Festansprache in der Evangelischen Journalistenschule Berlin zur Verabschiedung des Jahrgangs 2012 am 31. Oktober 2014 Von Pfarrer Dr. Volker Jung, Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Darmstadt
A Ein Wort und seine Folgen Darmstadt, 8. September 2014, ein Montagmorgen: In der Kirchenverwaltung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau – kurz EKHN - gehen Mails und Briefe ein. Manche melden verärgert ihren Kirchenaustritt, andere wollen nur ihrer Empörung Ausdruck verleihen. Alle nehmen Bezug auf einen Artikel, den sie zuvor in ihrer Zeitung gelesen haben. Darin wird berichtet, dass die EKHN einen Überschuss erwirtschaftet habe und diesen nun zum Großteil an die Beschäftigen ausschütten werde. „Überschuss erwirtschaften“ – das klinge nach Konzern, dessen Wirtschaftstätigkeit genau darauf ausgerichtet ist, auf das Gewinne machen. Und „ausschütten“ - das klinge nach Boni für Manager. Ob wir denn die Kirche wie ein Unternehmen führten? Ob wir denn vergessen hätten, wo für die Kirche eigentlich da ist? All das werden wir gefragt. Wir sind dankbar für diese Kontaktaufnahmen, denn hier können wir den Sachverhalt erläutern. Aber wir wissen: Tausende von Leserinnen und Lesern tun das nicht und bleiben mit ihrem Ärger allein. Was war geschehen? Wir hatten am Freitag davor zu einem Pressegespräch eingeladen und dort den neuen Jahresbericht unserer Kirche präsentiert, darin neueste Zahlen rund um das evangelische Leben in unserer Kirche. Diese Informationen hatte die junge Redakteurin eben jener Zeitung, die in Frankfurt ansässig ist und als besonders seriös gilt, nach bestem Wissen zusammengefasst. Natürlich mit einem Schwerpunkt auf der finanziellen Lage, die offenbar zumeist als das Wichtigste erscheint. Die Redakteurin hatte die Zahlen akkurat zitiert. Nur die Worte, mit denen sie das tat, waren um eine Nuance daneben. Unser Finanzchef Heinz Thomas Striegler hatte gesagt: Wir haben den Haushalt für das vergangene Jahr mit einem leichten Überschluss abschließen können. Sie schrieb: Überschuss erwirtschaftet – eher eine Formulierung aus der Abteilung Wirtschaft. Nur eine kleine aber folgenreiche sprachliche Nuance daneben. Weit entfernt davon demagogisch zu sein, weit entfernt auch von einer Gegendarstellung. Ich mache diese Journalistin nicht verantwortlich für die Kirchenaustritte. Dazu braucht es mehr: eine lange innere Entfremdungsgeschichte und Personen, die entscheiden, dass ihnen ein solcher indirekter Medienimpuls reicht. Die Journalistin hat nur diesen einen, kleinen Impuls beigesteuert. Ich erzähle Ihnen dieses aktuelle Beispiel aus dem alltäglichen Leben, weil man daran drei wichtige Aspekte journalistischer Arbeit erkennen kann: 1. Die journalistische Aufgabe ist komplex. Da geht es nicht nur um vordergründige Fakten, sondern um ganze Deutungshorizonte und