Der eiserne Aufstieg – Leseprobe

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Matthias Koch

Der eiserne Aufstieg UNIONS LANGER WEG IN DIE BUNDESLIGA



Kรถpenick am 29. Mai 2019: Tausende Fans warten zwei Tage nach dem Bundesliga-Aufstieg auf die Ankunft der Mannschaft mit dem Party-Dampfer am Luisenhain.


Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek: Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. Copyright © 2019 Verlag Die Werkstatt GmbH Lotzestraße 22a, D-37083 Göttingen www.werkstatt-verlag.de Alle Rechte vorbehalten Satz und Gestaltung: Die Werkstatt Medien-Produktion GmbH, Göttingen Druck und Bindung: Grafisches Centrum Cuno, Calbe ISBN 978-3-7307-0490-5


Matthias Koch

Der eiserne Aufstieg

Unions langer Weg in die Bundesliga

VERLAG DIE WERKSTATT


Liebe Unioner, unser Klub zeichnet sich seit seiner Gründung durch Leidenschaft, Gemeinschaft, Kampf und gegenseitige Unterstützung aus. Für seine Fans ist „Unioner sein“ eine Lebenseinstellung. Dauerhafter Erfolg gehört dabei nicht zwangsläufig zur DNA und Geschichte des Vereins. Zu oft folgten auf kurzfristig erfolgreiche Zeiten wieder Rückschläge, die den Klub bis an den Rand seiner Existenz brachten, die mehr als einmal nur durch das beherzte Eingreifen seiner Anhänger gesichert wurde. Ich hatte das Glück, in einer weniger prekären Lage Teil dieser Gemeinschaft zu werden. Die Bedingungen für einen andauernden Verbleib im Profifußball waren jedoch im Januar 2009, bei meinem Einstieg, noch nicht gegeben. Dieser Umstand änderte sich mit dem Aufstieg in die 2. Bundesliga. Das Stadion An der Alten Försterei, die Trainingsbedingungen und der ganze Verein professionalisierten sich im Laufe der Zeit und ebneten den Weg für einen dauerhaften Erfolg im Profifußball. Der Verein zeigt sich seitdem konstant und stabil wie nie zuvor in seiner Geschichte – und ich bin dankbar, ein Teil des Ganzen zu sein. Seit mehr als zehn Jahren begleitet der Journalist und Fotograf Matthias Koch den Verein, schreibt über ihn und setzt seine Protagonisten ins Bild. Er erzählt in diesem Buch mit Hilfe seiner Bilder und Texte seine Geschichte der letzten Union-Dekade. Fotos besitzen die Kraft, Emotionen hervorzurufen, Erinnerungen zu wecken und diese lebendig zu halten. Sie können eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart schlagen. Dieses Buch lässt den Betrachter in die vergangenen zehn Jahre eintauchen und lädt ihn ein, besondere Momente auf dem Weg des 1. FC Union in die 1. Bundesliga noch einmal zu erleben. Es sind Momente einer Erfolgsgeschichte.

Michael Parensen beim Spiel gegen den Hamburger SV (2:0) am 28. April 2019.

Viel Spaß beim Schauen und Lesen wünscht Michael Parensen 6


Ein Foto-Rückblick auf die großen und kleinen Union-Momente Zwischen 2009 und 2019 spielte der 1. FC Union zehn Jahre lang am Stück in der 2. Bundesliga. Mit dieser Verweildauer waren die Berliner in der Saison 2018/19 der „Dino“ unter den 18 Mannschaften. Die Hauptstädter gehörten im Gegensatz zu ihrer ersten Zweitligaphase zwischen 2001 und 2004 ab Mitte der 2010er Jahre zum Establishment im Unterhaus. Aber auf Dauer immer „nur“ mit Vereinen wie dem VfL Bochum, dem FC St. Pauli, der Spielvereinigung Greuther Fürth oder dem SV Sandhausen die Kräfte zu messen, kann auch etwas langweilig werden. Die Begehrlichkeiten der Verantwortlichen um Präsident Dirk Zingler und die des Umfeldes sind Stück für Stück gewachsen – wie das heimische Stadion An der Alten Försterei. Der Traum von der Bundesliga wurde schon vor Jahren formuliert und mit wirtschaftlichem und infrastrukturellem Wachstum untermauert. Inzwischen darf es sogar gern noch etwas mehr sein als der früher mal lose geäußerte Wunsch eines zwölfmonatigen Urlaubs bei denen da oben. Es lief nicht immer alles rund bei den Eisernen. Doch die Fans gingen den Weg eines speziellen Vereins mit, bei dem Fußball-Kultur und Kommerz eine gesunde Balance behalten sollen. Die Mitgliederzahl explodierte innerhalb eines Jahrzehnts. Im November 2009 gab es 6.124 eingetragene Fans. Im August 2019 waren es über 30.000 Mitglieder! Das bedeutet einen Zuwachs von rund 24.000 Unionern. Nach dem Aufstieg in die 1. Bundesliga gab es ungefähr 7.000 Neueintritte. Nach dem triumphalen Aufstieg im Mai 2019 ist der Klub aus Köpenick jetzt als 56. Bundesligaverein das Nesthäkchen im Oberhaus. „Aufgrund der finanziellen Entwicklung wird es neben uns als 56. Bundesligisten nicht mehr so ganz so viele neue geben können“, glaubt Unions Sport-Geschäftsführer Oliver Ruhnert. Für Newcomer in der Bundesliga wird es angesichts der finanziellen Schere immer schwerer, in die Phalanx der Etablierten einzubrechen. Union hat es jetzt aber geschafft und in

Keine Atempause, Geschichte wird gemacht: 27. Mai 2019, rund 20 Minuten nach dem Bundesliga-Aufstieg des 1. FC Union. Die Fotos müssen in die Welt. Foto: Sebastian Wells

der Spielzeit 2018/19 einstige sportliche Schwergewichte wie den VfB Stuttgart und Hamburger SV hinter sich gelassen. Der Weg bis dahin war ein langer. Union bestritt im letzten Jahrzehnt 340 Zweitligapartien. Hinzu kommen die beiden Relegations-Begegnungen gegen den VfB und 15 Spiele im DFB-Pokal. Von fast allen dieser 357 Pflichtspiele fertigten Mitarbeiter meiner Agentur oder ich Fotos an. Hinzu kommen tausende Aufnahmen von Trainingseinheiten, Trainingslagern und Vereinsereignissen. Dieser Fotorückblick soll von den großen und kleinen Momenten erzählen, die es bei Union reichlich zu erleben gab und ganz sicher weiter geben wird. Matthias Koch 7


2009  Zurück in der 2. Liga Wir schreiben das Jahr 2009. Der 1. FC Union erlebt in doppelter Hinsicht eine sehr emotionale Zeit. Infrastrukturell wird die erste Stufe der Modernisierung des Stadions An der Alten Försterei abgeschlossen. Sportlich gelingt fünf Jahre nach dem Abstieg aus der 2. Liga die Rückkehr ins gesamtdeutsche Unterhaus. Auch der zwischenzeitliche Absturz in die damals viertklassige NOFV-Oberliga in der Saison 2005/06 ist damit beinahe vergessen. Die Profis von Trainer Uwe Neuhaus können auch mit dem Handicap fertig werden, kein einziges ihrer 38 Meisterschaftsspiele wirklich zu Hause bestritten zu haben. Weil die Renovierung der Alten Försterei länger dauert als von Union angedacht, finden alle 19 Heimspiele im Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportpark statt.

Das gefällt manchem Fan überhaupt nicht. Die Köpenicker unter den Anhängern müssen 15 Kilometer Fahrt aus dem Südosten der Stadt bis zum Prenzlauer Berg auf sich nehmen. Der eine oder andere boykottiert die Sportstätte im Zentrum sogar, weil dort der Erzrivale BFC Dynamo in den 1970er und 1980er Jahren seine größten Erfolge feierte. Ausgerechnet in dem Stadion, in dem Stasi-Chef Erich Mielke einst dem BFC die Daumen drückte, wird Union 2008/09 also erster Meister der neu eingeführten 3. Liga.

2008/09 3. Liga: 1. Platz 20 Teams, 78 Punkte Trainer: Uwe Neuhaus Zuschauerschnitt: 7.150 (im Jahn-Sportpark) Bester Torschütze: Karim Benyamina (16) Meiste gelbe Karten: Macchambes Younga-Mouhani (12)

Die Saison 2007/08 beendet Union auf Platz vier. Das 0:3 gegen Rot-Weiß Oberhausen am 31. Mai 2008 ist die letzte Partie vor der Modernisierung der Alten Försterei.

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Im Mai 2008 verzeichnet Union „nur“ 5.000 Mitglieder. Als dieses wird Fan Dennis Kräft begrüßt.

Der Aufstieg steht bereits am 35. Spieltag (drei Runden vor Schluss) nach einem 2:0-Erfolg gegen Jahn Regensburg fest. „Nur“ 9.500 Zuschauer sind dabei, möchte man heute denken. Doch die Freude beim Platzsturm, dem Autokorso nach Köpenick und den Feierlichkeiten auf dem bis 2012 existierenden Am 5. Juni 2008 findet auf der Stadionbaustelle in Köpenick Trainingsplatz vor dem VIP-Zelt der damaligen Haupttribüne erstmals das Betongießen statt … der Alten Försterei ist riesig. Von den Aufstiegshelden von 2009 sollten Akteure wie Tor- … was die Stadionbauer mit Kaffee und Kuchen feiern. wart Jan Glinker, die Verteidiger Christian Stuff, Daniel Göh- Auch Bauleiter Bernd Stuth (2. v. r.) und Stadionbetriebslert und Patrick Kohlmann, Allrounder Michael Parensen und Projektleiterin Sylvia Weisheit (r.) sind dabei. Mittelfeldmann Torsten Mattuschka in den nächsten Zweitligajahren das Gesicht des Vereins prägen. „Nebenbei“ sorgt der Stadionbau für positive Schlagzeilen über die Stadtgrenzen hinaus. „Die kultigste Stätte Deutschlands“, schreibt die Märkische Allgemeine über das Treiben in Köpenick. Über 2.000 ehrenamtliche Stadionbauer beteiligen sich zwischen Juni 2008 und Juli 2009 an der Modernisierung der drei Stehplatztraversen und des Stadionumfeldes. Die freiwillig geleisteten 140.000 Arbeitsstunden haben einen Gegenwert von rund zwei Millionen Euro. Die Kapazität des Stadions steigt von 18.100 auf 18.955 Besucher. Bauprofis aus Österreich sorgen in der Endphase der Modernisierung für die Überdachung des gesamten Stehplatzbereiches. Aber in Erinnerung bleiben vor allem die freiwilligen Stadionbauer. Sie sorgen selbst im Ausland für einen Imagegewinn, der bis heute anhält. Mit dem Abschluss des ersten Bauabschnitts endet auch ein jahrelanger Kampf um den Erhalt des eisernen „Wohnzimmers“ in Köpenick aus eigener Kraft erfolgreich. 9


Die Fans zeigen sich am 20. Dezember 2008 nach dem 0:0 gegen Bayern München II mit Platz zwei zur Halbserie zufrieden.

Am 3. Mai 2009 klappt es beim SV Sandhausen (0:0) noch nicht mit dem Aufstieg, obwohl Kenan Sahin, Karim Benyamina und Shergo Biran (v. l.) ihre Ausgehhemden mitgebracht hatten. 10


Nach dem 2:0 gegen Jahn Regensburg am 9. Mai 2009 kann Präsident Dirk Zingler aber die Aufstiegszigarre zünden.

Gefeiert wird natürlich in Köpenick. Im Autokorso geht es zur Alten Försterei. Beim Heimspiel gegen den FC Rot-Weiß Erfurt (1:1) am 16. Mai 2009 präsentieren Karim Benyamina, Sebastian Bönig und Patrick Kohlmann den Meisterpokal.

Spieler und Zuschauer freuen sich nach dem Match gegen Erfurt auf die Rückkehr in das Stadion An der Alten Försterei.

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Torsten Mattuschka – der beste Mann Im Match beim Hamburger SV (2:2) entdecken Fans den einstigen Mittelfeldspieler unter den Zuschauern und singen spontan los. Beim Relegations-Rückspiel gegen den VfB Stuttgart (0:0) ist der einstige Spezialist ruhender Bälle, der 10 direkte Freistoßtore und 19 verwandelte Elfmeter in der 2. Liga vorweisen kann, im Urlaub. Doch als sich Robert Zulj in der 79. Minute den Ball vor der Waldseite für einen Freistoß zurechtlegt, ist der Mattuschka-Song vielleicht so lautstark wie bei Mattuschkas legendärem 2:1-Siegtreffer am 5. Februar 2011 im Zweitligaspiel gegen Hertha BSC im Berliner Olympiastadion zu hören. In diesem Moment soll die Vergangenheit Hoffnung für die Gegenwart machen. Die Fans singen sich und der Mannschaft Mut an. Es klappt, auch wenn Zulj jetzt ein Tor verwehrt wird. Union steigt auf. Mattuschka gehört mit zu den Wegbereitern. Zwischen 2009 und 2014 absolviert er 161 Zweitligaspiele. Zusammen mit Sebastian Polter, der auch 42 Treffer im Unterhaus vorweisen kann, ist Mattuschka Zweitliga-Rekordtorschütze des Klubs. 2013/14 wird der heutige Co-Trainer des Regionalligisten VSG Altglienicke mit zwölf Toren und zwölf Vorlagen Topscorer der 2. Bundesliga.

Torsten Mattuschka (Jahrgang 1980) verlässt den Verein 2014 nach neun Spielzeiten fluchtartig in Richtung Energie Cottbus. Er sieht unter Trainer Norbert Düwel keine Einsatzchance mehr. Doch der frühere Kapitän und Publikumsliebling, der 299 Pflichtspiele für die Eisernen absolviert hat, ist keinesfalls vergessen. Das legendäre Mattuschka-Lied mit dem Text „Torsten Mattuschka, du bist der beste Mann. Torsten Mattuschka, du kannst, was keiner kann. Torsten Mattuschka, hau‘ ihn rein für den Verein …“ wird von tausenden Union-Anhängern selbst in der Aufstiegssaison 2018/19 angestimmt.

So entsteht das Mattuschka-Lied Das berühmte Mattuschka-Lied, das sich ab der Saison 2009/10 nach und nach etabliert, verdankt der Kultkicker Torsten Mattuschka den Fans Leumi und Tino. Der Köpenicker Tino, Jahrgang 1987, nimmt sich als großer Sympathisant von Manchester United eine Huldigung für Owen Hargreaves zum Vorbild. Dem früheren Mittelfeldspieler von Bayern München widmen die ManU-Anhänger in der Saison 2007/08 ein Lied, als United die englische Meisterschaft und die Champions League gewinnt. Die Melodie nach dem Hit „Can’t take my eyes off you“ von Gloria Gaynor tritt bei Union Jahre später ihren Siegeszug an. „Die Idee entstand aus einer Bierlaune heraus auf einer Auswärtsfahrt. Mattuschka hat es verdient. Er ist einer der wichtigsten Union-Spieler der letzten 20 Jahre“, sagt Miterfinder Tino. 22


Das Lauftrainingslager in Oberhof auf den Treppen der Schanze am Kanzlersgrund bereitet Torsten Mattuschka im Juli 2010 richtig SpaĂ&#x;.

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2012/13

An einem Gebäude in der Breiten Straße in der Ostberliner City hinterlassen Fans im Juli 2012 eine Botschaft.

Im November 2012 bringt Union vor dem Heimspiel gegen den VfR Aalen (0:0) erstmals im Stadion An der Alten Försterei Warnschilder für Wildpinkler an.

2012/13 2. Liga: 7. Platz 18 Teams, 49 Punkte Trainer: Uwe Neuhaus Zuschauerschnitt: 17.102 Bester Torschütze: Torsten Mattuschka, Simon Terodde (beide 10) Meiste gelbe Karten: Torsten Mattuschka (9)

Markus Karl (l.) kommt in Erklärungsnot, weil Union am 31. Oktober 2012 in der 2. Pokalrunde mit 0:2 bei Drittligist Offenbacher Kickers verliert. 30


Fans von Union und Kaiserslautern protestieren vor dem Aufeinandertreffen ihrer Teams am 7. Dezember 2012 (2:0) gemeinsam mit einem Marsch durch Köpenick gegen das DFL-Papier „Sicheres Stadionerlebnis“.

Mitte Dezember 2012 nimmt der Bau der neuen Haupttribüne in der Alten Försterei Formen an.

Bernd Jopek (l.) spielt 18 Mal zwischen 1985 und 1990 für Union. Sein Sohn Björn debütiert in der Saison 2012/13 in der 2. Bundesliga. Bis zum Vertragsende 2015 kommt der Junior auf 57 Pflichtspiele.

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Im WinterTrainingslager in El Rompido (Spanien) schläft Mannschaftarzt Tankred Haase am 13. Januar 2013 wegen Jetlags ein. Videoanalyst Daniel Stenz, Physiotherapeut Frank Placzek, Co-Trainer André Hofschneider und Fitnesstrainer Daniel Wolf finden das köstlich.

Am 24. Januar 2013 gratuliert Präsident Dirk Zingler (l.) Ehrenpräsident Günter Mielis und seiner Frau Ruth zur Eisernen Hochzeit (65 Jahre).

Derby-Zeit. Vor dem Spiel bei Hertha BSC (2:2) treffen Union-Fans am 11. Februar 2013 am Bahnhof Zoo ein. 32


Simon Terodde (l.) vom 1. FC Union setzt sich im Olympiastadion mit Peter Niemeyer und John Anthony Brooks auseinander.

Auf den Plakaten fĂźr das Heimspiel gegen Jahn Regensburg am 26. April 2013 (1:0) schleicht sich ein lustiger Fehler ein. Zu sehen ist der Unioner Marc Pfertzel.

Ultras des 1. FC Union holen beim Auswärtsspiel bei Hertha BSC Silvester nach.

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Christopher Quiring: Der „Ultra“ im Union-Trikot

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Bild linke Seite Am 17. Dezember 2012 nach dem Spiel bei Eintracht Braunschweig (3:4) bekundet Christopher Quiring seine Sympathie für die Ultraszene.

Christopher Quiring (Jahrgang 1990) spielt von 2002 bis Januar 2017 für Union. Der Mittelfeldspieler schafft als Nachwuchskicker den Sprung zu den Profis. Seine 130 Zweitligaspiele (19 Tore) werden nur von sechs Unionern übertroffen. Die Vereinsliebe vererbt ihm Vater Ingo. Der Sohnemann steht als junger Teenager im Fanblock auf der Waldseite und bis heute der Ultra-Gruppierung Wuhlesyndikat als „Ehrenmitglied“ nahe. Das WS-Logo trägt Quiring als Tattoo auf der rechten Wade. Nach dem Spiel bei Eintracht Braunschweig (3:4) am 17. Dezember 2012 zieht er sein Trikot aus. Auf dem weißen T-Shirt darunter prangt der Spruch „Ultras sterben nie!!!“. Vor seinem Wechsel zum Drittligisten Hansa Rostock An­ fang 2017 erkundigt sich Quiring in der Rostocker Fan­szene,

ob er auch mit seiner Ultra-Vorgeschichte an der Küste kicken kann. Er bekommt ein „Go“. Aber einige Wochen später tauchen andere Vertreter der Rostocker Ultras beim Training auf. Sie teilen ihm mit, was Quiring in Rostock alles nicht machen soll: in kurzer Hose herumlaufen, in Warnemünde an den Strand gehen, Diskotheken besuchen, sich bei Auswärtsspielen dem Gästeblock nähern. Ein Vereinsmitglied erstattet Anzeige gegen die Ultras. Doch Quiring verweigert über Monate gegenüber der Polizei die Identifizierung der Täter – um sich selbst zu schützen. Den Kopf bekommt der Kicker nicht mehr frei. Als Quiring am Strand von Ultras „erwischt“ wird, bieten sie ihm eine Prügelei an. Zwei Mal werden die Reifen am Wagen des Spielers zerstochen. Im Sommer 2018 löst Quiring seinen Vertag bei Hansa nach 27 Pflichtspielen (fünf Tore) ein Jahr vor Ablauf des Kontrakts auf. Er spielt seitdem beim Regionalligisten VSG Altglienicke. Das ist ein mächtiger Karriereknick, aber Quiring ist wieder zu Hause. Wenn er nicht selbst für die VSG aufläuft, geht er als Dauerkarten-Besitzer zu Heim- und Auswärtsspielen von Union.

Im Januar 2016 blitzt die Tätowierung des Wuhlesyndikat-Logos auf der Wade von Christopher Quiring im Trainingslager in Oliva Nova (Spanien) auf.

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Uwe Neuhaus – der Rekordtrainer Vielleicht besitzt Uwe Neuhaus schon einen Union-Bestwert für die Ewigkeit. Sieben Jahre lang, von 2007 bis 2014, sitzt der 1959 geborene Trainer bei Union an der Seitenlinie. Länger ist kein Chefcoach in der 53-jährigen Vereinsgeschichte am Stück im Amt. Neuhaus überholt im Dezember 2013 Legende Heinz Werner, der es auf sechseinhalb Jahre brachte. Neuhaus, Sohn einer Hattinger Arbeiterfamilie, gilt als Malocher. Er absolviert eine Lehre zum Elektriker. Im Fußball arbeitet sich der Verteidiger über die Stationen SpVgg. Erkenschwick, Rot-Weiss Essen und BVL Remscheid hoch. Mit Wattenscheid kommt er zwischen 1991 und 1994 auf 102 Erstligapartien. Sein Einstieg als Trainer erfolgt bei den Wattenscheider Amateuren und beim Oberligisten VfB Hüls. Im Profibereich feiert er als Co-Trainer von Borussia Dortmund (1998 bis 2004) 2002 die Meisterschaft. Mit Essen gelingt ihm 2006 der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Dies wiederholt Neuhaus 2009 mit Union und 2016 mit Dynamo Dresden. 2009 wird er mit den Eisernen erster Drittligameister. Er etabliert den Verein mit treuen Union-Seelen wie Torwart Jan Glinker, Daniel Göhlert, Patrick Kohlmann, Torsten Mattuschka, Michael Parensen, Christian Stuff und Assistent André Hofschneider in der 2. Liga. Die Platzierungen (12., 11., 7., 7., 9.) stehen hinten raus aber auch für Stagnation. Während der Modernisierung des Stadions 2008/09 und des Baus der Haupttribüne 2012/13 kann sich die Vereinsführung aufs Bauen konzentrieren, weil es sportlich unter Neuhaus läuft. Den Aufstieg in die 1. Liga traut ihm der Klub jedoch nicht mehr zu. Aber auch nach dem nächsten Rauswurf in Dresden im Sommer 2018 ist Neuhaus als Zweitliga-Experte gefragt. Seit Dezember 2018 trainiert er Arminia Bielefeld. Seine Union-Zeit wird Neuhaus nie vergessen, auch weil er 2013 Unions frühere Buchhalterin Britta Calmus heiratet.

Das Heimspiel am 28. April 2014 gegen den 1. FC Kaiserslautern (1:1) war das erste nach der Verkündung des vorzeitigen Vertragsendes von Trainer Uwe Neuhaus zum Sommer 2014. Nach Abpfiff wurde der Coach von den Fans gefeiert. 44


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2014/15

2014/15 2. Liga: 7. Platz 18 Teams, 47 Punkte Trainer: Norbert Düwel Zuschauerschnitt: 19.129 Bester Torschütze: Sebastian Polter (14) Meiste gelbe Karten: Damir Kreilach, Toni Leistner (beide 8)

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Am 13. Mai 2014 kann Union alle überraschen. Mit Norbert Düwel wird ein nahezu Unbekannter neuer Cheftrainer.


Für das Public Viewing zur WM 2014 in Brasilien können Fans ihr eigenes Sofa im Stadion An der Alten Försterei aufstellen. Am 1. Juni 2014 kommen diese Schaulustigen sogar zu Fuß aus Schöneweide.

Trotz der Proteste der UnionUltras, die ihr Stadion für eine Kommerzveranstaltung zweckentfremdet sehen, wird das WM-Wohnzimmer ein voller Erfolg. Diese Fans sind Zeugen des Viertelfinals zwischen Deutschland und Frankreich (1:0) am 4. Juli 2014.

Auf der folgenden Doppelseite Das WM-Wohnzimmer 2014 sorgt weltweit für Schlagzeilen. Rund 800 Sofas stehen im Innenraum. Die Haupttribüne inklusive finden beim Viertel­final-Match zwischen Deutschland und Frankreich (1:0) rund 8.000 Menschen Platz. 47


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Präsident Dirk Zingler – der Macher

Die Zeit ist nun gekommen. Präsident Dirk Zingler (l.) und Trainer Urs Fischer mit den Aufstiegs-Shirts im Erdgeschoss der Haupttribüne.

Dirk Zingler kann es nicht fassen. Der Präsident des 1. FC Union feiert am 27. Mai 2019 tatsächlich den Bundesligaaufstieg. „Ich habe 40 Jahre lang auf diesen Tag gewartet. Wenn es dann so weit ist, fühlt es sich total komisch an“, sagt Zingler. Wie manches Mal in seiner Amtszeit seit dem 1. Juli 2004 ist Zingler den Tränen nahe, wenn es emotional wird. Er erinnert in diesem Moment an Mitarbeiter, die in den harten 2000er Jahren auf Gehalt verzichtet haben. Für diese Menschen freut er sich jetzt besonders.

Den Abpfiff selbst erlebt der 1964 geborene Logistik-Unternehmer nicht wirklich. Die Anspannung ist so groß, dass er sich lieber in die Katakomben zurückzieht. Doch nach den Jubelschreien tausender Menschen unten auf dem Rasen weiß auch Zingler, dass die Bundesliga mit Union stattfindet. Im Innenraum angekommen, herzt Zingler jeden Spieler, Trainer und Betreuer. Der Vereinschef hat Union und sich durchgeboxt in den 15 Jahren seiner Amtszeit – Rückschläge wie den erstmaligen Abstieg in die Viertklassigkeit 2005 inklusive. Mit langjährigen Mitstreitern findet er einen Weg, im Laufe der Jahre immer mehr in Steine und Beine investieren zu können. Hartnäckig kämpft er um den Fußball-Standort Alte Försterei. 2008/09 werden die drei Stehplatztraversen modernisiert. 2012/13 entsteht die neue Haupttribüne. Schon bald soll das Stadion 37.000 anstatt 22.000 Zuschauer fassen. So manche pfiffige Präsidiums-Idee, wie die Einführung der Stadionaktie 2011 oder der „Zwang“ zur Mitgliedschaft für Karteninteressenten, lässt, gepaart mit sportlichem Erfolg, die Zahl der eingetragenen Anhänger im letzten Jahrzehnt von rund 6.000 auf 30.000 hochschnellen. Zingler sorgt dafür, dass der Fankultur auch in Zeiten zunehmender Kommerzialisierung Raum bleibt. In puncto Pyrotechnik vertritt er eher die Haltung der Anhänger seines Klubs als die der Verbände. Nicht immer kann und will es Zingler allen recht machen, wie 2019 die Partnerschaft mit dem neuen Hauptsponsor Aroundtown zeigt. Bei der Trainersuche scheut sich Zingler nicht vor Experimenten oder großen Namen. Wenn es in die falsche Richtung geht, wird korrigiert. Umso besser ist, wenn die Vereinsführung die Öffentlichkeit dabei überraschen kann.

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Bild rechte Seite Offensivmann Akaki Gogia (l.) und Präsident Dirk Zingler flippen aus. Das muss die Bundesliga sein.


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Bild linke Seite Der ganze Parkplatz „brennt“, als der Union-Mannschaftsbus am 27. Mai 2019 zum Relegations-Rückspiel gegen Stuttgart im Stadion An der Alten Försterei vorfährt. Bilder dieser Seite (im Uhrzeigersinn) Die Union-Fans wünschen sich, dass die Spieler das Herz in beide Hände nehmen – Dennis Aogo (Nr. 3) erzielt ein Tor für Stuttgart – Schiedsrichter Christian Dingert erkennt den Treffer nach Videobeweis ab – Suleiman Abdullahi (l.) trifft im Duell mit Holger Badstuber und Torwart Ron-Robert Zieler den Pfosten – die VfB-Fans zündeln mehrfach.

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27. Mai 2019. Die Anzeigetafel im Stadion An der Alten Försterei zeigt das schönste 0:0 aller Zeiten an. Der Aufstieg von Union mit dem 17. Saison-Remis ist aufgrund der Auswärts-Torregel um 22.28 Uhr perfekt. Die Fans stürmen den Rasen und umringen ruckzuck die Spieler – wie hier Offensivmann Suleiman Abdullahi. In Köpenick steht die Zeit still. Die Euphorie ist grenzenlos.

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Stürmer Sebastian Andersson beschreit mit nacktem Oberkörper die Bundesliga. Der Schwede avanciert mit 12 Treffern zum besten Saison-Torschützen Unions.

Das muss Liebe sein: Mittelfeldspieler Grischa Prömel (l.) und Angreifer Sebastian Polter geben sich zwischen tausenden Menschen das Ja-Wort zum Aufstieg.

Torwart Rafal Gikiewicz hockt wie nach dem 2:2 in Bochum nach dem Abpfiff erst mal bei seiner Familie. Diesmal ist es aber die pure Bundesliga-Erleichterung. Foto: Stefanie Fiebrig / Matthias Koch 111


Die Fans – der große Rückhalt

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Der „Union-Fan-Club“ Ludwigsfelde feiert am 30. März 2019 beim Heimspiel gegen den SC Paderborn (1:3) seinen 40. Geburtstag. Er ist laut Vereinsangaben der älteste der 63 Fan-Klubs, in denen rund 2.800 Anhänger organisiert sind.

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Das Bild des 1. FC Union wird seit Jahrzehnten vor allem durch seine Anhänger bestimmt – in der Regel in positiver Weise. Zu DDR-Zeiten und in den wilden 1990er Jahren ertragen die Fans so manche sportliche Schlappe mit Anstand. Nach der Wende retten sie ihren Verein mehrfach vor dem finanziellen Aus. Ohne die Fan-Demo am 23. Februar 1997 in der Berliner Innenstadt, die „Bluten für Union“-Aktion 2004 oder die über 2000 ehrenamtlichen Helfer beim Stadionbau 2008/09 hätte es Union als 56. Bundesligisten wohl nie gegeben. Die Menschen auf den Rängen im Stadion An der Alten Försterei mögen unterschiedlich sein und denken. Aber sie respektieren sich und bündeln ihre Kraft, wenn es um die Sache Union geht. Wer dazugehören will, muss vier Grundregeln beachten: Pfeife nie die Mannschaft aus! Mache keinen Spieler zum Sündenbock! Heiserkeit ist der Muskelkater der Unioner! Verlasse nie das Stadion vor dem Abpfiff! Geprägt wurden diese Grundsätze in den 2000er Jahren von Fan Daniel „Boone“ Blauschmidt, der seit Jahren für den Verein als Grafiker arbeitet. Die „­Boone’schen Gesetze“ sind längst ein fester Begriff im ­Union-Wörterbuch. Viele ältere Anhänger sehen es als ihre Aufgabe an, diese Regeln den nachwachsenden oder neuen Anhängern mit auf den Weg zu geben. Das wird gerade jetzt nach dem Bundesliga-Aufstieg eine Herausforderung sein. Die Eisernen sind aber keine Kiezkicker mehr. Die Welt schaut jetzt auf den Bundesligastandort Köpenick. Dass die Fans sich öffnen müssen und können, zeigt das alljährliche Weihnachtssingen. Inzwischen kommen am 23. Dezember jeden Jahres stets 28.500 Besucher in die Alte Försterei. Und viele sind gar keine Unioner. Wer wissen will, wie ein Unioner ungefähr tickt, sollte sich immer im Dezember auf der Bühne in der Freiheit 15 in der Köpenicker Altstadt „Und niemals vergessen: Eisern Union! Das Stück zum Spiel“ ansehen.

Das Weihnachtssingen fing 2003 mit 89 „illegalen“ Besuchern an. Am 23. Dezember 2018 kommen 28.500 Besucher zur inzwischen alljährlich größten Vereinsveranstaltung. 132


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Träume werden doch wahr!

Nach zehn Jahren in der 2. Bundesliga ist der 1. FC Union Berlin endlich angekommen im Oberhaus, steht das Stadion An der Alten FĂśrsterei erstmals im Rampenlicht der Bundesliga. Diese einzigartige Bilderschau erinnert an Unions langen Weg nach oben, wirft Schlaglichter auf wichtige Spieler und Spiele, weckt Erinnerungen an eine Entwicklung, die stets begleitet war von der eindrucksvollen Stimmung in der Wuhlheide und einer unvergleichlichen Fangemeinde.

ISBN 978-3-7307-0490-5 VERLAG DIE WERKSTATT


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