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Helge Schneider
Lachen ist Jazz
VON RAINER KRISPEL
Wenn Helge Schneider seinen »letzten Torero« nach Wien schickt, ist eines gewiss: ein intelligentes und musikalisches Vergnügen auf vielen Ebenen
Er ist unter anderem Multiinstrumentalist, Multihumorist, Schauspieler, Buchautor, Zeichner, hat Filme gedreht und Theaterbühnen bespielt. Eine der vielen Fragen, die sich im Zusammenhang mit dem 1955 in Mülheim an der Ruhr geborenen, definitiv interdisziplinären Helge Schneider stellen ließe, ist, wie viel seines umfangreichen Outputs auf Improvisation beruht und wie viel davon bis ins Detail durchkonzipiert ist. (Wer hat »beides!« gerufen?)
Helge Schneider würde diese Frage wohl nie mit verknappter Eindeutigkeit beantworten, wozu auch? Lustbringender ist es allemal, sich in sein Werk zu vertiefen, seinen wunderbar eindeutig uneindeutigen Figuren wie Doc Snyder, Nihil Baxter oder Dr. Hasenbein nachzuspüren, seine Kommissar-Schneider-Romane als Spiel nicht nur mit dem Genre »Krimi« zu entdecken oder sich quer und laut durch seine Diskographie zu hören.
Mit »Torero« veröffentlichte Schneider im März dieses Jahres sein 16., auch als 17. zu zählendes Album unter eigenem Namen – je nachdem, ob einem »The Last Jazz« aus dem Jahr 1987 als Auftakt seiner Diskographie gilt oder bereits eine Veröffentlichung mit dem Helge Schneider Trio, eine Schallplatte mit dem Titel »Die Gewinner des IKEA-Jazz-Festivals«, die sich seine Formation mit einer Kombo namens Trade Mark teilte. Schon klopft das Faktische (?) ein wenig ans Absurde, Übersteigerte, schon könnte, was wahr scheint, locker mit ein wenig Fantasie ausgedacht sein.
Aus unser aller Wirklichkeit schöpft Schneider immer wieder mit überbordend kreativer Freude und mit Genuss, mit viel und gerne hemmungsloser Fantasie – und erfuhr so mit einem Lied über so etwas Banales wie ein Katzenklo seinen größten Charts-Hit. Von dem Album »Es gibt Reis, Baby«, auf dem das Lied enthalten war, 1993 erschienen, wurden über 250.000 Exemplare verkauft. Würde jemand, der dem weit verbreiteten Irrtum aufsitzt, dass nur ein in Verkaufszahlen messbarer Erfolg einen solchen darstellt, ihn deswegen, sachlich ohnehin unrichtig, als OneHit-Wonder bezeichnen, würde ihm oder ihr dies wahrscheinlich eines der vielen Gesichter, die Helge Schneider so unverwechselbar »schneiden« kann, eintragen. Nicht zuletzt führt Schneider gerne subversiv die Selbstinszenierung von Künstler:innen in diversen, vor allem Fernsehformaten ad absurdum, verweigert sich gekonnt dort behaupteter Aufrichtigkeit ebenso wie dem erkenntnislosen Wühlen im Biographischen – und ja, er kennt Frauen und ja, er hat Kinder. Sein Verhältnis zur Öffentlichkeit ist ein durchwachsenes, mitunter zog sich Schneider von Bühnen und Medien zurück, wurde auf seine große Kunst doch immer wieder auch verkennend und verspießert reagiert.
Musik und Jazz sind in ihren von ihm zelebrierten Freiheiten und Vielfalten Konstanten in der Biographie des Helge Schneider – der unter anderem Thelonious Monk verehrt und 2008 vom deutschen Bundesverband Klavier als »Klavierspieler des Jahres« ausgezeichnet wurde. Wenn Helge Schneider nun in seiner aktuellen »Der letzte Torero – The Big L. A. Show« an den Tasten ebenso agiert wie als Sänger, Trompeter, Saxophonist, am Xylophon und mit Kazoo, ist das nur ein Bruchteil des ihm zur Verfügung stehenden Instrumentariums. Was er dabei tut, kann – wir bewegen uns in gelegentlich auf Schneider-Art »poppigen« Liedern durch Amerika und Mexiko – unter anderem ein subversives Spiel mit der vieldiskutierten »kulturellen Aneignung« sein, gewiss aber gibt es dabei viel zu hören und zu lachen. Eine gescheite Musik. Ein gescheites Lachen.
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Di & Mi, 24 & 25/10/23, 19.30 Uhr · Großer Saal
Helge Schneider
»Der letzte Torero – The Big L.A. Show«
Ticketbezug: https://konzerthaus.at/konzert/eventid/60470