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Die vier Jahreszeiten
Nach über zwanzig Jahren ist Vivaldis Klassiker endlich wieder mit einem Originalklang-Ensemble im Wiener Konzerthaus zu hören
VON ALEXANDRA ZIANE
1740 kam Antonio Vivaldi nach Wien. Einst weltberühmter Komponist, dessen Stern in seiner Heimat Venedig zuletzt gesunken war, hoffte er hier auf die Gunst Kaiser Karls VI. und auf eine Anstellung als Hofkomponist. Doch der Kaiser starb, und niemand interessierte sich mehr für Vivaldi. Verarmt erlag er ein Jahr später, am 28. Juli 1741, in Wien einem »inneren Brand« und wurde vor dem Stephansdom aufgebahrt. Eine Gedenktafel am Karlsplatz, wo heute die Technische Universität steht, erinnert daran, dass Vivaldi auf dem sich damals hier befindlichen Bürgerspitals- oder Armensünder-Gottesacker begraben wurde. Der Sohn eines Geigers wurde früh musikalisch ausgebildet und gleichzeitig für die Priesterschaft vorgesehen. Aufgrund seiner roten Haare erhielt er den Beinamen »il prete rosso«, der rote Priester. Venedig hatte zwar zu dieser Zeit nicht mehr die politische und ökonomische Bedeutung früherer Zeiten, wurde jedoch aufgrund seiner Opernhäuser und opulenten Feste, der Vergnügungsmöglichkeiten insgesamt, viel bereist. Die Memoiren Giacomo Casanovas geben uns ein lebendiges Bild aus dieser Zeit der »Serenissima«.
Das Pio Ospedale della Pietà, ein Heim für arme und Waisenkinder und gleichzeitig Konservatorium, war Vivaldis Hauptarbeitsstätte. Als Verantwortlicher für Musik lehrte, komponierte und dirigierte er hier, an dieser »Bewahranstalt« für Mädchen, von deren wunderbaren musikalischen Darbietungen der französische Enzyklopädist Charles de Brosses schwärmte. Vivaldi, der von sich selbst behauptete, schneller zu komponieren als Kopisten kopieren, erhielt aber auch aus ganz Italien Aufträge für Opern. Konzerte hinterließ er etwa fünfhundert, geschrieben für das Ospedale, aber auch für internationale Auftraggeber. Erst 1927 entdeckte der Musikwissenschaftler Alberto Gentili in einem von einem Kloster zum Verkauf angebotenen Konvolut einen Großteil von Vivaldis Œuvre wieder. Eine wahre Vivaldi-Renaissance setzte ein, die »Vier Jahreszeiten« wurden zu einem Bestseller.
Im Grunde genommen handelt es sich dabei um vier Violinkonzerte aus der Sammlung »Il cimento dell’armonia e dell’inventione« von 1725, deren Besonderheit darin besteht, dass sie ein Programm haben, was dem Absatz sicher förderlich war. Durch erläuternde Sonette erhält die Hörer:innenschaft zur an sich begriffslosen Instrumentalmusik vorstellbare Szenen mitgeliefert – Vogelgezwitscher, plätschernde Bäche, brausende Herbststürme, Zittern im Schnee oder Schlittern auf Eis.
Nachdem die »Vier Jahreszeiten« im Wiener Konzerthaus 2001 zuletzt durch ein Originalklangensemble zu hören waren, erklingen sie im Oktober durch die in Ravenna beheimatete Accademia Bizantina unter der Leitung von Ottavio Dantone und mit Alessandro Tampieri als Solist –seit seiner Jugend Mitglied und seit 2011 Konzertmeister der Accademia Bizantina. Das Ensemble ist auf barockes Repertoire spezialisiert und für seinen Nuancenreichtum und seine klangliche Transparenz bekannt. In der ersten Programmhälfte stehen vier Konzerte aus Vivaldis »L’estro armonico« auf dem Programm, einer Sammlung, die maßgeblichen Einfluss auf die nachfolgende Komponistengeneration haben sollte, unter ihnen Johann Sebastian Bach.
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So, 22/10/23, 11.00 Uhr · Großer Saal
Accademia Bizantina · Tampieri · Dantone
Vivaldi: Le quattro stagioni
Karten: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60635
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