten von Korruption gebeutelte Land des Kontinents. Der Staat hat eine Krankenversicherung eingeführt, von der bereits 91 Prozent der Menschen profitieren. Die Malaria wird erfolgreich bekämpft, obwohl die Mücken wegen der Klimaerwärmung in immer größeren Höhen stechen. Das alles sind Erfolge, die es westlichen Beobachtern schwer zu machen scheinen, die autoritäre ­Politik von Präsident Paul Kagame zu kritisieren. Zumal er vor allem bemüht ist, die Hauptfrage des Landes zu lösen: Wie können Hutu und Tutsi ­nebeneinander weiterleben, nur 20 Jahre nach dem Morden? Wir fahren an einem Feld vorbei: Männer in orangefarbenen und rosafarbenen Overalls arbeiten hier. Orange steht für die Täter des Genozids, andere Gefangene tragen rosa. Wie viele Mörder noch in Haft sind, ist nicht bekannt, auch nicht, wie viele Mörder es überhaupt gab. Eine Studie spricht von etwa 200 000 – überwiegend Männer übrigens, nur drei Prozent waren Täterinnen. Heute ist es in Ruanda verboten, die Menschen öffentlich nach Tutsi

wissenswertes

Die Hintergründe des Genozids Bereits in vorkolonialer Zeit gab es im Königreich Ruanda die Begriffe Hutu für die Ackerbauern und Tutsi für die Viehzüchter. Doch erst die deutschen Kolonialherren (1884 bis 1919) und die belgischen (1923 bis 1962) wandelten diese Berufsbezeichnungen in ein rassis­ tisches System um. Ab 1934 erhielten alle Ausweise den Hinweis auf die Stammeszu­ ­ gehörigkeit (siehe Foto). Diese Dokumente wurden 1994 abgeschafft, nachdem sie während des Genozids oft über Leben oder Tod entschieden hatten. Doch auch vor 1994 hat es zwischen den Gruppen zahlreiche Übergriffe mit Tausenden Toten auf beiden Seiten ­gegeben. In den frühen 1990er-Jahren begann in ruandischen Medien eine Hetzkampagne gegen die Tutsi; sie wurden als »Kakerlaken« und »Schlangen« bezeichnet. Am 6. April 1994 starb Präsident Habyarimana, ein Hutu, bei einem Flugzeugabsturz. Vermutlich war die Ma-

schine von radikalen Hutus abgeschossen worden, die den Präsidenten für zu gemäßigt hielten. Am darauffolgenden Tag begann der vorbereitete Mord an den Tutsi. Die internationale Gemeinschaft ließ Ruanda im Stich; sie flog lediglich alle Ausländer aus und reduzierte die Zahl der Blauhelme drastisch. In Reaktion auf das Morden erobert die Rebellenarmee Ruandische Patriotische Front der Tutsi bis Juli 1994 weite Teile des Landes. Mehr als zwei Millionen Ruander, überwiegend Hutu, flohen, die meisten in den Kongo (damals ­Zaire). mm www.welthungerhilfe.de/ruanda-film

und Hutu zu unterscheiden. Alle sind Ruander, so will es der Staat. Und so gibt es auch viele, die nicht über 1994 reden wollen. Anders Marie Gorette Mukamasabo und Emanuel Sibomana, beide Mitte 50 und Reisbauern. Er krempelt sein linkes Hosenbein hoch und zeigt die lange Narbe, die eine ­Machete hinterlassen hat, während sie von ihrer irrwitzigen Flucht erzählt, nachdem die Hutu-Nachbarn sie angegriffen hatten. Mit dem neugeborenen Sohn auf dem Rücken lief sie los, sah Freunde neben sich sterben, mit Macheten und Speeren getötet – bis sie schließlich selbst von »Interahamwes« umstellt ist: den Mörderbanden. Da taucht plötzlich ein Nachbar auf und ruft laut: »Was machst du denn hier, meine Schwester?« Der Mann überzeugt die Menschenjäger. Marie entkommt. »Der Mann, der sich als mein Bruder ausgab, war ein Hutu. Ihm verdanke ich mein Leben.« Auch deshalb, so sagen Marie und Emanuel, könnten sie heute wieder ­ ­nebeneinander leben: Tutsi und Hutu, als Ruander. Jonathan Nturo war damals 14 Jahre alt. Wie durch ein Wunder hat er das Massaker von Murambi überlebt. 40 000 Menschen wurden ermordet, nur etwa 20 Tutsi können sich retten. Die Schule der Stadt Murambi ist heute eine Gedenkstätte. Eine, die alle zum Schweigen bringt. In den Klassenräumen sind Hunderte mit Kalk konservierte Skelette aufgebahrt. Manche haben noch e­ in Büschel Haare auf dem Kopf oder die Reste ­eines Tuches am Leib, auf einigen wenigen liegt eine Plastikblume zum Gedenken. Und Jonathan? Er verlor seinen Vater und sechs Geschwister. Die Mutter, zwei Schwestern und ein Bruder haben überlebt. Kennt er die Täter? »Der Mörder meines Vaters wurde verurteilt. Er ist noch in Haft. Seine Frau treffe ich manchmal, wir grüßen uns.« Hat er Hutus als Freunde. »Viele.« Und könnte er sich vorstellen, eine Hutu zu heiraten? »Nein, besser nicht. Eine Ehe ist doch eine Sache des Herzens. Da würde immer etwas zwischen uns stehen.« Jonathan ist jetzt 34, er arbeitet in Nyanza für die Welthungerhilfe an einem großen Projekt: Am Mwogo-Fluss hilft er Bauern, die aus den Sümpfen Reisfelder schufen. Ein Projekt für die Zukunft – für ein Ruanda von Tutsi und Hutu. Matthias Maruhn ist Journalist bei der Neuen Ruhr Zeitung/ Neuen Rhein Zeitung in Essen.


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Aktionen & Termine

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Kleinbauern gegen Krisen wappnen

© Thomas Grabka

Auf der Grünen Woche informierte die Welthungerhilfe über Wege, Landwirte im Globalen Süden widerstandsfähiger zu machen und sammelte Spenden GRÜNE WOCHE | Zwischen Landmaschinen und ner Grundschüler auf den Welthungerhilfe-Stand: Messeständen steht ein Fels. Oder vielmehr: Das Mo- Bei einem Spendenlauf quer durch den Erlebnisdell eines Felsregenfangs, aber das wissen die Besu- Bauernhof gaben sie richtig Gas. Ihr Ziel: Mögcher und Besucherinnen der Internationalen Grünen lichst viele Runden schaffen. Denn die Deutsche Woche in Berlin noch nicht. Viele bleiben neugie- Stiftung für den Schulsport hatte versprochen, rig stehen. Was hat der Fels auf der weltweit größ- jede Runde mit einem Euro zu sponsern. ten Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau zu suchen? Eine Mitarbeiterin der Welthun- 1952 Euro erlaufen gerhilfe erklärt, wie in Kenia unterhalb von Felswänden Wassertanks aufgestellt werden, die Dr. Wolfgang Jamann, Generalsekretär der das hinablaufende Regenwasser auffangen; wie ­Welthungerhilfe, und Dr. Anton Kraus, Geschäftsdie Dorfbewohner gegen eine kleine Gebühr sau- führer der Fördergemeinschaft Nachhaltige Landberes Trinkwasser abzapfen und wie das Geld wie- wirtschaft, ließen dafür gemeinsam die Startklapderum in die Wartung der Anlage investiert wird. pe zuschnappen und liefen selbst eine Runde. Pumpen sind nicht nötig – das System ist ein Bei- Nach nur einer halben Stunde Dauerlauf staunte spiel dafür, wie simple Methoden nachhaltig Not Dr. Thomas Poller, Leiter des Berliner Schulsports, lindern können. nicht schlecht: 1952 Mal hatten die Läufer der Schon zum neunten Mal präsentierte die Welt- Grundschulen am Taunusviertel und aus Alt-Kahungerhilfe ihre Projektarbeit Ende Januar bei der row die 240 Meter lange Runde geschafft. Die Spendenaktion war mit einem Scheck der Grünen Woche in Berlin. Im sogenannten ErlebnisBauernhof in der Halle 3.2. beteiligten sich zahlrei- BayWa AG über 20 000 Euro eröffnet worden. Andere Unternehmen erhöhten che Aussteller an der Spendiese Summe bis zum Ende denaktion »Grün ist die der Messe auf 45 000 Euro. ­Hilfe!« und sammelten ge»Ich bin beeindruckt vom Der Landmaschinenherstelmeinsam mit der WelthunEinsatz unserer Partner.« ler Case IH nutzte die Grügerhilfe Geld für die Fertigne Woche, um sein Engagestellung eines Felsregenfangs Bärbel Dieckmann, ment gleich mehrfach unter in Nentaraja. Seit die WeltPräsidentin der Welthungerhilfe Beweis zu stellen. Im Nahungerhilfe im von Dürren men des Unternehmens geplagten Süden Kenias zuzahlte Geschäftsführer Ansammen mit Dorfbewohnern Felsregenfänge aufbaut, haben mittlerweile 42 000 dreas Klauser die Eintrittsgelder für die 100 GrundMassai-Familien das ganze Jahr hindurch ausrei- schüler, überreichte einen Scheck in Höhe von 45 000 Euro und sagte eine Sachspende zu. Schlachend Trinkwasser für sich und ihre Herden. Die Frage, wie Landwirtschaft widerstandsfähiger gersängerin Claudia Jung, die sich seit langer Zeit gegen Wettereinflüsse und Krisen werden und die für die Welthungerhilfe engagiert, verkaufte Ernährung einer wachsenden Weltbevölkerung si- Milchshakes an der Milchbar des Deutschen Baucherstellen kann, beschäftigte auch die Experten auf ernverbandes – der Erlös ging ebenfalls an die der parallel stattfindenden Fachkonferenz Global Welthungerhilfe. Forum for Food and Agriculture. Unter dem Motto »Ich bin beeindruckt vom Einsatz unserer Part»Landwirtschaft stärken: Krisen meistern – Ernäh- ner, die uns beim Kampf gegen Hunger und Armut rung sichern« diskutierten dort unter anderem Prof. tatkräftig unterstützen«, sagte Bärbel Dieckmann, Dr. Joachim von Braun, Vizepräsident der Welthun- Präsidentin der Welthungerhilfe. »Es ist wichtig, die gerhilfe, und Programmvorstand Mathias Mogge. Menschen in besonders krisenanfälligen Ländern ces Einen sportlichen Höhepunkt brachten 100 Berli- gegen Notsituationen zu wappnen.«

© Christian Jungeblodt

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viel bewegt: 100 Berliner Grundschüler (oben mit Welthungerhilfe-Generalsekretär Dr. Wolfgang Jamann, links, und Dr. Thomas Poller, Leiter des Berliner Schulsports) liefen zusammen fast 2000 Runden durch den ErlebnisBauernhof der Welthungerhilfe auf der Grünen Woche. Unten ein Modell eines Felsregenfangs.

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»FOOD RIGHT NOW« | JUGENDLICHE KONTRASTIEREN MANGEL UND ÜBERFLUSS

Wettbewerb | »Die African Fruit Association hat es sich zur Aufgabe gemacht, deutschen Kindern mit Bluthochdruck zu helfen«, sagt eine junge Frau auf einem Markt in Uganda (4). Es ist eine Szene aus dem Film der 20-jährigen Leonie Bossenmeyer, die beim Kreativwettbewerb der Welthungerhilfe den zweiten Platz in ihrer Altersgruppe belegte. Mit ihrer fiktiven Nachrichtensendung dreht sie den Spieß um: Afrikaner helfen übergewichtigen Europäern. Über 50 junge Künstler beteiligten sich allein in Deutschland an dem Film- und Fotowettbewerb, der im Rahmen der europäischen Bildungsinitiative Food Right Now auch in Frankreich, Irland, Italien und der Tschechischen Republik stattfand. Den Prämierten ist es besonders gut gelungen, das abstrakte Thema Hunger in Bilder zu übertragen. Die beiden Erstplatzierten Kyra Lüth (15 Jahre) und das Azubiteam um Fabian Hank (22 Jahre) sowie die Zweitplatzierte Clara Deifel (12 Jahre) kontrastieren Mangel und Überfluss – und bedienen sich dabei ganz unterschiedlicher Kunststile: einer Animation (1), einem Spielfilm (3) sowie einem Fotostillleben mit Playmobil-Männchen (2). Zusammen mit den Gewinnern aus den anderen Ländern reisen sie nun zu ­einem Menschenrechtsfestival nach Prag beziehungsweise besuchen Projekte in Uganda. ces Weitere Informationen unter: www.welthungerhilfe.de/ foodrightnow.html

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© Kyra Lüth (1), Clara Deifel (2), Fabian Hank (3), Leonie Bossenmeyer (4)

Ideen fürs Abspecken aus Afrika

Animationen, Fotostillleben, Spielfilm, TV-Sendung: Die Jugendlichen setzten sich auf vielfältige Weise mit dem Thema Ernährung auseinander.


Aktionen & Termine

1. Quartal 2014

SPENDENSHOP DER WELTHUNGERHILFE | OSTERAKTION

Mai

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Die Karte mit dem Hasen

WElternäHrung

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2014

Veranstaltungskalender

Origami | Passend zu Ostern bietet der Spendenshop der Welthungerhilfe jetzt auch eine Geschenkkarte mit einem ­Hasen aus Origami! Bereits ab einer Spende von zehn Euro wandern die hübschen Origamis in den virtuellen Einkaufskorb: ein Schweinchen in Quietschrosa, ein Schulhaus mit rotem Dach oder eine saftige Möhre. Sie und viele andere Motive sind zunächst nur buntes Papier, doch im Handumdrehen gefaltet, stehen die kleinen Kunstwerke für eine große Wirkung: für Dinge, die sich Menschen in armen Ländern dringend wünschen und die durch die Geschenkspende in Erfüllung gehen. kh

April

1., 3., 8. und 9.4. Infoveranstaltungen Testamente ESSEN/MÖNCHENGLADBACH/MÜNSTER/BIELEFELD | Die Welthungerhilfe informiert regelmäßig über die Möglichkeit, per Nachlass oder Testament schon zu Lebzeiten die Zukunft zu gestalten. Die nächsten Informationsabende sind am 1. April, 17 bis 19 Uhr, im Haus der Technik, Hollestraße 1, 45127 Essen; 3. April, 17 bis 19 Uhr, Haus Erholung, Johann-Peter-Boelling-Platz 1, 41061 Mönchengladbach; 8. April, 17 bis 19 Uhr, Akademie Franz Hitze Haus, Kardinal-von-Galen-Ring 50, 48149 Münster; 9. April, 17 bis 19 Uhr, Volkshochschule Bielefeld, Ravensberger Park 1, 33607 Bielefeld. Anmeldung (erforderlich) und weitere Informationen bei Martina Rauwolf, Telefon: (0228) 22 88-268, E-Mail: martina.rauwolf@ welthungerhilfe.de. Eine Infobroschüre gibt es zum Downloaden unter: www.welthungerhilfe.de/­ueber-uns/mediathek/whh-artikel/testamentratgeber.html

Die Osterkarte und viele andere tolle Spendenideen finden Sie unter: www.shop.welthungerhilfe.de

Mai

8.5. LebensLauf-Tag

SPENDEN | SCHWERPUNKTE SETZEN

VÖHRINGEN | Mit einem Sponsorenlauf machen die Schülerinnen und Schüler des Illertal-Gymnasiums in Vöhringen bei Ulm dem Hunger Beine. Bei der Aktion LebensLäufe organisieren Privatpersonen in ganz Deutschland seit 1996 Sportveranstaltungen, bei denen Sponsorengelder gesammelt werden, die in Projekte der Welthungerhilfe fließen. Neue Schulen sind jederzeit willkommen. Informationen und Anmeldung unter: www.welthungerhilfe.de/sportlich-aktiv.html

In die Zukunft investieren ENGAGEMENT | Hunger und Armut haben unterschiedliche Ursachen, die die Welthungerhilfe auf vielfältige Weise bekämpft. Dabei gibt es jedoch zentrale Ansätze für die Armutsbekämpfung. Die Welthungerhilfe hat besondere Initiativen für vier dieser Arbeitsschwerpunkte gestartet, die Spenderinnen und Spender gezielt unterstützen können: Wasser, Ernährung, Bildung und die Millenniumsdörfer. Ziel der Initiativen ist es, sowohl bewährte als auch neue Ansätze in den Projekten zu fördern, besonders nachhaltige Maßnahmen umzusetzen und innovative Konzepte zu erproben. Darüber hinaus werden Arbeitsergebnisse gesammelt und ausgewertet, um das gewonnene Fachwissen zur Verfügung zu stellen – innerhalb der Welthungerhilfe, den Part-

nerorganisationen und anderen Beteiligten. Wer eine Initiative unterstützt, hilft der Welthungerhilfe, die Spende gezielt dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt wird – auch in Projekten, die in den Medien nicht im Vordergrund stehen und sonst wenig durch Spenden unterstützt werden. Im Vergleich zur Unterstützung eines einzelnen Projektes wird so auch der Verwaltungsaufwand reduziert. Über die Fortschritte der jeweiligen Initiativen werden Spender zweimal jährlich informiert. cs

23.5.

BUNDESWEIT I Westliche Konsummuster haben erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt und die Lebensbedingungen von Menschen im Süden der Erde. Oft gehen wir mit Lebensmitteln, elektronischen Geräten oder Kleidung sorglos um, wir verbrauchen gedankenlos und werfen kaum genutzte Produkte weg. Daher widmet »Gemeinsam für Afrika«, eine Kooperation von 24 deutschen Nichtregierungsorganisationen (darunter auch die Welthungerhilfe), ihre diesjährige Kampagne der ökologischen Nachhaltigkeit – dem siebten Millenniumsentwicklungsziel. Mit einer bundesweiten Straßenaktion unter dem Motto »Schluss mit schmutzig« will sie das Bewusstsein für einen verantwortungsvollen Lebensstil fördern. Auf öffentlichen Plätzen in zehn deutschen Städten, darunter Berlin, Köln und München, spielen Schülerinnen und Schüler am 23. Mai ein Verteilungsspiel, bei dem sie das Verhältnis von Ressourcen und Konsum in Afrika und Europa simulieren. Informationen unter: www.gemeinsam-fuer-afrika.de/tag/strassenaktion

Weitere Informationen bei Christian Stark, christian.stark@welthungerhilfe.de, Telefon: (0228) 22 88-439, www.welthungerhilfe.de/ initiativen.html

VIVA CON AGUA | AKTION AM 27. JUNI

29. bis 31.5. Kunst für einen guten Zweck HAMBURG I Ein Kunsterlebnis riesigen Ausmaßes bietet nun schon im vierten Jahr die Millerntor Gallery, die erste Kunstgalerie in einem Fußballstadion. Drei Tage lang ist dort Kunst ganz bodenständig zu erleben, zwischen Fanblöcken und Plastikstühlen. Auf rund 2500 Quadratmetern zeigen 50 Künstler ihre Werke im Millerntor-Stadion des 1. FC St. Pauli – von Fotografie, Malerei und Streetart bis zu Installationen, Musik und Performances ist alles dabei. Wie in den Vorjahren wird der gesamte Erlös in die sozialen Projekte des Vereins Viva con Agua de Sankt Pauli fließen. 2013 kamen über 7500 Besucher. Informationen unter: www.millerntorgallery.org

© Welthungerhilfe

© Viva con Agua

Laufen Sie für sauberes Wasser! SPENDENLAUF | Jung und Alt können sich am 27. Juni für die weltweite Wasserversorgung engagieren. Gemeinsam mit der Hamburger Trinkwasserinitiative Viva con Agua ruft die Welthungerhilfe Unternehmen, Vereine und Schulen dazu auf, ­einen Spendenlauf zu organisieren und das Geld für Wasserprojekte zu spenden. Die Devise: »Run 4 WASH!« (Lauft für WASH!). Die Abkürzung steht für Wasser, Hygiene und sanitäre Versorgung. Der Bedarf ist groß: Noch immer leben über 2,5 Milliarden Menschen unter schlechtesten hygienischen Bedingungen, noch immer haben weltweit 768 Millionen Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser. Sie können weder sicher ihren Durst löschen noch ihre Hände waschen oder Mahlzeiten zubereiten. Damit sich das bald ändert, arbeitet die Welthungerhilfe bei ihren WASH-Projekten seit 2006 Hand in Hand mit Viva con Agua. Gemeinsam bauen sie in Ländern wie Indien, Nepal und Uganda Brunnen und Latrinen und informieren über ­Gesundheitsfragen. Mit Engagement und Teamgeist gelingt jeder Spendenlauf! Zunächst gilt es, die Klasse, den Verein oder das Unternehmen zum Mitmachen zu animieren. Vor dem Lauftag kommen Vertreter von Viva con Agua und der Welthungerhilfe zu Besuch und vermitteln alle wichtigen Informationen zum Ablauf, liefern Hintergrundwissen zu den Organisationen und erzählen, wo und wie die Spenden ganz konkret helfen. Einige Wochen nach dem Lauf kommen die Wasserbotschafter von Viva con Agua noch einmal zur Scheckübergabe vorbei. ah

Straßenaktion »Gemeinsam für Afrika«

Sollte der 27. Juni, der offizielle Run-4-WASH-Tag für Ihre Aktion ungünstig sein: Jedes andere Datum ist willkommen! Jeder Lauf zählt! Mit nur 30 Cent pro Tag kann der Durst einer fünfköpfigen Familie in Uganda gestillt werden, für 16 Euro erhält eine Familie eine menschenwürdige sanitäre Grundversorgung. Information und Anmeldung bei AnneCatrin Hummel, schulen@welthungerhilfe.de, Telefon: (0228) 22 88-258, www.welthungerhilfe. de/sportlich-aktiv.html

Juni/Juli

30.6. bis 1.7. Konferenz »Politik gegen Hunger« BERLIN I Land Grabbing ist ein großes Problem. Seit der Nahrungsmittelpreis­krise 2007/2008 eignen sich Unternehmen und Regierungen immer mehr Land in fremden Staaten an. Bei der jährlichen Konferenzreihe »Politik gegen Hunger« des Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft geht es in diesem Jahr um verantwortliche Agrarinvestitionen. Zwei Tage lang werden Politiker, Landwirte und Experten in Arbeitsgruppen über das Thema und mögliche Lösungen diskutieren. Die Welthungerhilfe wird ebenfalls teilnehmen. Informationen unter: www.policiesagainst-hunger.de


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Medien & Unterhaltung

WElternäHrung

1. Quartal 2014

Neuerscheinungen | informationsmaterialien

Rätsel & Verlosung

Ressourcen sinnvoll nutzen

Hauptstädte in Afrika In diesem Rätsel können Sie zwölf afrikanische Hauptstädte finden: waagerecht und senkrecht, vorwärts und rückwärts, gerade und nur einmal geknickt, aber nicht diagonal. Die übrig bleibenden Buchstaben ergeben – richtig angeordnet – das Lösungswort.

Quelle allen Lebens

Kein Wasser verschwenden

Langfristiges Engagement

DVD | In den Bergen Perus liegt das Milleniumsdorf Ayacucho, das von der Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisation Asociación Bartolomé Aripaylla unterstützt wird. Zusammen versuchen sie, Herausforderungen wie Klimawandel und Wassermangel zu meistern – und sind erfolgreich. Durch eine Mischung aus traditioneller und moderner Landwirtschaft ist aus den kargen Böden grünes Weideland geworden. Der zehnminütige Dokumentarfilm macht den Neuanfang erlebbar.

Faktenblatt | Mit dem Informationsblatt »Wie nutzt Du Wasser?« lernen Jugendliche viel über das Thema Wasserknappheit. Es vergleicht unser Konsumverhalten mit einem Beispiel aus Burundi; ausgehend von persönlichen Erfahrungen richtet es so die Aufmerksamkeit auf die großen Unterschiede. Schließlich werden Ideen aufgeführt, wie gerade Jugendliche aktiv werden können und damit ihren Teil zur Veränderung beitragen.

Broschüre | Einmal stiften – dauerhaft helfen: Wer sich nachhaltig gegen Armut und Hunger in der Welt engagieren möchte, muss nicht gleich eine eigene Stiftung gründen. Oft ist es sinnvoll, sich einer bestehenden Stiftung wie ­ der Stiftung Welthungerhilfe an­ zuschließen. Die Stifterbroschüre führt zu diesem Thema die wichtigsten Informationen zusammen und stellt die verschiedenen Stiftungsformen vor.

Der Film kann kostenlos auf DVD ausgeliehen oder als Kurzversion hier gesehen werden: www.welthungerhilfe.de/ DVD-Peru.

Die Materialien können kostenlos bestellt werden unter: info@ welthungerhilfe.de, Telefon: (0228) 22 88-134 oder per Post: Welthungerhilfe, Zentrale Informationsstelle, Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn. Als Download sind sie hier verfügbar: www.welthungerhilfe.de/mediathek.html.

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Bollywood-CDs zu gewinnen! Folgende südostasiatische Inseln und Inselgruppen wurden in der »Welternährung« 4/2013 gesucht: Borneo, Sumatra, Bali, Java, Molukken, Andamanen, Nikobaren, Flores, Neuguinea, Hainan, Luzon, Mindanao. Die Lösungsphrase war: »Hilfe zur Selbsthilfe«. Die Fotokalender 2014 haben gewonnen: Helga Haas (Oestrich-Winkel), Hans Dieter Heider (Bremen) und Klaus Vogelsang (Leipzig). Unter den richtigen Einsendungen der Ausgabe 1/2014 verlosen wir dreimal die CD »WeltGewänder« von The Bollywood Brass Band – eine Compilation,

die im Rahmen eines Konzertprojekts der Welthungerhilfe entstanden ist. Die britische Band spielt eine Mischung aus traditioneller indischer Blas- und Filmmusik. Senden Sie die ­Lösung bis zum 23. April 2014 an folgende Adresse (es gilt das Datum des Poststempels): Deutsche Welthungerhilfe e. V., Christina Felschen, FriedrichEbert-Straße 1, 53173 Bonn. Oder schicken Sie ein Fax: (0228) 22 88 99-429 oder eine E-Mail: ­christina.felschen@ welthungerhilfe.de. Die Lösung finden Sie in der nächsten ­Ausgabe der »Welternährung«.

Buchbesprechungen für kinder | Faktenwissen spannend verpackt

Sachbuch | Zwischen Welternährung und Naturschutz

Achterbahnen und antike Stätten

Für globale Gerechtigkeit

atlas | Herkömmliche Atlasse enthalten politische und geografische Karten – dieser Atlas bietet kleinen Weltenbummlern auf jeder Seite eine neue Perspektive. Mal zeigt er die Welt anhand ihrer Internetverbindungen, ihrer Müllberge oder ihres Wasserverbrauchs. Historische, kulturelle oder geografische Fakten lockert er immer wieder durch Alltagsinfos auf – mit der Karte

Nahrungsmittelproduktion | Dass Land Grabbing die Ernährung der Menschheit gefährdet, ist bekannt. Doch auch für die Errichtung von Naturschutzgebieten werden Menschen von ihrem Land vertrieben. Agrarwissenschaftler Peter Clausing zeigt die Folgen der industriellen Landwirtschaft und entwirft ein ­eigenes faires und ökologisches Agrarmodell. dh

zu den größten Achterbahnen weltweit etwa. Im Kern geht es darum, Zusammenhänge und Ungleichgewichte in der Welt zu entdecken – und selbst in anderen Büchern oder im Internet weiterzuforschen. Das Buch ist eine Schatzgrube voller Fakten – ideal für jede Schule und jede Bücherei. rr

»80 Weltkarten zum Staunen – So hast du die Welt noch nie gesehen!«, Dorling Kindersley Verlag, München 2013, 192 Seiten, gebunden, 16,95 Euro.

Peter Clausing, »Die grüne Matrix – Naturschutz und Welternährung am Scheideweg«, Unrast-Verlag, Münster 2013, 155 Seiten, Taschenbuch, 13 Euro.

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Impressum Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e. V., Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn Redaktion: Christina Felschen (Leitung); Beate Schwarz, Camilla van Heumen ­(muehlhausmoers corporate communications) V.i.S.d.P.: Marc Groß Telefon: (0228) 22 88-134 Telefax: (0228) 22 88-99 134 Internet: www.welthungerhilfe.de E-Mail: info@welthungerhilfe.de Gestaltungskonzept: querformat editorial design, ­Hamburg/ Aline Hoffbauer, Ingrid Nündel Layout: Vanessa Lentz, Annika Nelles, Anna-Maria Süß ­ (muehlhausmoers ­corporate ­communications)

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Druck: Joh. Heider Verlag GmbH, Bergisch Gladbach Gedruckt auf chlorfrei gebleichtem Recyclingpapier Bestellnummer: 460-9428

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Deutsche Welthungerhilfe e. V. | Redaktion »Welternährung« Friedrich-Ebert-Straße 1, 53173 Bonn | Telefon: (0228) 22 88-134 | Telefax: (0228) 22 88-99 134 | E-Mail: info@welthungerhilfe.de

Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird nur die männliche Form verwendet. Die weibliche Form ist selbstverständlich immer miteingeschlossen. Die »Welternährung« erscheint vierteljährlich. Die H ­ erausgabe der Zeitung wird aus Haushaltsmitteln des Bundes­ministeriums für Ernährung und Landwirtschaft unterstützt. Namensbeiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar. Redaktionsschluss dieser Ausgabe ist der 4. März 2014.


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