Welthungerhilfe - Das Magazin (1/2011)

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DAS MAGAZIN

Hilfe aus einer Hand In der Stunde Null schon die Zukunft im Blick Seite 10

Tansania: Wo aus Straßenkindern Sonnenkinder werden SEITE 4

Neues Wir-Gefühl im Web: 123WIR – Das Netzwerk der Welthungerhilfe SEITE 30

Welthungerhilfe – Der Anfang einer guten Entwicklung

Ausgabe 1 |2011


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inhaltsverzeichnis EdiTorial . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

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Aktuell Wo aus Straßenkindern Sonnenkinder werden Im tansanischen Daressalam werden Straßenkinder betreut und gefördert . . . . . . . 4 Süßes gegen bittere Armut Im Osten Sierra Leones fördert die Welthungerhilfe den Anbau von Bio-Kakao . . . . . 6 „Wir sind unersetzlich“ Geburtshelferinnen in den Sundarbans retten das Leben von Kindern und Müttern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

TITELTHEMA: hilfe aus einer hand In der Stunde Null schon die Zukunft im Blick Bereits in der Katastrophe unterstützt die Welthungerhilfe die Menschen beim Aufbau einer neuen Existenz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10 Ganz da oder ganz weg Birgit Zeitler, Mitglied des Nothilfeteams . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12 „Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen“ Die Flut zerstörte Feda Hussains Dorf. Doch bald wird sein Feld wieder bestellt sein. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16 Haiti: Ein Jahr danach Nach dem Erdbeben geht es im zerstörten Karibikstaat Schritt für Schritt voran . . 17

AKTIONEN & KOOPeRATIONEN Grüne Hilfe & Goldene Wünsche Auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin lockten Aktionen und Informationen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18 Schulen im Backfieber Bisher beteiligten sich 350 Schulen an der Welthungerhilfe-Muffinaktion . . . . . . 19 Lust, sich zu engagieren Eine neue Initiative der Welthungerhilfe bietet vielfältige Möglichkeiten, sich in größerem Umfang zu engagieren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20 Kicken gegen den Durst Viele Tore für den guten Zweck fielen beim „Kick it like water“-Soccer Cup . . . . 22 Ins Rennen für die gute Sache Till Demtrøder lud zum Schlittenhundrennen für die Welthungerhilfe . . . . . . . . . 23 Coole Jungs lässt Leid nicht kalt Deutscher Eishockey-Bund macht sich für die Welthungerhilfe stark . . . . . . . . . . 24 Wissen und Kräfte bündeln Partnerschaft mit der DWA hilft Menschen in Kenia . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 Mit wenig Geld viel bewirken Die Tereska-Stiftung fördert Kinder in vergessenen Katastrophengebieten . . . . . . 25

Förderpartner Vitamine wachsen auf dem Dach Gewächshäuser lindern den Hunger im nordkoreanischen Pjöngjang und Sunchon . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26

porträt Der Mann der Quellen Rainer Schmid arbeitet für die Welthungerhilfe in Haiti . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28

wir über uns Neues Wir-Gefühl im Web . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 30

Panorama „Hunger“ – Der Film . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Handbuch Welternährung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 Haiti-Letter-Box . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31 >> Titelfoto: Seit dem Erdbeben lernen die Kinder aus dem haitianischen Petit Goâve im Welthungerhilfe-Zelt.

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Editorial

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Liebe Leserinnen und Leser, ich möchte mit einem herzlichen Dank an Sie beginnen – denn Sie haben uns im vergangenen Jahr so viele Spenden anvertraut wie zuletzt 2005 nach der Tsunami-Katastrophe. Damit haben Sie es uns möglich gemacht, den vom verheerenden Erdbeben in Haiti Betroffenen sowie den Menschen im überfluteten Pakistan schnell und umfassend zu helfen. Aber natürlich auch all den anderen Menschen in unseren weltweit 250 Projekten. Über den Fortgang unserer Aktivitäten in Haiti und Pakistan konnten Sie regelmäßig in „Das Magazin“ lesen. In dieser Ausgabe möchten wir Ihnen nun Einblick geben, wie die Welthungerhilfe grundsätzlich im Falle einer Katastrophe handelt. Und wie die erste Nothilfe gleichzeitig schon in langfristige Hilfe übergeht, damit die Menschen dauerhaft unter besseren Bedingungen leben können (S. 10). Für die Welthungerhilfe begann das neue Jahr mit ihrem traditionellen Spendenaufruf im Rahmen der „Grünen Woche“ in Berlin. Im Mittelpunkt standen diesmal die weltweit anhaltenden stillen Katastrophen, also Regionen, in denen Menschen von der Öffentlichkeit unbemerkt hungern (S. 18). Ganz deutlich wurde während der Diskussionen anlässlich des Dioxin-Skandals, dass der Drang nach billigen Lebensmitteln und Fleischkonsum aus Massenproduktion massiv zum Hunger in solchen Ländern beiträgt. Im neu erschienenen „Handbuch Welternährung“ (S. 31) finden Sie Grafiken und Belege für diese Zusammenhänge, aber auch Anregungen, den eigenen Konsum bewusster zu gestalten. Das können ganz kleine Signale sein, wie zum Beispiel der Erwerb fair gehandelter Produkte. In Sierra Leone unterstützt die Welthungerhilfe einen Zusammenschluss von Kakao-Bauern darin, sich aus der Abhängigkeit von Zwischenhändlern zu lösen und endlich einen angemessenen Preis für ihren Kakao zu bekommen. Bald werden sie ihr Fairtrade-Siegel erhalten und den Kreislauf aus Armut und Schulden durchbrechen (S. 6). Solche und andere Erfolge können Sie künftig gleich selbst mit unseren Mitarbeitern und den Menschen in unseren Projektregionen teilen. Das neue Online-Netzwerk „123Wir“ lädt Sie mit Blogs, Bildern und Videos zum ganz direkten Austausch ein. Sehen wir uns auf www.123wir.org? Ich freue mich auf Sie! Herzlich Ihr

Dr. Wolfgang Jamann Generalsekretär Vorstandsvorsitzender

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aktuell: Tansania

>> Für Hausarbeit sind die Jungen selbst verantwortlich.

>> In der Schreinerei fertigen die jungen Bewohner das Mobiliar.

Wo aus StraSSenkindern Sonnenkinder werden Im tansanischen Daressalam werden Straßenkinder betreut und gefördert Am Rande von Daressalam nimmt die tansanische Hilfsorganisation „Child in the Sun“ jugendliche Ausreißer unter ihre Fittiche. Ausbildung, Betreuung sowie geregelte Tages- und Arbeitsabläufe geben den Jungen Halt. Die Welthungerhilfe unterstützt dieses Projekt, dessen oberstes Ziel die Rückführung der verlorenen Söhne in ihre Familien ist. Aus den Städten kommen die Jungen, aus den Dörfern, den Provinzen, aus Lindi und Mtwara vor allem, den Armenhäusern im Süden dieses Landes, das ohnehin eines der ärmsten der Welt ist. Von überallher kommen sie und landen doch alle auf den gleichen Straßen und Plätzen, schlafen unter den Brücken der tansanischen Metropole Daressalam. Mehr als 5.000 Straßenkinder streifen mittlerweile durch den Drei-Millionen-Moloch. Jedes von ihnen hat seine Geschichte, aber weggelaufen sind sie alle, vor dem Hunger vor allem, vor der häuslichen Gewalt, vor der Perspektivlosigkeit. Ihr Traum von Arbeit und Geld hat sich rasch in einen Albtraum aus neuer Gewalt, Drogen und Missbrauch verwandelt. Als kleine Bettler und Obdachlose werden sie oft Opfer von Menschenhändlern. Glücklicherweise hat es auch ein

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ganz anderer Mensch auf die Straßenkinder von Daressalam abgesehen. Jumanne Cheni heißt der junge Mann und arbeitet für das 1992 gegründete Projekt „Child in the Sun“. Abend für Abend macht der Streetworker sich auf den Märkten und Busbahnhöfen von Daressalam auf die Suche nach gestrandeten Jungen. Schauspiel in drei Akten „Zunächst einmal muss ich mich so anziehen, dass ich unter den zerlumpten Kindern nicht auffalle“, beschreibt Cheni seine Vorgehensweise. Ganz wichtig ist es, das Vertrauen der Kinder zu gewinnen. Wichtig, aber alles andere als leicht, denn wenn die obdachlosen Jungen auf der Straße etwas gelernt haben, dann misstrauisch zu sein. Deshalb gibt Cheni sich beim ersten Kontakt nicht als Sozialarbeiter zu erkennen, sondern spielt, zerlumptes Kostüm inklusive, ein Theaterstück in drei Akten. „Als erstes unterhalte ich mich eine Weile mit ihnen und verschwinde dann wieder. Nach ein paar Tagen kehre ich zurück und frage, wie sie reagieren würden, wenn jemand käme, der ihnen helfen wollte“, verrät Cheni seine Taktik. „Schließlich suche ich sie erneut auf und erzähle ihnen, dass sie von ‚Child in the Sun‘


Aktuell: Tansania

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eingeladen wurden.“ Erst in der Anlaufstelle besagter Organisation im Stadtteil Manzese erfahren die Jugendlichen Einzelheiten über das Angebot von „Child in the Sun“. Schmackhaft gemacht wird es ihnen mit einer warmen Mahlzeit und vor allem einem Dach über dem Kopf.

che Aufgaben und Arbeiten, aber auch Pausen und Spiele auf die Jungen. Handwerklich gelehrt werden im Zentrum Nähen und Schreinern. So haben die Schützlinge von Father Muthu ihre Schulbänke selbst hergestellt, und in der projekteigenen Lehrwerkstatt entstehen Stühle und Tische für den Eigenbedarf.

„Wir üben keinen Druck auf unsere Jungen aus“, erklärt Cheni, einer von vier Sozialarbeitern des Programms. „Stattdessen nehmen wir ihre Bedürfnisse wahr, achten darauf, wie sie reagieren, wenn wir sie auf ihre Familie ansprechen.“ Eine sofortige Rückführung der verlorenen Söhne zu ihren Familien – oder dem, was nach Tod oder Trennung der Eltern davon übrig geblieben ist – kommt meist nicht in Frage. Ziel ist vielmehr eine behutsame Bewältigung der Probleme, und das erfordert Geduld, auf beiden Seiten. Entscheidend ist zunächst die Bereitschaft der in der Regel 13- bis 17-jährigen Straßenkinder, ihre vermeintliche Freiheit auf der Straße gegen ein geregeltes Leben mit festen Aufgaben und Pflichten einzutauschen. Wer den Willen dazu aufbringt und eine mehrmonatige Ausbildung mit sozial verträglichen Umgangsformen absolviert, bekommt seine Chance: 80 Kindern und Jugendlichen bietet „Child in the Sun“ Jahr für Jahr die Unterbringung in seinem Schul- und Ausbildungszentrum in Mbezi.

Um den Kontakt der Kinder und Jugendlichen mit ihren Eltern zu pflegen, organisiert und bezahlt ihnen „Child in the Sun“ während der Sommerferien eine begleitete Fahrt in ihr ursprüngliches Zuhause. Auf zehn bis 14 Tage ist diese Rückführung auf Probe angelegt. Doch manchmal stehen die Jungen schon nach drei Tagen wieder vor der Tür von Father Muthu und seinen Helfern. Dann wissen sie, dass sie mit der geplanten Familienrückführung noch ein wenig Geduld haben müssen. Und die wird für die Jungen hier gerne aufgebracht.

Strenge Regeln und fester Plan „Jemand muss ihnen helfen“, sagt Father Anthony Muthu leise. Dabei blickt der Projektleiter von „Child in the Sun“ auf eine Reihe seiner Schützlinge bei der Gartenarbeit. 40.000 Quadratmeter umfasst das Zentrum in Mbezi, 26 Kilometer nördlich von Daressalam. Platz genug für Schlaf-, Essens-, Unterrichts- und Werk­ räume, aber auch für Rinderpferch sowie Schweine- und Hühnerstall. Für die Aufzucht der Tiere sind die „Kinder in der Sonne“ zum guten Teil selbst verantwortlich, auch für das Kochen und Austeilen der Mahlzeiten. „Damit sie ihr Leben in den Griff bekommen können, brauchen die Jungen einen festen Tagesablauf“, erklärt Father Muthu, der den ehrenamtlich arbeitenden „Missionaries of Mary Immaculate“ vorsteht. Tatsächlich warten zwischen dem Wecken um 6 Uhr früh und der Bettruhe um 21 Uhr zahlrei-

Länderinformation

Hintergrund Tansania Tansania ist etwa zweieinhalb Mal so groß wie Deutschland und gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. 82 Prozent der Bevölkerung leben von der Landwirtschaft. Fast die Hälfte der 40 Millionen Einwohner sind Kinder unter 15 Jahren. Aufgrund zunehmender ländlicher Armut, einem hohen Bevölkerungswachstum und hoher Jugendarbeitslosigkeit verlassen immer mehr Jugendliche ihre Familien in Richtung Stadt. Die Zahl der Straßenkinder steigt hier auch deshalb, weil immer mehr AIDS-Waisen nach dem Tod der Eltern zurückbleiben – 6,5 Prozent der Tansanier sind HIV-infiziert. Die Lebenserwartung liegt bei 51 Jahren, die Säuglingssterblichkeit bei 75 pro 1.000 Geburten. Etwa 60.000 Tansanier sterben jährlich an den Folgen einer Malaria-Erkrankung.

Kenia

Dem. Rep. Kongo

Tansania Dodoma

Daressalam

Sambia S ervi c e Sie möchten mehr über das Projekt erfahren: Jörg Heinrich Länderreferent Ost- und südliches Afrika Tel. 0228/22 88-227 joerg.heinrich@welthungerhilfe.de

>> Ihre Schneiderkenntnisse nutzen die Jungen später beruflich.

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aktuell: Sierra Leone

Süsses gegen bittere Armut Im Osten Sierra Leones fördert die Welthungerhilfe den Anbau von Bio-Kakao Woher kommt all die Schokolade, die wir essen? Zum Beispiel aus Sierra Leone, wo Kakaobauern mit Hilfe der Welthungerhilfe alte Abhängigkeiten abschütteln. Früher waren diese auf Zwischenhändler angewiesen, die aus der Not der Bauern Profit schlugen. Nun erhalten sie einen fairen Preis. Ansu Lamin, Kakaobauer in dritter Generation, taucht seinen Zeigefinger in die aufgeweichte Masse und kostet. „Ziemlich süß“, sagt er und hält sich die Schokotafel unter die Nase. Jetzt erkennt er den typischen Duft des Kakaos – seiner Kakaobohnen, die er erntet, sortiert, fermentiert und trocknet. Dass fern von seinen Kakaobäumen aus den bitter schmeckenden Bohnen süße Pralinen oder Riegel hergestellt werden, das weiß Ansu. Doch probiert hat er die begehrte Süßigkeit erst jetzt, mit 55 Jahren. Denn die aus Europa importierten Schokoköstlichkeiten, die im klimatisierten Supermarkt der Landeshauptstadt Freetown angeboten werden, könnte sich Ansu niemals leisten. Eine Tafel Schokolade kostet umgerechnet drei Euro. Von acht Euro leben der Muslim Ansu, seine zwei Frauen und fünf Kinder eine ganze Woche. Elf Kilo Schokolade isst der Deutsche im Schnitt pro Jahr. 90 Prozent der weltweit produzierten Schokolade wird in den reichen

Industrieländern vernascht, obwohl 70 Prozent des Kakaos aus Westafrika kommen. Glück und Genuss verbinden wir mit der glänzend braunen Süßigkeit. Doch für Ansu bedeutet Kakao harte Arbeit. Und Überleben. Ansus Kakaobäume stehen im Hinterland. Die Stammesältesten in Kailahun, Ansus Distrikt, haben ihm eine Parzelle überlassen. Ein bisschen Mais, ein paar Tomaten, Ananas, Okra, Maniok, zum Verkauf noch Ölpalmfrüchte oder Kaffeebohnen – die meisten Familien leben von der Hand in den Mund. Nachhaltig produzieren heißt mehr verdienen Ansu klagt dennoch nicht. Im Gegenteil: Er ist voller Hoffnung: „Meine Kinder werden eine gute Zukunft und ausreichend zu essen haben.“ Was ihn so zuversichtlich stimmt: Der Preis für Kakao schießt seit zwei Jahren in die Höhe, er hat sich 2010 nahezu verdoppelt. Denn Kakao ist knapp geworden. Weil auch in China, Indien und Osteuropa immer mehr genascht wird. Weil einzelne Hedgefonds mit dem Rohstoff spekulieren und Produzentenländer Kakao horten, um den Preis in die Höhe zu treiben. Ansu bekommt aber auch mehr Geld für seine Kakaobohnen, weil er nicht mehr von den Aufkäufern übers Ohr gehauen wird, seit er Mitglied der „Millennium-Kooperative der Kakaopflanzer“ ist. 7.000 Bauern gehören ihr an. Die Welthungerhilfe unterstützt

>> Beim Händler werden die Kakaobohnen am Morgen zum Trocknen und Aussortieren vor dem Lager ausgebreitet.

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aktuell: Sierra Leone

>> Ansu Lamin freut sich über den höheren Verdienst.

und berät sie dabei, eine gute Bio-Qualität zu erzeugen. Und ein alternatives Vertriebsnetz aufzubauen. Nur ein kleiner Teil der verkauften Schokolade wird nachhaltig produziert: Bio oder fair sind gerade mal drei Prozent der weltweiten Kakaoernte. Lange verkauften Bauern wie Ansu ihre Ernte unter Wert an Zwischenhändler. Früher erhielt Ansu für einen Sack Kakao einen Sack Reis, obwohl Kakao das Zehnfache wert war. Oder die Aufkäufer manipulierten die Waagen. „Wir hatten keine Wahl, wurden belogen und betrogen“, sagt Ansu. „Heute wissen wir, was wir verlangen können.“ Seine Bohnen gehen nun direkt an die Kooperative und von dort in den Export – gegen Quittung. „Ein Papier, auf dem genau steht, was wir bekommen haben, das war neu für uns“, sagt Ansu. Und vielleicht, sagt Franz Möstl, Leiter des Kakaoprojekts der Welthungerhilfe in Sierra Leone, seien diese ungewohnte Transparenz und das neue Selbstbewusstsein, mit­ entscheiden zu können, für die Bauern sogar noch wichtiger als der höhere Preis, den sie heute für ihre Ernte erzielten. Ansus Bohnen könnten bald schon in Schokoriegeln im deutschen Supermarkt landen. Denn die Millennium-Kooperative steigt 2010 in den fairen Handel ein; die Kosten für die Zertifizierung, mehrere Tausend Euro, übernimmt die Welthungerhilfe. Für Ansu bedeutet es, dass seine Bohnen an Schokoladenhersteller verkauft werden, die einen fairen Preis zahlen. Sie dürfen dafür das grün-blaue Fairtrade-Siegel auf die Verpackung kleben. Tabu ist in diesem System auch Sklavenarbeit von verschleppten Kindern, wie es sie auf vielen Plantagen des größten Kakaolieferanten Elfenbeinküste gibt. Schafft Ansus Kooperative die Fairtrade-Zertifizierung, dann wird sie einen Preisaufschlag erhalten. Mit dem Geld kann sie eine Schule gründen. Als Mitglied bekommt Ansu, wenn er das möchte, auch einen günstigen Kredit. Er müsste sich nicht mehr bei lokalen Geldverleihern für einen Wucherzins verschulden. „Mit der fairen Bohne“, sagt Franz Möstl, „könnten die Bauern endlich den Kreislauf aus Armut und Schulden durchbrechen.“

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>> Ansus Kakaobohnen landen bald schon in Schokoriegeln.

Länderinformation

Hintergrund Sierra Leone Sierra Leone liegt in Westafrika und grenzt an Guinea, Liberia und den Atlantik. Das Land ist zweimal so groß wie die Schweiz und zählt zu den ärmsten der Welt. Die Lebenserwartung der 5,2 Millionen Einwohner liegt bei 42 Jahren. 1991 bis 2002 wütete ein brutaler Bürgerkrieg im Land. Rebellen der Revolutionary United Front (RUF) wollten die Regierung des Landes stürzen. Unterstützt wurden sie von Liberias damaligem Präsidenten Charles Taylor. Gegen ihn verhandelt das Tribunal in Den Haag seit drei Jahren. Es waren die unermesslich ergiebigen Diamantenminen in Sierra Leone, die Taylor unter seine Kontrolle bringen wollte, indem er die Rebellen mit Waffen versorgte. Die Zahl der Kriegsopfer wird auf 200.000 geschätzt. Der Krieg hat nicht nur Familien ausgelöscht, sondern auch Dörfer und Felder zerstört. In der Hauptstadt Freetown leben bis heute viele Flüchtlinge, die vor den Todesschwadronen der RUF flohen. Auch die Armee hat sich vieler Verbrechen und der Rekrutierung von Kindern schuldig gemacht.

Guinea

Freetown

Sierra Leone Projektgebiet

Liberia

Sierra-Leone-Becken

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aktuell: indien

>> Im Projekt der Welthungerhilfe und ihrer Partnerorganisation SRAN werden schwangere Frauen, Mütter und ihre Neugeborenen betreut.

„Wir sind unersetzlich“ Geburtshelferinnen in den Sundarbans retten das Leben von Kindern und Müttern Die Sundarban-Inseln im indischen West-Bengalen bilden mit ihren Flussläufen, Mangrovenwäldern und strohgedeckten Hütten eine idyllische Kulisse. Tatsächlich zählt die Gegend jedoch zu den ärmsten des Landes. Die Kinder- und Müttersterblichkeit ist extrem hoch, denn es gibt weder genug zu essen noch ausreichende Hygiene. Medizinische Versorgung ist rar und zudem teuer. Ein Projekt der Welthungerhilfe bildet hier traditionelle Geburtshelferinnen aus, die wertvolle Hilfe leisten und Leben retten. Lebt man wie Sonda Maiti, Santi Kamaru und Sepali Kandar auf einer der kleinen Inseln des Archipels, dauert die Fahrt ins nächste Krankenhaus zwei Stunden mit dem Boot – vorausgesetzt, es fährt gerade eins. Doch nicht nur der weite Weg stellt ein Problem dar. Oft hemmen die Angst vor unbekannten Ärzten sowie die drohenden Kosten die Bereitschaft, sich auf den Weg zu machen. Die Behandlung ist zwar frei, die Medikamente jedoch sind entweder nicht verfügbar oder unerschwinglich teuer.

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Die Welthungerhilfe und ihre Partnerorganisation Sri Ramkrishna Ashram Nimpith (SRAN) haben gemeinsam mit den Inselbewohnern eine Lösung gefunden: ein Ausbildungsprogramm für traditionelle Geburtshelferinnen, das dazu beiträgt, die Gesundheitsversorgung für Mütter und Kinder auf den Inseln zu verbessern. Rund 20 Frauen nehmen an diesem Programm teil. Sonda, Santi und Sepali sind drei von ihnen, die ihre Ausbildung bereits beendet haben und den Frauen in ihrem Dorf eine große Unterstützung sind. Sie begleiten Mütter durch die Schwangerschaft, beraten diese in einem monatlichen Turnus zu Fragen der Vorsorge sowie Ernährung und bereiten sie psychisch auf die Geburt vor. Zudem wirken die Geburtshelferinnen auf Mütter ein, sich den Ärzten des Projektes anzuvertrauen und medizinisch versorgen zu lassen. Beispielsweise mit Vitamin- oder Eisentabletten, um Auswirkungen von Mangelerscheinungen auf das Kind zu verhindern.


aktuell: indien Meist sind es ältere oder erfahrene Frauen, die von den Gemeinden für eine Ausbildung vorgeschlagen werden, da sie bereits über traditionelles Wissen verfügen. Dieses wertvolle Wissen verbindet sich im Rahmen des Projektes mit konventionellen Methoden rund um die Schwangerschaft. So können zum Beispiel verbesserte Hygiene, ausgewogene Ernährung sowie medizinische Kenntnisse das Leben von Müttern und ihren Kindern retten. In den Sundarbans sind 95 Prozent der schwangeren Frauen unterernährt, 83 Prozent leiden an akuter Blutarmut. Begleitend werden Bauernfamilien darin beraten, ihre landwirtschaftlichen Erträge zu steigern und abwechslungsreicher anzubauen. Schwierige Situationen meistern In den Kursen erwerben die Teilnehmerinnen theoretisches Wissen, begleiten jedoch auch ausgebildete Geburtshelferinnen und sammeln praktische Erfahrung. Zum Abschluss wartet keine Prüfung, sondern eine Bescheinigung der Gemeinde, der Ärzte oder Krankenschwestern über den Wissensstand der Geburtshelferinnen sowie über ihre Fähigkeit, schwierige Situationen zu meistern. Allen ist an hoher Qualität der Ausbildung gelegen, denn auf den frisch gebackenen Geburtshelferinnen liegt eine große Verantwortung.

Länderinformation

Hintergrund Sundarbans Die Sundarbans, aus dem Bengalischen übersetzt heißt der Name „schöner Wald“, sind die größten Mangrovenwälder der Erde. Etwa 100 Inseln gehören zum indischen Teil der Sundarbans. Ungefähr 60 der entlegenen Inseln im unwegsamen, verästelten Mündungsdelta des Ganges sind bewohnt und zählen zu den ärmsten Regionen Indiens. Ackerland ist knapp, und außer der Fischerei gibt es neben der Landwirtschaft kaum weitere Einkommensmöglichkeiten. Da die Anbauflächen der Sundarbans nur leicht über dem Meeresspiegel liegen, sind die Ernten regelmäßig von Wirbelstürmen, saisonalen Überflutungen und damit einhergehender Versalzung bedroht. Wie zuletzt im Mai 2009, als der Zyklon „Aila“ die Region heimsuchte und zahlreiche Menschenleben forderte.

China Nepal

Neu Delhi

Indien

Bangladesch

Sundarbans

Myanmar

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Tradition und Moderne Interview mit Hebamme Sepali Kandar Sepali Kandar (38) hat die Ausbildung abgeschlossen und verfügt über ein Di­plom, das sie dazu berechtigt, schwangere Frauen in ihrem Dorf zu beraten. Sie selbst ist Mutter eines Sohnes und einer Tochter. Wie sind Sie auf die Idee gekommen, sich für das Ausbildungsprogramm zu bewerben? In meinem Dorf hat SRAN die Gemeinde zusammengerufen, um die Idee eines speziellen Projekts für Kinder und Frauen vorzustellen. Für uns Frauen war schnell klar, woran es am dringendsten mangelte – an der medizinischen Versorgung. Das Ausbildungsprogramm für Geburtshelferinnen ist unsere Idee, auf die wir sehr stolz sind. Wir hatten bereits im kleinen Rahmen damit angefangen, als Nachbarschaftshilfe. Was ist durch die Ausbildung anders geworden? Wir wissen jetzt mehr darüber, was gut für das Kind ist. Früher haben wir die Kinder direkt nach der Geburt mit Seife gebadet und mit Öl eingerieben. Heute wissen wir, dass wir es besser nicht baden, weil die Geburtskruste einen natürlichen Schutz darstellt und Infektionen verhindert werden. Nach der Geburt legen wir das Kind auf die Brust der Mutter, damit es die Wärme spürt. Wie schaffen Sie es, das Vertrauen in Ärzte zu stärken? Wir spielen eine wichtige Rolle dabei, den Frauen die Angst vor dem Arzt zu nehmen, denn manchmal geraten wir bei Komplikationen an medizinische Grenzen. Während unserer Ausbildung werden Ärzte eingeladen, um uns den Geburtsvorgang zu erklären. Wir machen auch Besuche im Krankenhaus in Nimpith, sodass wir wissen, wie es im Ernstfall abläuft. Dieses Wissen geben wir an die Frauen in unseren Dörfern weiter. Außerdem organisiert das Projekt monatliche Gesundheitscamps für Frauen und Kinder, bei denen auch Krankenschwestern und Ärzte dabei sind. Hier werden die schwangeren Frauen gebeten sich zu melden, sodass wir Geburtshelferinnen uns um sie kümmern können. Hier lernen sie die Ärzte und Krankenschwestern persönlich kennen und werden mit ihnen vertraut.

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TITELTHEMA: Hilfe aus einer Hand

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In der Stunde Null schon die Zukunft im Blick Bereits in der Katastrophe unterstützt die Welthungerhilfe die Menschen beim Aufbau einer neuen Existenz Sie werden heftiger und häufiger: Stürme, Erdbeben, Dürren und Überschwemmungen. Allein im letzten Jahr stellten die beiden Katastrophen in Haiti und Pakistan Hilfsorganisationen vor große Herausforderungen. Wenn ganze Regionen zerstört sind und Menschen leiden, dann kann schnelle Professionalität Leben retten. Wie das Nothilfeteam der Welthungerhilfe, das die Opfer von Katastrophen innerhalb von 48 Stunden erreicht. Mit klaren Prinzipien und viel praktischer Erfahrung lindern dessen Mitarbeiter die schlimmste Not – und legen zugleich den Grundstein für eine nachhaltige Entwicklung über die Nothilfe hinaus. „Der Anfang einer guten Entwicklung“, nach diesem Prinzip arbeitet die Welthungerhilfe. Solche Anfänge bedeuten beispielsweise, traditionelle Ackerbaumethoden in den ärmsten Ländern zu verbessern und weiterzuentwickeln, Lagerhäuser und Schulen zu bauen, oder Grundkenntisse über die Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte zu vermitteln. Doch an manchen Einsatzorten gibt es nichts mehr, was sich verbessern oder weiterentwickeln ließe. An diesen Orten muss die Welthungerhilfe tatsächlich bei Null anfangen. Es sind Orte wie das Irrawaddy-Delta in Myanmar, wie Kot Addu in Pakistan, Jacmel in Haiti, Barmou im Niger oder Tamil Nadu in Südindien. All diese Orte wurden Schauplätze von Katastrophen, an denen die Menschen alles verloren, was sie besaßen: ihr Haus, ihr Vieh und ihre Äcker, ihr Hab und Gut, ihre Gesundheit und nicht selten auch ihre Angehörigen. Effektiv und planvoll starten An solchen Orten der Verzweiflung leistet das Nothilfeteam der Welthungerhilfe gleich doppelte Arbeit. Es versorgt die Katastrophenopfer mit dem Nötigsten, um von Tag zu Tag überleben zu können – und hat bei allen kurzfristigen Maßnahmen doch auch das Morgen und Übermorgen im Blick. Müssen Unterkünfte geschaffen werden? Welche Materialien sollten diese je nach Klima und Region haben? Können Betroffene schon bald bei Aufräum- und Aufbauarbeiten eingesetzt und dafür mit Geld oder Nahrungsmitteln entlohnt werden? Was benötigen die Bauern, um ihre Felder schnell wieder in Schuss zu bekommen? Vier Mitarbeiter der Welthungerhilfe sind es derzeit, die im Katastrophenfall buchstäblich sofort einsatzbereit sind. Wenn alles

>> Mit Material der Welthungerhilfe entstehen in Haiti neue Häuser.

klappt, können sie bereits 24 Stunden nach dem Bekanntwerden eines Erdbebens, einer Überflutung oder einer Hungersnot im Flugzeug sitzen. „Wir ermitteln zuallererst die Schäden und den Hilfsbedarf. Dann stimmen wir uns umgehend mit lokalen Entscheidungsträgern, Hilfsbedürftigen, Geberorganisationen und anderen Hilfsorganisationen ab, um effektiv und planvoll starten zu können“, erklärt Jürgen Mika, seit 2008 Mitglied des Nothilfeteams. „So weit wie möglich kaufen wir die allernötigsten Güter – meist Zeltplanen, Decken, Wasser und Nahrung - vor Ort, um die einheimische Wirtschaft nicht auszubooten.“ Wo immer möglich, laufen Aktivitäten gemeinsam mit lokalen Partnerorganisationen, denn ohne diese wäre die Arbeit des Nothilfeteams sehr viel schwieriger. Sie kennen die örtlichen

>> Diese Wasserbottiche erhielten die Bewohner des von Zyklon Nargis zerstörten Bogale Township in Myanmar.

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TITELTHEMA: Hilfe aus einer Hand

Ganz da oder ganz weg Birgit Zeitler, Mitglied des Nothilfeteams „Meine Tochter kennt mich nur so“, sagt Birgit Zeitler: „Ich bin entweder ganz da oder gar nicht.“ Gar nicht da ist sie immer, wenn irgendwo auf der Welt eine größere Katastrophe passiert. Innerhalb weniger Stunden verlässt Zeitler dann ihr Haus südlich von Heidelberg und bleibt für Monate am Ort des Unglücks. Die 45-Jährige ist seit neun Jahren im Nothilfeteam der Welthungerhilfe und lebt seither auf dem Sprung. Zeitlers Tochter ist sieben und kennt es nicht anders, als dass die Mutter plötzlich fort geht, um Menschen weit weg zu helfen. So wie beim Erdbeben in Haiti Anfang letzten Jahres. Der Anruf aus der Zentrale in Bonn kam früh um 7 Uhr. Packen, Tochter zu den Großeltern bringen, Verabredungen absagen, Medikamente besorgen – Routine für Zeitler. Ab zum Flughafen, und eine kurze Nacht später landet sie in der Dominikanischen Republik. Während sie auf den Weitertransport nach Haiti wartet, bespricht sich Birgit Zeitler mit einer lokalen Partnerorganisation der Welthungerhilfe. Können sie von hier aus gleich Hilfsgüter auf dem kurzen Weg nach Haiti bringen? Es soll Rücksicht auf die heimische Wirtschaft genommen und qualitativ hochwertige und nachhaltige Hilfe geleistet werden. Sind Nahrungsmittel verfügbar? Wie viel kosten sie ungefähr? Wie sieht es aus mit Decken, Planen, Eimern, Hygieneartikeln? All das wird innerhalb kürzester Zeit geklärt, bevor es endlich ins benachbarte Haiti weitergeht – mit einem Taxi, der einzigen Transportmöglichkeit nach dem Unglück.

>> Generalsekretär Wolfgang Jamann besucht das zerstörte Pakistan.

>> Jürgen Mika vom Nothilfeteam verteilt Decken und Lebensmittel.

Das Organisieren aus der Situation heraus, die Ruhe und den Weitblick bewahren, das ist Birgit Zeitler ins Blut übergegangen. Eine Voraussetzung für ihre Arbeit. Denn „jede Katastrophe, jedes Land ist anders. Wir haben es mit Regierungen souveräner Staaten zu tun. Es ist doch völlig klar, dass sie mitreden wollen, wenn es zum Beispiel um den Wiederaufbau geht, um Häuser und Schulen“, sagt sie. Deutschland würde schließlich auch nicht jeden einfach loslegen lassen, der auftauche und sage: „Ich will hier helfen.“ >> Begeisterter Empfang: Nach dem Wirbelsturm in Myanmar lieferte die Welthungerhilfe Baumaterial für provisorische Häuser.

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TITELTHEMA: Hilfe aus einer Hand

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>> Wie hier in Pakistan erfordert es eine gute Planung, um Hilfsgüter schnell und gerecht zu verteilen.

Autoritäten, sprechen die Landessprache und können dadurch oftmals den Bedarf am besten einschätzen. „Natürlich spielen aber vor allem die betroffenen Menschen selbst eine entscheidende Rolle beim Planen und Handeln“, unterstreicht Jürgen Mika. „Wir beziehen sie ein, denn es geht ja um ihren Lebensraum, ihre Zukunft.“ So organisiert die Welthungerhilfe nicht nur Hilfe für den Augenblick, sondern legt auch schon Grundsteine für eine gute Entwicklung in der Zukunft. „Wir handeln nach dem Prinzip ‚Linking Relief, Rehabilitation and Development‘ (LRRD)“, erläutert Andrea Padberg, Referentin für Nothilfe bei der Welthungerhilfe. „Dies bedeutet, in der akuten Nothilfe bereits so früh wie möglich auch strukturbildende Maßnahmen zu schaffen. Wir wollen vermeiden, dass die Menschen langfristig von Hilfe abhängig bleiben, und versuchen ihnen so früh wie möglich erste Grundlagen für einen eigenständigen Lebenserwerb zu geben. Zum Beispiel verteilen wir oft mit Nahrungsmitteln auch gleichzeitig Saatgut, damit die Bauern ihre Felder wieder bestellen können.“ Wie der LRRD-Ansatz in der Praxis funktioniert, zeigte sich am Beispiel Myanmars. Bereits seit 2002 ist die Welthungerhil-

fe in dem südostasiatischen Land tätig. Als hier am 2. Mai 2008 der Zyklon Nargis bis zu 150.000 Menschen tötete und mehrere hunderttausend Häuser zerstörte, half die Welthungerhilfe als eine der ersten internationalen Organisationen, weil sie bereits über Büros, Mitarbeiter und Kontakte zu Partnerorganisationen im Land verfügte und diese sofort nutzen konnte. Unmittelbar nach dem Wirbelsturm und den Überschwemmungen startete die Welthungerhilfe ein Wiederaufbauprogamm für rund 9.200 ländlich gelegene Haushalte. Mit dem Ziel, gemeinsam bessere Lebensbedingungen als vor der Katastrophe zu schaffen. Nachhaltige Hilfe braucht Zeit „Building back better“ (besser aufbauen als zuvor) heißt das Motto, hier wie auch in anderen von Katastrophen heimgesuchten Gebieten. Solch ein nachhaltiger Wiederaufbau aber braucht Zeit und bedeutet, grundsätzliche Verbesserungen wie stabilere Häuser, mehr Bildungsangebote und Verdienstmöglichkeiten für die Flutopfer zu schaffen. „Häufig hören wir die Frage, warum denn die eingegangenen Spenden nicht zügig im jeweils betroffenen Land ausgegeben werden. Doch für ein mehrjähriges Aufbauprogramm bedarf es der Rücklagen und gut geplanter stufenweiser Finanzierung“, erklärt Andrea Padberg.

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TITELTHEMA: Hilfe aus einer Hand Fortschritte stärken Mut und Vertrauen In Myanmar wurde schon viel erreicht. In den zerstörten Dörfern bildeten sich Dorfentwicklungskomitees und Rettungskomitees für den Katastrophenfall. Bauernfamilien erhielten Saatgut, landwirtschaftliches Gerät und Schulungen zu Schädlingsbekämpfung oder effektiver Düngung. Auf Schul- und Klosterdächern wurden Regenauffangbecken angebracht, über 4.000 Latrinen neu angelegt und Schutzräume für Sturm und Flut gebaut. Die landwirtschaftliche Produktion erreicht inzwischen wieder 80 Prozent des Niveaus vor der Katastrophe. Viele Kleinbauern haben dadurch Mut und Vertrauen gefasst und zeigen reges Interesse an weiteren Aktivitäten, die auf ein höheres Einkommen abzielen, wie beispielsweise die Weiterverarbeitung und Vermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Neu gebaute und ausgestattete Grundschulen bieten Kindern bessere Bildungsmöglichkeiten und damit gute berufliche Chancen. Zudem dienen Schulgebäude als sichere Schutzräume im Katastrophenfall. Näh-und Mechanikerkurse, Pilzzucht und die Herstellung von natürlichen Shampoos bringen den Sturmopfern inzwischen nicht nur ein zusätzliches Einkommen, sondern auch Ansehen über ihr Dorf hinaus. Bessere Lebensbedingungen als zuvor – daran arbeitet die Welt­ hungerhilfe auch in Haiti, schnell und zugleich nachhaltig. Am 12. Januar 2010 bebte die Erde in dem Karibikstaat, über 250.000 Menschen starben, nochmal so viele wurden verletzt, über 1,3 Millionen Menschen verloren ihr Dach über dem Kopf. Bereits einen Tag später war das Nothilfeteam vor Ort und traf auf Kollegen sowie auf erfahrene Partner. Die Welthungerhilfe arbeitet schon seit vielen Jahren in dem völlig verarmten Land, dessen Bewohner lange vor dem Beben am Rande des Existenzminimums lebten. Hilfe beschränkt sich auch hier nicht darauf, Zelte und Nahrung zu verteilen. Vielmehr liegt in der Katastrophe die Chance, die Lebensumstände grundsätzlich zum Besseren zu verändern, Bildung, Ernährung und Einkommen zu sichern.

>> I n der haitianische Berufsschule von Jacmel kann die handwerkliche Ausbildung nun wieder starten.

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Berufliche Chancen vermitteln Kurzfristig werden zerstörte Straßen, Gebäude und Kanäle wieder instandgesetzt, wobei die Erdbebengeschädigten pro Tag rund vier Euro für ihren Arbeitseinsatz bekommen. Für einen langfristigen Schutz entstehen neue, erdbeben- und hurrikansichere Häuser. Ein weiteres Bespiel: Der Wiederaufbau einer Berufsschule und der angegliederten Werkstätten in Jacmel beschäftigt derzeit rund 100 Menschen, gleichzeitig werden Jugendliche etwa als Maurer oder Schreiner in erdbebensicheren Baumethoden ausgebildet. Sie bringen den Wiederaufbau voran und erwerben dabei Fähigkeiten, mit denen sie auch zukünftig Geld verdienen und zugleich die Infrastruktur in Haiti verbessern können. Jedes Jahr sollen hier 140 junge Menschen ausgebildet werden – im Moment gibt es bereits weit über 400 Anmeldungen.


TITELTHEMA: Hilfe aus einer Hand

>> N ach dem Tusnami stellte die Welthungerhilfe den Fischern des thailändischen Dorfes Tambon Klon Prasong Material für Boote zur Verfügung.

Nach einer Katastrophe gilt es nicht nur, die aktuelle Not zu lindern, sondern auch dazu beizutragen, kommende Katastrophen zu vermeiden oder deren Folgen zu mildern. An den vom Tsunami zerstörten Küsten, nach Erdrutschen in Tadschikistan oder an Orten in Nicaragua, die Hurrikans verwüsteten, bilden neu angepflanzte Mangroven oder tief wurzelnde Bäume einen soliden Schutz. Ebenso bieten nun stabile Lagerhäuser die Möglichkeit, Reserven anzulegen. In Schutzräumen können Menschen nicht nur sich selbst, sondern auch ihr weniges Hab und Gut retten. Die Welthungerhilfe startet gemeinsam mit den Opfern von Null aus durch, steht ihnen in der ersten Not zur Seite und lässt sie auch später nicht allein, um langfristig bessere Lebensbedingungen als vor der Katastrophe zu erreichen – wie in den 2004 vom Tsunami verwüsteten Gebieten, wie im durch den Zyklon Nargis verheerten Myanmar, wie im überschwemmten Pakistan. Den ersten Stein für diese Entwicklung legt das Nothilfeteam, alle weiteren Steine plaziert die Welthungerhilfe gemeinsam mit den Menschen, deren Zukunft neu entsteht.

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Mit Partnern stark Nathalie Demel, Länderreferentin Pakistan Für viele ihrer Projekte erhält die Welt– hungerhilfe Unterstützung des Europäischen Amtes für humanitäre Hilfe (ECHO), wie beispielsweise in Pakistan. Nach der Flut werden hier unter anderem Unterkünfte gebaut sowie Trinkwasser- und Sanitäranlagen repariert. Das bedeutet Hilfe für 568.000 Menschen in den von der Katastrophe am stärksten betroffenen Gebieten Süd-Punjab, Sindh und Beluchistan. Solche öffentlichen Gelder werden uns anvertraut, da wir Kriterien wie verlässliches Planen und Umsetzen sowie regelmäßige Berichterstattung erfüllen. Und weil wir unsere Arbeit auf eine breite Basis stellen. In zahlreichen Ländern tun wir uns mit Partnerorganisationen aus der Alliance2015, einem Bündnis europäischer Hilfsorganisationen, zusammen. Gerade bei Katastrophen können gebündelte Kräfte und Erfahrung noch mehr erreichen, um schnell und breitenwirksam zu helfen.

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TITELTHEMA: Porträt

„Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen“ Die Flut in Pakistan zerstörte Feda Hussains Dorf. Doch bald wird sein Feld wieder bestellt sein Feda Hussain hat keine großen Ansprüche. Er möchte einfach weiterhin in seinem Dorf leben. „Mein Großvater wurde hier in Tibbinizam geboren, mein Vater und ich auch“, sagt der 55-jährige Bauer. Hier hat er seine Familie, seine Äcker und seine kleine Schneiderei, die ihm ein Zusatzeinkommen bringt. Zumindest war das bis vor Kurzem so. Denn die verheerende Flut, die Pakistan im Sommer 2010 heimsuchte, hat auch Fedas Dorf in der Provinz Punjab verschluckt. Und sein gesamtes Leben verändert.

einer kleinen Anhöhe inmitten der Felder, doch auch hier waren die Menschen nicht sicher vor dem Wasser. Feda erzählt: „Vor der Flut habe ich Zuckerrohr angebaut. Es war ein gutes Jahr, ich habe eine gute Ernte erwartet.“ Von seinen Ersparnissen hatte er damals eine Kuh gekauft, auch ein paar Ziegen besaß er. Und Feda richtete eine kleine Schneiderei ein, wo er für die Dorfbewohner nähte. Reich wurde er damit nicht, aber es genügte, um seine Frau und die jüngsten Kinder zu ernähren. 13 Kinder hat Feda Hussain insgesamt, die meisten sind schon aus dem Haus.

Feda sitzt vor den Ruinen seines Hauses, eine Wand ist komplett eingestürzt, das Dach heruntergerissen. Zwar liegt das Dorf auf

Die letzten Reserven waren verbraucht Dann kam das Wasser. „Es gab keine Warnung. Am 4. August, in der Früh um drei Uhr, war auf einmal ein Lärm wie von einem Helikopter. Dann kam eine große Welle, bestimmt drei Meter hoch, und mein Land war weg“, berichtet Feda Hussain. „Wir packten ein wenig Essen ein, holten die Kuh aus dem Stall und rannten fort. Die Ziegen konnten wir nicht mehr mitnehmen, sie sind ertrunken.“ Fast einen Monat lang kamen Feda und seine Familie bei Freunden nahe der Stadt Multan unter, etwa 50 Kilometer von Tibbinizam entfernt. Sie lebten von der Hilfsbereitschaft der Menschen in der Stadt, von Spenden aus der Region. „Als wir in unser Dorf zurückkehrten, stand das Wasser noch immer drei Fuß hoch. Das Haus, der Laden, alles war zerstört“, berichtet Feda. „Jeder war auf sich allein gestellt. Wir konnten nichts tun, es war nichts mehr da.“ Weil Tibbinizam so weit von der Hauptstraße entfernt liegt, mussten sie lange auf Hilfe warten. Ende September gingen der Familie die letzten Lebensmittel aus, am 6. Oktober kam die Welthungerhilfe nach Tibbinizam. „Sie haben uns besucht, in eine Liste eingetragen und Essen gegeben“, sagt Feda. „Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen.“

>> Feda Hussain nahm die Flut alles. Doch er vertraut auf Hilfe.

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Jetzt bekommen Feda Hussain und seine Familie Nahrungsmittel bis zur nächsten Ernte. Dass diese wieder gut genug ausfällt, um die Dorfbewohner ernähren zu können, dafür sorgt die Welt­hungerhilfe. Feda ist beruhigt, da er Saatgut und Werkzeuge erhalten wird. Denn mit der von der Regierung angekündigten Entschädigungszahlung rechnet er nicht, sagt er. In den nächsten Monaten wird die Welthungerhilfe in seiner Gemeinde präsent sein und beim Wiederaufbau der Landwirtschaft helfen. Fedas Chancen stehen gut, dass er weiter mit seiner Familie im Dorf seiner Vorfahren leben kann.


TITELTHEMA: Hilfe aus einer Hand

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Haiti: Ein Jahr danach Nach dem Erdbeben geht es im zerstörten Karibikstaat Schritt für Schritt voran

>> In ihre Zukunft blicken diese haitianischen Schülerinnen ein wenig skeptisch, aber auch voller Hoffnung.

Ein Jahr nach dem Erdbeben stand das Leben in Haiti still. Am Jahrestag der Katastrophe, dem 12. Januar 2011, versammelten sich die Haitianer zu Schweigeminuten und Gottesdiensten, um der tausenden Todesopfer und Verletzten zu gedenken. In Deutschland trauerten viele mit Haiti – besonders die Menschen, die sich im vergangenen Jahr für das Land eingesetzt hatten. Gemeinsam mit ihren Unterstützern hatte die Welthungerhilfe das ganze Jahr über mit Aktionen dazu beigetragen, das Schicksal Haitis in der Öffentlichkeit nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Wie beispielsweise politische Diskussionsrunden oder die Schleifen-Aktion „Ein H für Haiti“. Eine ungeheure Welle der Solidarität ermöglichte es uns, die Arbeit im zerstörten Karibikstaat auszuweiten, neue Mitarbeiter zu gewinnen und die Projektstandorte um die Orte Jacmel und Petit Goâve zu erweitern. Im November besuchte TV-Moderator Jörg Pilawa die im Erdbebengebiet gelegene Stadt Papatam, in der ein Hausbauprojekt der Welthungerhilfe angelaufen ist. Die Gerüste für neue Häuser stehen schon. In der ZDF-Sendung „Gut zu wissen“, dem RateQuiz zugunsten der Welthungerhilfe, berichtete Jörg Pilawa von seinen Erfahrungen. „Die Situation in Haiti hat mich berührt und teilweise auch wütend gemacht, denn viele internationale Zusagen wurden noch immer nicht eingelöst. Es war gut zu sehen, dass strukturelle Veränderungen erreicht werden können

– vor allem von großen, erfahrenen Organisationen wie der Welthungerhilfe.“ Dass in Haiti noch viel zu tun ist, stellte auch WelthungerhilfePräsidentin Bärbel Dieckmann fest, als sie Anfang Januar 2011 ins Erdbebengebiet reiste. Zudem war im Oktober die Cholera ausgebrochen. Um die Krankheit zu bekämpfen, unterstützt die Welthungerhilfe 1.500 kubanische Ärzte, die Kranke in Gesundheitszentren behandeln und über Vorsorge aufklären. In den ländlichen Gebieten im Süden von Port-au-Prince besuchte Bärbel Dieckmann Menschen, die mit Hilfe der Welthungerhilfe Häuser wieder aufbauen. „Hier packen die Leute mit an. Es sind erste Schritte in eine positive Zukunft“, glaubt die Präsidentin. „Wir unterstützen die Haitianer dabei, ihr Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Das ist der richtige Weg, denn nur wenn wir die haitianische Bevölkerung und ihre Regierung einbeziehen, können sich die Lebensumstände in Haiti dauerhaft zum Guten ändern.“ Es wird noch lange dauern, bis sich der Alltag in Haiti grundlegend verbessert – auf dem Weg dorthin wird die Welthungerhilfe das Land in den kommenden fünf Jahren begleiten und mit Spendengeldern unterstützen. Lesen Sie in unserem Spezial zum Jahrestag unter www.welthungerhilfe.de Geschichten, Interviews, Fachartikel und vieles mehr. Erfahren Sie in Bildern, Filmen, Audios und Blogs über die Arbeit der Welthungerhilfe und welche Erfolge wir bisher erzielt haben!

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aktionen & kooperationen

>> Bärbel Dieckmann und Gerd Sonnleitner läuteten die „Grüne Woche“ ein. Bärbel Schäfer (li.) moderierte später die Diskussionsrunde.

Grüne Hilfe & goldene Wünsche Auf der Internationalen Grünen Woche in Berlin lockten spannende Mitmach-Aktionen Metallen ertönte das Läuten der riesigen Kuhglocke. Es war nicht der Almabtrieb, der eingeläutet wurde, sondern das klangvolle Startsignal für die diesjährige Spendenaktion des ErlebnisBauernhofes. Der Schauplatz: Berlin. Genauer gesagt die „Internationale Grüne Woche“, die weltgrößte Messe für Ernährung, Landwirtschaft und Gartenbau.

gerhilfe. Auf Fitnessrädern wurde bei „Radeln für Liberia“ kräftig in die Pedale getreten. Berliner Schulklassen und Messebesucher wollten stolze 5.573 km zurücklegen: einmal von Berlin bis nach Monrovia, Hauptstadt Liberias. Jeder geradelte Kilometer wurde von BVE-Partnern in Spenden für die dortige Landwirtschaftsförderung umgewandelt.

Am 21. Januar öffnete die Messe für zehn Tage ihre Hallen. Auf der Bühne des ErlebnisBauernhofs des Deutschen Bauernverbandes (DBV) herrschte prominentes Treiben: Hände wurden geschüttelt, es flammte Blitzlichtgewitter. Für WelthungerhilfePräsidentin Bärbel Dieckmann sowie für DBV-Präsident Gerd Sonnleitner und TV-Moderatorin Bärbel Schäfer stand eines besonders im Fokus: die gemeinsame Spendenaktion „Grün ist die Hilfe“. Unter diesem Motto sollte der Spendentopf – wie zuvor die Glocke – laut und rege klingeln.

In der Halle 3.2 lud die fröhliche Atmosphäre rund um den ErlebnisBauernhof zum Verweilen und Mitmachen ein: Einen persönlichen Wunsch an die deutsche Landwirtschaft auf goldene Äpfel schreiben, genau wie Ministerin Ilse Aigner? Und ob! Denn für jeden Wunschapfel stiftete der Herzapfelhof Lühs einen Euro für die Spendenkasse. Als weitere Überraschungen faszinierten die Showeinlagen der haitianischen Musikgruppe TiCorn. Und wer mehr Lust auf Karibik-Feeling bekommen hatte, ließ sich von kulinarischen Köstlichkeiten aus der Showküche verzaubern. Zum Nachtisch lockte der Duft von Selbstgebackenem die Besucher zur Muffin-Aktion der Landjugend. „BUY 1 PAY 2“ - ein Küchlein für den kleinen Appetit plus Spende gegen den großen Hunger.

Zum Beispiel für die weltweiten stillen Hungerkatastrophen wie in Mali oder Burkina Faso. Denn immer noch hungern über eine Milliarde Menschen, Tag für Tag, unbemerkt vom Rest der Welt. Genau hier soll die „grüne Hilfe“ ankommen. Gemeinsam mit der Bevölkerung werden brach liegende Flächen nutzbar gemacht, Gemüse- und Obstgärten angelegt. Die erwirtschafteten Erlöse können in Saatgut oder Schulgeld investiert werden. Ganz nach dem Vorbild der erfolgreichen Projektarbeit in Haiti im Jahr 2010. Auch der Stand der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) präsentierte sich im Zeichen der Welthun-

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Zum Abschluss am 28. Januar wurde es noch einmal spannend. Welthungerhilfe-Mitarbeiter Michael Kühn berichtete über die Arbeit in Haiti und stand Interessierten Rede und Antwort. Später diskutierten Repräsentanten aus Politik, Landwirtschaft und Industrie gemeinsam mit Bärbel Dieckmann über aktuelle Themen. Das Fazit der bunten Vielfalt der „Grünen Woche“: 20.000 Euro Spenden und die Überzeugung, dass gemeinsames Engagement Menschen in aller Welt konkrete Hoffnung schenken kann.


aktionen & kooperationen

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Schulen im Backfieber Bisher beteiligten sich rund 350 Schulen an der Welthungerhilfe-Muffinaktion Daheim und in den Schulküchen liefen seit dem Welternährungstag im letzten Jahr die Öfen heiß. Tausende Schülerinnen und Schüler buken duftende Muffins, es wurde gerührt, experimentiert und natürlich genascht. Für die Leckereien griffen die Käufer dann nach dem Motto „Buy 1 Pay 2“ gerne tiefer in die Tasche. Sie bezahlten den doppelten Preis, um hungernden Menschen auf der ganzen Welt zu helfen, eine kleine Großzügigkeit im Alltag. Bisher beteiligten sich über 350 Schulen und die Landjugend an der Aktion – und es werden immer mehr! Wir sagen „Danke“ für dieses überwältigende Engagement und zeigen Ihnen beispielhaft, was Kinder und Jugendliche auf die Beine stellten. Bedanken möchten wir uns nicht nur für die tollen Spenden, sondern auch für all die liebevoll gestalteten Briefe, Foto-Dokumentationen und Zeichnungen!

Den Naschkatzen des GutsMuthsGymnasiums in Quedlinburg schmeckte es für die gute Sache.

Nach erfolgreicher Arbeit stärkten sich die Bäckerinnen des Helmholtz-Gymnasiums in Bonn erst einmal selbst. Die Firmvorbereitungsgruppe aus Köln-Porz-Wahn verkaufte ihre Leckereien nach der Sonntagsmesse in St. Aegidius.

Mit Feuereifer buk die Klasse 6.3 des Windhorstgymnasiums Meppen ihre liebevoll verzierten Muffins.

Ihr Profi-Können fuhren die Bäcker und Fachverkäuferinnen des 2. Ausbildungsjahres der Beruflichen Schule des Landkreises Ludwigslust auf. Mit 650 Muffin-Köstlichkeiten brach die Schulgemeinschaft der Staatlichen Wirtschaftsschule Nördlingen den bisherigen Rekord.

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Lust, sich zu engagieren Eine neue Initiative der Welthungerhilfe bietet vielfältige Möglichkeiten für Menschen, die sich in größerem Umfang für eine Welt ohne Hunger engagieren möchten Endlich scheint die Zeit auch in Deutschland reif für eine neue Spendenkultur. Denn „Tue Gutes und rede darüber“ ist bislang hierzulande noch die Ausnahme. Großzügige Geber schweigen oft aus verschiedenen Gründen lieber über ihre guten Taten. Das ist bescheiden und selbstlos, doch sind die Spender so in der Öffentlichkeit leider kaum als Vorbilder wahrnehmbar. Dabei gibt es sie zahlreich, die Menschen, die mit ihrem Vermögen vieles bewegen. Mit der Initiative „Welt 3.0“ mobilisiert die Welthungerhilfe nun solche potenziellen Vorbilder, zeigt ihr Verantwortungsbewußtsein und ihre guten Taten – und möchte so Lust auf gemeinnütziges Engagement machen. Denn wohltätige Gaben bringen auch dem Geber etwas. Das dazu aus der Taufe gehobene Vorhaben „Welt 3.0“ bindet die Menschen stärker in die Entscheidung über ihr Engagement ein. Dass vermögende Menschen nicht nur im Verborgenen Gutes tun, weiß die Welthungerhilfe aus eigener Erfahrung. Viele von ihnen wollen sich engagieren, wollen helfen, Elend und Not zu lindern, haben Träume von einer besseren Welt. Diese Träume zu verwirklichen und aktiv zu leben, dabei hilft „Welt 3.0“. In Gesprächsrunden beispielsweise, bei Kamingesprächen und Reisen zu den Menschen in den Projektländern, werden persönliche Erfahrungen und reger Austausch untereinander ermöglicht. So lassen sich einerseits die Früchte des eigenen Engagements hautnah erleben. Und andererseits können diese Erfahrungen aktive wie neue Förderer dazu anregen, eigene Schwerpunkte zu setzen und ganz gezielt bestimmte Vorhaben zu fördern. Gemeinsam mehr erreichen Mit ihrer Initiative Millenniumsdörfer zeigt die Welthungerhilfe, dass Großes möglich ist, wenn vereinte Kräfte wirken. In diesen ausgewählten Regionen in Afrika, Asien und Lateinamerika arbeiten die Bewohner mit Unterstützung der Welthungerhilfe daran, die Millenniumsziele der UN zu erreichen. Hier werden die Menschen in ihren kleinen dörflichen Strukturen dazu befähigt, selbstständig, eigenverantwortlich und nicht zuletzt nachhaltig zu handeln, um Hunger und Armut zu verringern. Nachhaltigkeit ist jedoch nicht nur für die geförderten Projekte, sondern auch für die Initiative „Welt 3.0“ entscheidend. Geht es dabei doch vorrangig darum, langfristiges Engagement der Menschen zu erreichen und sie in die Arbeit der Welthungerhilfe einzubinden.

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Bei der Umsetzung des eigenen sozialen Engagements steht die Welthungerhilfe als Partner zur Verfügung und entwickelt im Gespräch mit den Förderern das für jeden Einzelnen passende Angebot: vom direkten Fördern über das einfache Stiften bis zum sinnvollen Vererben. Ein Beispiel für diesen Ansatz ist der Stiftungsfonds ÖkoHuman: Von einer Privatperson für ihr Herzensthema „Ökologie und humanitäre Hilfe“ initiiert und zusammen mit der Stiftung Welthungerhilfe in einem Stiftungsfonds umgesetzt. Gezielte Öffentlichkeitsarbeit über die durch ÖkoHuman geförderten Projekte begeistern aktuell über 100 weitere Unterstützer, die sich mit dem Thema identifizieren. Vereinte Kräfte, die wichtige und zukunftsträchtige Projekte wie die Aufforstung von indischen Mangrovenwäldern oder die nachhaltige Nutzung des Regenwaldes im Amazonasgebiet unterstützen. Maßgeschneidertes Engagement Die Idee, persönlich, aktiv und auch öffentlich Lust auf soziales Engagement zu machen, hat in kürzester Zeit bereits zahlreiche prominente Fürsprecher gefunden. Obwohl „Welt 3.0“ noch ganz jung ist, haben sich so unterschiedliche Menschen wie Entwicklungsminister Dirk Niebel, der TV-Koch Alexander Herrmann, Prälat Stephan Reimers oder der Moderator Dieter Thomas Heck hinter die Initiative gestellt. Sie alle rufen ihre Mitbürger auf, einen Teil ihres Vermögens in wohltätige Zwecke zu investieren. Die Welthungerhilfe hält für jeden Menschen, der sich einbringen möchte, das für ihn passende Angebot bereit. Wir laden Sie ein, Teil dieser Bewegung zu sein. Die Zeit ist reif. Sprechen Sie uns an.

S ervi S ervi c ec e Sie möchten selbst als Förderer aktiv werden: Dr. Albert Otten Geschäftsführer Stiftung Welthungerhilfe Tel: 0228/22 88-600 albert.otten@stiftung-welthungerhilfe.de www.stiftung-welthungerhilfe.de


aktionen & kooperationen: Stiftung

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Unsere Angebote für Ihr Engagement Individuelle Vorschläge Sie haben bestimmte Vorstellungen von Ihrem Engagement und möchten unmittelbar und direkt wirken? So können Sie sich beispielsweise für eine bestimmte Region bzw. für eine bestimmte Maßnahme engagieren oder die Arbeit der Welthungerhilfe umfassend unterstützen.

Persönlicher Kontakt Im persönlichen Gespräch arbeiten wir Ihre Vorstellungen aus und stellen Ihnen geeignete Vorhaben vor.

Transparente Dokumentation Wir halten Sie auf dem Laufenden: Regelmäßige Projektberichte zeigen Ihnen, wie sich die Lebenssituation der Menschen entwickelt.

direkt fördern Vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten Wir bieten Ihnen verschiedene Stiftungsformen für Ihr langfristiges Engagement für eine Welt ohne Hunger. Allen gemeinsam ist, dass immer nur die Zinsen für die Projektarbeit verwendet werden, Ihr Kapital bleibt unangetastet und wirkt somit Jahr für Jahr.

Gründung und Umsetzung Bereits ab einer Vermögenseinlage von 5.000 Euro können Sie zum Stifter werden. Wir beraten Sie während der Konzeptionsphase und wickeln die komplette Gründung Ihrer Stiftung ab.

Günstige Verwaltung Auch nach der Gründung stehen wir Ihnen mit einer günstigen Verwaltung und einer individuellen Betreuung zur Seite.

einfach stiften Den letzten Willen formulieren Wer sich auch über das eigene Leben hinaus für eine Welt ohne Hunger engagieren will, sollte ein Testament verfassen. Neben Familienmitgliedern können Sie auch gemeinnützige Organisationen wie z. B. die Welthungerhilfe bedenken.

Allgemeine Informationen Wir bieten Ihnen an, sich kostenlos über die rechtlichen Grundlagen der Testamentserstellung und Themen wie gesetzliche Erbfolge, Erbschaftsteuer und Möglichkeiten der Testamentsgestaltung zu informieren.

Weiterführende Beratung Gerne vermitteln wir Ihnen erfahrene Anwälte für Erbrecht, die Sie bei der Erstellung komplexer Testamente beraten können.

sinnvoll vererben

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aktionen & kooperationen

Kicken gegen den Durst Viele Tore für den guten Zweck fielen beim „Kick it like water“-Soccer Cup in Köln Für den kleinen Hunger stand ein erstklassiges Büffet bereit: duftende Kartoffelsuppe, bunte Salate sowie Kuchengenuss für jeden Geschmack. Alles von freiwilligen Helferinnen und Helfern selbst gemacht, um den Spendentopf noch zusätzlich zu füllen, denn nicht nur die Teams wollten mit ihrer Anmeldegebühr einen Beitrag zum Hilfsprojekt leisten. Damit obendrein jeder Teilnehmer selbst zum Durstlöscher wurde, gab es von Viva con Agua gleich eigenes Wasser. Sechzig Prozent von jedem Euro, der für das stille oder prickelnde Vergnügen gesammelt wird, hilft so, weltweit Durst zu löschen.

>> D as Team der Welthungerhilfe kämpfte sich mit viel Einsatz zum vierten Gruppenplatz.

Am 4. Dezember war es so weit: Zeit für das sportliche Highlight zum Abschluss eines erfolgreichen Jahres der Kooperation zwischen Viva con Agua und der Welthungerhilfe. Unter der Schirmherrschaft von Rainer Adrion (Nationaltrainer der deutschen U 21) und Marcel Eger (Innenverteidiger beim FC St. Pauli) wurde zeitgleich mit vielen anderen Städten auch in Köln ganz offiziell zum zweiten internationalen Viva con AguaFußballturnier angepfiffen. Für 16 Teams, ganz gleich ob Profisportler oder Hobby-Soccer, hieß es einen ganzen Tag lang „Ran an den Ball“. Neben Spaß und jeder Menge Spannung stand bei den Ballkünstlern ein gemeinsames Ziel im Mittelpunkt: sauberes Wasser für die Menschen in Norduganda. Denn alle Erlöse rund um das wohltätige Turnier fließen in das aktuelle Hilfsprojekt von Viva con Agua (VcA) und der Welthungerhilfe. Der jahrzehntelang vom Bürgerkrieg betroffene Oyam-Distrikt im Norden Ugandas soll unter anderem durch den Aufbau einer Trinkwasserversorgung nachhaltig unterstützt werden. Um 9.00 Uhr morgens trafen die Teams im Soccer Treff Pesch ein. Auch das Team der Welthungerhilfe war angereist, um in knallgrünen Shirts beim Fußball Farbe zu bekennen. Punkt 10.00 Uhr ertönte der Anpfiff für vier Teams, um in der ersten Gruppenrunde gegeneinander anzutreten. Im 20-Minuten-Turnus wechselten sich Teams und Schiedsrichter unter dem anfeuernden Beifalll der zahlreichen begeisterten Fans ab.

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Der Gewinner lautete Uganda Um 17.00 Uhr hieß es dann Nervenkitzel pur, denn das Finale stand bevor. Wer würde durch Ausdauer und spielerische Leistung glänzen? Das Team Crème Flash oder die Jungs vom Marcell Davis 1&1 Kompetenzteam Ehrenfeld? Ein kurzer Anpfiff aus der Trillerpfeife und schon ging’s los. Es wurde gekickt, gelaufen und getrickst. Trotz vieler spannender Spielzüge auf beiden Seiten landete das Leder jedoch ausschließlich im Netz des Teams Crème Flash – sieben Mal sogar! Und damit stand der diesjährige Sieger fest: Ganz nach Fußballermanier ließ sich das Ehrenfelder Kompetenzteam feiern und bejubeln. Am Ende eines emotionsgeladenen Tages mit Viva con Agua waren alle erschöpft, aber glücklich. Ganz besonders natürlich darüber, dass mit vereinten Kräften dafür gesorgt wurde, dass der Spendentopf für das Hilfsprojekt im Oyam-Distrikt um rund 1.650 Euro mehr gefüllt ist. Übrigens: Wie wichtig jeder Beitrag zu den von Viva con Agua unterstützten Projekten ist, hat uns das letzte Jahr bereits gezeigt. Dank der vereinten Hilfe konnten über 25.000 Menschen mit sauberem Wasser versorgt werden! Ein ganz herzliches Dankeschön gilt allen Spendern und freiwilligen Helferteams, die an diesem großartigen Erfolg mitgewirkt haben.

>> Weltweiter Durstlöscher: Mit dem Verkauf des VcA-Mineralwassers werden Wasser-Projekte der Welthungerhilfe unterstützt.


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>> Unter Beifall jagte Till Demtrøder ins Ziel. Viel mehr als auf‘s Gewinnen kam es ihm aber auf den Einsatz für die Welthungerhilfe an.

Ins Rennen für die gute Sache Till Demtrøder lud zum Schlittenhundrennen für die Welthungerhilfe Bei strahlendem Sonnenschein und eisigen Temperaturen wurde es im vergangenen Dezember im österreichischen Kühtai spannend: Vierzig Husky-Schlitten-Gespanne warteten auf den Startschuss. Bereits zum zweiten Mal hatte TV-Star Till Demtrøder zum „Tirol Cross Mountain“-Schlittenhundrennen eingeladen. Seine prominenten Gäste kamen dabei trotz der Minusgrade ganz schön ins Schwitzen. Zum hochkarätigen Starterfeld zählten Fernsehstars wie Kai Wiesinger, Eva Habermann, Mariella Ahrens, Bernd Herzsprung und Hans Sigl. Sie und viele andere waren in Österreichs höchstgelegenem Skiort Kühtai angetreten, um für die gute Sache ins Rennen zu gehen. Vier Tage Spaß und Action brachten 10.000 Euro Spenden für die Arbeit der Welthungerhilfe ein. Gestiftet wurde diese Summe vom PGV Maklerservice aus Hamburg, der damit den Mut und Einsatz der prominenten Teilnehmer belohnte. Till Demtrøder, bekannt aus den Serien „Der Landarzt“ und „Großstadtrevier“, hatte Freunde und Kollegen zusammengetrommelt und zeigte sich mehr als zufrieden: „Es war klirrend kalt, doch die Sonne strahlte über unserer Rennstrecke! Ich bin absolut begeistert von der traumhaften Kulisse, den faszinierenden Schlittenhunden und meinen überaus mutigen Gästen, die sich erneut mit ungeheurem Spaß und Ehrgeiz in das Abenteuer Tirol Cross Mountain gestürzt haben.“ 80 der weltbesten

Schlittenhunde mit ihren Betreuern zogen die Wettstreiter als Schlittenführer über den Parcours. Projekte in Tadschikistan überzeugten Demtrøder Bis zu 40 Stundenkilometer erreiche solch ein Gespann, wusste Dieter Wolf, Präsident des deutschen Hundeschlittenverbandes, zu berichten. Schauspielerin Lisa Seitz ging als schnellste Dame durchs Ziel und sprach ihren großen Respekt vor den schnellen Vierbeinern aus: „Vor allem möchte ich mich bei den Mushern (Betreuern) bedanken, die uns ihre tollen Hunde anvertraut haben. Ich bin allerdings auch stolz auf mich, dass ich mich mit den Hunden des amtierenden Europameisters auf die Strecke traute.“ Neben Vergnügen und Abenteuer ging es Till Demtrøder aber vor allem um eine Spende an die Welthungerhilfe, für die er sich seit dem letzten Jahr engagiert. Seine Reise in das verarmte zentralasiatische Tadschikistan überzeugte ihn, wie erfolgreich die Projekte dort die Lebensumstände der Bevölkerung verbessern. Sei es in der Landwirtschaft oder bei alternativen Einkommensmöglichkeiten wie dem Ökotourismus. Statt pompös gestaltete Till Demtrøder sein Benefiz-Event ganz bewusst bodenständig. „Weniger ist oft mehr“, sagte er, und lud seine Gäste zu einem zünftigen Tiroler Abend ein. Herzliche Gastfreundschaft hatte der Künstler in Tadschikistan erfahren, selbst dort, wo die Menschen am Existenzminimum leben. Mit seinem Engagement möchte er etwas davon zurückgeben.

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Coole Jungs lässt Leid nicht kalt Deutscher Eishockey-Bund macht sich für die Welthungerhilfe stark „Ohne Wasser ist das Spiel aus“ lautet das Motto der Kooperation zwischen dem Deutschen Eishockey–Bund (DEB) und der Welthungerhilfe. Denn ohne das kostbare Nass gäbe es weder den Eishockey-Sport noch könnte die Menschheit überleben. Weltweit fehlt es 2,5 Milliarden Menschen an sanitärer Grundversorgung, fast 900 Millionen haben keinen Zugang zu sauberem Trinkwasser und 1,9 Millionen Menschen sterben jährlich an Durchfallerkrankungen. >> Schauspielerin Michaela May beim Anstoß.

„Der DEB hat als Spitzensportverband in Deutschland eine hohe soziale Verantwortung“, erklärt Manuel Hüttl, DEB-Vizepräsident und Initiator der Kooperation. „Wir möchten unseren Teil dazu beitragen, dort zu helfen, wo es am nötigsten ist.“ So stürmten die deutschen Eishockeynationalspieler beim letztjährigen Deutschland Cup in Trikots mit Welthungerhilfe-Logo über das Eis der Münchner Olympiahalle und machten auf den Trinkwassermangel in Entwicklungsländern aufmerksam. Den prominenten Anstoß des entscheidenden Spiels gegen die Schweiz gab Schauspielerin Michaela May. Sie hatte sich im indischen Sarwan persönlich von der Arbeit der Welthungerhilfe überzeugt. Mit dem 1. Platz beim Deutschland Cup siegte dann nicht nur die deutsche Nationalmannschaft, sondern auch das soziale Engagement. In ihrer Videobotschaft an die Zuschauer brachten es die Spieler auf den Punkt: „Coole Jungs spenden, denn wahre Coolness bedeutet Warmherzigkeit!“

Wissen und Kräfte bündeln Partnerschaft mit der DWA hilft Menschen in Kenia Gemeinsam können wir viel bewirken, beschlossen die Deutsche Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall (DWA) sowie die Welthungerhilfe. Im Rahmen einer dreijährigen strategischen Partnerschaft werden beide ihre Kräfte bündeln und für Menschen eintreten, die unter katastrophalen Bedingungen leben. Tausende Menschen sterben täglich infolge von verschmutztem Trinkwasser und aus Mangel an sanitärer Grundversorgung. „Es ist ein Gebot der Mitmenschlichkeit, hier zu helfen. Gestützt auf jahrzehntelange Erfahrungen ihrer Mitglieder kann sich die DWA in diesen Bereichen beratend einbringen und wird ihre Mitglieder zu Spenden aufrufen“, so Otto Schaaf, DWA-Präsident. Schon jetzt ist abzusehen, dass zunehmende extreme Wetterereignisse die ohnehin schon begrenzten Wasserressourcen weiter verknappen werden. „Hier gilt es, nachhaltige Lösungen zu finden. Ich bin zuversichtlich, dass wir durch die fachliche Kompetenz der DWA-Mitglieder einen bedeutenden Schritt weiterkommen werden“, bekräftigte Mathias Mogge, Vorstand Programme der Welthungerhilfe. Vor allem in den ländlichen Gebieten des südlichen und östlichen Afrikas arbeitet die Welthungerhilfe daran, mehr Menschen mit Wasser und sanitären Einrichtungen zu versorgen. So wer-

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>> P artner: DWA-Präsident Otto Schaaf und Matthias Mogge, Vorstand Programme der Welthungerhilfe.

den Toiletten gebaut sowie Regenwasser von Felsen aufgefangen und Dachrinnen an Schulen angebracht, um Wasser zu sammeln. Die Spenden der DWA und ihrer Mitglieder fließen in Wasserprojekte der Welthungerhilfe in Kenia.


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Mit wenig Geld viel bewirken Die Tereska-Stiftung fördert Kinder in vergessenen Katastrophen-Gebieten v o rgeste l l t

Tereska-Stiftung Ende 2008 gründete Gregor Siebenkotten die Tereska-Stiftung und startete mit der Welthungerhilfe-Kooperation deren erste Fördermaßnahme. Der Name Tereska geht auf ein Foto von David Seymour aus dem Jahr 1948 zurück. Die kleine Tereska hatte das KZ überlebt und sollte ihr „Zuhause“ an eine Tafel malen. Die wirren Linien, die sie malt, und ihr trostloser Blick haben Gregor Siebenkotten nicht mehr losgelassen und ihn in der Entscheidung bestärkt, sich mit der Stiftung auf Kinder in großer Not zu konzentrieren. www.tereska.de >> Diese Mädchen finden in Nefas Mewcha ein neues Zuhause.

Gerade erst feierte die Tereska-Stiftung ihren zweiten Geburtstag. Seit Anfang 2010 unterstützt die Frechener Stiftung das Welthungerhilfe-Projekt für Waisen und deren Restfamilien in Äthiopien. Denn dieses trifft exakt die Ziele des Stiftungsgründers: Der ehemalige Biotech-Unternehmer und heutige Fotograf Dr. Gregor Siebenkotten will die Situation von Kindern und Jugendlichen in den ärmsten Regionen der Welt verbessern. „Mir geht es darum, Regionen zu fördern, die nicht im Zentrum des Medieninteresses stehen“, sagt Gregor Siebenkotten. „Äthiopien findet in der Öffentlichkeit kaum noch statt, deshalb habe ich mich für dieses Projekt entschieden.“ Nefas Mewcha, die Hauptstadt des Distrikts Lay Gayint etwa 770 Kilometer nordöstlich der Hauptstadt Addis Abeba, spiegelt die Problematik des ganzen Landes wider: Die Armut ist groß, HIV und AIDS sind weit verbreitet, viele Menschen sterben an den Folgen. Zurück bleiben schutzlose Halb- und Vollwaisen. Ohne soziale Bindung und gezielte Betreuung stehen sie vor dem Nichts. Für diese Mädchen und Jungen betreibt die Welthungerhilfe mit einer lokalen Partnerorganisation seit 1997 ein Sozialprojekt. 225 Kinder und Jugendliche erhalten finanzielle sowie medizinische Unterstützung, sie bekommen Zusatznahrung, Schul­ materialien und Kleidung, Mikrokredite und nicht zuletzt eine Berufsausbildung. Die verbleibenden Angehörigen werden ebenfalls in das Projekt einbezogen, um die Familie zu stärken. „Beeindruckend finde ich, mit wie wenig Geld man in Nefas Mewcha viel bewirken kann“, sagt Gregor Siebenkotten. „260 Euro im Jahr reichen, um einem Kind eine echte Perspektive zu geben! Besonders gut finde ich, dass das Projekt versucht,

die Kinder bei den Verwandten zu belassen und nicht in ein Heim zu stecken. Beispielsweise erhalten Angehörige Fortbildungen oder Mikrokredite für eine Geschäftsidee.“ Außerdem schätzt er die Zusammenarbeit mit der lokalen Partnerorganisation und den Behörden vor Ort. Sein gesellschaftliches Engagement empfindet der Fotograf nicht als Altruismus: „Wer mit einem Mal viel Geld hat, wie ich durch meinen Firmenverkauf, steht einfach in der Verantwortung, etwas für die Allgemeinheit zu tun“, erklärt Gregor Siebenkotten. Vom Erlös seiner Biotech Firma erfüllte sich der promovierte Biologe zwei Träume: Persönlich startete er eine neue Karriere als Fotograf, einen Teil des Gewinns wollte er an eine gemeinnützige Organisation spenden. „Dann erfuhr ich, dass ich mit einer Stiftung weit mehr bewirken kann“, sagt der 49-Jährige. Nach der Gründung von Tereska suchte er Kontakt zu erfahrenen Organisationen und traf dabei auf die Welthungerhilfe. „Die Zusammenarbeit läuft hervorragend!“ Gregor Siebenkotten schätzt die Professionalität, Kommunikation und Transparenz seines Partners. Eines Tages wird er sich das Waisenprojekt in Äthiopien vielleicht selbst anschauen. S ervi c ec e S ervi Sie möchten mehr über die Kooperation der Welthungerhilfe mit Stiftungen erfahren: Walburga Greiner Stiftungskooperationen Tel. 0228/22 88-304 walburga.greiner@welthungerhilfe.de

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Förderpartner

Vitamine wachsen auf dem Dach Gewächshäuser lindern den Hunger im nordkoreanischen Pjöngjang und Sunchon

>> Das Gemüse aus dem Gewächshaus macht die Mitglieder der Kooperative unabhängig von teuren Lebensmitteln auf dem Markt.

Regelmäßig werden in Nordkorea die Nahrungsmittel knapp, denn nur etwa 20 Prozent der Staatsfläche können landwirtschaftlich genutzt werden. Schlecht zugängliche Hügel und Berge verhindern einen ertragreichen Anbau ebenso wie heißfeuchte Sommer und lange, harte Winter. Schätzungen zufolge waren Ende des vergangenen Jahres fünf Millionen Menschen von Hunger bedroht. Rund 20 Prozent der Kinder gelten als untergewichtig. Die Welthungerhilfe arbeitet seit 1997 in Nordkorea, errichtet Gewächshäuser, treibt den Obst- und Gemüseanbau voran und trägt dazu bei, dass sich auch die Menschen in den Städten mit Nahrungsmitteln versorgen können. Als die Sowjetunion Anfang der 90er-Jahre zusammenbrach und die bisherigen Subventionen für Nordkorea ausblieben, geriet das Land in extreme wirtschaftliche Probleme. Noch heute mangelt es an Saatgut, landwirtschaftlichen Maschinen und Energie, um ausreichend Nahrungsmittel im eigenen Land zu produzieren. Um diese zu importieren aber fehlt das Geld. Gerade die städtische Bevölkerung trifft das hart, denn ohne ein eigenes

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Stückchen Land gibt es keinerlei Möglichkeit, selbst Obst oder Gemüse anzubauen. So konzentriert sich die Welthungerhilfe mit einem Projekt auf die beiden größeren Städte Pjöngjang und Sunchon. Rund 250.000 Männern, Frauen und Kindern, die weder von staatlicher Hilfe profitieren, noch Verwandte auf dem Land haben, von denen sie mit Nahrungsmitteln versorgt werden könnten, kommen die Aktivitäten zugute. Was die Welthungerhilfe den Menschen hier anbietet, ist ganz auf Hilfe zur Selbsthilfe ausgerichtet. Und zwar sowohl auf Familien­ ebene als auch in größerem Umfang außerhalb der Stadt. Da es in den Wohngebieten kaum private Gärten oder freie Grünflächen gibt, sieht das Projekt eine praktische Lösung vor. Je zwei Familien erhalten Material wie Stangen und Folien, um daraus unter Anleitung ein kleines Gewächshaus zu bauen, meist im Hinterhof, gleich an das Wohnhaus gefügt. Auf diese Weise können die Nutzer ihre Tomatensträucher, Salatköpfe, Gurken oder Sojasprossen ohne große Wege bewirtschaften und ihre täglichen Mahlzeiten bereichern. Dank der sparsamen Tröpfchen-Bewässerung mit zu-


förderpartner gesetzten Nährstoffen kann auf Erde verzichtet werden, und so dienen sogar Balkone oder flache Hausdächer als Anbauflächen. Mit großen Gewächshäusern auf dem Gelände bäuerlicher Kooperativen am Stadtrand sorgt die Welthungerhilfe zudem dafür, dass Familien hier Nahrungsmittel über den Eigenbedarf hinaus produzieren und weiterverarbeiten können. Auch hier übernehmen die Bauernfamilien die Aufbauarbeit und Bewirtschaftung selbst, besonders arme Familien bekommen zusätzlich Lebensmittel als Lohn für ihre Tätigkeit. Einen Teil der Ernte behalten die Mitglieder der Kooperative zum Eigenverzehr oder zum Verkauf, der andere geht an Kindergärten, Schulen, Kranken- und Waisenhäuser. Denn hier fehlt es nicht nur generell an Lebensmitteln, sondern vor allem an dem fast unerschwinglich teuren vitaminreichen Gemüse.

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Förderpartner machen es möglich! Nordkorea ist nur ein Beispiel dafür, wie die Welthungerhilfe dank der treuen Unterstützung ihrer Förderpartner Großes bewirken kann. Regelmäßige und nicht an ein Projekt gebundene Spenden sind für unsere Arbeit so wichtig, da sie langfristige Hilfe planbar und sicher machen, zudem aber auch schnell und flexibel im Krisenfall einsetzbar sind. Dauerhafte Spenden helfen dabei, die Welt ein wenig besser und gerechter zu gestalten!

Neue Öfen sparen Energie Um die Gewächshäuser optimal auszunutzen, liefern in Tanks gezüchtete Fische zusätzlich eiweißhaltige Nahrung. Zudem werden hier Biogasanlagen betrieben, die im Freien während der kalten Wintermonate gar nicht funktionieren könnten. Das gewonnene Gas benötigen die Bewohner für Lampen und Herde in ihren Häusern. Energiemangel stellt eines der größten Pro­ bleme in Nordkorea dar. Wer nicht in den Genuss von Gas kommt, oder sich keine Kohle leisten kann, ist auf Holz angewiesen. Schon heute sind riesige Waldflächen abgeholzt. Die Welthungerhilfe wirkt dieser Entwicklung entgegen, indem sie Familien mit energiesparenden Öfen ausstattet, die nur die Hälfte an Kohle benötigen. Parallel hierzu werden die Hänge wieder aufgeforstet. Über eine Million Bäume sind bereits gepflanzt, unter anderem Nutzbäume wie Walnuss. Dies schützt die Hänge vor extremen Regenfällen oder Stürmen und befestigt gleichzeitig freie Flächen so, dass sie landwirtschaftlich genutzt werden können, hauptsächlich für Nassreis, Mais und Kartoffeln. Bisher spielten der Obst- und Gemüseanbau lediglich eine untergeordnete Rolle in Nordkorea, doch gerade nährstoff- und vitaminreiche Lebensmittel sind wichtig, um besonders bedürftige Menschen gezielt zu versorgen. So befinden sich die meisten der großen Gewächshäuser bewusst in der Nähe sozialer Einrichtungen. Auch weiterhin wird die Welthungerhilfe daran arbeiten, die Stadtbevölkerung von Nahrungsmittelhilfe und teuren Lebensmitteln auf den Märkten unabhängig zu machen. Beispiele der Fortschritte n Bisher konnten insgesamt 600 Gewächshäuser errichtet werden. n Darin

wurden 167.000 kg vitaminreiches Gemüse wie Tomaten, Gurken oder Salat produziert.

n Bereits

8.000 Familien erhielten einen energiesparenden Kohleofen, der Kosten und Umwelt schont.

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Biogasanlagen liefern Familien Energie zum Kochen und für Licht.

>> Dank der speziellen Nährlösung wächst Gemüse sogar auf Dächern. S ervi c e Sie möchten mehr über Förderpartnerschaften erfahren: Helene Mutschler Dauerspenderbetreuung Tel. 0228/22 88-175 h.mutschler@welthungerhilfe.de

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Porträt

Der Mann der Quellen Rainer Schmid arbeitet für die Welthungerhilfe in Haiti Wenn nachts die Erde wackelt, schläft Rainer Schmid weiter. Seit zehn Jahren arbeitet der 60-Jährige für die Welthungerhilfe als Projektleiter im Nordwesten Haitis. Für seine Arbeit hat er Frau und Tochter in Deutschland zurückgelassen. Statt eines beschaulichen Familienlebens hat er in den vergangenen Jahren einige Erdbeben erlebt – so viele, dass ihn kleine Erschütterungen kaum beeindrucken. Das Erdbeben vom 12. Januar 2010 allerdings hat seinen Alltag verändert. Rainer Schmid wühlt sich durch einen Zeitungsberg. Gerade ist die „Zeit“ angekommen. Nicht ein Exemplar, sondern sämtliche Ausgaben aus dem vergangenen halben Jahr. „Ich lese jetzt die Berichterstattung von unmittelbar nach dem Erdbeben.“ Fast ein Jahr nach der Katastrophe. Es gibt kaum deutsche Literatur in Haiti, erst recht nicht in Jean-Rabel – Schmid liest alles, was er in die Finger bekommt. „Es dauert Monate, bis hier etwas ankommt. Seit dem Erdbeben wird noch weniger geliefert“, bedauert er. Nur alle sechs Wochen Fleisch Die 1.500-Familien-Stadt Jean-Rabel liegt im Nordwesten Haitis, dem ärmsten Landstrich des ärmsten Landes der westlichen Hemisphäre. Jean-Rabel besteht aus niedrigen Häusern und Blechhütten, die sich entlang einer in der Regenzeit vermatschten Hauptstraße ducken. Am Ortsrand in einem Häuschen lebt Rainer Schmid. In der Umgebung auf dem Land gibt es noch ein paar Bauernhütten aus Stroh. Obst und Gemüse wird am Straßenrand verkauft, einen Supermarkt gibt es nicht. An Fleisch oder Butter kommt Schmid, der gerne gut isst, nur alle

>> Rainer Schmid arbeitet seit zehn Jahren in Haiti.

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sechs Wochen, wenn er dienstlich nach Port-au-Prince fährt. Obwohl nur 250 km entfernt, dauert es mit dem Auto 13 Stunden, bis Schmid über unbefestigte Steinpisten in die Hauptstadt gelangt. Dass Jean-Rabel so weit ab vom Schuss liegt, war am 12. Januar 2010 jedoch von großem Vorteil: Während das Erdbeben im Landeszentrum die Hauptstadt Port-au-Prince sowie andere Städte in Trümmerlandschaften verwandelte, zitterte der Boden in Jean-Rabel nur leicht. Nachts schläft Schmid auf der Terrasse Kleinere Beben kommen in der Region öfter vor. Schmid nimmt sie kaum noch wahr. „Nachts verschlafe ich sie.“ Sein Haus hingegen steckt die Erschütterungen nicht so leicht weg: An den Wänden und am Fußboden klaffen Risse von vorangegangenen Beben. Das Haus ist nicht erdbebensicher, um herabfallenden Wänden nicht ausgeliefert zu sein, schläft der Projektleiter der Welthungerhilfe auf der Terrasse. Wenige Tage nach dem 12. Januar waren es keine Risse in der Wand, die von einem Erdbeben erzählten, sondern Busladungen voller Menschen: Erdbebenflüchtlinge aus dem Süden. „Sie suchten Unterschlupf bei Angehörigen hier im Norden“, erinnert sich Schmid. Mit einem Mal war Jean-Rabel, die von Wüste umschlossene Stadt, in der die meisten Haushalte nicht über fließend Wasser und Strom verfügen, ein begehrtes Reiseziel. Ein Großteil der

>> Beim Straßenbau helfen Frauen wie Männer und erhalten dafür Lohn.


Porträt

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>> Hier entsteht ein Wasserrückhaltebecken, um kostbares Regenwasser für trockene Zeiten zu speichern.

Bevölkerung im Norden ist in der Landwirtschaft tätig und bitterarm. „Die Menschen hatten schon vorher kaum zu essen. Die Flüchtlinge drohten, die allerletzten Nahrungsmittel zu verbrauchen“, erzählt der Projektleiter.

Einheimischen dankten es mit deutlichen Worten: „Willkommen Herr Schmid. Wir lieben dich.“ Ein Banner mit dieser Beschriftung hing eines Morgens in seinem Büro. Täglich spornt es Schmid seitdem bei seiner Arbeit an.

Für Schmid und sein Team, das in zehn Jahren von Null auf 60 haitianische Mitarbeiter angewachsen ist, galt es tausende Hilfsbedürftige zu versorgen. Sie verteilten Nahrungsmittel, stellten Flüchtlinge in Cash-for-Work-Projekten ein, bei dem sie einen kleinen Lohn für ihre Arbeit erhielten: Anlegen von Wasserkanälen, Straßenbau und Befestigung von erosionsgefährdeten Berghängen. Mit ähnlichen Maßnahmen ist es Schmid schon vorher gelungen, staubtrockene Wüste in blühende, besiedelte Landschaften zu verwandeln.

Vor zehn Jahren hat ihm die Welthungerhilfe angeboten, im Nordwesten Haitis mit verarmten Bauern Nahrungsmittel anzubauen, um deren Ernährung langfristig sicherzustellen. „Ich wollte mich für die Sache einsetzen – unter der Bedingung, dass ich mindestens fünf Jahre bleiben darf. In kürzerer Zeit lässt sich nichts Sinnvolles verwirklichen.“

„Ich bin hierhergekommen, um den Menschen Wasser zu bringen“, sagt der Projektleiter. Er trägt zwei Armbanduhren – eine links, eine rechts. Die eine hat große, leicht zu lesende Ziffern. In der anderen Uhr ist ein Höhenmesser integriert. „Wenn ich eine Quelle finde, rechne ich damit aus, ob sich der Bau einer Bewässerungsanlage lohnt.“ Mit dem Wasser kamen Arbeit und Brot Schmid hat mit den Menschen im Nordwesten kilometerlange Kanäle gebaut und damit hunderte von Hektar bewässert. Entlang der Bewässerungsanlagen wachsen jetzt Bananen, Bohnen, Zwiebeln und Mais. Die Bauern haben sich in der Nähe ihrer Felder angesiedelt. Mit der Anwesenheit des WelthungerhilfeProjektleiters kamen Arbeit und Essen in die karge Gegend. Die

Zu Weihnachten in Deutschland Schmid hatte Erfahrung in der Entwicklungsarbeit, war zuvor fast 20 Jahre in Afrika, dort hat er unter anderem mit den Einheimischen landwirtschaftliche Produkte angepflanzt und vermarktet. Zuletzt hat er zehn Jahre bei der Deutschen Lehranstalt für Umwelt und Agrartechnik in Baden-Württemberg gearbeitet. Diese Stelle ließ er für Haiti hinter sich, genauso wie Frau, Tochter, Mainekoon-Kater und Haus im Schwäbischen. Im ersten Haiti-Jahr kam Schmids Frau einmal zu Besuch – eine Woche wollte sie bleiben, um Jean-Rabel und die Arbeit ihres Mannes kennenzulernen. Nach zwei Tagen war sie wieder fort – und seitdem nie mehr da. Zu einsam, wild und unruhig sei es ihr gewesen, meint Schmid. Seitdem sieht sich das Ehepaar nur einmal im Jahr, zu Weihnachten in Deutschland. Der 60-Jährige freut sich, irgendwann dauerhaft dorthin zurückzukehren: Die „Zeit“ wird dann jedenfalls pünktlich kommen.

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wir über uns

Neues Wir-Gefühl im Web Wer Spenden als anonyme Einbahnstraße empfindet, der ist hier genau richtig: bei 123Wir. Das neue SpendenNetzwerk der Welthungerhilfe schafft eine Gemeinschaft, in der sowohl die Menschen in den Projektländern als auch die Spender eine neue Möglichkeit des Austauschs finden. Direkter und ungefilterter Kontakt auf Augenhöhe wird dank der Technik möglich – das „123WIR“ ergänzt um das „mit dir!“ Auf 123WIR.org stellen sich die Hilfsprojekte der Welthungerhilfe aus drei Kontinenten vor, mit ihren Mitarbeitern und den Menschen, die dort leben. Ausgewählte Korrespondenten bloggen regelmäßig über Fortschritte ihrer Arbeit, aber auch über ihre Lebensbedingungen im jeweiligen Land. Mit Unterstützung von Bildern und Videos wird aus Spenden erlebbare Partnerschaft mit authentischen Emotionen. Wie in anderen sozialen Netzwerken steht der Austausch im Vordergrund. Das Spannende dabei: Sie treten direkt und unmittelbar in Kontakt mit Menschen in Afrika, Asien oder Lateinamerika. Das ist partnerschaftliche Hilfe auf Augenhöhe. Mit 123WIR wird die Welt zum globalen Dorf, das Sie ins eigene Wohnzimmer holen. Ein Netzwerk mit vielen Vorteilen gegenüber der herkömmlichen Spendenpraxis. Alle, die mitmachen,

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können sich mit anderen Interessierten und Gleichgesinnten verbinden und austauschen. Planen Sie eine Spendenaktion, allein oder als Gruppe? Dann ist 123WIR.org der richtige Ort, um diese anzukündigen, über die Vorbereitungen und natürlich über den großen Tag zu berichten. Einen Beitrag mit Foto oder einen kleinen Film online zu stellen ist ganz einfach – auch ohne besondere Internetkenntnisse. Oder Sie bilden über das Netzwerk ein Team, um für einen bestimmten Zweck einzutreten. Den Möglichkeiten sind dabei kaum Grenzen gesetzt. Die Welthungerhilfe macht mit dem neuen Angebot die globale Vernetzung der Unterstützer und Menschen vor Ort möglich. Und mit Ihrer aller Unterstützung und Engagement wird das neue Netzwerk unsere Projektarbeit überall dort, wo Hilfe nötig ist, weiter voranbringen. Alle sind miteinander verbunden und dadurch Teil einer großen, sichtbaren und erfahrbaren Gemeinschaft mit demselben Ziel – eine Welt ohne Hunger und Armut. Werden Sie Teil dieser Gemeinschaft unter www.123WIR.org S ervi c e Sie möchten mehr über 123wir.org erfahren: Vanessa Dobkowitz Online-Marketing Tel. 0228/22 88-455 vanessa.dobkowitz@welthungerhilfe.de


PANORAMA

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„Hunger“ – Der Film Warum ist es so schwierig, Hunger zu bekämpfen? Marcus Vetter und Karin Steinberger haben Menschen in fünf Ländern besucht, um den Gründen auf die Spur zu kommen. Die 90-minütige Dokumentation ist im Set mit einer Bildungsund Informations-DVD zu Ursachen und Folgen von Hunger sowie Aktionsmöglichkeiten erhältlich. Hier finden Sie auch Material über die Länder- und Themenschwerpunkte des Films für den pädagogischen Bereich (Sek. II). Das DVD-Set können Sie gegen eine freiwillige Schutzgebühr für Versand und Verpackung in Höhe von drei Euro bestellen.

Handbuch Welternährung Im Sommer 2010 brachen die Ernten ein, die Weizenpreise explodierten und verschlimmerten die weltweite Nahrungsmittelkrise. Über die vielfältigen Ursachen und Folgen von Hunger informieren, gestützt auf aktuelle Erhebungen, Claudia Trentmann und Lioba Weingärtner im „Handbuch Welternährung“. Sie entwerfen Handlungsmöglichkeiten für die internationale Gemeinschaft, aber auch für jeden Einzelnen. Stimmen aus den Entwicklungsländern zeigen eindrucksvoll: Der Kampf gegen den Hunger ist zehnmal billiger als die Kosten, die er verursacht. Das Handbuch (240 Seiten, 50 Grafiken und Farbabbildungen) ist auch als E-Book erhältlich und für 16,90 Euro im Buchhandel oder bei der Welthungerhilfe zu bestellen.

HaitiLetter-Box Mehr als ein Jahr ist das Erdbeben in Haiti nun her. Aus diesem Anlass hat die Welthungerhilfe für alle Interessierten und Spender eine ungewöhnliche Dokumentensammlung herausgebracht. Der persönliche Brief einer Haitianerin, ein typisches Rezept, ein Projektbericht oder eine große Haitikarte spiegeln die Arbeit der Welthungerhilfe wider und bringen den Lesern Land und Menschen näher. Die LetterBox können Sie kostenlos bei uns bestellen. Bestellen Sie die Materialien unter info@welthungerhilfe.de oder Tel. 0228/22 88 -127.

I mpress u m Herausgeber: Deutsche Welthungerhilfe e. V. Friedrich-Ebert-Str. 1 D-53173 Bonn E-Mail: spenden@welthungerhilfe.de Redaktion: Katherine Longwe (Grafik), Stefanie Koop (Leitung) Verantwortlich: Helene Mutschler

Autoren: Constanze Bandowski, Peter Beyer, Martina Hahn, Florian Kaiser, Stefanie Koop, Daniela Ramsauer, Laura Stillers, Wendy Zavala

Pictures (24), Kaiser (12/16), Kopp (13), Lohnes (21), Lyons (21), Mediart Entertainment (23), Müller (14/17), Sasse (10/12), Storymacher (4/5), Thielker (18), Welthungerhilfe (9/15/19/22/24/25/28/29)

Gestaltungskonzept/Layout: MediaCompany GmbH

Nachdruck erwünscht mit Quellenangaben und Belegexemplar. Namentlich gekennzeichnete Artikel geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder.

Fotonachweis: Böthling (8), Belkin (26), Bottelli (21), Desmarowitz (6/7), Grossmann (12), Gutschker (29), Hahn (7), Herzau (1/10), Imago/Action

Lagernummer: 460-9381

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Deutsche Welthungerhilfe e.V. | Friedrich-Ebert-Str. 1 | D-53173 Bonn Postvertriebsstück, Deutsche Post AG, 76971, Entgelt bezahlt

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Luz Quinde

Katrin Müller-Hohenstein

UnabHängigKeit Kann Man nicHt anbaUen. aber ernten. Ihre Spende macht’s möglich. Stichwort „Frauen stärken“, Sparkasse KölnBonn, BLZ 370 501 98, Konto 1115. Mehr unter www.welthungerhilfe.de/frauen Welthungerhilfe – Der anfang einer guten entwicklung


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