onegin
inhalt
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Über die heutige Vorstellung
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About today’s performance
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Handlung
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Synopsis
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John Crankos Onegin: mehr als ein Ballett Alexander Müller
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Arbeiten mit John Cranko Alexander Müller
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Der Dandy Barbey d’Aurevilly & Charles Baudelaire
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Porträts der menschlichen Seele Horst Koegler
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Probenimpressionen Ashley Taylor
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Zur Musik Kurt-Heinz Stolze
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Die Briefe: Tatjana an Onegin & Onegin an Tatjana Alexander Puschkin
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Der Schuss Alexander Puschkin
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Eugen Onegin. Ein Kommentar Vladimir Nabokov
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Flug der russischen Terpsichore Alfred Oberzaucher
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Szenenfotos Ashley Taylor
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Ensemble
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Biographien
ANTON TSCHECHOW
»Ich konnte lange nicht begreifen, mit wem ich es zu tun hatte – mit einem Zyniker oder mit einem gewandten Gauner? Solche Subjekte wie er, dem Aussehen nach intelligent, ein wenig gebildet, die viel über den eigenen Edelmut reden, verstehen es wunderbar, sich als ungewöhnlich komplizierte Naturen hinzustellen.«
Das Wiener Staatsballett ist Teil der Wiener Staatsoper und der Volksoper Wien.
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Musik Piotr I. Tschaikowski eingerichtet und instrumentiert von Kurt-Heinz Stolze Choreographie & Inszenierung John Cranko Bühne & Kostüme Elisabeth Dalton Licht Steen Bjarke Einstudierung Reid Anderson Lukas Gaudernak Jean Christophe Lesage
URAUFFÜHRUNG 13. APRIL 1965 ERSTAUFFÜHRUNG DER NEUFASSUNG 27. OKTOBER 1967 STUTTGARTER BALLETT, GROSSES HAUS DER WÜRTTEMBERGISCHEN STAATSTHEATER STUTTGART ERSTAUFFÜHRUNG DURCH DAS WIENER STAATSBALLETT 8. APRIL 2006, WIENER STAATSOPER
über die heutige vorstellung »Ach, warum kamen Sie aufs Land, wo wir so still verborgen waren? Ich hätte nimmer Sie gekannt und nie solch Herzeleid erfahren.« – Tatjanas verzweifelter, nach Onegins Liebe suchender Brief ist seit John Crankos erstmals mit dem Stuttgarter Ballett 1965 aufgeführtem Onegin nicht nur Literaturliebhaberinnen, sondern auch Ballettkennern ein Begriff. Crankos choreographische Adaption des Versromans von Alexander Puschkin zählt zu den berühmtesten Handlungsballetten des 20. Jahrhunderts sowie zu den Meisterwerken des südafrikanischen Choreographen, der mit seiner Ballettkunst und seinem direktorialen Gespür für die Förderung von Tänzer*innen und anderen Künstler*innen nicht nur das »Stuttgarter Ballettwunder« schuf, sondern dessen Arbeit im Südwesten Deutschlands seit den 1960er Jahren eines der wichtigsten Kapitel der deutschen Ballettgeschichte markiert. Die im Unglück endende Liebesgeschichte von der jungen Frau Tatjana und dem Antihelden Onegin zeichnet John Cranko zu verschiedenen Werken des Komponisten Piotr I. Tschaikowski, jedoch nicht zu dessen Oper Eugen Onegin. Die Emotionen und Leidenschaften seiner Figuren werden, wie durch ein Brennglas betrachtet, zum Motor seiner Dramaturgie, die sich allein durch den Tanz erzählt. So changiert die Choreographie zwischen großen Ensembleszenen, intimen Momenten der vier Hauptfiguren und emotionalen Pas de deux. Onegin steht maßgebend für die Interpretation und den Anspruch Crankos an das Handlungsballett: »Sein Sinn stand«, so Hartmut Regitz, »nach einem neuen Typus des abendfüllenden Balletts, einem Typus, der sich durch die Klarheit der Handlung und psychologische Profilierung der Charaktere auszeichnete und in gigantischen Pas de deux gipfelte, die mit ihrem Emotionsreichtum und ihrer choreographischen Radikalität tänzerische Dimensionen und Ausdrucksbereiche erschlossen, die man bis dahin nicht gekannt hatte.«
ÜBER DIE HEUTIGE VORSTELLUNG
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about today’s performance »Why did you visit us? In the backwoods of a forgotten village, I would have never known you nor have known bitter torment.« – Ever since John Cranko’s Onegin was first performed by Stuttgart Ballet in 1965 Tatiana’s desperate letter appealing for Onegin’s love has been as familiar to connoisseurs of ballet as it is to lovers of literature. Cranko’s choreographic adaptation of Alexander Pushkin’s verse novel is one of the most famous narrative ballets of the 20th century as well as being one of the major works by this South African choreographer, whose grasp of ballet as an art form and directorial instinct for developing dancers and other artists was not only responsible for the »miracle of Stuttgart Ballet«, but whose work in the South West of Germany from the 1960s onwards represents one of the most important chapters in the history of German ballet. John Cranko tells the story of the unhappy love between the young Tatiana and the anti-hero Onegin through a variety of works by the composer Piotr I. Tchaikovsky – but not to his opera Eugene Onegin. Through close observation – as if under a magnifying glass – the emotions and passions of his characters become the driving force of his dramaturgy, unfolding exclusively through dance. The choreography switches between large ensemble scenes, intimate moments between the four main characters and emotional Pas de deux. Onegin is the definitive example of how Cranko interpreted narrative ballets and what he sought to achieve through them: »What he had in mind was«, according to Hartmut Regitz, »a new kind of full-length ballet: one that was marked out by the clarity of its story and the psychological portrayal of its characters and culminated in gigantic Pas de deux, whose wealth of emotion and radical choreography opened up dimensions of dance and a range of expression that had never been known before.«
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ABOUT TODAY’S PERFORMANCE
ANNA ACHMATOWA
Im Traum Schwarze Trennung, immerwährend, trage Ich mit dir gemeinsam. Ach, du weinst? Gib mir lieber deine Hand und sage, Dass du wieder mir im Traum erscheinst. Wie die Berge, die nicht zueinander Kommen, scheint es mir mit dir: Für uns Gibt’ s auf dieser Welt kein Miteinander. Doch ein Stern, mag sein, schickt deinen Gruß.
Ketevan Papava (Tatjana)
handlung I. Akt Im Garten Madame Larinas Tatjana und Olga tanzen mit ihren Freundinnen. Ein altes Spiel wird gespielt: Wer in den Spiegel blickt, sieht den Geliebten. Bei Olga bewahrheitet sich der Aberglaube. Sie erblickt ihren Verlobten, den Dichter Lenski. Als ihre Schwester Tatjana in den Spiegel schaut, sieht sie Onegin und verliebt sich in ihn. Lenski hatte seinen Freund, der wegen der Erbschaft eines stattlichen Landgutes aus St. Petersburg gekommen ist, in das Haus der Witwe Larina eingeführt. Doch der gelangweilte Städter lässt die Gesellschaft seine Überlegenheit spüren. Auch Tatjana vermag ihn nicht von seinem Hochmut abzubringen. Tatjanas Schlafzimmer Tatjana schreibt einen Brief an Onegin, in dem sie ihrer schwärmerischen Liebe zu dem fast unbekannten Mann Ausdruck verleiht. Über dem Geschriebenen eingeschlafen, blickt sie im Traum in ihren Spiegel: Onegin erscheint und erwidert ihre Liebe.
II. Akt Im Haus Madame Larinas Tatjana feiert ihren Geburtstag. Ungeduldig wartet sie auf ein Zeichen, mit dem Onegin, der mit Lenski ebenfalls auf der Party ist, auf ihren Brief antwortet. Aber Onegin ist gereizt. Er zerreißt den Brief vor Tatjanas Augen und flirtet so unmissverständlich mit Olga, dass der ahnungslose und zutiefst eifersüchtige Lenski ihn zum Duell fordert. Fürst Gremin, ein angesehener Freund des Hauses, kann das Drama nicht verhindern.
HANDLUNG
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Ein verlassener Park Tatjana und Olga beschwören Lenski, auf das Duell zu verzichten. Auch Onegin ist zur Versöhnung bereit, doch Lenski lässt sich nicht umstimmen. Onegin erschießt Lenski.
III. Akt Ballsaal des Fürsten Gremin Zehn Jahre sind vergangen. Tatjana hat Fürst Gremin geheiratet. Auf einem Ball des Fürsten erscheint ein vom Leben enttäuschter Onegin. Als er Tatjana dort unerwartet wiedersieht, wird ihm klar, dass er die einzige echte Liebe seines Lebens zurückgewiesen hat. Er hofft auf ihre einstigen Gefühle für ihn. Doch die Rollen vertauschen sich: Tatjana wendet sich scheinbar überlegen von Onegin ab. Tatjanas Boudoir Onegin hat sich schriftlich bei Tatjana angemeldet. Diese will die Begegnung vermeiden, doch ihre Bitte an den sorglosen Gremin, sie an diesem Abend nicht allein zu lassen, bleibt vergeblich. Onegin kommt und offenbart ihr seine Liebe. Im Kampf mit ihren Gefühlen erkennt Tatjana, dass Onegins Einsicht zu spät kommt: Vor seinen Augen zerreißt sie seinen Brief. Onegin stürzt verzweifelt davon, Tatjana bleibt verzweifelt zurück.
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HANDLUNG
synopsis Act I In Madame Larina’s garden Tatiana and Olga are dancing with their friends. An old game is played: Whoever looks in the mirror sees the beloved. For Olga, the superstition comes true. She sees her fiancé, the poet Lenski. When her sister Tatiana looks in the mirror, she sees Onegin and falls in love with him. Lenski had introduced his friend, who has come from St. Petersburg for the inheritance of a stately country estate, to the widow Larina’s home. But the bored city dweller makes no attempt to hide his disdain from the assembled society. Even Tatiana is unable to dispel his arrogance. Tatiana’s bedroom Tatiana writes a letter to Onegin, in which she expresses her passionate love for this almost unknown man. Asleep over what she has written, in a dream she looks into her mirror: Onegin appears and returns her love.
Act II In Madame Larina’s house Tatiana is celebrating her birthday. Impatiently, she waits for a sign with which Onegin, who joins the party with Lenski, will reply to her letter. Onegin, however, is irritated. He tears up the letter before Tatiana’s eyes and flirts so unambiguously with Olga that the unsuspecting and deeply jealous Lenski challenges him to a duel. Prince Gremin, a highly respected friend of the family, cannot put a stop to the drama.
SYNOPSIS
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A deserted park Tatiana and Olga implore Lenski to renounce the duel. Onegin too is willing to be reconciled, but Lenski cannot let it go. Onegin shoots Lenski.
Act III Prince Gremin’s ballroom Ten years have passed. Tatiana is married to Prince Gremin. Onegin appears at one of the prince’s balls, disappointed in life. When he unexpectedly sees Tatiana there again, he realizes that he has rejected the only true love of his life. He searches for some sign of her former feelings for him, but the roles are switched: Tatjana turns away from Onegin, apparently unaffected. Tatiana’s boudoir Onegin has written Tatiana a letter. She does her utmost to avoid an encounter, but her pleas to the carefree Gremin not to leave her alone that evening are in vain. Onegin enters and confesses his love. Struggling with her emotions, Tatiana declares that Onegin’s insight comes too late: before his eyes, she tears up his letter. Onegin rushes off in despair, Tatiana is left behind in despair.
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SYNOPSIS
JOHN CRANKO
»Das Reizvolle an einem abendfüllenden Ballett ist für mich die Möglichkeit, verschiedene Schichten des Tanzes zu zeigen. Die äußerliche Handlung nachzuzeichnen, ist nur die eine Seite, auf der anderen gibt es Dinge, die sich weniger eindeutig erklären lassen. Deshalb versuche ich immer Stoffe auszuwählen, die vielschichtig sind, Stoffe, die sich nicht in der bloßen Handlung erschöpfen, sondern außerdem noch Archetypen, Mythen vertreten.«
John Cranko
john crankos onegin: mehr als ein ballett ALEXANDER MÜLLER
»Eine Handlung wird erzählt, und diese Handlung führt in gewissen Momenten zwangsläufig zum Tanz. Nicht, wie es sonst üblich war, dass Tanznummern geschaffen und möglichst rasch durch Pantomimen zu einer Pseudohandlung verbunden werden. Dadurch erhalten die großen Ballette Crankos etwas Notwendiges, Zwingendes und zugleich ganz und gar Natürliches. Keine Divertissements als Füllsel, die nicht dramaturgisch gefordert sind. Alles ist zu einer echten großen Einheit verbunden.« WALTER ERICH SCHÄFER
Nur wenige Choreographen des 20. Jahrhunderts haben es erreicht, dass ihre Werke Jahrzehnte nach ihrer Uraufführung noch aufgeführt werden. Außer Klassikern wie Giselle, Dornröschen und vielleicht noch Schwanensee ist zwar eine ganze Reihe von »alten« Balletten im internationalen Repertoire zu finden, doch kaum in ihrer originalen Choreographie: Bayadère, Nussknacker, Feuervogel, Le Sacre du Printemps, Boléro oder Romeo und Julia werden in unzähligen Bearbeitungen und neuer Choreographie gezeigt, wobei meist nur die Musik den ursprünglichen Titel rechtfertigt. Aber selbst wenn ein Ballett heute noch in seiner choreographischen Erstfassung aufgeführt wird, dann am ehesten dort, wo es kreiert wurde. Doch es gibt Ausnahmen. Einige Werke von Balanchine, Robbins, MacMillan, van Manen, Neumeier, Kylián, Forsythe und Cranko haben den Weg ins aktuelle Repertoire der großen Compagnien gefunden. Onegin ist ein solches Ballett. Es ist heute, mehr als fünfzig Jahre nach seiner Uraufführung, eines der besterzählten Ballette des Repertoires, eine Choreographie, die ohne Umschweife eine wenngleich traurige Geschichte erzählt und das so deutlich, dass der Zuschauer weder die Handlung vorher kennen noch mit dem spezifischen Ausdrucksvokabular eines Balletts vertraut sein muss.
Die Entstehung Im Schaffen des Dichters Alexander Puschkin nimmt der achtteilige Versroman Eugen Onegin, entstanden in den Jahren 1823 bis 1830, eine zentrale Stellung ein. Die detaillierte Darstellung russischen Lebens wurde schon lange vor der Entstehung der gleichnamigen Oper als Standardwerk russischer Literatur gefeiert. Als der Stoff 1877 von Piotr I. Tschaikowski vertont wurde, wurden Eugen Onegin und Tatjana Larina auch außerhalb Russlands berühmt und ihre unglückselige Liebesgeschichte erreichte als Oper ein noch weitaus größeres Publikum als das Puschkinsche Original. Tschaikowskis lyrische Szenen sind bis heute die bekannteste und erfolgreichste russische Oper geblieben. Doch erst weitere neunzig Jahre später, im Stuttgart der Sechzigerjahre, feierte eine Ballettcompagnie mit diesem Stoff ihren schönsten Triumph: John Cranko schuf als abendfüllendes Ballett in drei Akten seinen Onegin. Als junger Tänzer kam Cranko 1946 aus Südafrika nach London ans Sadler’s Wells Theatre, wo die legendäre Ninette de Valois sein choreographisches Talent erkannte und förderte: Er choreographierte zwischen 1946 und 1960 zahlreiche Ballette und Balletteinlagen, unter anderem Tritsch-Tratsch, Pineapple Poll, The Lady and the Fool, Cranks und Der Pagodenprinz für das Royal Ballet sowie Romeo und Julia für das Ballett der Mailänder Scala. Für eine Londoner Neuinszenierung von Tschaikowskis Oper Eugen Onegin unter George Devine choreographierte er 1952 die Tanzszenen. Schon damals, erzählte er später, habe er sich mit einer Ballettversion dieses Stoffes befasst: »Das Werk schien mir für ein Ballett viel geeigneter zu sein.« Noch als John Cranko 1961 als 33-Jähriger in Stuttgart Ballettdirektor wurde, deutete nichts darauf hin, dass diese Tanztruppe in den nächsten zwölf Jahren zur besten deutschen Ballettcompagnie mutieren würde, mit charismatischen Tänzerinnen und 13
JOHN CRANKOS ONEGIN: MEHR ALS EIN BALLETT
Tänzern und überaus erfolgreichen Choreographien. Oder um de Valois zu zitieren: »Es war offensichtlich, dass er ein begabter Choreograph war. Er besaß Witz, Fantasie und die ach so seltene und gesegnete Gabe der Leichtigkeit. Es sprudelte nur so aus ihm heraus. Aber wir wussten nichts über seine Fähigkeiten, eine Compagnie zu schaffen und ein Repertoire aufzubauen. Es war beinahe ein Wunder.« Cranko lieferte also – kurz gesagt – in seiner Londoner Zeit seine Gesellenstücke ab und formte dann in Stuttgart die dortige Opernballettcompagnie zu »seinem« Stuttgarter Ballett. Und mit diesen Tänzern entwickelte er seine Stücke, wobei sein erster großer Erfolg eine überarbeitete Fassung seiner Inszenierung von Romeo und Julia (1962) war, die die Compagnie schlagartig ins internationale Rampenlicht rückte. Er sprach häufig davon, ein Onegin-Ballett zu choreographieren, doch erst 1964/65 nahm diese Idee konkrete Formen an. In John Percivals Cranko-Biographie ist zu lesen, dass Cranko Onegin am Covent Garden für Margot Fonteyn und Rudolf Nurejew choreographieren wollte, ursprünglich hatte er vorgehabt, eine Bearbeitung der Opernmusik für sein Ballett zu verwenden, unter anderem reizte ihn Gremins Arie aus dem letzten Akt, zu der er sich einen Liebes-Pas de deux vorstellte. Die Londoner Direktion allerdings wollte von einer derartigen Verwendung der Opernmusik nichts wissen. Und dasselbe galt, wie sich herausstellte, für den Stuttgarter Intendanten Walter Erich Schäfer. Der hatte sich – ungefähr zur gleichen Zeit – auch an den Kopf gefasst, als Cranko seinen Kollegen Kenneth MacMillan in Stuttgart Mahlers Lied von der Erde choreographieren lassen wollte, ein Projekt, das MacMillan ebenfalls ursprünglich für das Royal Ballet in London vorgesehen hatte und das schließlich in Stuttgart realisiert wurde. Da die Verwendung von Tschaikowskis Opernmusik keine Unterstützung erfuhr, ließ Cranko in Stuttgart seinen musikalischen Mitarbeiter Kurt-Heinz Stolze aus weitgehend unbekannten Tschaikowski-Stücken eine musikalische Partitur zusammenstellen, der hauptsächlich Klavierkompositionen, Teile einer Oper (Oxanas Launen) und die symphonische Fantasie Francesca da Rimini zugrunde lagen. Stolze hatte in Hamburg Klavier, Orgel, Dirigieren und Komposition studiert und war über die Opernhäuser in Hamburg und Stockholm 1959 nach Stuttgart gekommen, wo er als Dirigent und Korrepetitor tätig war und in der Folge für Cranko mehrere Ballettabende musikalisch betreute. Vor Cranko hatte sich nur Victor Gsovsky an eine Ballettbearbeitung des Puschkin-Stoffes gemacht: für das Ballet Comique, eine Compagnie unter der Leitung von George Kirsta, schuf er ein einaktiges Ballett namens Eugene Onegin Suite, das im Mai 1954 in Oxford aufgeführt wurde, Irène Skorik und Denys Palmer tanzten die Hauptrollen. Die Musik bestand aus von Leonard Hancock zusammengestellten Auszügen aus der Tschaikowski-Oper. Als Cranko schließlich seinen Onegin choreographierte, berief er sich gänzlich auf Puschkin, er übernahm die fünf Hauptfiguren und konzentrierte sich auf Tatjana und Onegin. Die eigentliche Choreographie entstand, wie meist bei Cranko, sehr rasch innerhalb von sechs Wochen. Im Vorfeld war der Choreograph mit seinen Tänzerinnen und Tänzern ins Kino gegangen, ein russischer Film von Tschaikowskis Oper war 1964 im Westen herausgekommen. Cranko sah den Film mehrfach und nutzte ihn als Anschauungsunterricht in russischer Mentalität und Haltung, sowie zum Kennenlernen von theatraler russischer Atmosphäre. Er entwarf mit seinen Protagonisten Ray Barra und
JOHN CRANKOS ONEGIN: MEHR ALS EIN BALLETT
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Marcia Haydée die Persönlichkeitsstruktur der Figuren und ließ sie ihren eigenen Zugang und Ausdruck finden. Gemeinsam entstand die Choreographie der beiden Pas de deux. Doch obgleich die Tänzer bereits bei der Uraufführung glaubhafte Rollenporträts vorweisen konnten, war Onegin noch längst nicht der geniale Wurf, als der er sich heute im internationalen Ballettrepertoire behauptet. Bei seiner Uraufführung am 13. April 1965 wurde das Ballett von der Presse fast ausnahmslos verrissen. Cranko wurde dilettantisches Scheitern attestiert, die Aufführung als Ärgernis bezeichnet. Aus heutiger Sicht muten diese Kritiken beinahe komisch an: sie waren wohl auch nicht frei von Vorurteilen. Im provinziellen Stuttgart wurde so manches zerrissen, was erst nach erfolgreichem Gastspiel 1969 in New York, dem damaligen Mekka der Theaterszene, auch im Schwabenland von den Journalisten akzeptiert wurde. Beim ballettomanisch infizierten Stuttgarter Publikum allerdings erfreute sich Onegin in den wenigen Vorstellungen nach der Premiere einer geradezu enthusiastischen Aufnahme. Als Ray Barra, einziger Tänzer der Titelpartie, nach einem Achillessehnenriss im Januar 1966 ausfiel, folgten noch zwei Aufführungen mit dem Londoner Gasttänzer Donald MacLeary an der Seite von Marcia Haydée, dann wurde das Ballett aus dem Repertoire genommen.
Die beiden Fassungen: 1965 & 1967 Den zeternden Uraufführungskritikern muss man eines zugutehalten: Was 1965 im Großen Haus der Württembergischen Staatstheater zu sehen war, unterschied sich vom heutigen Onegin in wesentlichen Punkten: Ausstattung und Aufbau, die Choreographie insbesondere der Gruppenszenen und große Teile der Musik wurden zwischen der Uraufführung 1965 und der Premiere der Neufassung 1967 überarbeitet und geändert, manche Szenen gar ganz gestrichen. In der ursprünglichen Fassung ging dem I. Akt eine Szene voraus, in der Onegin am Sterbebett seines Onkels die kriecherische Verwandtschaft seine Verachtung spüren lässt. Die Streichung dieses dramaturgisch zwar sinnvollen, aber gänzlich bühnenunwirksamen Prologs, der dem Ballettabend einen peinlichen Auftakt verschaffte, und einer kurzen, aber kitschigen Szene im III. Akt, wenn Tatjana ihre beiden Kinder zu Bett bringt, waren nur zwei der auffälligeren Änderungen, die Cranko nach der Premiere vornahm. Von der ursprünglichen Choreographie blieb letztendlich nur ein Drittel erhalten, vor allem die beiden großen Pas de deux. Das Gleichgewicht zwischen Gruppenszenen und Soli musste erst geschaffen werden, der Schwerpunkt lag allzu auffällig auf den vier Hauptakteuren, die Ensembles fielen stark ab. Der Klavierauszug der Uraufführung belegt, dass ganze Szenen mit neuer Musik unterlegt wurden: die umfangreiche Überarbeitung insbesondere der Gruppentänze ließen diese an choreographischer Substanz und dramaturgischer Verzahnung gewinnen, das Ballett erhielt damit den ursprünglich nicht vorhandenen Rahmen. Cranko reagierte hierbei streckenweise sehr verständig auf die Einwände der Kritiker, in anderen Dingen blieb er stur. Was ihm dramaturgisch notwendig erschien – beispielsweise die Anwesenheit der beiden Mädchen in der Duellszene im II. Akt, ohne die Tatjanas verachtender Blick zum Aktschluss nicht möglich wäre –, verteidigte er gegen jede Kritik. 15
JOHN CRANKOS ONEGIN: MEHR ALS EIN BALLETT
Egon Madsen (Lenski), Ana Cardus (Olga), Marcia Haydée (Tatjana) & Ray Barra (Onegin) Stuttgarter Ballett 1965
Dass eine solche Szene eine glatte Unmöglichkeit im Russland des 19. Jahrhunderts darstellte, störte ihn überhaupt nicht. Historische Authentizität auf der Bühne war ihm längst nicht so wichtig wie die Gefühle der Figuren. »Mich reizte an Onegin vor allem, dass die Geschichte gleichzeitig ein Mythos und eine gefühlsmäßig nachvollziehbare Situation ist. Ein blasierter Mann von Welt, der nicht mehr zu fühlen vermag, begreift die Bedeutung des hässlichen Entleins nicht. Als es sich dann in einen Schwan verwandelt, möchte er es plötzlich zurück haben; Tatjana hingegen erkennt, wie hohl und gelangweilt er in Wahrheit ist. Und während ihr Gefühl ihr sagt: ›Nimm ihn‹, rät der Verstand ihr: ›Nimm ihn nicht!‹« Es war dieser Kontrast zwischen Emotionalität und Rationalität in der Figur Tatjanas und der Umkehrung der Rollen zwischen ihr und dem Skeptiker Onegin, der sich vom Ebenbild der Gleichgültigkeit zum Opfer eben dieser Indifferenz wandelt, der Cranko faszinierte. Heute machen die Ausgewogenheit der Gruppenszenen und Soli einen Großteil der Qualität von Onegin aus. Cranko charakterisierte seine Arbeit wie folgt: »Es soll keine Tanznummern geben, die für sich stehen. Innerhalb jeder Nummer muss der Charakter am Ende in einem anderen Zustand sein, als er es am Anfang war. Oder die Handlung muss weitergehen. Eine Einlage allein genügt nicht.« In Onegin gibt es keinen einzigen Schritt, der für das Drama, für die Geschichte nicht notwendig oder zumindest sinnvoll wäre. Das Besondere hierbei ist, dass es keine Sekunde Leerlauf gibt, nicht für den Zuschauer und nicht für den Tänzer. Zum Beispiel die Geburtstagsfeier im II. Akt: Das Ballett strotzt hier geradezu vor kleinen und kleinsten Gesten, die dem Bühnengeschehen Leben verleihen, und obgleich Cranko lediglich Ballettgesten verwendet – alle Bewegungen sind keine Alltagsgesten – wirkt alles erstaunlich gewöhnlich. Und diese Fülle an Bewegungen, Geplänkel, Individuen lenkt nicht von Tatjana und Onegin ab, beide sind in ihrem Handeln präsent, als wären sie allein auf der Bühne. Außerdem war Cranko neugierig auf die Möglichkeiten für umfangreiche Tanzszenen in gegensätzlichen Stilen, die das Werk in jedem Akt bietet: »Wir beginnen mit Bauerntänzen; dann folgt das bürgerliche Milieu auf Tatjanas Geburtstag; und schließlich im letzten Akt der aristokratische Ball. Und in der Mitte findet ein sehr kunstvoller Pas de quatre statt.« Die Differenzierung im Milieu, die sich in Choreographie und Ausstattung niederschlug, lässt eine Steigerung erkennen vom ländlichen Idyll zur St. Petersburger Aristokratie. Vor allem den II. Akt, in dessen Verlauf die Erzählung zum Wendepunkt und zur Katastrophe (Lenskis Tod) gelangt, lockerte Cranko durch humoristische Elemente auf. Die karikierten Alten auf Tatjanas Geburtstag stehen hier im scharfen Kontrast zu Tatjanas Liebeskummer und Onegins unheilvollem Flirt. Die wichtigsten Teile der Choreographie und Kulminationspunkte der Handlung sind jedoch Crankos Pas de deux im I. und III. Akt. Der Spiegel-Pas de deux löst in spektakulärer Weise das Problem der Darstellung des Briefs: Cranko lässt den Inhalt des Briefs einfach tanzen. Spielt sich hier alles in der Höhe ab – Onegin wirbelt Tatjana in rauschenden Hebungen durch die Luft –, so präsentieren sich die Protagonisten im Schluss-Pas de deux wie von Bleigewichten zu Boden gedrückt. So leicht und ätherisch der Traum im I. Akt, so erdenlastig und bleiern zeigt sich das schicksalsschwere Finale. Als die Neufassung 1967 Premiere hatte, war die Presse zwar immer noch skeptisch, aber Cranko 17
JOHN CRANKOS ONEGIN: MEHR ALS EIN BALLETT
führte Ballett und Compagnie trotzdem zum Triumph. So schrieb Clive Barnes nach dem New York-Gastspiel 1969: »Crankos Choreographie hat zwei entscheidende Stärken. Erstens die Kraft seiner Arbeit mit dem Ensemble; hier beweist er, wie vollkommen er die Bühne beherrscht. Aber zweitens – und das ist möglicherweise noch entscheidender – die Eleganz und Ausdruckskraft seiner Pas de deux.« Und über die Tänzerin der Tatjana schrieb er: »So scharf wie eine Rasierklinge, so intensiv wie eine grausame blaue Flamme, so fraulich wie eine Bäuerin verfügt Marcia Haydée über die richtigen choreographischen Wahrheiten und dramatischen Unvereinbarkeiten, die Größe bedeuten.«
Wie Onegin bis heute weiterlebt Nach der Premiere der Neufassung 1967, diesmal mit Heinz Clauss und Marcia Haydée, wurde diese Version allein vom Stuttgarter Ballett bis heute weit über 500 Mal getanzt. 1972 studierte Cranko Onegin mit Heinz Bosl und Konstanze Vernon beim Ballett der Bayerischen Staatsoper München ein. 1976 folgten Aufführungen beim Königlich Schwedischen Ballett und beim Australian Ballet, später beim London Festival Ballet, beim National Ballet of Canada, beim Ballett der Hamburgischen Staatsoper, beim Königlich Dänischen Ballett und dem Ballett der Deutschen Oper Berlin. Heute gibt es nur wenige international bedeutsame Compagnien, die Onegin nicht im Repertoire haben. Unter anderem übernahmen das Ballett der Mailänder Scala, das American Ballet Theatre, das Royal Ballet London, das Ballett der Ungarischen Staatsoper Budapest, das Staatsballett Berlin, das Wiener Staatsballett, das Ballett der Pariser Oper und das Bolschoi-Ballett Moskau Crankos Choreographie des Puschkin-Stoffes. Das Ballett des Nationaltheaters Prag zeigte ab 2005 ebenfalls die Cranko-Version, nachdem dort 1999 Wassili Medwedew eine eigene Version eines Onegin-Ballettes präsentiert hatte. Die Attraktivität von Crankos Onegin für Tänzerinnen und Tänzer besteht hauptsächlich in der kompromisslosen Darstellung von Charakteren, bei denen Darsteller und Rollencharakter verschmelzen. Diese Echtheit von Gefühlen, von Beziehungen hat Cranko in seinen Balletten nicht nur im Probenprozess, sondern gerade auf der Bühne gefordert. Eine Tatjana kann erst dann eine gute Tatjana sein, wenn sie das Gefühl, die Verzweiflung, die Liebe über die Rampe bringt. Und dazu bedarf es einer Darstellerin, einer Künstlerin und nicht nur einer Ballerina. Diese Möglichkeit zur Darstellung eines Reifeprozesses machen die Onegin-Figuren heute wie vor fünfzig Jahren zu den attraktivsten Bühnenfiguren überhaupt. Als Cranko 1973 starb, hinterließ er ein reiches Repertoire. Nicht nur Onegin, Der Widerspenstigen Zähmung oder seine Version von Romeo und Julia, die alle drei von zahlreichen Compagnien nachgetanzt werden, auch Ballette wie Katalyse, Opus 1, Présence, Carmen oder Initialen R.B.M.E. Er hatte eine Schule geschaffen, die ihm sehr am Herzen lag, und er hinterließ seinen Namen und seinen Ruhm. Aber vor allem hinterließ er seine Compagnie, eine Compagnie mit Tänzerinnen und Tänzern, die seinen Stil, seine Arbeitsweise und seine Besonderheit pflegen und weitergeben: Anne Woolliams, Georgette Tsinguirides, Marcia Haydée, Egon Madsen, Richard Cragun, Birgit Keil, Judith
JOHN CRANKOS ONEGIN: MEHR ALS EIN BALLETT
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Reyn, Reid Anderson, sie alle haben mit Cranko gearbeitet und seinen Samen weiter ausgestreut. Unter den Tänzern, die in den Siebzigerjahren und später zum Stuttgarter Ballett stießen, war kaum einer nicht wegen Cranko und seinen Balletten in Stuttgart. Die Stuttgarter Ballerinen, egal ob Annie Mayet oder Sue Jin Kang, waren alle ausnahmslos wegen Marcia Haydée und ihrer Interpretation der Cranko-Partien nach Stuttgart gekommen, wegen des Ausdrucks ihrer menschlichen Tiefe auf der Bühne, der Persönlichkeit, die die Rollen ausfüllte, der Frau, die die Grenzen zwischen Rolle und Tänzerin verschwinden ließ. Der heutige Stuttgarter Ballettintendant, Tamas Detrich, sah Haydée und Cragun in einer Onegin-Vorstellung in der MET und bekniete daraufhin seine Eltern, ihn nach Stuttgart auf die Schule zu schicken. Und diese Anekdote ist beileibe kein Einzelfall, die magnetische Wirkung der Stuttgarter Compagnie ist Legende geworden. Und darin liegt Crankos wohl größtes Verdienst: Er ließ seine Tänzerinnen und Tänzer in sich die Fähigkeit entdecken, mit ihrer ganzen Menschlichkeit die Figuren in seinen Balletten mit prallem Leben zu erfüllen. Dieses Ganz-in-der-Rolle-Aufgehen macht Crankos Figuren zu den darstellerisch anspruchsvollsten und schönsten der Ballettliteratur. Die Tänzerinnen und Tänzer aus aller Welt danken es ihm heute noch.
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JOHN CRANKOS ONEGIN: MEHR ALS EIN BALLETT
arbeiten mit john cranko ALEXANDER MÜLLER
»Was die Arbeit mit Cranko so unglaublich bereichernd machte, war der Kontakt, die Kommunikation, die sich intuitiv während der Ballettproben im Studio zwischen Choreograph und Tänzern ergab. Cranko war ein außergewöhnlicher Mensch, der sich bis zum Letzten verausgabte und dieselbe Bereitschaft und Hingabe von seinen Tänzern erwartete und fand. Für ihn waren sie nicht in erster Linie technisch brillante Interpreten, er suchte vielmehr, auf ihrem Charakter aufzubauen. Der menschliche Kontakt, die Atmosphäre waren für ihn entscheidend. So verstand er es, eine Choreographie aus dem Charakter, der Mentalität, den physischen Veranlagungen eines jeden seiner Tänzer zu entwickeln. Er stellte höchste Ansprüche und förderte die Kreativität eines jeden. Dabei erkannte er, wann der richtige Ausdruck, die überzeugende Geste gefunden waren und hielt diese unmittelbar fest. Seine Ballettschöpfungen sind aus einer engen Zusammenarbeit mit seinem Ensemble entstanden, das für alle eine einzige große Familie darstellte. Bei dieser passionierten Arbeit wuchs jeder über sich selbst hinaus, selbst Unmögliches wurde möglich.« Die Stuttgarter Choreologin Georgette Tsinguirides hat mit dieser Aussage bereits den Kern von Crankos Arbeitsweise dargelegt: Er kreierte im direkten Kontakt mit seinen Tänzern. Nie kam er mit präzisen Bewegungsabläufen oder einer am Reißbrett entstandenen Choreographie ins Studio. Vielmehr schwebte ihm eine gewisse Atmosphäre vor, eine Stimmung, und dieses Bild erarbeitete er gemeinsam mit seinen Tänzerinnen und Tänzern sowie seinem Team. Crankos Arbeit speiste sich im Wesentlichen aus vier Quellen: dem intensiven Studium von Musik und Literatur, schier endlosen Diskussionen mit Tänzern und Freunden, der harten Arbeit im Ballettsaal mit den Tänzerinnen und Tänzern, denen er Bewegungen gab, die sie selber weiterentwickelten, und schließlich dem Einsatz seiner Ballettmeister, die seine Ideen ausführten, entwickelten, verfeinerten, putzten. Und all dies in einer Atmosphäre von heiterem Geltenlassen aller Gegensätze, von Toleranz, Freundschaft und Liebe und unter dem Gesetz äußerster Disziplin und Präzision. Da war zunächst ein ungewöhnlich hochgebildeter Mann mit unkonventionellem Auftreten: Die ersten zehn Jahre seines Stuttgarter Schaffens gab es zum Beispiel kein Ballettsekretariat. Cranko leitete sein Ensemble von einem Tisch in der Stuttgarter Theaterkantine aus, wo er täglich stundenlang mit seinen Tänzerinnen und Tänzern zusammensaß und mit ihnen darüber sprach, wie man eine Ballettcompagnie aufbaut,
ARBEITEN MIT JOHN CRANKO
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John Cranko bei einer Probe zu Onegin mit u.a. Marcia Haydée (Tatjana) & Heinz Clauss (Onegin)
oder wie man Fähigkeiten von Tänzern weiterentwickelt (wenn er nicht gerade Kreuzworträtsel löste). Diese Gemeinschaft und das Miteinander bildeten den Kernpunkt von Crankos Schaffen. Zuhause studierte Cranko dann meist noch weiter Musik und Literatur bis spät in die Nacht und war nach wenigen Stunden wieder im Ballettsaal. »Es ist wichtig, ein Vorbild zu haben, als Direktor oder als Tänzer. Man steht Abend für Abend auf der Bühne als irgendein Hofherr – und dann kommt die Fonteyn – und es ist jedes Mal ein Wunder!« In dieser Erkenntnis, innerhalb einer Tradition zu stehen und Vorbilder anzuerkennen, versuchte Cranko in seinen Balletten die britische und die russische Tradition zu vereinigen. Er machte mit einfachen Ballettschritten komplexe psychologische Spannungen sichtbar. Seine Arbeitsweise führte er auf seine Lehrerin Vera Volkova zurück: »Sie hat nicht nur die einzelnen Schritte beschrieben, ihre Technik, sondern sie hat uns immer darüber hinaus ein Bild davon gegeben. Sie hat uns eine Bewegungskette wie einen gesprochenen Satz erklärt. Stark oder schwach betont, in einer eigenen Dynamik.« Diese Methode machte er zu seiner eigenen: Er gab seinen Tänzerinnen und Tänzern immer einen Sinn für ihre Bewegungen. Bewegung um der Bewegung willen gab es bei Cranko nicht. Marcia Haydée, seine Primaballerina, Muse und Tatjana der Uraufführung, hat ihre Zusammenarbeit mit Cranko wie ein Spiel beschrieben: jungfräulich sei sie in die Proben des neuen Balletts gegangen, völlig aufnahmebereit für die Dinge, die Cranko mit ihr kreieren wollte. Am Anfang standen ausführliche Gespräche. Der Choreograph legte ihr seine Ideen dar und schilderte die Figur, die er sehen wollte, und sie setzte es um. »Er hat mir viel Freiheit gelassen. Er ist immer auch auf meine Vorschläge eingegangen. Denn ich muss wissen, warum ich etwas tue. Es geht nicht, erst die Schritte zu machen und dann den Charakter darauf zu setzen.« Haydée analysierte nicht, was sie tat, sondern vertraute auf Cranko und ihre Intuition. Im I. Akt des Onegin tat sie nichts anderes, als Tatjanas Verliebtheit zu tanzen, sie reagierte auf Onegin und zeigte in jeder Geste und Haltung: Ich bin in Onegin verliebt. Sie las weder Puschkin, noch dachte sie über Schritte nach, wenn sie tanzte. Bei den Pas de deux, die meist in sehr kurzer Zeit gestellt wurden, legte Cranko zu einer bestimmten Musik die Choreographie an und koordinierte musikalische und mimische Akzente. Danach feilten Marcia Haydée und Ray Barra in einer Ecke des Ballettsaales gemeinsam an den Schritten, Griffen und Hebungen, während Cranko mit der Gruppe weiterarbeitete. »Obwohl die Pas de deux des Onegin sehr schwierig sind, fielen sie mit Marcia leicht. Wir mussten nicht viel überlegen, es passierte einfach so«, charakterisierte Ray Barra seine Arbeit an Onegin. Er eignete sich Schritt für Schritt die Rolle an, korrigiert und geleitet von Cranko baute er sich die Partie nach seiner Persönlichkeit, bis sie zu ihm passte. »Cranko ließ den Solisten Freiheiten in der Gestaltung der Rolle. Er gab uns Anregungen und verwies uns vor allem auf Puschkins Roman, den wir immer und immer wieder lasen [...]. Während einer Szene im II. Akt sollte ich am Rande auf meinen Einsatz warten. Mir schien die Zeit sehr lang, und ich fragte Cranko, was ich denn tun sollte. Er antwortete nur: ›Spiel Karten.‹ So kam das Kartenspiel in diese Szene.« Cranko vertraute bei der Realisierung der Pas de deux ganz auf seine Tänzerinnen und Tänzer. »Im allgemeinen hat er uns einen Schritt gegeben, aber dann im Bewegungsfluss hat sich der Körper etwas anders bewegt, und dann hat er gesagt
ARBEITEN MIT JOHN CRANKO
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›Ja ... das ist gut, das behalten wir bei‹. Und so war es auch bei manchen Hebungen. Es war eben wirklich eine Zusammenarbeit. Nie hat er gesagt: ›Das muss so, so, so sein!‹« Haydée hat erzählt, dass Cranko in Tatjana ursprünglich ein junges Füllen sah, täppisch und ungelenk. Und obwohl die Tänzerin mit dieser Sicht nicht einverstanden war, spielte sie Tatjana anfangs so, wie er es wollte, überzeugte ihn schließlich aber mit ihrer eigenen Interpretation. Doch bei aller Würdigung der Intelligenz und Arbeitswut Crankos, seiner Geselligkeit und Offenheit und nicht zuletzt der inspirierenden Mitarbeit seiner Tänzerinnen und Tänzer wird oft vergessen, dass ein Großteil seiner choreographischen Arbeit von seinem Team geleistet wurde. Diese Arbeit seiner Ballettmeister Anne Woolliams, Peter Wright, Alan Beale und Georgette Tsinguirides charakterisierte Cranko wie folgt: »Ich habe eine Idee, kann sie nicht klar in Bewegung ausdrücken, versuche es durch eine Metapher zu erklären – und ein guter Ballettmeister kann mir helfen, eine Form für meinen Wunsch zu finden. Ein guter Ballettmeister findet Schritte. Man sitzt da und grübelt, und er macht einen Schritt, und mit einem Mal weiß man: so geht es, so geht es weiter. Allein zu arbeiten ist für mich schwer, und diese schöpferische Didaktik von Ballettmeistern brauche ich. Sie ist kaum zu finden. Schwerer als Primaballerinen.« Für die Kreation seiner Ballette waren Crankos Mitarbeiter insofern unentbehrlich, als der Choreograph eine Szene stellte und seinen Assistenten dann das Putzen überließ: ihnen oblag die exakte Ausarbeitung der Bewegungen, das Trainieren der Tänzer, das Einstudieren und eben auch das Erfinden von Schritten für den Choreographen. So hatten seine Ballettmeister bei der schöpferischen Arbeit im Stuttgarter Ballett die eigentlich tragende Funktion inne. Sie leisteten – wie die Tänzerinnen und Tänzer – weit mehr als ihre professionelle Funktion ihnen vorschrieb: Sie schenkten John Cranko die Schritte, aus denen er seine Ballette schuf.
»Er hat niemals vergessen, dass tanzen Freude macht.« GLEN TETLEY ÜBER JOHN CRANKO
BARBEY D'AUREVILLY
»Das Dandytum ist nicht nur äußerlich sichtbar, sondern auch eine aus lauter Nuancen bestehende Lebensweise, die zu einer Gesellschaft gehört, in der die Konvention kaum über die Langeweile triumphiert. Im Kampf zwischen Konvention und Langeweile musste man das Unerwartete schaffen. Der Dandy spielt zwar mit den Regeln, aber er respektiert sie. Er leidet unter ihnen und rächt sich an ihnen, selbst wenn er sie überwindet. Er brüstet sich, wenn er ihnen entkommt, er beherrscht sie und wird seinerseits von ihnen beherrscht.«
»Der Mann mit Geld und Muße, der trotz einer gewissen Blasiertheit keine andere Beschäftigung kennt als den Wettlauf nach dem Glück; der im Luxus aufgewachsen und von Jugend an gewohnt ist, dass ihm andere gehorchen; kurz – der Mann, der keinen anderen Beruf hat als den der Eleganz, dieser Mann wird immer und überall durch ein scharf umrissenes Profil ganz besonderer Art hervorstechen. Das Dandytum ist eine schwer definierbare Erscheinung, bizarr wie die Duells; sehr alt … Das Dandytum ist eine Art Kult mit dem eigenen Ich, langlebiger oft als die Suche nach dem Glück, das im Mitmenschen, etwa der Frau, zu finden ist. Langlebiger sogar als das, was man Illusionen nennt. Es ist die Freude daran, andere in Erstaunen zu setzen, und das stolze Hochgefühl, nie selbst in Erstaunen zu geraten.« CHARLES BAUDELAIRE
porträts der menschlichen seele HORST KOEGLER
Das wüsste man doch zu gern, welche Bücher der Schüler John Cranko als etwa Zwölfjähriger da unten in Kapstadt gelesen hat! Denn irgendwoher muss ja diese unbändige Erzählungslust in seinen Balletten kommen. Doch darüber erteilt John Percivals autoritative Biographie keine Antwort. Dort ist lediglich die Rede von der Schwärmerei seiner Mutter für das Theater und insbesondere für das Ballett: »So wuchs er mit den Geschichten über ›diese Zauberwelt‹ auf, die für ihn ungefähr den Platz einnahm, den sonst Märchen besetzen.« Jedenfalls erzählte er schon in seinem ersten Ballett als Vierzehnjähriger, der Suite aus Strawinskis Geschichte vom Soldaten, eine Geschichte, die mit dem Originallibretto überhaupt nichts zu tun hatte – von einem attraktiven Teufel, der unter den Soldaten Tod und Zerstörung verursacht und die Dorfbewohner dazu zwingt, sich zu Tode zu tanzen. Etwas später, kurz nach seiner Übersiedelung als Zwanzigjähriger nach London, ist davon die Rede, dass er »Bücher am liebsten geradezu stapelweise kaufte« und dass er »pro Tag drei Stück lesen konnte, die er aufs Geratewohl von den Stapeln nahm [...]. Und doch konnte er hinterher stets von dem erzählen, was er gelesen hatte, und zwar so gut, dass das Buch selbst im Vergleich dazu enttäuschte [...]. Er las alles; aber es gab bestimmte Bücher, die er immer wieder zur Hand nahm und die sein Denken besonders beeinflussten«. Dazu gehörte offenbar auch Puschkins Eugen Onegin, der ihn lange Jahre verfolgte, ehe er als Ballett Gestalt annahm. Mehr als seinen etwas jüngeren Kollegen Kenneth MacMillan hat ihn die Vorliebe der Londoner für Story-Ballette geprägt. Erinnern wir uns daran, dass Balanchines konzertante Ballette im London der Fünfzigerjahre noch ziemlich reserviert aufgenommen
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wurden. Ninette de Valois, Frederick Ashton, Robert Helpmann, auch Altmeister Léonide Massine bestimmten neben den Klassikern das Repertoire, und ihre Balletteinakter beruhten durchwegs auf dramatisch pointierten Libretti. Und mit einem solchen hatte auch der gerade 27-jährige Cranko 1954 seinen entscheidenden Durchbruchserfolg: Pineapple Poll, einer Ballettkomödie, arrangiert nach der populären Operette von Gilbert and Sullivan. Schon der junge Cranko war ein ausgepichter Entertainer des Theaters, in vielen Sätteln gerecht. Er choreographiert ein Ballett nach dem anderen, humorvolle wie Pineapple Poll, melancholische wie Harlequin in April, sentimentale wie The Lady and the Fool, pariserisch kesse wie La belle Hélène, melodramatische wie Sweeney Todd (der dämonische Barbier aus Fleet Street), er erfindet eine Art choreographisches Kabarett in Cranks, er inszeniert für die Oper die Uraufführung von Brittens A Midsummer Night’s Dream, er wagt sich an das erste abendfüllende englische Ballett nach dem Krieg mit einer eigens in Auftrag gegebenen Musik von Britten, The Prince of the Pagodas. Das sind alles Arbeiten, die eine handfeste Story haben. Und er sieht sich bestätigt in seiner Überzeugung, dass das Publikum nach großen dramatischen Stoffen lechzt, durch den überwältigenden Erfolg, den die beiden führenden sowjetischen Ballettcompagnien des Bolschoi- und des Kirow-Theaters seit Mitte der Fünfzigerjahre bei ihren Gastspielen nicht nur in London, sondern in der ganzen westlichen Welt haben – neben den Klassikern auch Romeo und Julia und Cinderella, ja selbst die unverhohlen parteipolitischen Propagandaspektakel des sowjetischen Repertoires. Die Gasteinladung zur Inszenierung seines Pagodenprinzen nach Stuttgart macht ihn mit dem deutschen Theatersystem einer integrierten Partnerschaft von Oper, Schauspiel und Ballett im gleichen Haus unter einer Generalintendanz bekannt. Sie führt bekanntlich zu seiner 1961 erfolgten Berufung als Ballettdirektor und Chefchoreograph an die Württembergischen Staatstheater. In den zwölf Jahren, die ihm bis zu seinem 1973 allzu früh erfolgten Tod in Stuttgart vergönnt sind, baut er das Stuttgarter Ballett zur deutschen Compagnie Nummer eins auf. In hautnaher Nachbarschaft mit der Oper und dem Schauspiel erarbeitet er ein überaus vielseitiges Repertoire aus kürzeren und abendfüllenden Balletten, bestimmt für ein Abonnementpublikum, das alle drei Gattungen frequentiert und so einen ganz anderen theatralisch-dramatischen Zugang zum Theater hat als das viel spezialisiertere Publikum im London seiner Lehrjahre. Es ist der Glücksfall, dass er sich in allen Kategorien des Balletts gleichermaßen zu Hause fühlte – ein Hansdampf in allen Theatergassen – in der Komödie (Jeu de cartes) wie in der Tragödie (Antigone), in rein konzertanten Einaktern (L’Estro Armonico) wie in pantomimisch-expressiven Farcen (Presence), in großer Sinfonik (Initialen R.B.M.E.) wie in kammermusikalischen Miniaturen (Brouillards). Zu den großen tragenden Säulen des von ihm kreierten Stuttgarter Repertoires aber gehören seine dramaturgisch fundierten Abendfüller nach literarischen Vorlagen: Romeo und Julia, Onegin, Der Widerspenstigen Zähmung und Carmen – und man weiß, dass er sich zur Zeit seines überraschenden Todes mit dem Gedanken an ein mehraktiges Tristan-Ballett trug, das Hans Werner Henze für ihn komponieren sollte. Selbst wenn er vermeintlich rein konzertante Einakter schuf, schlich sich doch immer auf die eine oder andere Weise eine Story in sein Konzept ein: Katalyse, Die Befragung, 27
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Opus 1, Konzert für Flöte und Harfe. Wie Janáček sein berühmtes Quartett, hätte er seine Debussy-Skizzen zu Brouillards auch Intime Briefe nennen können. Er konnte gar nicht anders, und so gerieten ihm seine Rollen unweigerlich zu Porträts der menschlichen Seele. Das macht sie für Tänzerinnen und Tänzer so interessant – und nicht minder für das Publikum, das verfolgt, wie die Tänzer in ihre Rollen hineinwachsen, sich immer feinere psychologische Details erarbeiten. Und es erklärt auch seine mehr von kollegialhandwerklichem Respekt als von wirklicher Liebe zeugende Hochachtung vor dem Œuvre Balanchines (sie beruhte übrigens durchaus auf Gegenseitigkeit). Cranko ist seit 1973 tot. Wie hätte er sich weiterentwickelt – gerade auch im Hinblick auf den enormen Innovationsschub durch das alternative Tanztheater? Ich kann mir nicht vorstellen, dass seine Lust am Erzählen von Stories eine ernstliche Einbuße erlitten hätte. Sicher hätte er es schwer gehabt mit einem Großteil der heutigen Kritik, die ja für narrative, dramaturgisch linear konzipierte Ballette geradezu eine Phobie entwickelt hat – sehr im Gegensatz zum Publikum, das nach wie vor in seine Handlungsballette strömt und sich mit ihnen identifiziert, nicht nur in Stuttgart, sondern in der ganzen Welt. Er ist eben – und bleibt! – einer der kreativsten Balletterzähler in der Geschichte dieser Kunstgattung – sozusagen ein Dickens oder Somerset Maugham des Tanzes –, die in ihren besten Hervorbringungen die Menschen über sich hinauswachsen lässt in eine von aller Erdenschwere befreite Existenz. Jede eine andere Julia, jeder ein anderer Romeo!
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KLAUS GEITEL
»Ihn trieb die Unruhe. Er war kein Mann des unaktiven Behagens, des Müßiggangs, der genüsslichen Passivität. Dazu waren seine Interessen zu groß, seine Neugier unerschöpflich, auch wenn er oft schon vorher zu wissen schien, dass sich der geistige Aufwand bei den meisten Anlässen kaum lohnte. Er suchte und fand Anregungen, wo kein anderer sie auch nur vermutet hätte. In seinem Innern wuchsen Ideen auf und verwandelten sich über die Monate, die Jahre allmählich zu Balletten. Wenn Cranko zu probieren begann, schienen sie ihm oft beinahe aus dem Ärmel zu rutschen. Nicht, dass er sich die Choreographie, auf dem Sofa liegend, ausgedacht hätte: Trockenballette sozusagen, blutlos. Im Gegenteil. Erst die Arbeit mit seinen Tänzern setzte den Motor in Gang, der allerdings zuvor aufgetankt war, geschmiert, geölt, durchgesehen. Arbeit des Unterbewusstseins. Cranko ließ ruhig die choreographischen Früchte reifen, bevor er den Baum zu schütteln begann.«
← Hyo-Jung Kang (Tatjana)
Marcos Menha (Onegin) & Ketevan Papava (Tatjana)
Davide Dato (Lenski) & Sonia Dvořák (Olga)
Denys Cherevychko (Lenski) →
Damenensemble
Brendan Saye (Onegin)
Ioanna Avraam (Tatjana) & Eno Peci (Onegin) →
Elena Bottaro (Olga) & Arne Vandervelde (Lenski)
Elena Bottaro (Olga) & Alexey Popov (Lenski)
Ioanna Avraam (Tatjana) & Eno Peci (Onegin)
Aleksandra Liashenko (Olga) & Hyo-Jung Kang (Tatjana) →
zur musik KURT-HEINZ STOLZE
John Crankos Ballettschöpfung Onegin ist mit Piotr I. Tschaikowskis Oper Eugen Onegin allein durch Alexander Puschkins Roman verbunden, der beiden Werken zugrunde liegt. Das bedeutet, dass die Musik zu dem abendfüllenden Onegin-Ballett keinen Takt aus Tschaikowskis Oper verwendet, sondern von mir aus mehreren wenig bekannten Werken Tschaikowskis ausgewählt, zusammengestellt und in den meisten Fällen auch instrumentiert wurde. Die Aufgabe, die mir als musikalischem Bearbeiter gestellt war, bestand darin, die dramatische Handlung mit einer in größere Formen gegliederten Musik zu unterlegen. Diese Formen mussten ihrerseits der Dramaturgie der Handlung entsprechen und zum Zweck der tänzerischen Ausdeutung auf kurzen und unschwer aneinanderzufügenden Musiknummern basieren. Als besonders geeignet dafür erwiesen sich, dank ihrem einfachen formalen Aufbau, Tschaikowskis Klavierkompositionen, die in den Bänden 51 bis 53 der Gesamtausgabe enthalten sind und denen etwa drei Viertel der gesamten Musik des Balletts entnommen sind. Besonders ergiebig war dabei der Klavierzyklus op. 37, Die Jahreszeiten, daneben die Oper Oxanas Launen, aus der zwei Arien, ein Chor und einige Instrumentalnummern verwendet wurden. Ein Duett aus Romeo und Julia diente als Vorwurf für das Hauptthema im Pas de deux Tatjana-Onegin im I. Akt, während der Mittelsatz der symphonischen Dichtung Francesca da Rimini einen breiten Raum im Pas de deux des III. Aktes einnimmt. Die großen Tanznummern – Walzer, Mazurka, Polonaise usw. – sind vorwiegend aus Klavierkompositionen entstanden. Der dramaturgische Aufbau des Balletts verlangte, eine allzu lose Aneinanderreihung verschiedener Stücke zu vermeiden. Deshalb sind einige Themen leitmotivisch verwendet; sie erscheinen bei ihrer Wiederkehr oft harmonisch und rhythmisch verändert. Einigen Szenen sind freie Variationen über vorher zitierte Themen unterlegt. Damit gelang es, die einzelnen Stücke so miteinander zu verbinden und zu kombinieren, dass
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größere formale Abschnitte entstehen, die vom Bauprinzip des üblichen NummernBalletts abweichen. Bei der Instrumentierung war mir wichtig, einerseits nicht zu weit von dem für Tschaikowski typischen Orchestersatz abzuweichen, andererseits aber zu häufige Tutti-Wirkungen zu vermeiden. Der Balletthandlung entsprechend, die in Onegin fast nur von den Hauptfiguren getragen wird, schien es mir angebracht, das Orchester im Ganzen kammermusikalischer zu behandeln, als in Tschaikowskis Original-Balletten üblich, und die Verwendung des vollen Orchesters im Allgemeinen den dramatischen Höhepunkten und Aktschlüssen vorzubehalten.
Quellen Oxanas Launen. Oper op. 14 (1885), auch bekannt unter den Titeln Wakula der Schmied, 1874 entstanden, 1876 uraufgeführt in St. Petersburg, 1885 umgearbeitet als Die Pantöffelchen, 1887 wiederaufgeführt in Moskau. Francesca da Rimini. Symphonische Fantasie nach Dante op. 32 (1876) Romeo und Julia. Duett für Sopran, Tenor & Orchester ohne op. (1893) Drei Stücke für Klavier op. 9 (1870) Sechs Stücke für Klavier op. 19 (1873) Die Jahreszeiten für Klavier op. 37a (1876) Sechs Stücke für Klavier op. 51 (1882) Achtzehn Stücke für Klavier op. 72 (1893) Impromptu für Klavier As-Dur ohne op. (1889)
Szenenfolge I. Akt Im Garten Madame Larinas 1. Entrée aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 2 Karneval D-Dur 2. Tanz der Dorfmädchen Albumblatt D-Dur op. 19 Nr. 3 & Tänzerische Polka h-Moll op. 51 Nr. 2 3. Auftritt Lenski & Onegin aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 2 Karneval D-Dur & Nr. 1 Am Herdfeuer A-Dur Impromptu As-Dur ohne op. 4. Variation Lenski aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 1 Am Herdfeuer A-Dur 5. Pas de deux Olga – Lenski aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 6 Barcarole g-Moll 6. Pas d’action aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 2 Karneval D-Dur 43
ZUR MUSIK
7. Pas d’action Tatjana – Onegin aus Oxanas Launen op. 14: Arie der Oxana (I. Akt, Nr. 3) 8. Variation Onegin Nocturno cis-Moll op. 19 Nr. 4 9. Finale I, Auftritt der Dorfjungen aus Oxanas Launen op. 14: Russischer Tanz (III. Akt, Nr. 22) 10. Intermezzo aus Oxanas Launen op. 14: Russischer Tanz (III. Akt, Nr. 22) aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 2 Karneval D-Dur
Tatjanas Schlafzimmer 11. Tatjanas Schlafzimmer aus Oxanas Launen op. 14: Arie der Oxana (I. Akt, Nr. 3) & Ouvertüre 12. Spiegel-Pas de deux Tatjana – Onegin Romeo und Julia. Duett für Sopran, Tenor & Orchester ohne op. aus Oxanas Launen op. 14: Chor (III. Akt, Nr. 16), Ouvertüre & Arie der Oxana (I. Akt, Nr. 3)
II. Akt Im Haus Madame Larinas 13. Tatjanas Geburtstag Natha-Walzer A-Dur op. 51 Nr. 4 & Sentimentaler Walzer f-Moll op. 51 Nr. 6 14. Mazurka Tanz-Mazurka B-Dur op. 72 Nr. 6 Salon-Mazurka d-Moll op. 9 Nr. 3 15. Pas d’action (Auftritt Gremin) Zarte Vorwürfe cis-Moll op. 72 Nr. 3 16. Kartenspiel Salon-Polka B-Dur op. 9 Nr. 2 17. Pas d’action Zarte Vorwürfe cis-Moll op. 72 Nr. 3 18. Variation Tatjana Capriccioso B-Dur op. 19 Nr. 5 19. Finale Walzer im 5/8-Takt D-Dur op. 72 Nr. 16
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Ein verlassener Park 20. Intermezzo & 21. Variation Lenski aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 10 Herbstlied d-Moll 22. Pas de trois aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 8 Erntelied h-Moll & Impromptu As-Dur ohne op.
III. Akt Ballsaal des Fürsten Gremin 23. Grand Polonaise aus Oxanas Launen op. 14: Szene (III. Akt, Nr. 19) 24. Pas d’action (Auftritt Gremin & Onegin, Traumvision) Zarte Vorwürfe cis-Moll op. 72 Nr. 3 & Impromptu As-Dur ohne op. 25. Auftritt Tatjana & Gremin, Pas de deux Zarte Vorwürfe cis-Moll op. 72 Nr. 3 & Romanze F-Dur op. 51 Nr. 5 26. Pas d’action aus Oxanas Launen op. 14: Arie der Oxana (I. Akt Nr. 3) & Kosaken-Tanz (III. Akt, Nr. 22) Francesca da Rimini. Symphonische Fantasie e-Moll op. 32
Tatjanas Boudoir 27. Scène Francesca da Rimini. Symphonische Fantasie e-Moll op. 32 aus Die Jahreszeiten op. 37a: Nr. 2 Karneval D-Dur Romanze F-Dur op. 51 Nr. 5 28. Finale: Pas de deux Tatjana – Onegin Francesca da Rimini. Symphonische Fantasie e-Moll op. 32 Romeo und Julia. Duett für Sopran, Tenor & Orchester ohne op.
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die briefe ALEXANDER PUSCHKIN
Tatjana an Onegin »Ich bin so kühn, an Sie zu schreiben – Ach, braucht es mehr als dies allein? Nun wird gewiss – was soll mir bleiben? – Verachtung meine Strafe sein. Doch wenn, da Angst und Qual mich treiben, Ein Fünkchen Mitleid für mich spricht – O dann verwerfen Sie mich nicht. Erst wollt ich schweigen, hatte nimmer, Was nun zu Schmach und Schande ward, Dem strengen Auge offenbart, Ach, bliebe nur ein winz’ger Schimmer Von Hoffnung, Sie von Zeit zu Zeit In unsrer Abgeschiedenheit Zu sehn, zu grüßen, im geheimen Mich Ihres klugen Worts zu freun, Um selig-froh für mich allein Vom nächsten Wiedersehn zu träumen. Doch heißt’s, Ihr Stolz vertrüge nicht, In niedren Hütten einzukehren; Und wir – sind klein, gering und schlicht, Stets dankbar, einen Gast zu ehren. Ach, warum kamen Sie aufs Land, Wo wir so still verborgen waren? Ich hätte nimmer Sie gekannt Und nie solch Herzeleid erfahren. Ich hätte, klüger mit den Jahren,
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Vielleicht ein ander Ziel erstrebt Und, einem andern treu verbunden, Ein friedlich Glück bei ihm gefunden Und frommer Mutterpflicht gelebt. Ein andrer ... Nein! Es kann auf Erden Mein Herz sich keinem andern weih’n! So ließ des Schöpfers Hand mich werden, So will’s der Himmel: ich bin Dein. Dich zu gewinnen, war mein Leben Ein einzig Pfand nur, fort und fort: Gott selber hat Dich mir gegeben, Bis an das Grab bist Du mein Hort ... Du warst’s, der mich im Traum beglückte; Längst liebt ich Dich, eh’ ich Dich sah, Dein Antlitz strahlte mir so nah, Und Deiner Stimme Klang entzückte Mich längst ... Das war kein Traum, o nein! Sowie Du eintratst, gleich erkannte Mein Herz Dich wieder, jauchzte, brannte Und rief: Er ist’s, er muss es sein! War’s nicht Dein Hauch, der mich umwehte, Mir zusprach, wenn ich einsam stand, Wenn ich der bittren Armut Note Zu lindern ging, wenn im Gebete Die bange Seele Tröstung fand? War’s nicht Dein Bildnis, glanzumwoben, Das nächtlich dann vom Himmel droben Herabglitt in mein Schlafgemach, Sich flüsternd an mein Kissen schmiegte Und mich mit süßen Worten wiegte, Aus denen sel’ge Hoffnung sprach? O komm und löse meine Zweifel: Wer bist Du, Engel oder Teufel, Versucher oder Schutz und Freund? Ach, wenn nur Träume mich jetzt narren, Mein töricht Herz vergeblich weint Und andre Lose meiner harren ... Gleichviel! Es ruht ja mein Geschick Von nun an doch in Deinen Händen. Dich sucht mein tränenfeuchter Blick, Nur Du vermagst mir Trost zu spenden ... 47
DIE BRIEFE
O sieh: hier steh ich ganz allein, Werd nicht verstanden, unbeachtet Verwelkt mein Herz, mein Geist verschmachtet, Ich muss vergehn in stummer Pein. O komm: der Seele banges Hoffen Belebt ein einz’ger Blick von Dir; Wenn anders – dann vernichte mir Dies Wahngebilde hart und offen! Ich schließe! Wie mich Wort um Wort Schon reut – ich fühle Scham und Grauen ... Doch Ihre Ehre sei mein Hort, Ihr will ich frei mich anvertrauen ...« Drittes Buch, XXXI
Onegin an Tatjana »Ich weiß im Voraus: dieser Brief Voll bittren Wehleids wird Sie kränken. Sie werden niedrig von mir denken Und zürnen – ach, ich fühl’ es tief! Was will ich auch? Wie darf ich wagen, Den Schrein des Busens unbedacht Hier aufzuschließen, statt zu fragen, Wie sehr mich dies verächtlich macht! Einst führte Zufall uns zusammen. Ich sah Ihr Herz in keuschen Flammen Für mich erglühn – und trat zurück, Zu kühl, um Wünschen nachzugeben. Ich wollte frei sein – eitles Streben! – Und schlug es aus, das holde Glück. Dann hat noch eines uns geschieden: Freund Lenski starb durch meine Hand ... Da hab’ ich ohne Ruh’ und Frieden Mein Herz von allem, was mich band Und was mir lieb war, losgerissen. Nun sollte Freiheit, wie zum Spott, Mir Glück ersetzen ... Großer Gott, Wie furchtbar hab’ ich büßen müssen!
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Nein, immerwährend um Sie sein, Beständig Ihren Reiz vor Augen, Ihr Lächeln, Ihrer Anmut Schein Mit heißer Inbrunst in sich saugen, Durchdrungen sein von Ihrem Wert, Zu Ihren Füßen niedergleiten Und wunden Herzens, qualverzehrt Erlöschen – das sind Seligkeiten! Und mir versagt ... Auf Ihrer Spur Zieh’ ich wie blind umher und leide; Mein Leben zählt nach Tagen nur, Und ich verschwende noch, vergeude Der flücht’gen Stunden kurze Frist, Die schon an sich bloß Trübsal ist. Drum muss, so hilflos ich verderbe, Soll nicht zu früh mein Hauch vergehn, Mir jeder Morgen, eh ich sterbe, Gewissheit schenken, Sie zu sehn ... Nur bangt mir, dass in meinen Klagen Ihr Unmut schnöde List entdeckt, Mein leiser Wunsch Ihr Missbehagen, Mein Seufzer Ihren Zorn erweckt! O könnten Sie die Pein empfinden, Wenn man, nach Liebe sehnsuchtsvoll Verlangend, mit Verstandesgründen Das heiße Blut beschwicht’gen soll – Wenn Ihre Knie man umfassen, Aufschluchzen möchte, allem Leid In Tränen freien Lauf zu lassen, Zu stammeln, was im Herzen schreit – Und doch der strengen Form sich schicken Und martern muss, in leichtem Ton Zu plaudern, ja – zu allem Hohn – Sie höflich lächelnd anzublicken! ... Wohlan denn, sei es drum: mir schwand Die letzte Kraft zu widerstreben; An Ihrem Urteil hängt mein Leben, Mein Schicksal ruht in Ihrer Hand!« Achtes Buch, XXXII 49
DIE BRIEFE
der schuss
ALEXANDER PUSCHKIN
Ich genoss ruhig (oder unruhig) meinen Ruhm, als ein junger Mann aus reicher und adliger Familie zu uns versetzt wurde (ich will seinen Namen nicht nennen). Noch nie war mir solch ein glänzender Günstling des Schicksals begegnet! Vergegenwärtigen Sie sich: Jugend, Verstand, Schönheit, ausgelassene Fröhlichkeit, verwegene Kühnheit, einen klangvollen Namen, Geld, das nicht zu zählen war und nie versiegte, und stellen Sie sich vor, was für einen Eindruck er auf uns machen musste. Meine Vorherrschaft war erschüttert. Von meinem Ruhm verlockt, suchte er anfangs meine Freundschaft, doch ich begegnete ihm kühl, und ohne Bedauern ließ er von mir ab. Ich begann ihn zu hassen. Seine Erfolge im Regiment und in Gesellschaft von Damen brachten mich zur völligen Verzweiflung. Ich suchte Streit mit ihm; auf meine Epigramme antwortete er jedoch mit Epigrammen, die mir immer überraschender und geistreicher schienen als die meinen und die natürlich weitaus lustiger waren: denn er scherzte, und ich wütete. Schließlich, als ich ihn auf einem Ball, den ein polnischer Gutsherr gab, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit aller Damen und besonders der Gastgeberin sah, mit der ich in
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Verbindung stand, flüsterte ich ihm eine geschmacklose Grobheit ins Ohr. Er brauste auf und gab mir eine Ohrfeige. Wir stürzten zu den Säbeln; die Damen fielen in Ohnmacht, man brachte uns auseinander, und noch in derselben Nacht brachen wir auf, um uns zu schlagen. Dies geschah im Morgengrauen. Ich stand mit meinen drei Sekundanten am verabredeten Ort. Mit unbeschreiblicher Ungeduld erwartete ich meinen Gegner. Die Frühlingssonne war aufgegangen, und es wurde schon heiß. Ich sah ihn von ferne. Er ging zu Fuß, sein Uniformrock hing am Säbelgriff, und ein Sekundant begleitete ihn. Wir gingen ihm entgegen. Er kam näher, in der Hand hielt er seine Mütze, die voller Kirschen war. Die Sekundanten maßen uns zwölf Schritte ab. Ich hatte als Erster zu schießen, aber die Wut schüttelte mich so sehr, dass ich der Zuverlässigkeit meiner Hand misstraute und ihm den ersten Schuss überließ, um mich in der Zwischenzeit zu beruhigen; doch mein Gegner war damit nicht einverstanden. Wir beschlossen, das Los sprechen zu lassen: Die erste Nummer erhielt er, der ewige Liebling des Glückes. Er zielte und durchschoss meine Mütze. Jetzt war ich an der Reihe. Endlich hatte ich sein Leben in meiner Hand, ich sah ihn an, begierig, wenigstens den Schatten einer Unruhe zu bemerken … Er stand vor meiner Pistole, suchte sich aus seiner Mütze die reifsten Kirschen hervor und spuckte die Kerne aus, sie flogen bis zu mir. Sein Gleichmut brachte mich zur Raserei. Was habe ich davon, dachte ich, wenn ich ihn töte, er aber seinem Leben überhaupt keinen Wert beimisst? Ein böser Gedanke schoss mir durch den Kopf. Ich senkte die Pistole. ›Sie scheinen nicht auf das Sterben eingestellt zu sein‹, sagte ich zu ihm. ›Sie belieben zu frühstücken; ich möchte Sie dabei nicht stören …‹ – ›Sie stören mich nicht im Geringsten‹, widersprach er. ›Bitte schießen Sie nur, im Übrigen, ganz wie Sie wünschen: Sie haben einen Schuss gut; ich stehe immer zu Ihrer Verfügung.‹ Ich wandte mich an die Sekundanten und erklärte, dass ich nicht die Absicht habe, heute zu schießen, und damit war der Zweikampf beendet.
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DER SCHUSS
eugen onegin ein kommentar
VLADIMIR NABOKOV
Der Roman befasst sich hauptsächlich mit den Gefühlen, Gedanken, Handlungen und Schicksalen dreier Männer: Onegin, der gelangweilte Stutzer, Lenski, der unbedeutende Elegienschreiber, und ein stilisierter Puschkin, Onegins Freund. Es gibt drei Heldinnen: Tatjana, Olga und Puschkins Muse. Seine Ereignisse spielen zwischen dem Ende des Jahres 1819 in St. Petersburg und dem Frühjahr 1825 erneut in St. Petersburg. Der Schauplatz wechselt von der Hauptstadt aufs Land und von dort nach Moskau. Die angehängten Auszüge aus Onegins Reise führen uns nach Moskau, Nowgorod, in die Wolgaregion, den Kaukasus, auf die Krim und nach Odessa. […] Die Themen und strukturellen Kunstgriffe des letzten Kapitels sind Echos derjenigen des ersten. Jedes Kapitel enthält mindestens ein Schmuckstück: Der Tag eines jungen Lebemannes, der verhängnisumwitterte Dichter, Tatjanas Leidenschaft für Onegin, ländliche und literarische Fragen, ein schicksalhafter Albtraum und ein Namenstagfest, ein Duell, eine Reise nach Moskau und Onegins Leidenschaft für Tatjana. Durchgängig gibt es eine Welt romantischer, satirischer, biographischer und bibliographischer Abschweifungen, die dem Gedicht wunderbare Tiefe und Farbe verleihen. So wie Eugen
EUGEN ONEGIN. EIN KOMMENTAR
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Onegin in seiner endgültigen Form von Puschkin veröffentlicht wurde, ist es ein Vorbild an Einheitlichkeit. Seine acht Kapitel bilden eine elegante Kolonnade. Das erste und das letzte Kapitel sind durch ein System von Nebenthemen verbunden, die einander in einem angenehmen Austausch eingebauter Echos antworten. Zum Beispiel ist das St. Petersburg von Kapitel Eins antiphonisch verdoppelt durch das St. Petersburg von Kapitel Acht (abzüglich des Balletts und der guten Stimmung, zuzüglich einer melancholischen Liebe und eines Pharo-Blatts bunter Erinnerungen). Diese »klassische« Regelmäßigkeit der Proportionen wird wunderschön aufgelockert durch den »romantischen« Kunstgriff des Hinauszögerns oder erneuten Wiederaufgreifens eines Themas in dem Kapitel nach demjenigen, in dem es eingeführt wurde. Und diese Verzahnungen und Überlappungen wiederholen auf der Ebene der Kapitel den Kunstgriff des Enjambements von Strophe zu Strophe und dieser wiederum wiederholt die funktionalen und ornamentalen Übergänge von Vers zu Vers. [...] Puschkins Komposition ist zuerst und zuoberst ein Phänomen des Stils, und von dessen blumigen Rand aus habe ich ihren Horizont arkadischer Ländlichkeit, ihr Serpentinenglitzern importierter Bächlein, die in rundem Kristall gefangenen Miniaturstürme und die vielfarbigen, in der schwindenden Ferne verschmelzenden Ebenen literarischer Parodie überblickt. Sie ist kein »Porträt russischen Lebens« – sie ist bestenfalls das Porträt einer kleinen Gruppe von Russen während des zweiten Jahrzehnts des letzten Jahrhunderts, die mit allen prägnanteren Figuren der westeuropäischen Romantik gekreuzt und in ein stilisiertes Russland versetzt wurden, das sofort zerfiele, wenn man die französischen Requisiten entfernte und wenn die französischen Darsteller englischer und deutscher Schriftsteller aufhören würden, ihren Russisch sprechenden Helden und Heldinnen zu soufflieren. [...] Sogar ein eigener Begriff für Onegins Unwohlsein wurde erfunden (»Oneginstwo«, »Oneginismus«), und tausende von Seiten sind ihm gewidmet als einem »Typus« für dieses oder jenes (z.B. des »überflüssigen Menschen« oder des metaphysischen »Dandys« usw.).
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EUGEN ONEGIN. EIN KOMMENTAR
flug der russischen terpsichore ALFRED OBERZAUCHER
Schon ist das Haus gefüllt bis oben, Parterre und Logen voll gebauscht; Die Galerie beginnt zu toben, Bis endlich dann der Vorhang rauscht: Und lächelnd, in der Nymphen Reigen, Umkost vom Zauberklang der Geigen, Steht feenhaft im Märchenglanz Istomina; sie hebt zum Tanz Ihr Füßchen, kreist in leichten Ringen, Dem Boden sanft nur angeschmiegt, Schnellt auf – und plötzlich fliegt sie, fliegt Wie zarter Flaum auf Zephirs Schwingen: Dreht blitzschnell Wirbel Schwung um Schwung Und schließt graziös im Trillersprung. ALEXANDER PUSCHKIN: EUGEN ONEGIN, ERSTES BUCH XX
Alexander Puschkins Huldigung an die Ballerina Awdotja Istomina im 1. Buch seines Eugen Onegin ist Ausdruck jenes Stellenwertes, den das Ballett und die Ballettkünstler schon im Russland des frühen 19. Jahrhunderts hatten. Der Dichter lässt seinen Helden Onegin am Beginn des Romans zum Theater eilen, »wo jeder, durchdrungen vom kritischen Geist, bereit ist, einen entrechat zu beklatschen«. Dorthin, wo, so Puschkin in der Ichform, »im Schutze der Kulissen die Tage meiner Jugend dahinschwanden«, wo »auch Didelot mit Ruhm bekränzt wurde«. Dem im XIX. Vers des 1. Buches angesprochenen »beseelten Flug der russischen Terpsichore mit den Augen« zu folgen war offenbar ein besonderes Anliegen von Puschkin in seinen St. Petersburger Jahren zwischen 1817 und 1820. Der Kollegiumssekretär des Amtes für Auswärtige Angelegenheiten – ein Posten, der Puschkin genügend Zeit ließ, seiner eigentlichen Berufung als Dichter nachzukommen – suchte die Gesellschaft von Ballettschülerinnen der Kaiserlichen Theaterschule, er nahm sogar, wie der russische Tanzhistoriker Juri Slonimski nachweisen konnte, selbst Unterricht in klassischem Ballett. Von Puschkin und seinem Freundeskreis besonders verehrt wurde Awdotja Istomina. Die Absolventin der Theaterschule beeindruckte ihre Zeitgenossen durch ihr Können, »die Kraft ihrer Beine, ihre Balance und durch die gleichzeitige Anmut, Leichtigkeit und Spontaneität ihrer Bewegungen«. Ihre Schönheit gab Anlass zu Skandalen, von denen einer als Tragödie endete, als ein Verehrer der Ballerina deren Freund und Gönner im Duell erschoss. Dieser Vorfall hinterließ tiefen und nachhaltigen Eindruck bei Puschkin, umso mehr, als die beiden Duellanten zu seinem Bekanntenkreis zählten. Der Dichter verewigte die Istomina nicht nur in seinem Eugen Onegin, er schilderte das Leben der Ballerina auch in der Rohfassung seines Romans Der russische Pelham und nahm das Duell auch in den Plan seiner Novelle Die zwei Tänzerinnen auf. Abgesehen davon wurde die Istomina in St. Petersburg zur ersten Interpretin von Rollen in Balletten, die auf Stoffen von Puschkin basierten. Kurz nachdem Puschkin aufgrund »subversiver Aktivitäten« aus St. Petersburg ausgewiesen worden war, kam in Moskau das erste einer langen Reihe von Balletten zur Aufführung, die ihre Inspiration aus dem Werk des Dichters bezogen haben. 1821 formte Adam Gluschkowski, ein Schüler des französischen Ballettmeisters Charles Didelot, wenige Monate nach Erscheinen des Versepos Ruslan und Ludmilla ein Ballett gleichen Titels, das viele Jahre auf dem Spielplan des Moskauer Theaters verblieb und auch in St. Petersburg zur Aufführung gelangte. Auch Gluschkowskis Das Haremsfest (nach der Fontäne von Bachtschissarai) und Der schwarze Schal lagen Dichtungen Puschkins zugrunde. Didelot, jener Choreograph, dessen Ballette Puschkin besonders schätzte, brachte 1823 am St. Petersburger Bolschoi-Theater Der Gefangene im Kaukasus nach dem gleichnamigen Werk seines Bewunderers heraus. Dieser ließ sich, wie aus Briefen hervorgeht, in seinem Verbannungsort Kischinew über Entstehung und Aufnahme des Balletts genauestens unterrichten. Außer diesen zu Lebzeiten des Dichters aufgeführten Werken verzeichnet die Tanzgeschichte noch weitere im 19. Jahrhundert entstandene Puschkin-Ballette: Jelena Andrejanowas Fontäne von Bachtschissarai (Woronesch, 1854), Arthur Saint-Léons Der Goldfisch (angelehnt an Puschkins Märchen, St. Petersburg, 1867) und – ebenfalls nach der Fontäne von Bachtschissarai – Ein Opfer der Eifersucht von Foma Nijinski (dem Vater von Wazlaw Nijinski und Bronislawa Nijinska), 55
FLUG DER RUSSISCHEN TERPSICHORE
das 1892 in Kiew herauskam, sowie Marius Petipas durch Das Edelfräulein als Bäuerin inspiriertes Ruses d’amour (St. Petersburg, 1900). Das älteste der heute noch gespielten Puschkin-Ballette ist Rostislaw Sacharows Die Fontäne von Bachtschissarai. 1934 zu Musik von Boris Assafjew in Leningrad uraufgeführt, fand dieses Eifersuchtsdrama nicht nur weite Verbreitung auf den Bühnen der Sowjetunion, es wurde nach dem Zweiten Weltkrieg auch von Ballettcompagnien der damaligen Ostblockstaaten übernommen und vereinzelt von westlichen Ensembles getanzt. Assafjew komponierte auch die Musik zu einem neuen Gefangenen im Kaukasus, den Leonid Lawrowski 1938 in Leningrad herausbrachte, sowie zu Sacharows 1946 für Moskau choreographiertem Edelfräulein als Bäuerin und zu dem im selben Jahr in Leningrad von Leonid Jakobson realisierten Steinernen Gast. Zu einem Standardwerk des sowjetischen Repertoires wurde Der Eherne Reiter, das Sacharow 1949 in Leningrad zur Musik von Reinhold Glière schuf. Aus der Fülle der weiteren nach Stoffen Puschkins entstandenen Ballette – ihre Bedeutung für das russische Repertoire spiegeln die in den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts erschienenen Bücher zu diesem Thema von Nikolai Eljasch und Slonimski wider – seien hervorgehoben: Zigeuner (Nikolai Cholfin, Moskau, 1937), Die Geschichte vom Popen und seinem Knecht Balda (Wladimir Warkowitzki, Leningrad, 1940), Die Prinzessin und die sieben Ritter (Alexei Andrejew und Boris Fenster, Leningrad, 1949), Pique Dame (Nikolai Bojartschikow, Leningrad, 1968), Zar Boris (Bojartschikow, Perm, 1975) und Puschkin – Gedanken über einen Dichter (Natalia Kasatkina und Wladimir Wassiljow, Leningrad, 1979). Das erste in Westeuropa gezeigte Ballett nach Puschkin mag Michail Fokins 1909 durch die Ballets Russes aufgeführte Cléopâtre gewesen sein (unter dem Titel Eine Ägyptische Nacht war es im Jahr zuvor in St. Petersburg herausgekommen). Und auch Fokins durchchoreographierte Fassung von Rimski-Korsakows Oper Der goldene Hahn (Paris 1914) ist in diesem Zusammenhang zu erwähnen. Am Beginn der Aufzählung der außerhalb Russlands kreierten Puschkin-Ballette steht Bronislawa Nijinskas La Princesse Cygne (nach dem Märchen vom Zaren Saltan, Ballets de Ida Rubinstein, 1929), gefolgt von Fokins Le Coq d’or (Col. W. de Basil’s Ballets Russes, 1937), Léonide Massines Aleko (nach den Zigeunern, American Ballet Theatre, 1942), George Skibines Der Gefangene im Kaukasus (Grand Ballet du Marquis de Cuevas, 1951), Victor Gsovskys Eugene Onegin Suite (Ballet Comique, 1954), Werner Ulbrichs Edelfräulein als Bäuerin (Leipzig, 1955), Serge Lifars La Dame de Pique (Monte Carlo, 1960) und Roland Petits gleichnamigem Werk (Ballets de Marseille, 1978). Für Prag entstand 1999 Wassili Medwedews Onegin. Auch das Wiener Repertoire weist ein durch Puschkin inspiriertes Ballett auf: Wazlaw Orlikowskis Zigeuner (Volksoper 1978, eingelegt in Lehárs Der Zarewitsch). Zu dem neben der Fontäne von Bachtschaissarai am weitesten verbreiteten aller auf Puschkin zurückgehenden Ballette aber wurde John Crankos Onegin, bei dessen Entstehung, wenngleich in Stuttgart erfolgt, dem Choreographen wohl auch die »russische Terpsichore« als Muse zur Seite stand.
FLUG DER RUSSISCHEN TERPSICHORE
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ALEXANDER PUSCHKIN
So geht sie. Wie vom Blitz getroffen, Zerschmettert bleibt Onegin stehn Und sieht verzweifelt all sein Hoffen Unwiederbringlich untergehn. Horch: Schritte, Sporenklang – im Zimmer Erscheint der Fürst ... Und hier für immer, In diesem Augenblick der Not, Da ihm Gefahr und Schrecken droht, Entziehn wir uns dem Freund und scheiden Für immer ...
EUGEN ONEGIN ACHTES BUCH, XLVIII
Davide Dato (Lenski)
Aleksandra Liashenko (Olga), Denys Cherevychko (Lenski) & Ensemble
← Marcos Menha (Onegin) & Ketevan Papava (Tatjana)
Hyo-Jung Kang (Tatjana), Denys Cherevychko (Lenski) & Aleksandra Liashenko (Olga)
Hyo-Jung Kang (Tatjana), Igor Milos (Fürst Gremin) & Ensemble
Ketevan Papava (Tatjana) & Marcos Menha (Onegin)
ensemble
tänzerinnen & tänzer
Denys Cherevychko Erster Solotänzer
Davide Dato Erster Solotänzer
Olga Esina Erste Solotänzerin
Kiyoka Hashimoto Erste Solotänzerin
Hyo-Jung Kang Erste Solotänzerin
Masayu Kimoto Erster Solotänzer
Liudmila Konovalova Erste Solotänzerin
Marcos Menha Erster Solotänzer
Ketevan Papava Erste Solotänzerin
Alexey Popov Erster Solotänzer
ENSEMBLE
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Brendan Saye Erster Solotänzer
Claudine Schoch Erste Solotänzerin
Yuko Kato Senior Artist
Ioanna Avraam Solotänzerin
Elena Bottaro Solotänzerin
Francesco Costa Solotänzer
Sonia Dvořák Solotänzerin
Alice Firenze Solotänzerin
Aleksandra Liashenko Solotänzerin
Eno Peci Solotänzer
Arne Vandervelde Solotänzer
Daniel Vizcayo Solotänzer
Rashaen Arts Halbsolist
Natalya Butchko Halbsolistin
Jackson Carroll Halbsolist
Iliana Chivarova Halbsolistin
Calogero Failla Halbsolist
Lourenço Ferreira Halbsolist
Sveva Gargiulo Halbsolistin
Alexandra Inculet Halbsolistin
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ENSEMBLE
Gala Jovanovic Halbsolistin
Helen Clare Kinney Halbsolistin
François-Eloi Lavignac Halbsolist
Eszter Ledán Halbsolistin
Anita Manolova Halbsolistin
Fiona McGee Halbsolistin
Tomoaki Nakanome Halbsolist
Andrey Teterin Halbsolist
Zsolt Török Halbsolist
Géraud Wielick Halbsolist
Benjamin Alexander Corps de ballet Staatsoper
Alisha Brach Corps de ballet Staatsoper
Marie Breuilles Corps de ballet Staatsoper
Victor Cagnin Corps de ballet Staatsoper
Laura Cislaghi Corps de ballet Staatsoper
Edward Cooper Corps de ballet Staatsoper
Vanessza Csonka Corps de ballet Staatsoper
Giovanni Cusin Corps de ballet Staatsoper
Giorgio Fourés* Corps de ballet Staatsoper
Gaia Fredianelli Corps de ballet Staatsoper
ENSEMBLE
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Marian Furnica Corps de ballet Staatsoper
Andrés Garcia Torres Corps de ballet Staatsoper
Javier González Cabrera Corps de ballet Staatsoper
Adi Hanan Corps de ballet Staatsoper
Trevor Hayden Corps de ballet Staatsoper
Isabella Knights Corps de ballet Staatsoper
Zsófia Laczkó Corps de ballet Staatsoper
Gaspare Li Mandri Corps de ballet Staatsoper
Sinthia Liz Corps de ballet Staatsoper
Meghan Lynch Corps de ballet Staatsoper
Tanya Mazniak Corps de ballet Staatsoper
Godwin Merano Corps de ballet Staatsoper
Katharina Miffek Corps de ballet Staatsoper
Igor Milos Corps de ballet Staatsoper
Junnosuke Nakamura* Corps de ballet Staatsoper
Laura Nistor Corps de ballet Staatsoper
Hanno Opperman Corps de ballet Staatsoper
Kristián Pokorný Corps de ballet Staatsoper
Alaia Rogers-Maman Corps de ballet Staatsoper
Suzan Sittig Corps de ballet Staatsoper
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ENSEMBLE
Duccio Tariello Corps de ballet Staatsoper
Iulia Tcaciuc Corps de ballet Staatsoper
Helena Thordal-Christensen Corps de ballet Staatsoper
Gloria Todeschini Corps de ballet Staatsoper
Chiara Uderzo Corps de ballet Staatsoper
Céline Janou Weder Corps de ballet Staatsoper
Gabriele Aime Corps de ballet Volksoper
Dominika Ambrus Corps de ballet Volksoper
László Benedek Corps de ballet Volksoper
Sarah Branch Corps de ballet Volksoper
Barbara Brigatti* Corps de ballet Volksoper
Vivian de Britto-Schiller Corps de ballet Volksoper
Roman Chistyakov Corps de ballet Volksoper
Kristina Ermolenok Corps de ballet Volksoper
Tainá Ferreira Luiz Corps de ballet Volksoper
Ekaterina Fitzka Corps de ballet Volksoper
Riccardo Franchi Corps de ballet Volksoper
Tessa Magda Corps de ballet Volksoper
Cosmin Marinescu Corps de ballet Volksoper
Dragos Musat Corps de ballet Volksoper
ENSEMBLE
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Keisuke Nejime Corps de ballet Volksoper
Aleksandar Orlić Corps de ballet Volksoper
Olivia Poropat Corps de ballet Volksoper
Nicola Rizzo Corps de ballet Volksoper
Natalie Salazar Corps de ballet Volksoper
Mila Schmidt Corps de ballet Volksoper
Marta Schiumarini Corps de ballet Volksoper
Gleb Shilov Corps de ballet Volksoper
Felipe Vieira Corps de ballet Volksoper
Martin Winter Corps de ballet Volksoper
Una Zubović Corps de ballet Volksoper
*Karenzvertretung
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ENSEMBLE
biographien
JOHN CRANKO – Choreographie & Inszenierung John Cranko wurde am 15. August 1927 in Rustenburg, Südafrika, geboren. Seine tänzerische Ausbildung erhielt er zunächst an der Universität von Kapstadt, wo er 1942 auch sein erstes Ballett zu Strawinskis Suite aus Die Geschichte vom Soldaten choreographierte. Im Jahre 1946 setzte er seine Studien an der Sadler’s Wells School, London, fort und wurde wenig später Mitglied des Sadler’s Wells Ballet, des späteren Royal Ballet, für das er 1947 seine Choreographie zu Debussys Children’s Corner schuf. Von 1949 an konzentrierte er sich vollständig auf seine choreographische Laufbahn. Auf die 1955 für das Ballet de l’Opéra de Paris entstandene La Belle Hélène folgte 1957 das abendfüllende Ballett Der Pagodenprinz für das Royal Ballet London. Als der damalige Generalintendant der Württembergischen Staatstheater Walter Erich Schäfer 1961 John Cranko zum Ballettdirektor berief, begann in Stuttgart eine Blütezeit des Balletts. Cranko versammelte eine Gruppe von charismatischen Tänzerinnen und Tänzern um sich, zu denen auch Marcia Haydée, Egon Madsen, Richard Cragun und Birgit Keil zählten. Mit der Uraufführung von Romeo und Julia feierten Cranko und das Stuttgarter Ballett im Dezember 1962 von Kritikern und vom Publikum umjubelt einen Welterfolg, der die große Ära des Stuttgarter Balletts einläutete. Es folgten choreographische Meisterwerke wie u.a. Jeu de Cartes, Opus 1 und Initialen R.B.M.E. sowie die großen Handlungsballette Onegin, Schwanensee, Der Widerspenstigen Zähmung, Carmen, Poème de l’extase und Spuren. Außerdem ermutigte Cranko junge Tänzer seiner Compagnie, darunter auch Jiří Kylián und John Neumeier, zum Choreographieren. Crankos Talent, Geschichten nuanciert zu erzählen, seine klaren, dramatischen Strukturen und die außerordentliche Art und Weise, wie er die Kunst des Pas de deux beherrschte, eroberten auch das Publikum in New York während einer triumphalen Spielzeit an der Metropolitan Opera im Jahr 1969. Auf internationalen Tourneen u.a. in die USA, nach Israel, Paris und in die Sowjetunion festigte sich der Ruf des jungen Ensembles, das als »Stuttgarter Ballettwunder« gefeiert wurde. Mit der 1971 eröffneten ersten staatlichen Ballettschule der Bundesrepublik Deutschland schuf Cranko eine Ausbildungsstätte von internationalem Rang, die bis heute seinen Namen trägt. John Cranko verstarb am 26. Juni 1973 im Alter von nur 45 Jahren unerwartet auf einem Rückflug von einer erfolgreichen USA-Tournee. Für das Wiener Ballett Der Pagodenprinz (1967) von Waclaw Orlikowsky verfasste Cranko 1967 das Libretto. Von 1975 bis 2014 gehörte seine Fassung von Romeo und Julia als fester Bestandteil zum Repertoire der Wiener Staatsoper. Sein Ballett Onegin steht seit einer Neueinstudierung mit dem Wiener Staatsballett seit 2006 regelmäßig am Spielplan. 73
BIOGRAPHIEN
KURT-HEINZ STOLZE – Musikalische Fassung Kurt-Heinz Stolze wurde 1926 in Hamburg geboren und studierte an der dortigen Musikhochschule Klavier, Orgel und Dirigieren. Sein erstes Engagement erhielt er als Kapellmeister und Korrepetitor an der Königlichen Oper Kopenhagen. 1957 führte ihn sein Weg als Korrepetitor an die Württembergischen Staatstheater Stuttgart, wo er u.a. mit Fritz Wunderlich Schuberts Die schöne Müllerin aufnahm. Die Begegnung mit John Cranko wurde richtungsweisend für Stolzes weitere Karriere. Er dirigierte nicht nur zahlreiche Produktionen des Stuttgarter Balletts, sondern wurde ein enger Mitarbeiter Crankos, für den er zu den Produktionen L’Estro Armonico, Onegin und Der Widerspenstigen Zähmung auf Basis von Kompositionen Antonio Vivaldis, Piotr I. Tschaikowskis und Domenico Scarlattis eigene Ballettpartituren einrichtete und instrumentierte. Darüber hinaus war er für den Rundfunk und Film tätig. 1970 schied Kurt-Heinz Stolze im Alter von 44 Jahren in München freiwillig aus dem Leben.
ELISABETH DALTON – Bühne & Kostüme Die 1940 geborene britische Bühnen- und Kostümbildnerin Elisabeth Dalton studierte an der Wimbledon School of Art und an der Slade School of Fine Art in London bei Nicholas Georgiadis. Sie begann ihre Karriere 1968 als dessen Assistentin am Royal Opera House Covent Garden u.a. bei einer Produktion von Verdis Aida sowie Rudolf Nurejews Der Nussknacker. Im selben Jahr arbeitete sie erstmals für das Stuttgarter Ballett, wo sie die Kostüme für John Crankos Salade und Kenneth MacMillans Die Sphinx entwarf. Einen großen Erfolg erzielte sie 1969 mit der Ausstattung von Crankos Ballettkomödie Der Widerspenstigen Zähmung beim Stuttgarter Ballett. Diese wurde von zahlreichen anderen Compagnien übernommen, wie auch ihre Bühnenbilder und Kostüme für Crankos Onegin (Original-Ausstattung von Jürgen Rose), die seit 2006 auch an der Wiener Staatsoper zu sehen sind. Zu ihren weiteren Arbeiten zählen die Bühnen- und Kostümdesigns zu Crankos Romeo und Julia, Pineapple Poll, The Lady and the Fool und Daphnis und Chloë, Kenneth MacMillans Checkpoint sowie Marcia Haydées Die Planeten und Giselle und die Wilis. Darüber hinaus schuf Elisabeth Dalton Bühnenbilder und Kostüme für Opern-, Operetten- und Musicalproduktionen in Wexford, Houston, San Francisco, Salzburg und Stuttgart, darunter 1990 für Richard Rodgers’ Musical On Your Toes mit Marcia Haydée und Richard Cragun in den Hauptrollen sowie für das Holland Festival. Eine langjährige und äußerst kreative Zusammenarbeit entwickelte sie mit dem Regisseur und Pro-
BIOGRAPHIEN
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duzenten John Cox, für dessen Salzburger Inszenierung von Mozarts Il re pastore sie 1989 die Ausstattung entwarf. 2004 verstarb Elisabeth Dalton in ihrer Heimatstadt Chichester.
STEEN BJARKE – Licht Steen Bjarke war von 1973 bis 2001 Lightdesigner des Royal Danish Theatre und zeichnete dort für alle großen Opern- und Ballettproduktionen verantwortlich, darunter Werke des dänischen Choreographen August Bournonville. Zeitgleich arbeitete er mit zahlreichen internationalen Theatercompagnien und Choreographen wie Maurice Béjart, Kevin McKenzie, John Neumeier, Peter Schaufuss, Wayne Eagling, Tim Rushton und Alexei Ratmansky. Er war einer der ersten Lightdesigner, die mit bewegungsgesteuertem Licht arbeiteten, sodass Licht, Bühne und Tänzer miteinander interagieren können. Einen wichtigen Schwerpunkt bilden Steen Bjarkes Lichtdesigns zu Werken von John Cranko: 1989 für Onegin mit dem Bühnenbild von Jürgen Rose für das Royal Danish Ballet, in der Folge auch für das Royal Ballet London, Houston Ballet, Ballet de l’Opéra de Paris und Bolschoi-Ballett sowie im Bühnenbild von Elisabeth Dalton für das Norwegische Nationalballett, Finnische Nationalballett, Het Nationale Ballet, Royal Danish Ballet, Ungarische Nationalballett, Staatsballett Berlin und die Compagnien von Rio de Janeiro, Prag, Warschau sowie 2006 für das Wiener Staatsballett. Außerdem gestaltete er das Lichtdesign zu Crankos Der Widerspenstigen Zähmung und Romeo und Julia. Seit 2001 ist Steen Bjarke als freischaffender Lightdesigner weltweit tätig und entwirft auch seine eigenen Bühnenbilder. Engagements führten ihn zum Chinesischen Staatsballett Peking, an die New Yorker Metropolitan Opera, die Scala di Milano, das Königlich Dänische Ballett, das Leipziger Ballett, das Polnische und das Georgische Nationalballett. Für die Produktion von August Bournonvilles Eine Volkssage in einem Bühnenbild von Königin Margrethe II. von Dänemark wurde ihm ein Verdienstorden verliehen.
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BIOGRAPHIEN
REID ANDERSON – Einstudierung Reid Anderson wurde 1949 im kanadischen New Westminster geboren und begann seine Tanzausbildung an der Dolores Kirkwood Academy in Burnaby, British Columbia. Im Alter von 17 Jahren erhielt er ein Stipendium für die Royal Ballet School London. 1969 wurde er Mitglied von John Crankos Stuttgarter Ballett. Er tanzte – 1974 zum Solisten und 1978 zum Ersten Solisten befördert – in vielen klassischen und zeitgenössischen Stücken und arbeitete mit führenden Choreographen wie Sir Kenneth MacMillan, Glen Tetley, John Neumeier, Jiří Kylián oder William Forsythe. Von 1987 bis 1989 war Reid Anderson Direktor des Ballet British Columbia in Vancouver, ab 1989 leitete er das National Ballet of Canada in Toronto. 1996 kehrte er als Direktor zum Stuttgarter Ballett zurück, wo er zum Ende der Spielzeit 1996/97 zum Ballettintendanten ernannt wurde. In seiner 22-jährigen Stuttgarter Direktion setzte er neben der Pflege des Cranko-Erbes und anderer klassischer Werke besondere Akzente durch die Förderung junger Talente. Zwischen 1996 und 2018 gab er mehr als 130 Uraufführungen in Auftrag bei Choreograph*innen wie Mauro Bigonzetti, David Bintley, Bridget Breiner, Sidi Larbi Cherkaoui, Edward Clug, Jorma Elo, Itzik Galili, Marco Goecke, Douglas Lee, Wayne McGregor, Cayetano Soto, Christian Spuck oder Demis Volpi. Einladungen führten das Stuttgarter Ballett an Häuser wie das Bolschoi-Theater Moskau, die Opéra Garnier Paris, das Londoner Colisseum und das New York State Theater. Zu den Auszeichnungen, mit denen Reid Andersons Arbeit gewürdigt wurde, zählen der Preis der John Cranko-Gesellschaft (1996), der Deutsche Tanzpreis (2006), die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg (2009) sowie die Große Stauffer Medaille in Gold (2018). Das Stuttgarter Ballett erhielt 2013 den Europäischen Tanz-Kulturpreis. Seit 1986 erarbeitet Reid Anderson die Werke John Crankos mit namhaften Compagnien auf der ganzen Welt.
LUKAS GAUDERNAK – Einstudierung Lukas Gaudernak studierte an der Ballettschule der Österreichischen Bundestheater und ergänzte seine Ausbildung in Cannes, Monte Carlo, London, Berlin und New York. 1987 wurde er an das Wiener Staatsopernballett engagiert, wo er zahlreiche Partien des klassischen und zeitgenössischen Repertoires tanzte und im Charakterfach begeisterte. Nach ersten Erfahrungen als choreographischer Assistent in Opernproduktionen ist er seit 2006 auch als Probenleiter und seit 2009 als Produktionsleiter des Wiener Staatsballetts tätig. Seine erste eigene Choreographie 1994 – Im Jahr der Familie gewann den Prix Volinine 95 des Internationalen
BIOGRAPHIEN
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Choreographenwettbewerbs Paris. Weitere Ballette entstanden für die Reihe off ballet des Wiener Staatsopernballetts und die Junge Choreographen-Serie choreo.lab, für Opern und Operetten der Wiener Staatsoper, der Volksoper Wien und der Oper Zürich sowie für Produktionen im WUK und dietheater Künstlerhaus, für die Ballettschule der Wiener Staatsoper, das Konservatorium der Stadt Wien und die Szene Bunte Wähne. Als choreographischer Assistent betreut Lukas Gaudernak seit 2008 die Balletteinlagen der Neujahrskonzerte der Wiener Philharmoniker. 2009 gestaltete er für diesen Anlass die Choreographie der Elev*innen der Ballettschule der Wiener Staatsoper im Musikverein. Regelmäßig kreiert er die Eröffnungen für den Ball der Wiener Kaffeesieder und den Silvesterball in der Wiener Hofburg, 2017 choreographierte er die Balletteinlage für die Eröffnung des Wiener Opernballs.
JEAN CHRISTOPHE LESAGE – Einstudierung Jean Christophe Lesage wurde in Freiburg geboren und erhielt seine Ballettausbildung am Conservatoire National Supérieur de Musique et de Danse in Paris. Seine Lehrer waren Roger Ritz, Pierre Lacotte, Raymond Franchetti und Claire Motte. Ab 1981 war er als Tänzer im Ballet National de Marseille – Roland Petit, im Bonner Ballett Peter van Dyks und Basler Ballett Heinz Spoerlis engagiert. 1988 nahm Konstanze Vernon ihn als Solisten des Balletts der Bayerischen Staatsoper unter Vertrag. 1993 begann er an der Heinz-Bosl-Stiftung und bei Jessica Iwanson zu unterrichten, ab 1995 war er als Probenleiter beim Bayerischen Staatsballett tätig. Nach Absolvierung eines Ballettpädagogik-Studiums (Waganowa-Methode) an der Hochschule für Musik und Theater in München wurde Jean Christophe Lesage 1998 Ballettmeister des Bayerischen Staatsballetts unter Ivan Liška. 2004 wechselte er als Ballettmeister und Assistent Victor Ullates zum Ballet de la Comunidad de Madrid. Seit 2007 ist er Probenund Trainingsleiter des Wiener Staatsballetts, wo er regelmäßig auch für Einstudierungen verantwortlich zeichnet. Frederik Ashtons La Fille mal gardée erarbeitete er zuletzt nicht nur mit dem Wiener Ensemble, sondern auch mit den Compagnien in Bordeaux, Budapest, Tokio, Seoul und Bratislava. Am Teatro Colón Buenos Aires studierte er 2019 Pierre Lacottes La Sylphide ein.
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BIOGRAPHIEN
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impressum
onegin John Cranko Spielzeit 2022/23 HERAUSGEBER Wiener Staatsoper GmbH, Opernring 2, 1010 Wien Direktor: Dr. Bogdan Roščić Kaufmännische Geschäftsführerin: Dr. Petra Bohuslav Direktor & Chefchoreograph Wiener Staatsballett: Martin Schläpfer Kaufmännische Leiterin Wiener Staatsballett: Mag. Simone Wohinz Redaktion: Mag. Anne do Paço, Nastasja Fischer MA, Mag. Iris Frey Gestaltung & Konzept: Fons Hickmann M23, Berlin Layout & Satz: Julia Pötsch Hersteller: Print Alliance HAV Produktions GmbH, Bad Vöslau AUFFÜHRUNGSRECHTE für John Crankos Choreographie: © Dieter Gräfe / für die musikalische Einrichtung Kurt-Heinz Stolzes: © Adrian Thomé Musikverlag, Bodensee TEXTNACHWEISE Die Texte von Alexander Müller (S. 12ff. & 18ff.), Horst Koegler (S. 26ff.) sowie Alfred Oberzaucher (S. 54ff.) sind leicht aktualisierte Nachdrucke der Originalbeiträge aus dem Programmheft Onegin des Wiener Staatsballetts, Spielzeit 2005/06, für welches Alexander Müller auch die Quellen und Szenenfolge (S. 33ff.) zusammenstellte. Umschlagklappe: Anton Tschechow: Das Duell. Zitiert nach Ders.: Kleine Romane I. Aus dem Russischen von Ada Knipper und Gerhard Dick. Hrsg. v. Peter Urban. Zürich 1976 / S. 2f.: Über die heutige Vorstellung. Originalbeitrag für dieses Programmheft, ins Englische übertragen von David Tushingham / S. 4: Anna Achmatowa: Im Traum. In Dies.: Im Spiegelland. Ausgewählte Gedichte. Hrsg. v. Efim Etkind. München/Zürich 1994 / S. 6ff.: Handlung basierend auf dem Programmheft Onegin des Stuttgarter Balletts, ins Englische übertragen von Andrew Smith / S. 10: John Cranko zitiert nach Hartmut Regitz: Der Tod eines Choreographen. John Cranko. In: Die Zeit Nr. 29, 1973 / S. 24: Barbey d’Aurevilly zitiert nach Sam Driver: The Dandy in Puškin. In: The Slavic and East European Journal Vol. 29/Nr. 3, 1985 (ins Deutsche übertragen von Nastasja Fischer) / S. 25: Charles Baudelaire: L’Art Romantique. Zitiert nach Gerd Stein: Kulturfiguren und Sozial-
charaktere des 19. und 20. Jahrhunderts: Dandy, Snob, Flaneur. Frankfurt am Main 1985 / S. 29: Klaus Geitel, Hannes Kilian: John Cranko. Ballett für die Welt. Sigmaringen 1977 / S. 46ff., 50f. & 57: Alexander Puschkin: Ein Lesebuch für unsere Zeit. Ins Deutsche übertragen v. Theodor Commichau u.a.. Berlin, Weimar 1988 / S. 52: Vladimir Nabokov: Kommentar. Aus dem Russischen von Sabine Baumann. In: Alexander Puschkin: Eugen Onegin. Aus dem Russischen von Sabine Baumann unter Mitarbeit von Christiane Körner. Frankfurt am Main/Basel 2009. Nachdruck nur mit Genehmigung des Wiener Staats balletts/Dramaturgie. BILDNACHWEISE Cover: Thomas Hawk: I Found You. Attribution-NonCommercial 2.0 Generic (CC BY-NC 2.0) https://creativecommons.org/licenses/by-nc/2.0 / S. 5, 58–63: Szenenfotos aus der Spielzeit 2019/20 sowie 2021/22 des Wiener Staatsballetts © Ashley Taylor / S. 11 & 21: Klaus Geitel, Hannes Kilian: John Cranko. Ballett für die Welt. Sigmaringen 1977 / S. 16: Serge Lido: Ballett von heute. Berlin 1966 / S. 30–41: Probenfotos des Wiener Staatsballetts von Dezember 2021 und September 2022 © Ashley Taylor / S. 66–71, 76 & 77: © Andreas Jakwerth / S. 73: © Andreas Heumann / S. 74 oben & 75: z.V.g. / S. 74 unten: © Stephen Broadbent / S. 76: Roman Novitzky. Rechteinhaber, die nicht zu erreichen waren, werden zwecks nachträglicher Rechtsabgleichung um Nachricht gebeten.
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