Ausstellung Porträts als Spiegel von Gesellschaften Porträt Bergischer Kunstpreis 2022 für Filiz Özcelik und Jonas Hohnke Tanztheater Boris Charmatz über seine Pläne als Intendant Erinnerung 20 Jahre nach dem Tod von Peter Kowald Bühne Das K4 Theater für Menschlichkeit in Wuppertal Nachruf Adieu Polo – Der Cartoonist André Poloczek ist tot
03/2022 Juli-September / 5.80 € ISSN 18695205
Inhalt
Fragen an die Kuratorin der neuen Ausstellung
Von der Heydt-Museum Dr. Anna Storm Porträts als Spiegel von Gesellschaften
Kooperation des Von der Heydt-Museums
dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch Senga Nengudi
zwischen Körpern
symbolischen Objekten
Schmitten
Skulpturenpark Waldfrieden
One Window Three Artists
Miyajima
76. Internationale Bergische Kunstpreis Zweierlei Kunstverständnis
und Fotografien in Schwelm Designgeschichte des Stuhls
zur ersten Spielzeit als Intendant des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
brauchen eine Kunst, die brennt“
Musiker, der die Welt zum Dorf machte Peter Kowald zum 20. Todestag
klingt noch nach von Kowalds Musik?
Gespräch mit Sebastian Gramss
Kraft, die aus dem inneren Impuls kommt“
Viertelklang – Musik an ungewöhnlichen Orten
Up
der Gedok-Autorin Anja Liedtke
Ich zu viel“
im
4 Eine
mit
11 Skulpturen
und
Andreas
im
12 Skulpturenpark:
Tatsuo
16 Der
18 Miniaturstühle
22 Gedankenskizzen
„Wir
24 Ein
28 Was
Ein
„Eine
31 Vier
Running
34 Roman
„Ein
35 2 4 12 22 28
Wuppertaler Literatur Biennale
„Zuschreibungen“
was bedeutet Identität?
von Heiner Bontrup Eine schwierige Liebe, ein schwieriger Tod
in der Bonner Bundeskunsthalle Farbe ist Programm
K4-Theater für Menschlichkeit in Wuppertal Offen, bunt und menschlich
Hajo Jahns Buch zum 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler Facetten einer schillernden Persönlichkeit
Adieu Polo – Nachruf auf André Poloczek Der Abschied eines Menschenzeichners
Was noch wichtig ist
„Under construction underdogs and role models“ des Tanztheater Pina Bausch Tanzt, tanzt, tanzt, für eine gemeinsame Zukunft!
für Kinder und Jugendliche
Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch Vom Geist der Erfinder
Musik, Bühne, Kino Kulturtipps
2022
–
36 Bühnenstück
40 Patchwork-Schau
42 Das
50
54
55 Kulturnotizen
56 Festival
59 Kulturtipps
64 Neue
68 Ausstellungen,
70 Impressum 80 40 42 55 59
Porträts als Spiegel von Gesellschaften
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Fragen an die Kuratorin der neuen Ausstellung im Von der Heydt-Museum Dr. Anna Storm
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Henri de Toulouse-Lautrec, Die dicke Marie, 1884, Öl auf Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal
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Zanele Muholi, ZaKi, Kyōto/Japan, 2017, 2017, Silbergelatine-Print, Dauerleihgabe an das Von der Heydt-Museum © Zanele Muholi.
Courtesy of Stevenson, Amsterdam/Cape Town/Johannesburg and Yancey Richardson, New York
Zanele Muholi, Ntozhake I, Parktown 2016, 2016, Silbergelatine-Print, Dauerleihgabe an das Von der Heydt-Museum © Zanele Muholi.
Courtesy of Stevenson, Amsterdam/Cape Town/Johannesburg and Yancey Richardson, New York
„Fremde sind wir uns selbst“, nennt sich eine neue Ausstellung mit Bildnissen von Paula Modersohn-Becker bis Zanele Muholi im Von der Heydt-Museum. Der Titel zeigt bereits die Bandbreite der Werke auf. Warum Porträts heute noch so faszinieren und was sich seit Social Media dadurch ge ändert hat, erklärt Kuratorin Dr. Anna Storm im Interview mit der „besten Zeit“.
Woher kam die Idee zu der Ausstellung? Das Von der Heydt-Museum hat Anfang 2021 sechs Fotogra fien von Zanele Muholi als Dauerleihgabe erhalten, Selbst porträts, die zwischen 2007 und 2017 entstanden sind. Mich haben die Fotos auf den ersten Blick fasziniert, sie sind von einer solchen Direktheit und Kühne, wahnsinnig modern und reflektiert und von enormer Symbolkraft. Sofort war klar, dass die Fotos nicht lange im Depot lagern, sondern in
einer Ausstellung präsentiert werden sollten. Und aus den sechs Werken hat sich schnell das Thema Porträt/Selbst porträt und dann – mit Rückgriff auf die vielseitige Samm lung des Hauses – eine ganze Präsentation entwickelt.
Früher diente das Porträt häufig der Repräsentation. Inwiefern spiegelten sich schon seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert bzw. in der Frühen Neuzeit gesellschaftliche Zusammenhänge?
Der Bildtypus des Porträts entwickelte sich seit dem aus gehenden 15. Jahrhundert, in einer Zeit, in der sich Men schen selbst immer stärker in den Fokus der Aufmerksam keit rückten. Dabei ist es allerdings ein Irrglaube, wie der Kunsthistoriker Hans Belting plausibel dargelegt hat, dass das Porträt eine Erfindung der bürgerlichen Kultur wäre – die Geschichte des Porträts hat lange vorher begonnen und einmal der Selbstbehauptung in einer anderen Gesell
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Paula Modersohn-Becker, Mädchenbildnis mit gespreizter Hand vor der Brust, 1905, Öl auf Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal
schaft gedient. Im Porträt wurde, so Belting, die Emanzipa tion des Subjekts in Zeiten höfischer Herrschaft und kirch licher Vormundschaft demonstriert. Gerade in der Frühen Neuzeit bilden sich die Konflikte des Individuums mit der Gesellschaft im Porträt deutlicher ab als in anderen Zeiten. In früheren Zeiten entstanden Porträts häufig als Auftrags arbeiten. Dann war die Intention des Bildes meist klar de finiert, es sollte repräsentieren, also die Person und ihren gesellschaftlichen Status oder ihre Herkunft angemessen verbildlichen. Hier traten nun auch unterschiedliche For men von Inszenierung auf. Einerseits durch gestalterische Elemente wie den Bildausschnitt, die Perspektive oder die Gesamtkomposition. Andererseits durch Objekte und Attribute, die zur Charakterisierung der Person beitragen sollten.
Welche Bedeutung hat das (Selbst-)Porträt in der bildenden Kunst, und wann wurde es besonders populär? Selbstbildnisse gibt es schon sehr lange, vermutlich seit der Antike. Mit der Renaissance werden das Porträt und auch das Selbstporträt als Gattung bedeutender, Künstler (und wenige Künstlerinnen) traten selbstbewusster auf und stellten sich selbst dar – man denke zum Beispiel an Rem brandt. Hier treten nun auch vermehrt die sogenannten Künstlerporträts auf, also Selbstbildnisse, die die Künstle rinnen und Künstler in ihrer Profession, zum Beispiel mit Pinsel und Palette, zeigten. Die Entwicklung des (Selbst-) Porträts geht in dieser Zeit mit der sich behauptenden Vor stellung von Individualität einher, also der Vorstellung, dass Personen einmalige und selbstbestimmte Individuen sind. Das Porträt wurde nun zum Inbegriff der Darstellung eines humanistischen Selbst. Im 19. Jahrhundert wurde das Konzept des Porträts infrage gestellt, die Auffassung, dass Porträt und Porträtierte eine Einheit bilden, geriet ins Wanken, auch durch die Entwicklung der Fotografie.
Inwiefern hat das Aufkommen der Fotografie das maleri sche (Selbst-)Porträt verändert?
In der traditionellen Bildniskunst gab es historisch be trachten zwei entscheidende Aspekte: Ähnlichkeit und Charakter. Das Porträt sollte die dargestellte Person wirk lichkeitsnah wiedergeben und ihren Charakter einfan gen. Damit galt die Porträtistin oder der Porträtist lange als bloße/bloßer Handwerker/in, denn Ziel war die größt mögliche mimetische Nähe. Dieser Naturnachahmung wurde die schöpferische, also kreative Leistung weitestge hend abgesprochen. Mit dem Aufkommen der Fotografie im 19. Jahrhundert wurde die Malerei nun von der gefor derten Wirklichkeitsnähe entbunden, denn die Fotografie
galt als „objektives“ Medium, das besonders geeignet wäre, um wirklichkeitsgetreue Bilder zu produzieren. Die Ent bindung von der Naturnachahmung war für die Malerei tatsächlich von Vorteil, nur so konnte sich das Porträt im Folgenden zu einem autonomen Kunstwerk entwickeln.
Was fasziniert so an Porträts?
Sie sind nicht nur Spiegel von Menschen, sondern auch von Gesellschaften. Und dabei geht es weniger um die Wirk lichkeit als um gewachsene Vorstellungen, Stereotype und Konstruktionen. In den Gender Studies beispielsweise wird die gesellschaftliche Konstruktion von Geschlechtlichkeit (im Vergleich zum biologischen Geschlecht) untersucht. Diesen Aspekt kann man auch in Porträts nachvollziehen. Bilder von Frauen sind anders – besonders historisch – ge staltet als von Männern. Männer wurden traditionell re präsentativ dargestellt, im öffentlichen Bereich, und cha rakterisiert durch ihre professionelle Qualifikation, Frauen hingegen im privaten Raum bei häuslichen Tätigkeiten. Darüber hinaus zeigt die Mehrzahl der Porträts, die sich heute in westlichen bzw. europäischen Museen befinden, europäische „weiße“ Menschen. Wer wird also wann wie abgebildet bzw. zum Bildmotiv erhoben und wer nicht? Insofern vereinen sich im Porträt gesellschaftliche, soziale, politische, kulturelle und geschlechtsspezifische Fragen, deren Beantwortung nicht immer bequem ist und zum Nachdenken anregt.
Der Ausstellungstitel ist einem Buch entlehnt. Welche Rol le spielt dieses für die Ausstellung, und wie lässt sich der Titel „Fremde sind wir uns selbst“ dabei verstehen?
Der Titel der Ausstellung ist Julia Kristevas gleichnamigem Buch aus dem Jahr 1990 entliehen, das um die Spannung zwischen Selbst- und Fremdwahrnehmung kreist. Im selben Maße, so Kristevas zentrale These, in dem wir ein ander fremd sind und uns gegenseitig beargwöhnen, sind wir auch uns selbst fremd – und bleiben es. Und gerade dies erkennt die Philosophin als Schlüssel im Umgang mit dem Anderssein. Denn wenn das Fremde als Eigenes wahr genommen wird, hebt sich auch der Gegensatz von fremd und eigen auf, und die beiden Kategorien verschmelzen. Gesellschaftspolitisch ist dies tatsächlich doch mehr als wünschenswert.
In der Gattung des Porträts lassen sich die Unterschiede von Fremd- und Selbstwahrnehmung gut beobachten. Natürlich besonders gut im Vergleich von Selbstporträts und Porträts. Also wie stellt sich eine Person selber dar, und wie wird eine Person durch eine andere dargestellt? Also der Blick von außen, der fremde Blick, und der eigene Blick
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auf sich selbst. Interessant ist aber auch, wie gesellschaftli che, soziale, kulturelle und geschlechtsspezifische Aspekte die Darstellung von Menschen beeinflussen und wie diese Darstellung mit dem eigenen Wahrnehmen korreliert.
Im Volksmund gelten die Augen als Spiegel der Seele, wel che Rolle spielt der Blick bei Porträts? Der Blick ist ein Mittel zur Kommunikation. Wenn die im Gemälde oder der Fotografie dargestellte Person direkt aus dem Bild sozusagen zu den Betrachtenden blickt, entsteht
eine Beziehung bzw. die Betrachtenden werden direkt an gesprochen. Sie werden als Gegenüber wahrgenommen, ja sogar adressiert. Der direkte Blick kann als Aufforderung („sieh hin“) verstanden oder im Sinne einer Komplizen schaft gedeutet werden. Auch lässt er ein Gefühl von Nähe entstehen. Schauen dargestellte Figuren hingegen auf etwas anderes, was den Betrachtenden wiederum verbor gen bleibt, ist dies eine Form von Distanzierung. Die dar gestellte Welt ist eine geschlossene, die durch die Betrach tenden von außen betrachtet, aber nicht nachvollzogen
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Wols, Claude Prévert, 1937, Reprint, Abzug matt, Von der Heydt-Museum Wuppertal
werden kann. Insofern spielt der Blick bzw. die Blickrich tung eine entscheidende Rolle.
Social Media lebt von der Selbstdarstellung – bekommt das (Selbst-)Porträt in heutigen Zeiten eine andere Bedeutung? Das (Selbst-)Porträt ist heute allgegenwärtig. Manch einer mag behaupten, wir lebten in einer Selfie-Epoche. Durch das Smartphone und Social Media wird jede/r zum/zur Fo tografen/in und zugleich zum/zur Dargestellten. Dabei ist die Inszenierung ein wesentlicher Punkt, denn wer ein Sel
fie macht, macht sich selbst zum Bild. Das Bild wird dabei zur Kommunikationsform, es ersetzt den Statusbericht, wie Wolfgang Ullrich herausgestellt hat. Kritisch könnte man die sogenannte Selfie-Epoche als narzisstisches Zeit alter hinterfragen oder auch – in Hinblick auf die Insze nierung – von einem Authentizitätsverlust sprechen. Ich finde aber viel spannender, wie sich, selbst in Social Media, gesellschaftliche und soziale Codes in Porträts und Selfies einschreiben und diese Bilder prägen.
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Christian Schad, Halbakt, 1929, Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022
Wie ist das Konzept der Ausstellung?
Das Konzept der Ausstellung ist, anhand unterschiedlicher Medien – Gemälde, Grafik und Fotografie – unterschiedli che Formen von Repräsentation und (Selbst-)Darstellungen zu zeigen. Die frühesten Werke sind aus dem 19. Jahrhun dert und die aktuellsten von 2017. Anhand der unterschied lichen Werke zeigt sich die Bandbreite menschlicher Dar stellung, aber eben auch Formen der (Selbst-)Inszenierung, die zuweilen durch Stereotype und Konventionen geprägt sind. Hier spielen auch die Begriffe Gender, Class und „Race“ eine Rolle. Die Ausstellung gliedert sich in fünf Themenbereiche, von Repräsentation und Präsenz über die Bedeutung des Körpers, das Thema der inneren Versunkenheit bis zu Intimität. Die Selbstporträts von Zanele Muholi spielen bei all diesen Aspekten eine zentrale Rolle, sie bilden sozu sagen den Kern der Ausstellung und treten in Dialog mit den Kinderbildnissen von Paula Modersohn-Becker, einem Selbstbildnis von Francis Bacon, Fotografien von Wols, Grafiken von Miriam Cahn und vielen weiteren Positionen.
Zanele Muholi ist in der Ausstellung ganz zentral. Was ist das Besondere an den Selbstbildern von Muholi?
Zanele Muholi (geb. 1972 in Umlazi, Südafrika), die sich als non-binäre Person versteht, porträtiert sich und diskri minierte Minderheiten seit über 15 Jahren. Im Besonderen fotografiert Muholi schwarze, lesbische Frauen und ver steht dies als Ausdruck des neuen Selbstbewusstseins der LGBTQIA+-Community in Afrika. Muholi bezeichnet sich selbst als „visual activist“. Südafrika war das erste Land, das die Rechte von homosexuellen Menschen 1996 in sei ner Post-Apartheid-Verfassung festschrieb und die gleich geschlechtliche Ehe bereits 2006 legalisierte. Dennoch sind Attacken und homophobe Hassverbrechen immer noch allgegenwärtig.
Einige der Selbstporträts in der Ausstellung stammen aus der Serie „Somnyama Ngonyama“ (seit 2012), zu Deutsch: Heil der dunklen Löwin. Muholi macht darin den eige nen Körper zur Projektionsfläche und befragt zugleich die Geschichte der (Schwarz-Weiß-)Fotografie. Denn diese privilegiert traditionell hellhäutige Menschen, während People of Color in ihr in den Hintergrund treten. Auch auf einer symbolischen Ebene verweist Muholi auf stereotype rassistische Momente oder die Geschichte der Apartheid, etwa wenn Muholi Objekte aus dem Haushalt (Schwämme, Bürsten etc.) in die Bilder integriert, zum Beispiel als Haar schmuck. Dies lässt sich als Verweis auf die lange Tradition schwarzer Hausangestellter interpretieren. Muholis Selbst bildnisse sind fein komponiert, sehr klug arrangiert und auf vielen Ebenen tiefsinnig. Sie führen Klischees gekonnt vor Augen und stellen Vorurteile zur Diskussion. Diese im Dialog mit der Porträtsammlung des Von der Heydt-Muse ums zu betrachten, bringt ganz neue Anknüpfungspunkte und Themenfelder zum Vorschein.
Fremde sind wir uns selbst: Bildnisse von Paula Modersohn-Becker bis Zanele Muholi Sonntag, 21. August 2022 bis Sonntag, 29. Januar 2023
Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal www.von-der-heydt-museum.de
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Heinrich Maria Davringhausen, Herrenbildnis, 1922, Leinwand, Von der Heydt-Museum Wuppertal ©_Nachlass_Davringhausen
Senga Nengudi
Eine Kooperation mit dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
Die US-amerikanische Künstlerin Senga Nengudi (*1943, Chicago) studierte Anfang der 1960er Jahre in Los Angeles sowohl Tanz als auch Bildhauerei und führt in ihren Werken bis heute Bewegung und Skulptur auf überraschende Weise zusammen. Ihre aus einfachsten Alltagsmaterialien wie Nylonstrümpfen, Zei tungspapier und Plastikfolien gefertigten Objekte knüp fen einerseits an die damals in Kalifornien vorherrschende Minimal Art an, erweitern anderseits das künstlerische Spektrum um die Disziplin des Tanzes. Heute gilt Nen gudi als legendäre Avantgarde-Künstlerin.
Die Präsentation, die auf einen Raum konzentriert paral lel zur Schau „Fremde sind wir uns selbst“ zu sehen sein wird, ist in Kooperation mit dem Tanztheater Wuppertal Pina Bausch entstanden. Im Zentrum der Ausstellung steht das „Performance Piece“ (1978/2022), eine Leihgabe aus dem Centre Pompidou, Paris. Das aus Nylonstrumpfhosen be
stehende Objekt wird in regelmäßigen Abständen durch Tänzerinnen und Tänzer des Tanztheaters aktiviert.
Die ebenfalls ausgestellten R.S.V.P.-Skulpturen bewegen sich ganz ohne Aktivierung durch außen: Hier sind die Ny lonstrumpfhosen mit Sand gefüllt, das Gewicht sorgt für eine langsame, aber stetige Bewegung. Den Titel – franzö sisch „Répondez s‘il vous plaît“, zu Deutsch „Um Antwort wird gebeten“ – versteht die Künstlerin als Einladung an die Betrachtenden.
Senga Nengudi
Sonntag, 21. August 2022 bis Sonntag, 29. Januar 2023
Von der Heydt-Museum
Turmhof 8, 42103 Wuppertal
Die Termine zu den Performances stehen ab August auf www.von-der-heydt-museum.de
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Senga Nengudi, Performance Piece, 1977, Silbergelatinedruck, dreiteilig, Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau München, Sammlung KiCo © Senga Nengudi
Andreas Schmitten im Skulpturenpark Waldfrieden
Seine Skulpturen erforschen auf rätselhafte Weise die Beziehungen zwischen skulpturalen und menschlichen Formen, zwischen dem Körper, symbolischen Objekten und Ritualen
„Man könnte sich unser säkulum ganz gut ohne tischler denken – wir würden dann eiserne möbel gebrauchen. Wir könnten ebenso gut den steinmetz streichen – der zement techniker würde seine arbeiten übernehmen. Aber ohne den plumber* gibt es kein 19. jahrhundert. Er hat ihm seinen stempel aufgedrückt, er ist uns unentbehrlich geworden.“
Adolf Loos, „Die Plumber“, Neue Freie Presse, 17. Juli 1898
Ein Künstler, der die langfristigen kulturellen Folgen dieser Behauptung aus dem 19. Jahrhundert erkannte, war Marcel Duchamp. Sein „Fountain“ – ein Urinal aus Porzellan, auch bekannt als „The Buddha of the Bathroom“ – wurde erst
mals 1917 (signiert mit dem Pseudonym „R. Mutt“) für eine Ausstellung der Society of Independent Artists in New York eingereicht. Das Objekt wurde nicht zur Ausstellung ange nommen, und der Rest ist, wie man so sagt, Geschichte –eine Geschichte, die bis in die Gegenwart fortwirkt, zuletzt durch die Debatte über die tatsächliche Autorschaft von „Fountain“ und die Rolle der deutschen Künstlerin und Dichterin Elsa Baroness von Freytag-Loringhoven. Heute können wir uns fragen, wie leicht es wäre, sich unser Jahr hundert ohne Marcel Duchamp vorzustellen.
Die Readymades, von denen „Fountain“ eines der berühm testen ist, haben lange und einflussreiche Schatten auf die
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Andreas Schmitten, Inmaterielles (2021) mit oberem Ausstellungspavillon, © courtesy the artist, Foto: Michael Richter
* Plumber, engl. für Klempner
Landschaft der modernen und zeitgenössischen Kunst geworfen. In den 1960er-Jahren, als Fragen zur Rolle des Künstlers und dem Unterschied zwischen dem Funktiona len und dem Funktionslosen, dem Handgefertigten und dem Industrieprodukt die Kunstwelt umtrieben, rückten Duchamps Werke erneut in den Fokus des Interesses, nach dem der Mailänder Galerist Arturo Schwarz autorisiert worden war, Repliken der Readymades in kleinen Auflagen zu produzieren.
Duchamp wurde für jüngere Künstlergenerationen zu ei ner Figur, mit der man sich auseinandersetzen musste und von dessen Readymades sich manche künstlerische Positi on direkt ableitete. Viele Künstlerinnen und Künstler, da runter Robert Gober, schufen Werke, die sich unmittelbar auf „Fountain“ bezogen. Gobers „Untitled“ (1985), das sich heute in der Sammlung des Museum of Modern Art in New York befindet, spielt mit den Formen des Urinals, verleiht ihm anthropomorphe Züge (Abfluss and Dübellöcher ste hen für Mund und Augen) und verwendet weiße Farbe und Gips, um das Aussehen von Porzellan zu imitieren.
Auch Andreas Schmitten beschäftigt sich mit dem Anth ropomorphismus und mit dinglichen Personifikationen. Seine neuen Skulpturen laden dazu ein, über Duchamps Readymade aus der Sicht des 21. Jahrhunderts nachzuden ken. Sie erforschen auf rätselhafte Weise die Beziehungen zwischen skulpturalen und menschlichen Formen, zwi schen dem Körper, symbolischen Objekten und Ritualen.
Andreas Schmittens Ausstellung umfasst elf Werke, die im oberen Ausstellungspavillon, in der Villa und im Skulptu renpark Waldfrieden zu sehen sind. „Geburt“ (2021), „Die Andere“ (2021), „Inmaterielles“ (2021) und „Geburt“ (2021) gehen von den Grundformen des Gefäßes, Brunnens oder Beckens aus und verschmelzen diese mit menschlichen Körperteilen. Auf den ersten Blick scheinen sie aus Porzel lan zu sein, tatsächlich wurden sie jedoch in Bronze her gestellt und weiß lackiert. Die materielle Ausführung ist sehr hochwertig, und die Oberflächen dieser gegossenen Skulpturen wurden sorgfältig geschliffen, lackiert und ge wachst, um den Eindruck von Neuwertigkeit zu erzielen, den Schmitten anstrebt. Bronzeabgüsse bieten eine for male Geschlossenheit, Detailgenauigkeit und Beständig keit, die seine früheren Versuche mit Keramik und Polyes terharz nicht erreichen konnten. In einem Gespräch über seine Arbeiten bemerkte er kürzlich: „Jedem Zentimeter Oberfläche wird große Aufmerksamkeit gewidmet“, und
er ergänzte: „Die meisten meiner Arbeiten verraten nicht, aus welchem Material sie bestehen. Es gibt hier keine ‚Ma terialgerechtigkeit‘.“
Diese makellosen Skulpturen wurden nicht nur mit ak ribischer Sorgfalt produziert, sondern auch sehr sorgsam konzipiert. Das hohe Maß an Kontrolle und Präzision ist auffällig und ein wesentliches Merkmal von Schmittens Kunst im Allgemeinen. Schmitten ist nicht nur Macher, sondern auch Denker – ein Künstler mit einem geisteswis senschaftlichen und einem künstlerischen Hintergrund (er studierte fünf Jahre lang Philosophie an der HeinrichHeine-Universität, wo sein Interesse an den Schriften von Gilles Deleuze geweckt wurde, und besuchte sechs Jahre die Kunstakademie Düsseldorf). Interessanterweise war Schmitten bereits als Kind ein sehr talentierter Modellbau er und machte diese Arbeit später für eine kurze Zeit auch zum Beruf.
Denken und Tun gehören in Schmittens Praxis daher eng zusammen. Und seine Werke existieren wie Chiffren auf mehreren Ebenen gleichzeitig und laden das Publikum dazu ein, sie sich anzueignen. Gefäße sind gute Chiffren – sie sind offene Behältnisse für die Ideen anderer Leute. Schmittens Skulpturen regen dazu an, sich mit der Assozi ationskraft von Formen zu beschäftigen; man erkennt, dass sie auf verschiedene Gegenstände, Entwürfe und Bildspra chen der zeitgenössischen materiellen Kultur gleichzeitig anspielen können. Sie können durchaus alltäglich sein und an die ergonomischen Formen von Badarmaturen, an die Metallringe eines Duschvorhangs, die Rosa- und Türkistö ne der Dinge im Putzmittelschrank und die Farbcodes von Hygieneregeln in Krankenhäusern und Kliniken erinnern.
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Andreas Schmitten, Geburt (2021), © courtesy the artist, Foto: Michael Richter
Schmitten betrachtet solche Gegenstände ähnlich wie ein Anthropologe, der sie sammelt, um ihren visuellen Reiz zu erforschen. Hier geht es nicht um Selbstporträts: „Ich bin nicht in meinen Werken“, betont Schmitten. Vielmehr entnimmt er der Welt diese formalen Zitate, bearbeitet sie und synthetisiert sie zu stromlinienförmigen, hermetisch versiegelten Skulpturen, die ebenso bezwingend wie rät selhaft wirken.
Die hier ausgestellten Werke entstanden zwischen 2020 und 2021 unter den Bedingungen der Pandemie und der damit einhergehenden Lockdowns. Während dieser Zeit wandte sich Schmitten verstärkt der Figuration zu, denn es interessierte ihn, wie wir unter diesen Umständen be gannen, sowohl über unsere Körper (und deren Verletzlich keit) als auch über die Dinge, mit denen wir uns umgeben, nachzudenken. Er spricht von einem Interesse daran, „wie wir um unsere Körper herum arbeiten, bauen und leben. Wie wir um unsere Körperöffnungen besorgt waren, unse re Körper mit Gehäusen und Rüstungen schützen wollten. Wie wir uns von den Dingen, die wir erschaffen, abhängig machten.“
„Geburt“ (2021), „Die Andere“ (2021) und „Inmaterielles“ (2021) sind Hybride – Köpfe, Körper und Becken. Sie sind zugleich Miniatur-Habitate, die dazu dienen, abstrakte Objekte aufzubewahren und zu präsentieren. Sie erinnern zudem an grundlegende menschliche Erfahrungen wie das Taufen und Reinigen, aber auch an alltägliche Routi nen wie das Waschen von Gesicht und Händen. Hier wer den rituelle Waschungen, Hygiene und das Reinigen von Körper und Geist untersucht, und da Schmittens Skulp tur die Ideen derartiger Erfahrungen mit den Betrachtern teilt, sind diese frei, ihre eigenen Gedanken auf die Werke zu projizieren. Letztere sind selbstverständlich nicht an die Wasserversorgung angeschlossen und daher ungebunden wie Fernsehgeräte ohne Strom. Man kann sich daher fra gen, wie sich in derart ritualistischen Objekten das Heilige und Profane verbinden und was moralistische Statements der Vergangenheit – wie etwa „Reinlichkeit kommt gleich nach Gottesfurcht“ – in der heutigen Welt bedeuten kön nen.
Der Körper ist heute allgegenwärtig. In seiner Herange hensweise an die Figuration zeigt Schmitten eine Vorliebe für Hybridität, Paarung und Längung, mit besonderem Augenmerk für das Fragment und Doppelbild. Arme und Hände werden vom Körper getrennt, gestreckt und durch verschiedenartige Gefäße miteinander verbunden. In „Ge
burt“ (2021) und „Die Andere“ (2021) dienen Schalen als ge sichtslose Köpfe und deren Abflüsse als Körperöffnungen. „Geburt“ ist eine vertikal aufgerichtete untere Körperhälf te mit einem Becken als Uterus und spielerisch gekreuzten Füßen. „Inmaterielles“ (2021) kombiniert die „Fountain“ oder das Urinal mit einem maskenhaften Oberkopf. Da runter könnte man einen Unterkiefer erkennen, der sich nach unten dehnt, um einen offenen Mund zu bilden, oder zwei vertikale Formen, die einen schlafenden, träumenden Kopf tragen. Und in der großformatigen Arbeit „Die Ande re“ sind zwei offene Handteller ineinandergelegt; von den langen Oberarmen hängt ein rosafarbener Netzstoff wie Engelsflügel herab. Diese Teller könnten als Gefäße ver standen werden, als erwartungsvolle Formen, die auf eine Gabe hoffen.
Skulpturen sind im Allgemeinen eher mit Tod und Geden ken assoziiert als mit der Geburt. Umso faszinierender ist es, die beiden Skulpturen – eine stehende und eine liegen de – zu betrachten, die Schmitten mit „Geburt“ betitelt hat. Der Künstler interessiert sich besonders für die skulp turale Formulierung des weiblichen Körpers, und seine Skulpturen untersuchen die umhüllende Form, die sich selbst und andere enthält und umgibt. In seiner jüngeren Arbeit „Tochter“ (2022) sprießen zwei pflanzenartige Arme nach oben und krümmen sich an der Spitze nach unten, um diejenigen zu beschützen, die sich in dem darunter liegenden Becken waschen. All diese Arbeiten haben eine wächterartige Präsenz und suggerieren zugleich die Auto rität von Idolen, denen in einer Art imaginärer Partizipati on gehuldigt werden soll.
Schmitten interessiert sich seit Langem für den offenen Raum über seinen Skulpturen sowie für die Sockel, welche sie von unten stützen. In der Vergangenheit verwendete er Konstruktionen, die über seinen Arbeiten hängen, sie rah men und ihre umfassenderen räumlichen Dimensionen markieren. In dieser Ausstellung verwendete er ausschließ lich Sockel aus Cortenstahl, um die Werke in ihrer Umge bung im Skulpturenpark Waldfrieden zu verankern, aber auch, um die Farben und Oberflächen der Bronzeskulp turen, die sie tragen, zu komplementieren. Schmitten hat regelmäßig auch Vitrinen verwendet, um seine Skulpturen zu umschließen, ihnen eine Hülle zu geben und sie von der Welt der Dinge zu trennen. Hier, in den vier Arbeiten „Der Anderen sich selbst“ (2022), rahmt ein flacher Kasten die unterschiedlich angeordneten Arm- und Schalenskulp turen, die vor blassfarbenen Hintergründen zu schweben scheinen.
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In der Villa sind drei seiner kleinformatigen architekto nischen Skulpturen zu sehen. In ihnen befinden sich Mi niaturen seiner eigenen Werke; auch dies ist etwas, womit sich bereits Duchamp auseinandergesetzt hat. Besonders suggestiv ist das rosafarbene Haus, das poetisch mit der rosafarbenen Villa im Skulpturenpark Waldfrieden har moniert. „Die pinkfarbene, hausartige Skulptur“, bemerkt Schmitten, „ist eine von mehreren Arbeiten, die sich mit dem Verhältnis von Kunst und Architektur beschäftigen. Sie erinnern an Spielzeughäuser aus Plastik; ihre Simplizi tät lässt vielleicht an die Mattel- oder Barbie-Welten den ken, aber sie scheinen beschädigt oder zerstört zu sein. Sie sind teilweise mit typischen Modellbau-Materialen und -Accessoires für Hobbybastler dekoriert. Außerdem gibt es keinen Maßstab – oder genauer gesagt haben einige Teile einen anderen Maßstab als andere –, sodass man sich nicht vorstellen kann, welches der richtige Maßstab für eine Ab bildung sein könnte.“
Diese Arbeiten erinnern uns nicht nur an Schmittens au ßergewöhnliches technisches Können und seine bezwin
gende Art, Skulpturen zu konstruieren und zu inszenieren. Sie verweisen zugleich auch auf sein Interesse an Geschich ten und den Reisen, auf die wir uns alle begeben, ob wir nun am Fuße der Wendeltreppe stehen oder an ihrem Ende. Oder ob wir sie noch gar nicht betreten haben.
Jon Wood
Übersetzung: Barbara Hess
Andreas Schmitten
Skulpturen noch bis Sonntag, 1. Januar 2023
Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal www.skulpturenpark-waldfrieden.de
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Andreas Schmitten, Der Anderen sich selbst, … (Werkgruppe), 2022 © courtesy the artist, Foto Michael Richter
Tatsuo Miyajima
Indem Tatsuo Miyajima die Fensterflächen der Ausstellungshalle mit einer halbtransparenten Spiegelfolie bedeckt, aus denen Ziffern als Symbole der Zeit ausgeschnitten sind, wird die Sicht auf die umgebende Landschaft kontinuierlich verändert. Auch das einfallende Licht ändert sich, ebenso wie die Besucherin nen und Besucher. Nicht zuletzt wird der Raum selbst durch die sich stetig wandelnden Fenster transformiert. Das Werk berücksichtigt die Landschaft, das Museum und seine Besucherinnen und Besucher sowie die Menschen, die sein Inneres mit dem Äußeren verbinden. Und es be
rücksichtigt die Zeit durch die kontinuierliche Transfor mation von Landschaft, Museum und Besuchern.
Tatsuo Miyajima (*1957, lebt und arbeitet in Ibaraki, Japan) ist international bekannt geworden mit Arbeiten und In stallationen aus farbigen LEDs (Licht emittierende Dio den), Zahlen, die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten etwa von 1 bis 9 zählen. Der Künstler beschäftigt sich mit grundsätzlichen Fragen unserer Wahrnehmung von Zeit und Raum. Tatsuo Miyajima hat zahlreiche Werke in Kor respondenz mit Architektur realisiert, etwa für die Univer sität Dufour in Genf, das Denver Art Museum in den USA
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Changing Landscape / Changing Museum
One Window Three Artists
oder für die Fassade des ICC Tower in Hong Kong 2016. Eine seiner bekannten LED-Arbeiten ist in der Villa Waldfrieden installiert.
One Window Three Artists
Tatsuo Miyajima Changing Landscape/Changing Museum noch bis Sonntag, 21. August 2022 Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal www.skulpturenpark-waldfrieden.de
Oben und rechts (Ausschnitt): Tatsuo Miyajima, Changing Landscape/ Changing Museum © courtesy the artist, Foto: Michael Richter
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Filiz
Özcelik, walnut as thick as my neck, 2021, Mixed Media, 160 x 70 cm
Zweierlei Kunstverständnis
Der 76. Internationale Bergische Kunstpreis geht an Filiz Özcelik sowie an Jonas Hohnke
Eine Nuss sucht man vergeblich. Klare Linien immerhin bietet Filiz Özceliks Bild aus ihrer Werkgrup pe „walnut as thick as my neck“, mit der als Ganzem sie – neben Jonas Hohnke – den Internationalen Bergischen Kunstpreis 2022 gewann. Eine Art Rechteck, geformt aus zwei Reihen á sechs Quadraten; ihre helle Fläche ist teils be malt, teils mit kleinen Objekten belegt, die die Symmetrie schon wieder sprengen. Klarheit sonst? Kaum.
Betonbruch, Scherben, Fliesenreste: Fundstücke sind es, woraus Özceliks Werke wie die prämierte Reihe entstehen, und zwar solche, die für manch anderen wohl nahe an Ab fall kämen. Der wache Blick für derlei ist in ihrem Alltag längst eingespielt; Spuren eines Sturms vor Kurzem hat ten nachher unterwegs ganz selbstverständlich ihren Reiz: „Das war ein gefundenes Fressen.“
Ähnlich kreativ-pragmatisch scheint schon ihre Schilde rung, wie sie zu ihrer anderen „zentralen Praxis“ fand - der Druckgrafik: In den Gängen der Düsseldorfer Kunstaka demie, wo sie von 2011 bis 2019 studierte, entfernten einst Bauarbeiter den Bodenbelag aus Linoleum, „bergeweise“ So fand sie zum Druck, zunächst: „Es wurde wichtig für meine Formensprache.“ Heute fließt die Drucktechnik auch in ihre Collagen ein – an einer eigenen Walze, mit de nen Unterlagen bedruckt werden. Diesem Schaffenszweig gilt der Solinger Preis.
Stück für Stück und Tag für Tag nimmt Özcelik an den werdenden Collagen über längere Zeit immer wieder Ver änderungen vor. Legt an. Lässt wirken. Die Jury sagt: „So wächst prozessual das Kunstwerk, das als finale Wandin stallation präsentiert wird.“ Wann ist es denn dann abge schlossen? Unbeirrt kommt Özceliks Antwort: „So wie die Arbeit sich aufbaut durch intuitive Entscheidungen, weiß ich auch, wann sie fertig ist.“
Kleinteilig und im Detail amorph sind ihre Werke, doch Unordnung vermittelt ihre Arbeit nicht. Auch für den Entstehungsort gilt das zumindest am Tag des Atelierbe suchs: Es ist eine von mehreren Künstlerwerkstätten, die sich im Obergeschoss eines schmucklosen Nutzbaus in Düsseldorf-Reisholz aneinanderreihen. Aufgeräumt alles, rechts hinten besagte Druckwalze – ein mächtiges Ding, dabei sauber und unauffällig. Keine Spur von Sammelsuri um. Sammeln indes tut sie natürlich, das ist ja Basis ihrer Kunst, aber sauber verpackt in Kartons an der Wand.
Özceliks Schaffen versteht sich keineswegs als Chaos, doch es erscheint nicht als Ordnung der Art, die sich anbietet, gar anbiedert. Struktur vermitteln die Werke unverkennbar, doch Hinweise zum Zugang streut die Künstlerin nur spar sam. Die Titel gehören dazu: Sie sind Teil von (ursprüng lich türkisch- oder kurdischsprachigen) Gedichten, einer Textart, die für Özcelik Parallelen zum Collagieren hat. Der Vers „walnut as thick as my neck“, übersetzt und sei nem einstigen Kontext entzogen, steht für sie nun für etwas Unmögliches (keine Nuss ist ja halsdick); grundsätzlich ist seine Funktion, „eine Art von Geschichte mitzugeben“
Feliz Özcelik hat in Düsseldorf bei Tomma Abts und davor bei Rosemarie Trockel studiert. Trockel beschäftigt sich viel mit Geschlechterklischees und wird feministisch-politisch gelesen. So eindeutige Anliegen mag man bei Özcelik nicht erkennen, „sehr geprägt“ hat die berühmte Künstlerin sie anders: „Sie bestärkte mich bei Fragen wie: Welche Künst leridentität, welche Motivation habe ich? Die Motivation kann sich ständig ändern.“ Auch Abts war für sie wichtig – ein Grund: „Sie hat mir die Freiheit gelassen, zu tun, was ich möchte.“
Auch die Bilder selbst bieten punktuell Ausnahmen von der verweigerten Konkretion, die das Prinzip aber wohl nur
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bestätigen. Auf einem Bild an der Wand findet sich integ riert eine Metallgabel – silbern, dreizinkig, wie Gabeln so sind. „Für mich ist das nur ein Formelement, aber gleich zeitig weiß ich, dass es eine Gabel ist.“ Hier doch einmal ein Vorschlag zum Andocken, darf man wohl sagen.
Es bleibt punktuell: Ein Fundstück anderswo, offenbar gleichfalls metallisch, ist schwer zu beschreiben, und das soll wohl so sein: Vor Einbau ins Bild hat die Künstlerin es golden eingefärbt, und zwar genau um den Zugang nicht zu eindeutig zu machen. Man möchte sagen: um den Deu tungsbogen zu kappen. Das tue sie oft, erzählt Özcelik, und es erinnert an Verfremdung, auch wenn das Wort nicht fällt. Nebenher sagt sie, und doch klingt es fundamental: „Wenn ich etwas einfärbe, verwandelt es sich.“
Dass die Solinger Jury wie diesmal den Bergischen Kunst preis zweiteilte, kam in der Vergangenheit bisher zweimal vor: 1998 mit Felix Baltzer und Konrad Welz und 2012 mit Jochen Mühlenbrink und Leunora Salihu. Gisela Elbracht, Direktorin des Solinger Kunstmuseums, nun zur erneuten Doppelkür: „Auch in diesem Jahr hat die Jury zwei Positio nen als gleich stark bewertet. Diese Entscheidung fiel nach reiflichen Diskussionen einstimmig. Die beiden künstleri schen Positionen sind sehr unterschiedlich und jeweils auf ihre Weise gleichermaßen herausragend.“
Offenbar zufällig trifft die Zweiteilung 2021 zusammen mit neuer Dotierung: Thomas A. Lange, Vorstandschef der „National-Bank“, hat den von seinem Haus finanzierten Preis auf 10000 Euro erhöht – dauerhaft. Gerade im Kon text der Pandemie zeigt das Museum sich darüber beson ders erfreut: „Es hat sich in den von Corona überschatteten Ausnahmejahren 2020/21 gezeigt, dass Kunst und Kultur, durchaus systemrelevant, zu den Grundbedürfnissen des Menschen gehören, die unseren Horizont auch dann er weitern können, wenn wir uns freiwillig einschränken müssen.“
Bei aller Ordnung ist bei Özcelik (Stichwort Walze) der durchaus handgreifliche Werkplatz zu erkennen. Etwas anders das Bild bei Jonas Hohnke, dem anderen Preisträ ger, gekürt für sein Werk „White Cube (Hüpfburg)“: Das gilt zunächst, weil bei ihm Leben und Arbeiten am selben Ort stattfinden. Am Rand der Barmer Innenstadt wohnen er und seine Freundin, gleichfalls Künstlerin, im Haus einer früheren Druckerei. Eine gute Spur ewiges Proviso rium durchzieht die Räume bis hinaus auf die charmant verrümpelte Terrasse. In der heutigen Küche des Paars, nun
voll mit Kochkram plus Durchreiche ins Wohnzimmer, re sidierte einst der Firmenchef.
So lebendig auch das Setting: Hohnkes Schaffen scheint nicht allzu physisch, denn es passiert hier gutteils am Bürotisch. Kaum Zufall bei seiner Kunst, denn sie geht gerade von Produkten aus, von schon Produziertem also: „Readymade-basierte Sachen.“ Produzieren lässt er dafür gezielt, und das heißt: geeignete Firmen finden, „rumtele fonieren“, von seiner Idee zu überzeugen suchen.
Was schon einmal dauern kann: Sein in Solingen gekürtes Werk ist eine Hüpfburg, die einen Museumsraum fingiert. „Das gestalterische Moment findet ja eigentlich im Kopf statt“, formuliert er den Konzept-Gedanken. „Die Idee wird so umgesetzt, dass es am Ende tatsächlich so aussieht.“
Readymades verhandeln die Entstehung, besser das Ma chen von Kunst, ihre Schöpferinnen und Schöpfer stellen Gebrauchsgegenstände demonstrativ als Kunst hin. Ist nicht Hohnkes Ansatz ganz anders? Er hat jedenfalls schon 2012 in Paris einen Postkartenständer mit modifizierten Karten bestückt, deren Farben und Linien dem Hinter grund angepasst waren. Damit das den Betrachter irritier te, hat er ihn gerade möglichst unauffällig postiert: „In ei nem Ausstellungsraum würde das ja nicht funktionieren.“ Ein Pissoir (seit Duchamp kunstverdächtig) präsentierte er 2019 im Kunstmuseum Gelsenkirchen nicht etwa auf ei nem Sockel, sondern im früheren WC-Raum des Museums – oben links in der Ecke, mit Waschbecken auf dem Boden.
Und der „White Cube“? Der Ausdruck benennt generell eine neutrale Ausstellungssituation, wie sie in modernen Museen häufig ist. Als Hohnke vor einiger Zeit das Ange bot bekam, an einer Kunstmesse teilzunehmen, kam ihm die Idee einer „Hüpfburg, die den Messestand abbildet“, erzählt er, um bedauernd zu ergänzen: „Aber das versteht man nirgendwo anders.“ Fazit: Die Idee wurde vorerst ver worfen.
Doch schließlich war sie „reif“, und im Kunstmuseum So lingen nun war das Werk nicht nur erfolgreich, sondern wird sich auch erstaunt betrachten und beherzt besprin gen lassen: Binnen kaum zehn Sekunden soll der weiße, eckige Raum sich vollautomatisch aufblasen und nachher wieder zusammenfallen. Schneeweiß und „so eckig wie möglich“, so Hohnkes Anspruch – aber trotz des Purismus kaum ohne Spaßeffekt.
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Um plakative Messages geht es auch Hohnke offenbar nicht. Zwar hat „White Cube“ einen fixen Bezugspunkt und legt Deutungen durchaus nahe. (Mehr als Filiz Özce lik vielleicht, deren Kunst sich, scheint es, direkter Über setzung fast programmatisch entzieht.) Doch Kommentar zur Musealität, gar Vorführen des Kunstbegriffs? Lässt hier am Ende das Leben durchs Hopsen dröge Institute wanken? Nein, auch Hohnke will keine simple Auflösung. Macht er sich lustig? Auf die zugespitzte Frage antwortet er entschieden: „Lustig mache ich mich eigentlich nie. Das finde ich auch nicht in Ordnung.“ Zu seinem Ansatz gehört anderes: „Die Hüpfburg symbolisiert einen klassischen Raum. Es ist ein performativer Akt, wenn sie benutzt wird. Objekt und Interaktion werden eins.“ Viel Denken und Or
ganisieren ging also der Hüpfburg voraus: „Der Gedanke ist da – und dann muss er halt umgesetzt werden.“
Martin Hagemeyer
76. Internationaler Bergischer Kunstpreis der NATIONAL-BANK AG
Ausstellung vom 17. September bis 30. Oktober 2022
Preisübergabe: Freitag, 23. September 2022, 19 Uhr Es erscheint ein Katalog.
Kunstmuseum Solingen Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen www.kunstmuseum-solingen.de
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Jonas Hohnke, White Cube (Hüpfburg), Foto: Jonas Hohnke
Designgeschichte des Stuhls
Miniaturstühle und Fotografien in Schwelm
Nieten, besonders Hohl- und Blindnieten gelten im übertragenen Sinne als Versager, als Blender (in der Kryptografie). Im Original aber verbinden sie nicht nur, sondern haben auch als Designelemente ihre Bedeutung. 1986 strukturierte der Designer Marc Newson mit Nieten die blecherne Oberfläche seines sofaähnlichen Sitzmöbels, die dadurch an Flugzeuge erin nert, weswegen er das Möbel „Lockheed Lounge“ nannte. Solche Höhepunkte des Stuhldesigns sind als Miniaturen bis Ende Juli 2022 bei einer „Stuhlvisite“ im Haus Martfeld in Schwelm zu sehen.
Die Geschichte des vierbeinigen Sitzmöbels begann vor ca. 5000 Jahren, als sich Könige, Herrscher, hochgestell te Persönlichkeiten auf einen Thron setzten, um sich von den Untertanen abzugrenzen. Für diese gab es bis zu den ersten Stuhlproduktionen durch Schinkel und Thonet in den 30er-Jahren des 19. Jahrhunderts fast ausschließlich handwerklich angefertigte Einzelstücke, meist dreibeinige Hocker. Der Schinkelstuhl in seinen filigranen, klassizisti schen Formen als einer der ersten seriell gefertigten Stühle bestand aus zwei gleichen, gusseisernen Seitenteilen, ei nem ebenfalls gegossenen Schulterbrett mit Rankenverzie rung und geschmiedeten Rundstäben für die Sitzfläche.
Seit 1830 experimentierte der Bau- und Möbeltischler Mi chael Thonet in Boppard mit Bugholz, versuchte Möbel teile aus dünnen Holzleisten und gebündelten Holzstäben zu verformen. Seine eleganten, leichten Stühle wurden schnell überregional bekannt, sodass er auf Drängen des Fürsten Metternich 1849 in Wien sein Unternehmen für die Produktion von Stühlen gründete. International bekannt wurde er mit seinem Stuhl Nr. 14. Der Entwurf stammt von 1859. Dieser Stuhl konnte dank neuer Technik industriell hergestellt werden und ging als typischer Wiener Kaffeehausstuhl in die Designgeschichte ein. Bis 1930 wurden vom „14er“ mehr als 50 Millionen hergestellt. In dieser Zeit (1926) entwarf Mart Stam aus Gasrohren den ersten hinterbeinlosen Kragstuhl, einen Vorläufer des Freischwingers, der allerdings bei zu geringem Durchmesser der Rohre zu nächst brach und nicht zu gebrauchen war. Erst Ludwig
Sammler Dirk Dowald (links) und Marko Dowald, Fotograf, in der Ausstellung im Haus Martfeld.
Thonet Entwurf Nr. 14 als Miniatur, Foto: Marko Dowald
Miniatur- Stuhl „Favella“ von Fernando & Humberto Campana, Foto: Marko Dowald
Mies van der Rohes Weißenhofstuhl und Marcel Breu ers Stahlrohrstuhl wurden zu echten, brauchbaren Frei schwingern. 1925 hatte Marcel Breuer den Sessel „Wassily“ erstmals aus nahtlos gezogenem Präzisionsstahl herge stellt, der infolge seiner transparenten Konstruktion in die Designgeschichte einging. Die ebenfalls von Marcel Breuer 1929/30 entworfenen Kragstühle S32 und S64 wurden von Thonet produziert und auf der Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1930 in Paris vorgestellt. Inzwischen interes sierten sich weitere berühmte Künstler für die Entwürfe von Stühlen, darunter Le Corbusier und Ludwig Mies van der Rohe, der seinen bis heute aktuellen Barcelona Sessel für die dortige Weltausstellung 1929 entworfen hatte. Er war davon überzeugt, dass „es schwerer ist, einen guten Stuhl zu bauen als einen Wolkenkratzer“. Der berühmte Sessel LC2 wurde lange Le Corbusier zugeschrieben, stammt aber von seiner Mitarbeiterin Charlotte Perriand. Die Produkti on der Thonetstühle war später nach Frankenberg an der Eder verlegt worden, wo sich seit 1945 der Stammsitz des Unternehmens befindet.
Seit ca. 40 Jahren interessiert sich Dirk Dowald (www.mini aturstuhl.de) für Designgeschichte, insbesondere die von Stühlen, und sammelt seit 1996 Miniaturstühle. Bis heute trug er um die 450 solcher Miniaturobjekte (Maßstab 1:6) zusammen. Davon werden 85 in der Schwelmer Ausstellung gezeigt, darunter Entwürfe von Alvar Aalto, Charles & Ray Eames, Arne Jacobsen, Gerrit Rietveld, Eero Saarinen u.a.. So bekommen die Besucherinnen und Besucher der Ausstel lung in Schwelm eine Idee von der Geschichte des Stuhl designs, welches sich vom Stahlrohr aus weiterentwickelte zum Aluminium-Chair von Charles & Ray Eames (Entwurf 1958), den heute immer noch nicht nur Vorstände aller mög lichen Couleur „besitzen“, um sich abzugrenzen (s.o.).
Der Entwurf des s-förmigen Panton-Chairs (erster Ent wurf 1955 aus Schichtholz von Verner Panton) war zunächst schwer zu realisieren. Die Produktion dieses Stuhls aus Po lystyrol, fiberglasverstärktem Polyester, Polyurethan oder Luran S erwies sich aber lange entweder als zu teuer oder zu instabil. Erst 1999 konnte die Firma Vitra endlich diesen legendären Freischwinger kostengünstiger und stabil aus Polypropylen herstellen. Von 1972 an schuf Henry Masso net den aus Polypropylen (Materialkosten wenige Euro pro Stuhl) in Spritzgusstechnik erstellten Monobloc-Stuhl, der, in zwei Minuten hergestellt, als recycelbare Stapelwa re wahrscheinlich zum meistverkauften Möbelstück aller Zeiten wurde (mehr als eine Milliarde). Nach Erfindung des 3D-Druckers (Chuck Hull 1983) druckte Patrick Jouin 2004
seinen Solid C1 Stuhl aus Epoxidharz, dessen komplexe Struktur nur mithilfe der schichtweisen Stereolithografie entsteht. Mit dem XChair von Hermann August Weizen egger aus dem Jahre 2020 wird dann auch Nachhaltigkeit konsequent umgesetzt. Aus vollständig recyceltem Mate rial wird er aus Plastik im Rotationsgussverfahren, analog den Osterhasen und Weihnachtsnikoläusen, die allerdings aus Schokolade, hergestellt. Ausgediente Stühle werden nach Jahren zu Granulat geschreddert und dem Produkti onskreislauf wieder zugeführt.
Das alles und noch viel mehr zeigt die Ausstellung der Mi niaturstühle in Schwelm, die ergänzt wird durch Fotogra fien Marko Dowalds (www.dowald.art), der die Miniaturen in drei Fotoserien dokumentiert hat. Die Serie „einszu sechs“ setzt den Miniaturstuhl in Beziehung zum Origi nalstuhl, sodass die Größenverhältnisse (1:6) direkt sichtbar werden. Hier sucht der Miniatur-Panton Stuhl Schutz hin ter/unter den mächtigen „Segeln“ des Originals. Mit der Serie „Konturen“ werden die Formen verschiedener Minia turstühle grafisch abstrahiert. So entsteht z. B. aus dem W. W. Stool Philippe Starcks (Entwurf des Stehhockers 1990 für Will Wenders) eine dynamisch kosmische Linie. Die dritte Serie „Werkstoff“ setzt die Miniaturstühle in Beziehung zu dem Material, aus dem sie hergestellt wurden. Sie wurden also fotografisch kombiniert mit anderen Gegenständen aus gleichem Werkstoff. So steht der Stuhl „Favella“ von Fernando & Humberto Campana auf einem ungeordneten Haufen blauköpfiger Streichhölzer und der Stapelstuhl aus Plastik „Tip Ton“ (Barber u. Osgerby 2011) auf Legosteinen. Alle Fotografien (fünf Abzüge pro Auflage) adeln das De sign des Gebrauchsgegenstandes „Stuhl“ zu fotografischer Kunst.
Johannes Vesper
design-ikonen
Miniaturstühle aus der Sammlung Dirk Dowald
Fotografien von Marko Dowald. noch bis Sonntag, 31. Juli 2022 Museum Haus Martfeld Haus Martfeld 1, 58332 Schwelm, www.schwelm.de
Das Haus Martfeld in Schwelm, Foto: Willi Barczat
brauchen eine Kunst, die brennt“
Gedankenskizzen
Boris Charmatz
ersten Spielzeit
Intendant des Tanztheater Wuppertal Pina Bausch
24 „Wir
zur
als
–Von
Zunächst möchte ich hervorheben, dass die neue Spielzeit von vielen getragen wird, also eine kollektive Zeit sein wird. Es wird ein Jahr des Übergangs sein, in dem ich lernen werde, wie eine Spielzeit des Tanztheater Wuppertal zu gestalten ist, wie ich mit Pina Bauschs Repertoire arbeiten kann, wie ich mit dem Ensemble arbeiten werde. Ich bin sehr stolz darauf, dass ich die kommende Spielzeit gemeinsam mit Bettina Wagner-Bergelt und in Zusammenarbeit mit Roger Christ mann und Robert Sturm, mit dem technischen Direk tor Jörg Ramershoven, den Probenleitern und dem Team [terrain] konzipiert habe. Wir werden im Wesentlichen im Studio arbeiten, gemeinsam recherchieren, improvisieren, experimentieren, und ich freue mich sehr auf diese Zeit mit dem Ensemble.
Pina Bauschs Werk: ein Erbe, ein Repertoire und eine Ästhetik
Ich bin voller Bewunderung für die Jahre des Tanztheater ohne Pina. Man idealisiert oft die kreative Schaffenskraft des Ensembles; ich meine jedoch, dass eine Kreation mehre re Wunder einschließt: Hier ist es das Wunder der Kreation von „Kontakthof“ und das Wunder überhaupt, dass „Kon takthof“ auch heute noch gespielt wird. Ich liebe die Vor stellung, dass der Tanz eine flüchtige Geste ist; gleichzeitig kann sich eine Geste jedoch in der Geschichte, der Kultur, der Erziehung, der Ästhetik fortsetzen. Es ist wunderbar, sich vorzustellen, dass eine Geste in sehr unterschiedlichen und durchlässigen Körpern weitergeführt wird, eingebun den in den unmittelbaren Kontext und doch auch in das,
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Public warm-up, Tate Modern, © Brotherton Locke
Boris Charmatz, © Sébastien Dolidon
was uns die Geschichte, die Politik und das soziale Umfeld überlassen haben.
Die Arbeit mit Pina Bauschs Repertoire stelle ich mir so vor: Wir spielen ein früheres Stück mit Menschen von heute, der Kontext ihrer Kreation ist ein ganz anderer als der, in dem wir gegenwärtig leben. Vieles hat sich verändert seit Pina Bauschs Tod. Wenn man sich heute ihre Stücke ansieht, dann betrachtet man sie natürlich mit den jetzigen Augen, hört sie mit den Ohren von heute. Wir haben etwa nicht mehr die gleiche Haltung zu Feminismus und Ökologie, und das muss greifbar dargestellt werden. Pina Bausch hat eine brennende Kunst produziert, und wir müssen uns an diesen Ort der Radikalität, des Feuers und der Intensität begeben.
Mit manchen Werken Pina Bauschs möchte ich radikal ex perimentieren. Ich hatte zum Beispiel schon angekündigt, dass ich von einem ihrer Stücke eine „nackte“, eine ent blößte Version erstellen will, ohne Bühnenbild und Kostü me. Wir werden nach draußen gehen und Pinas Arbeit im Freien testen. Sie selbst hatte uns ja dazu aufgefordert: In dem Film „Die Klage der Kaiserin“, der im Wesentlichen im Freien gedreht wurde, und auf der Bühne hat sie zusam men mit Peter Pabst oft Naturelemente einbezogen: Regen, Erde, Blumen u. a. m.
Eine Kompanie „Dancing in the rain”
In meinen Augen könnte die Kompanie eine „Dancing in the rain”-Kompanie werden, die nicht nur ein Opern- und Theater-Ensemble ist (das natürlich auch), sondern auch stärker lokal verwurzelt ist.
Schließlich möchte ich die große Diversität des Ensembles in meiner Arbeit nutzen. Ihm gehören mehr als 30 Mitglie der an, einige sind 25, andere über 60. Wir möchten mit die ser großen Gruppe arbeiten und sie sogar noch erweitern, indem wir die Stadt einbeziehen und ihre Bürgerinnen und Bürger zur Mitwirkung einladen. Für mich ist dieses Ensemble der kleinste gemeinsame Nenner: Es kann Wis sen weitergeben, Energie auf viele andere Körper übertra gen, nicht nur auf die Körper der Zuschauenden, sondern auch auf die der Kinder, der Laien, der Studierenden, der Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt, mit denen das Ensemble wiederum neue Stücke schaffen kann.
Wundertal
Für Mai kommenden Jahres planen wir ein Event mit dem Titel „Wundertal“, zu dem auch eine große Performance auf
einer Straße der Stadt zählt. Nicht nur das Ensemble wird dabei sein, sondern die ganze Stadt kann sich daran betei ligen. Ich will die Stadt in unsere Arbeit einbeziehen, ihre Einwohnerinnen und Einwohner, die Kunst- und Tanzstu dierenden. Wuppertal ist untrennbar mit der Kompanie verbunden.
Eine Kunst, die brennt
In die Konzeption der Tourneen, die auch ein Marken zeichen der Kompanie sind, sollte unbedingt eine ökolo gische Dimension einbezogen werden. Wir stehen in der Tat vor Fragen, die uns alle angehen, Fragen zum Klima, Geschlechterfragen, Fragen des Postkolonialismus, Fragen zu Europa und zur Demokratie. Wir brauchen eine Kunst, die brennt, Körper, die brennen, wir brauchen dieses Ver langen in einer Welt, die aufhören muss, ihre Ressourcen, ihr Kapital an biologischer Vielfalt, ihr Klimakapital usw. zu verbrennen.
Kooperationen zwischen Deutschland und Frankreich
Eine Idee könnte darin bestehen, die nachbarschaftliche Arbeit auszubauen. Aus diesem Grund halten wir es für wichtig, eine starke Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich zu entwickeln. Von Wuppertal mit dem Zug nach Lille zu fahren, ist zum Beispiel ganz einfach. Man könnte auch der geologischen Linie der Kohle folgen, angefangen in Manchester in England über Lens und Va lenciennes, dann Charleroi in Belgien und vorbei am Bergi schen Land bis zum Ruhrgebiet. Ich wünsche mir, dass diese Nachbarschaft ausgebaut wird, denn wir wissen ja auch, dass Europa bedroht ist. Es wird viel von der deutschfranzösischen Beziehung gesprochen, es gibt jedoch nicht wirklich viele Projekte, die ein künstlerisches, ästhetisches und historisches Bindeglied zwischen Deutschland und Frankreich verkörpern. Damit könnte man überzeugend und ganz konkret auf ökologische und auf zentrale politi sche Fragen eingehen.
Unser Projekt stützt sich auf zwei Pfeiler: auf [terrain] und auf die Stadt Wuppertal. [terrain] ist sowohl ein künstleri sches Projekt als auch ein Team, das gegenwärtig mit mir an ganz unterschiedlichen verschiedenen Standorten ar beitet, in situ, in Museen, in Bahnhöfen, auf Brachflächen oder eben in vom Bergbau geprägten Landschaften des postindustriellen Europas. Die zweite Triebkraft ist Wup pertal und das Ensemble des Tanztheaters. Diese Stadt ist ein unglaublicher Ort des Tanzes: Wenn man wie ich von außerhalb kommt, spürt man sofort diese Prägung.
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In meinen Augen besteht eine sehr starke Komplementari tät zwischen dem Team [terrain]und dem Team des Tanz theater Wuppertal. Ich gehe jede Wette ein, dass man mit einem Projekt, das wächst und das in Nordrhein-Westfalen und der Region Hauts-de-France angesiedelt ist, eine grö ßere Kompanie bilden kann. Zwischen diesen Regionen besteht schon eine wirtschaftliche, strategische und kul turelle Zusammenarbeit. Als Franzose, der in Deutschland mit der Kompanie von Pina Bausch, einer der großen, an erkannten, geförderten und in Frankreich bewunderten Choreografinnen, arbeitet, möchte ich diese Verbindung vertiefen.
Boris Charmatz
Boris Charmatz ist Tänzer und Choreograf, entwickelt aber auch experimentelle Projekte wie die ephemere Schule Bocal, das Musée de la danse oder [terrain], eine Institution ohne Dach und Wände. Die formalen Vorgaben, denen er den Tanz aussetzt, definieren das Feld seiner Möglichkei ten neu. Von 2009 bis 2018 leitete Boris Charmatz das Mu sée de la danse/Centre chorégraphique national de Rennes et de Bretagne.
Im Januar 2019 gründete er [terrain], eine Association in der Region Hauts-de-France, die mit le phénix scène nationa le de Valenciennes, der Opéra de Lille und dem Maison de la Culture d’Amiens zusammenarbeitet. Boris Charmatz war darüber hinaus von 2018 bis 2022 Associate Artist von Charleroi danse (Belgien). Von À bras-le-corps (1993) bis La Ronde (2021) signierte er eine Reihe richtungsweisender Stücke, während er gleichzeitig als Tänzer und Improvisa tionskünstler (u. a. mit Médéric Collignon, Anne Teresa De Keersmaeker und Tino Sehgal) tätig war. 2021 entwickelte Boris Charmatz im Rahmen des Events Avant-travaux, le Grand Palais invite Boris Charmatz, der Abschlussveran staltung vor den Renovierungsarbeiten im Grand Palais, La Ronde. Dieses Projekt ist Inhalt einer Dokumentation und eines Films, die auf France 5 gesendet wurden. Im Juni 2021 inszenierte er für die Eröffnung des Grand Palais Éphémère eine Performance für 130 Tänzerinnen und Tänzer, Hap pening Tempête. Im Juli 2021 eröffnete er das Manchester International Festival mit Sea Change, einer Choreografie mit 150 Laien- und Profitänzerinnen und -tänzern. Im No vember 2021 feierte „SOMNOLE“ Premiere, ein vollständig gepfiffenes Solo.
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ZU SCH REIBUNG ENWUPPERTALER LITERATUR BIENNALE 2022 3. – 10. SEPTEMBER 2022 www.wuppertaler-literatur-biennale.de wppt.de
Peter Kowald
ein Musiker, der die Welt zum Dorf machte
Vor 20 Jahren verstarb der legendäre Wuppertaler Bassist Peter Kowald. Sein langjähriger Freund und Weggefährte Günter Baby Sommer erinnert sich an die gemeinsame Zeit.
Als ich im Jahr 2002 im Zug von Dresden nach Wuppertal saß, um zur Beerdigung von Peter Kowald zu fahren, hatte ich viel Zeit. Heute, wo ich diesen Artikel der Erinnerung über ihn schreibe, habe ich wenig Zeit, weil ich auf Tour bin und der Abgabetermin naht. So sehe ich mir den Text an, den ich vor 20 Jahren über Peter Kowald geschrieben habe, und betreibe etwas Selbstausbeutung, weil die Erin nerungen und die Ereignisse, über die ich schreiben möch te, die gleichen sind.
Damals begann ich mit einem Zitat von Arthur Schopen hauer: „Einsamkeit ist das Los aller hervorragenden Geis ter.“ Das trifft mit Sicherheit auf den Maler an seiner Staffe lei oder den Solospieler im Konzert zu, aber nicht auf Peter Kowald, der die Welt zum globalen Dorf machte und sie als solche umarmte. Wir Musiker wissen es: Ob im australi schen Busch, in Skandinavien, in Japan, in den entlegens ten Bergdörfern in den Abruzzen, im Inneren des Pelo ponnes oder auf dem amerikanischen Kontinent – überall begegnete man jemandem, der Peter Kowald kannte oder sich gar seinen Freund nennen durfte. Ich selbst gehörte in seinem weltweiten Netzwerk zu einer Art Außenstelle in der ehemaligen DDR. Schon 1973 besuchte er mich mit seinen Kindern Maruta und Sytske und seiner damaligen Frau Dany in meinem Wohnort Meißen.
Dem Besuch voraus gingen die nächtlichen Begegnungen in Ostberlin anlässlich des „Total Music Meetings“ oder des „Workshops Freie Musik“, die von der FMP (Free Music Production) in Westberlin veranstaltet wurden. Eine Hand voll Musiker, zu denen auch ich gehörte, spielten damals im Ostberliner Nachtclub „Große Melodie“ in der Nähe der Friedrichstraße. Jost Gebers von der FMP kam mit Musi kern wie Alexander von Schlippenbach, Peter Kowald, Paul Lovens, Irène Schweizer, Peter Brötzmann, Paul Ruther ford, Evan Parker und vielen anderen nach Ostberlin, um mit uns zu jammen, wie es in der Jazzsprache heißt. Ein völlig neues und von amerikanischen Vorbildern befreites
Klang- und Spielverständnis brachten diese Musiker mit. Aus diesen Begegnungen, die für lange Zeit eine geografi sche Einbahnstraße waren, entwickelte sich meine persön liche Freundschaft zu Peter Kowald.
Seine Intentionen waren immer denen eines Forschers vergleichbar, d.h. vordringen in noch nicht erschlossene Bereiche. Das trifft sowohl auf geografische wie auf künst lerische Bereiche zu. Er war stets von der Neugier getrie ben, andere Menschen, deren soziales, politisches und kulturelles Umfeld und damit deren Lebensbedingungen zu ergründen. Bei seinen Touren nach Ostdeutschland entdeckte er gewisse gesellschaftliche Aspekte, die ihm in der damaligen DDR lebenswert erschienen. Darüber hin aus machte er mich auf den Wert von Blecheimern, Holz spielzeug und Wattejacken aufmerksam. Ich war verwirrt – wir, die wir ja im Osten neidvoll auf die farbig bunte Welt im Westen schauten, sollten nun den Wert der heimischen Produkte schätzen lernen.
Mit falschem Pass wurde ich für Konzerte nach Italien ge schmuggelt, ein anderes Mal unter dem Kontrabass ver steckt im Auto illegal in die Schweiz eingeführt, mit dem Decknamen „Karl Winter“ durfte ich in einer deutsch–deutschen Gruppe mit Peter Kowald und Alexander von Schlippenbach in Polen auftreten, und schließlich konnte ich ihm und unseren damaligen Trompeter Wadada Leo Smith nach Griechenland folgen, weil er im Flugzeug zu fällig neben dem griechischen Botschafter zu sitzen kam, dem er in fließendem Griechisch meine Visanot in Ostber lin erklären konnte. Für unsere gemeinsamen Konzerte in der ehemaligen DDR hatten wir inzwischen einen Weg ge funden, der direkten, verbotenen deutsch–deutschen Ver bindung aus dem Weg zu gehen: Wir luden einen Gastmu siker ein, der unsere Gruppe internationalisierte.
Peter Kowald hat die Musik gelebt. Sein Wirken und sein Einfluss sind nachhaltig geblieben. Das Ende eines Kon zertes war immer wieder der Anfang einer Kommunikati onskette, in der die Fragen im Mittelpunkt standen. Sein Bassspiel und seine Person waren oft Provokation und Indi kation in einem. Er war ein Meister der Vielseitigkeit – auf dem Kontrabass allemal, und Bewunderer und Nutznießer seiner Sprachbegabung war ich auch. Sechs Wochen vor un
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Peter Kowald, 1994, Foto: Matthias Creutziger
serer Japanreise im Jahr 1981 begann er, in der Volkshoch schule in Wuppertal einen Sprachkurs Japanisch zu bele gen. Bei der Ankunft auf dem Flughafen in Tokio fragte er einen bediensteten Japaner nach dem Weg und bekam prompt eine uns nützliche Antwort. Am Ende dieser Tour folgte ein monatelanger Japanaufenthalt in einem Kloster in Kyoto.
Zehn Jahre nach den Konzerten im Trio mit Wadada Leo Smith fand sich dann ein neues Trio mit dem Posaunisten Conrad Bauer, Peter und mir zusammen. Das schon erprob te Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug wurde nun zur „Hängematte“ für Conny Bauers große Spielbögen.
An Peters Seite begann ich dann auch in die USA zu reisen. Damit hat er mir nicht nur zur weltweiten Anerkennung meiner künstlerischen Leistung verholfen, sondern auch eine Tür zur amerikanischen Szene der improvisierten Musik geöffnet. Das „Black Art Festival“ in Atlanta City und das „Vision Festival“ in New York möchte ich hierfür stellvertretend nennen.
Der frühe Tod von Peter Kowald war ein großer Verlust für die ganze Welt der zeitgenössischen improvisierten Musik und setzte auch meiner fast 30-jährigen Zusammenarbeit mit ihm ein abruptes Ende. Über den Tod hinaus gibt es
nur noch Erinnerungen und Folgewirkung bei Angehö rigen und Freunden. „Das Leben davor ist dabei wie der Gang einer aufgezogenen Uhr, deren endlicher Stillstand selbstverständlich ist.“ (C.G.Jung)
Allein war Peter Kowald – wie wir alle wissen – nicht, um damit zum Ausgang meiner kleinen Hommage an Peter Kowald zurückzukehren. Wie einsam er aber war, können wir nur ahnen. Nehmen wir seine Rastlosigkeit als Zeichen dafür, dass er der Einsamkeit durch dauerhafte Aktivitäten entgehen wollte und musste.
Dreißig Jahre war diese Freundschaft zu Peter Kowald eine Bereicherung für mich. Er hat mir nicht nur weite Teile der Welt gezeigt, durch ihn habe ich begriffen: Was uns letzt lich in Bewegung hält, ist die Fähigkeit, etwas mit Lust und Liebe zu tun, etwas zu lieben!
Günter Baby Sommer
Peter Kowald, geb. am 21. April 1944, verstarb am 21. Sep tember 2002 nach einem Konzert an seinem Zweitwohnsitz New York.
Die Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V. zeigt am 22. September 2022, 20 Uhr, in der Reihe cine:ort den Film „Peter Kowald – on the road“ über seine USA-Tournee im Jahr 2000. Mehr dazu auf S. 77.
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Open Air Festival Jazzwerkstatt Peitz 1980, Peter Kowald, Günter Baby Sommer und Wadada Leo Smith tanzend und verdeckt, Foto: Matthias Creutziger
„Eine Kraft, die aus dem inneren Impuls kommt“
Was klingt noch nach von Kowalds Musik?
Ein Gespräch mit dem Kölner Kontrabassisten Sebastian Gramss
Sebastian Gramss hat erstmals
Improvisationen von Peter Kowald in Notenschrift transkribiert.
Hier bei der Premiere auf dem Festival „Global VillagePeter Kowald 70“ im ort 2014.
Foto: Karl-Heinz Krauskopf
Dass Peter Kowald die Gründerzeit des europäischen Free Jazz in den 1960er-Jahren und nachfolgende Jahrzehnte der frei improvisierten Musik ganz wesentlich mitgeprägt hat, ist unbestritten. Das gilt nicht nur für sein Spiel in den verschiedensten Formationen, son dern gerade auch als Solist: Wie kaum ein anderer hat er sein Instrument, den Kontrabass, als Soloinstrument etab liert und ihm eine unverkennbare Stimme verliehen. Seine Erfahrungen und Spieltechniken hat er immer wieder in internationalen Workshops weitergegeben. Aber Musik, die frei improvisierte zumal, ist auch flüchtig, und Erin nerungen verblassen. Was klingt noch nach von Kowalds Musik in einer jüngeren Generation von Musikern 20 Jah re nach seinem Tod? Sebastian Gramss, Jg. 1966, gehört zu den renommiertesten Kontrabassisten seiner Generation, unterrichtet an der Kölner Musikhochschule und ist Peter Kowald eng verbunden – nicht nur, weil er heute auf sei nem Bass spielt. Beste-Zeit-Redakteurin Anne-Kathrin Reif traf den zweifachen Echo-Jazzpreisträger an seinem Wohn ort Köln.
Sebastian, aus deiner Sicht heute – was für einen Einfluss hat Peter Kowald auf nachfolgende Musikergenerationen gehabt, und ist davon heute noch etwas erkennbar?
Die ganz Jungen kennen Peter nicht mehr. Aber die Spie ler der mittleren Generation, also so 30 plus, die kennen ihn auf jeden Fall, für die gehört er zum Koordinatensys tem – auch wenn sie ihn selbst gar nicht mehr erlebt ha ben. Wenn man verschiedene Pole sehen will, die einen heutigen jungen improvisierenden Bassisten beeinflussen, dann wäre das auf der einen Seite das, was aus der Neu en Musik kommt. Musiker wie Stefano Scodanibbio oder Fernando Grillo, die den Bass von den Klangfarben und den Spieltechniken her stark emanzipiert haben und er weitert haben – aber auf eine sehr kontrollierte Art. Und Peter steht dagegen für so ein momentanes Herausmeißeln des Klangs. Heute ist – weltweit, aber auch hier in NRW – das Akademische viel stärker ausgeprägt als noch in den 1980er- und 90er-Jahren. Die Musiker sind zwar viel besser ausgebildet als früher, aber sie sind auch kontrollierter in dem, was sie tun. Sie haben nicht immer diese Kraft, die fast nur aus dem unbedingten inneren Impuls kommt, wie
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die Musiker der Generation, die sich ihr Instrument zum Teil autodidaktisch angeeignet haben – wie ja auch Peter Kowald. Natürlich hatte auch er sein persönlich entwickel tes Vokabular, das er immer wieder einsetzte. Aber es blieb trotzdem nicht vorhersehbar. Es ging immer darum, im Spiel den wahren Moment herauszukitzeln. Diese Art, im mer ins volle Risiko zu gehen, die findet man heute nicht mehr so oft.
Ist das denn eine Qualität, die Musiker heute überhaupt noch anstreben? Oder hat sich das einfach überlebt? Es ist durch die Akademisierung einfach schwächer ge worden, denn die hat auch eine sehr starke Reflexion zur Folge. Und die Zeichen der Zeit gehen eher weiter in diese Richtung. Dabei ist Peter ein wichtiger Gegenpol für Leute, die tiefer in die freie Improvisation eintauchen und auch langfristig einen unkonventionellen Umgang mit dem In strument suchen. Die stoßen immer irgendwann auf Peter Kowald oder auch auf William Parker zum Beispiel. Da ist Peter auf jeden Fall ein wichtiger Punkt in diesem Koordi natensystem.
Wie siehst du dich selbst in deiner Rolle als Hochschulleh rer – versuchst du, diese Richtung der starken Akademisie rung wieder ein bisschen zu drehen? Kannst du da etwas aus der, sagen wir mal, „Wuppertaler“ Tradition weiterge ben?
Ja, doch, auf jeden Fall, das versuche ich zumindest. Eini ge stoße ich schon auf diesen etwas unkonventionelleren Gegenpol, den Peter da gebildet hat. Vor allem dann, wenn das Spiel zu kontrolliert ist. Studenten, die sich für experi mentellere Klangfarben am Bass und so eine experimentel lere Herangehensweise interessieren, ermutige ich, in das Material, egal, was es ist, voll reinzugehen. Also extremer, risikobereiter zu spielen. Es hat viel mit Risikobereitschaft zu tun. Ich spiele dann schon mal Material von Peter vor, um das zu demonstrieren. Es geht immer darum, die Sa chen, die man macht, noch ein bisschen extremer zu ma chen – von der Klangfarblichkeit, von der dynamischen Veränderung. Das Extremere zu denken, das diesen kont rolliert vorgeführten, gut ausgecheckten, gut vorbereiteten und dann vorgeführten Approach erweitert.
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Sebastian Gramss auf dem Festival „Global Village - Peter Kowald 70“ im ort, 2014. Im Hintergrund Zeichnungen von Peter Kowald. Foto: Karl-Heinz Krauskopf
Siehst du dich auch ein bisschen als „Erbe“ dieser Traditi on? Oder wie verortest du dein eigenes Spiel in diesem Ko ordinatensystem?
Für mich schließen sich diese beiden Herangehensweisen überhaupt nicht aus. Gerade wenn ich so an die Konzerte in der letzten Zeit denke … Da gibt es immer wieder solche Momente, da ist Peter Einfluss präsent - diese Art, voll rein zugehen, ohne dass es deshalb laut sein muss, und einen überraschenden Gegenpol im musikalischen Kontext zu setzen. Da blitzt so etwas auf, und das ist mir dann auch sehr bewusst, dass ich da in einer Tradition stehe. In mei nem eigenen Kompass ist das auf jeden Fall eine Richtung. Auf der anderen Seite sind mir bestimmte Free-Jazz-Ext reme im Feintuning zu unausgewogen. Immer auf Druck spielen, auf Raushauen … Mittlerweile ist das feiner gewor den, man kann auch mal mit einem leisen Ton beginnen, und es muss nicht immer zu so einem Peak führen. Free Jazz ist vielleicht gespeist von einer bestimmten Protestbe wegung, die unheimlich wichtig war, um Strukturen auf zubrechen, sowohl gesellschaftlich als auch musikalisch. Da wurde viel erreicht, weil dadurch viele Leute ein Vorbild hatten außerhalb des Establishments, außerhalb der nor malen Spielweise, außerhalb des normalen Jazz. Plötzlich gab es auch andere Möglichkeiten. Aber mittlerweile ist das einfach nicht mehr so nötig, und das Vokabular hat sich über die Jahre extrem verfeinert.
Zum Abschluss: Hast du noch einen Hörtipp aus dem Ko wald-Kosmos für uns?
„When the sun is out, you don’t see the stars” – Peter Ko wald im Quartett mit Werner Lüthi, Sainko Namtchylak, und Butch Morris. Das sind zehn, zwölf Stücke, die eine ge meinsame Stimmung haben. Für Einsteiger in die impro visierte Musik eine gute Platte, um reinzukommen.
Sebastian Gramss, geb. 1966 in Wilhelmshaven, gilt seit Jahren als einer der führenden Köpfe der deutschen Mu sikszene im Bereich zeitgenössische Musik und Jazz. Tour neen und Konzerte führen ihn nach Afrika, Australien, Asien, Russland, USA, Pakistan, Indien, Japan und Mexiko sowie zu Festivals und Clubs in ganz Europa. Gramss veröf fentlichte über 40 CDs unter seinem Namen, ist aktueller Preisträger des Deutschen Jazzpreis 2022 und wurde 2013 und 2018 mit dem ECHO JAZZ ausgezeichnet. Er spielt als Solist sowie in verschiedensten Formationen, u.a. in dem von ihm gegründeten Kontrabassorchester Bassmasse. Jüngstes Projekt ist die Formation Hard Boiled Wonder land mit dem Album Music Resistance, das 2022 ebenfalls den Deutschen Jazzpreis erhielt. Gramss ist seit 2009 Do zent an der Musikhochschule in Köln. Peter Kowald lern te er als junger Musiker 1992 bei einem Workshop kennen. 1994 war er Teil von Kowalds Ort-Ensemble während seiner legendären Aktion „365 Tage am Ort“ und blieb ihm bis zu dessen Tod 2002 eng verbunden. Auf der CD „The REME DY“ (Jazzhausmusik) von 1993 ist er u.a. mit Peter Kowald zu hören. www.sebastiangramss.de
JAZZ
Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V. Luisenstr 116 www.kowald-ort.com NRW LOOK INSIDE SOUNDTRIPS Gefördert von: www.kowald-ort.com SEPTEMBERAUGUST SO * 28.8.22 * 20H PAULINA OWCZAREK Saxophon FEDERICO REUBEN live processing Gast: SEBASTIAN BÜSCHER Saxophon NRW LOOK INSIDE NR. 59SOUNDTRIPS CINE:ORT » EINTRITT FREI MI * 21.9.22 * 20H OFF THE ROAD - PETER KOWALD Regie: L. Petit-Jouvet, mit Peter Kowald, William Parker u.a. (FMP - FILM F, USA 2001, 72 Min.) Karten können nur im Vorverkauf unter: wuppertal-live.de/Ort/207 erworben werden. DO * 29.9.2022 * 20H REVERSE CAMOUFLAGE OĞUZ BÜYÜKBERBER TOBIAS KLEIN Bassklarinette Gast: MARTIN BLUME Schlagzeug NRW LOOK INSIDE NR. 60SOUNDTRIPS JAZZ IM ORT SO * 18.9.22 * 20H POSAUNENTRIO JEB BISHOP MATTHIAS MÜLLER MATTHIAS MUCHE
IM ORT FR * 23.9.22 * 20H TRIO MICHAEL MOORE Saxophon, Klarinette GREG COHEN Bass JOE HERTENSTEIN Schlagzeug JAZZ DO * 1.9.22 * 20H 3000 JAN KLARE Reeds BART MARIS Trompete STEVE SWELL Posaune WILBERT DE JOODE Bass MICHAEL VATCHER Drums SA * 10.9.22 * 20H CANARIES ON THE POLE JACQUES FOSCHIA Klarinetten MIKE GOYVAERTS Percussion CHRISTOPH IRMER Violine GEORG WISSEL Prä. Saxophon
Running Up
Vier Viertelklang Musik an ungewöhnlichen Orten
Auch sonst sind am Arrenberg die Umnutzung von alten Gebäuden und Orten die Regel: Ein Droschkendepot dient einer Kampfsportschule als Raum. Ein Autohaus hat in der früheren Betriebssporthalle Flächen gefunden. Für Woh nungen wurden vormalige Klinikgebäude umgebaut. Ein Fluxkompensatorenwerk arbeitet in der ehemaligen Des infektionsanstalt. Ein IT-Dienstleister und eine Ideen schmiede der Universität sind in eine alte Weberei gezogen. Ein Coworking-Space bietet Platz für Digitalarbeiter in ei ner denkmalgeschützten Fabrikhalle, in der einst Büroma terial hergestellt wurde.
Nur ein alteingesessener Schaumstoffhändler ist schon im mer an Ort und Stelle gewesen.
Es gibt nicht viele Ecken in Wuppertal, in denen die Erin nerung an das Alte und die Aussicht auf das Neue so eng beieinanderliegen. Dass der Arrenberg dabei gentrifiziert wird, könnte man für einen Mythos halten. Die Arrenber gerinnen und Arrenberger arbeiten mit viel Elan daran, die Veränderung in ihrem Umfeld aktiv sowie kreativ zu ge stalten und ihr Lebensgefühl dabei zu erhalten. Vielfältig und kooperativ. Laut und Leise.
Kann dieses spannende Miteinander noch weiter durch gewirbelt werden? Die Konzertreihe Viertelklang will es mit Musik angehen. Am 13. August 2022 werden für das Publikum und die Musikerinnen und Musiker der Region einige bekannte und unbekannte Räume am Arrenberg ge öffnet. Es werden spannende Orte in Heiligenhaus, Rem scheid und Velbert folgen.
Während dieser Text entsteht, läuft im Hintergrund der Song „Running Up That Hill“ von Kate Bush in Dauerschleife. Viele Menschen, die weit jünger sind als dieser Hit aus den 1980er-Jahren, haben ihn aus einem Streaming- und Social-Media-Par alleluniversum in die aktuellen Playlists zurückgebracht. Mit Ohrwurmpotenzial zurück in die Charts. Passt dieser Song noch in unsere Zeit und zu diesem Ort?
Gute Musik in ihrer Vielfalt sucht auch ungewöhnliche Wege zu ihrem Publikum und kann dabei Spuren an den Spielorten hinterlassen oder diese Räume gänzlich prägen.
In einem alten Weinkeller am Wuppertaler Arrenberg hat sich ein Club für Reggae und elektronische Musik etab liert. Ein Architekturbüro sitzt direkt im Kontor darüber. Ein Händler von Orgeln hat in der profanierten Trinita tiskirche sein Lager und die Werkstatt eingerichtet.
Kate Bush kann dabei wahrscheinlich nicht auftreten. Aber vielleicht wird man von einer anderen Sängerin hören: „to swap our places Be running up that road Be running up that hill”
Helmar Trompelt
Viertelklang Wuppertal Samstag, 13. August 2022 Viertelklang Heiligenhaus Samstag, 3. September 2022 Viertelklang Remscheid Samstag, 10. September 2022 Viertelklang Velbert Samstag, 24. September 2022
Das Programm war bei Drucklegung noch nicht bekannt. Infos: wuppertal/kulturbuero.de
Unterstützt wird Viertelklang von der Regionalen Kulturpolitik Bergisches Land des Landes NRW, Stadtsparkasse Wuppertal, Knipex und vielen weiteren Sponsoren der Bergischen Region.
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Foto: Süleyman Kayaalp
„Ein Ich zu viel“
Der fünfte Roman der Bochumer Autorin Anja Liedtke enthält viele Romane in einem
Zwei Motive lassen sich im Leben und Werk von Anja Liedtke wiederholt finden: das Reisen und die Beschäftigung mit dem Krieg und seinen Folgen. Liedtke promovierte über „Die Sprache der Berichterstattung in den Kriegen am Golf und in Jugoslawien“, mit einer Reiseerzählung über Shanghai gewann sie den „Bettina- von-Arnim-Literaturpreis“. 2011 war sie Freiwillige bei „Aktion Sühnezeichen Friedens dienste“ in Jerusalem, in dieser Zeit entstanden ihre israe lischen Reiseerzählungen „Blumenwiesen und Mienenfel der“. In ihrem 2017 erschienenen Roman „Schwimmen wie ein Delfin oder Bowies Butler“ reist eine junge Frau David Bowie nach. 2019 war Liedtke Stipendiatin des Goethe Ins tituts Tschechien.
Beide Motive prägen auch „Ein Ich zu viel“, dessen Ge schichte an den Schauplätzen New York und Argentinien spielt. Gleichzeitig ist dieser psychologische Roman auch eine Reise ins Innere seiner Protagonistinnen und Protago nisten. Im Zentrum steht eine junge Frau, Ellinor. Sie hat gerade ihr Abitur gemacht und sich eine Reise nach New York zusammengespart. Doch mehr noch als eine Reise ist es eine Flucht vor einem Ich, das sie nicht sein oder werden möchte. Was aus ihr werden könnte, wenn sie nicht aus bricht, imaginiert sie zu Beginn der Geschichte – und wird am Ende derselben noch eine Rolle spielen. Es ist, als habe sie „ein Ich zu viel“.
Ellinor sehnt sich nach Ausdruck, möchte Schauspielerin werden, Malerin oder Autorin, ganz genau weiß sie das noch nicht, und so bricht sie ohne ausreichende Sprach kenntnisse auf in das Land der Hoffnung. Doch Ellinor hat auch die Angst im Gepäck, sie weiß nicht genau, woher diese Angst rührt. Als Lesende denkt man an generationen übergreifende Ängste, wie sie die Autorin Sabine Bode für mehrere Nachkriegsgenerationen aufgezeigt hat.
Die Angst und ihre Suche treiben Ellinor vor die Haustür von Dan Guttman, der einen der vielen sprechenden Na men in diesem Buch trägt. „Guttman“ klingt halb deutsch, halb englisch und verweist auf seine traumatische Fami liengeschichte: Als Kind jüdisch-deutscher Eltern, die vor dem Holocaust nach Südamerika flohen, musste er erle
ben, wie seine Eltern in der Diktatur in Argentinien umge bracht wurden, als kleiner Junge steht er daneben, als der Peiniger seiner Eltern von einem Major O‘Connor erschos sen wird. Guttman wächst bei liebevollen Adoptiveltern auf und kann seine traumatisierte Existenz in das erfolg reiche Wirken eines Psychotherapeuten verwandeln.
Er wird Ellinors Mentor, gibt ihr einen Job, lässt sie bei sich wohnen und sich ihre erarbeiteten Rollen vorspielen: Fräulein Else, Woyzeck – lauter Außenseiterfiguren, die das Leben in den Wahnsinn treibt. Das „ver-rückt Sein“ erscheint als Nährboden für Kreativität: „Du brauchst ein Ausdrucksmittel“, sagt Guttman zu Ellinor, „sonst zer splitterst du.“
Die Geschichte verlässt die Gegenwart der 90er-Jahre in New York und konfrontiert Dan Guttman erneut mit sei ner Vergangenheit: An der Grabstätte seiner Eltern in Ar gentinien treffen sie auf den Sohn jenes Kriegsverbrechers „Hartnagel“, der seine Eltern getötet hat. Harte Dialoge, „Aussprachen“, kreisen um Schuld, Wahrheit und Iden tität. Hier erweist sich Liedtke als Autorin spannender Dialoge. Gleichzeitig wird eine Tendenz des Romans zum Ideenroman deutlich, wenn die Figuren immer auch Ideen und argumentative Auseinandersetzungen ihrer Autorin zu repräsentieren scheinen.
Die Suche nach Vaterfiguren durchzieht den Roman. Die Frage nach der eigenen Identität und nach dem Einfluss traumatischer Erlebnisse früherer Generationen auf das eigene Leben nimmt einen immer zentraleren Raum ein. Wie entwickelt ein Mensch sein Selbst? Was braucht es, da mit dies gesund geschehen kann? Und welche Rolle spielen dabei die Erfahrungen einer Generation? Liedtke entfaltet diese Fragen klug und mit großem psychologischen Wissen.
Am Ende, zurück in New York, begegnet Ellinor in einem Café ihrem anderen Ich – jenem, von dem sie zu Beginn ih rer Reise zu wissen glaubte, dass sie so werden würde, wenn sie nicht ausbräche. Die Begegnung setzt eine surreale Note ans Ende dieses Entwicklungsromans, von dem man sagen kann, dass er viele weitere Romane enthält.
Torsten Krug
Anja Liedtke, geb. 1966, lebt in ihrer Heimatstadt Bochum und ist Mitglied der GEDOK-Wuppertal. „Ein Ich zu viel“ erschien 2020 mitten in der Pandemie; die Buchpremiere fand digital statt. Im Mai dieses Jahres konnte Liedtke als GEDOKAutorin den Roman im Gespräch mit dem Wuppertaler Regisseur, Musiker und Autor Torsten Krug endlich in der Wuppertaler Stadtbibliothek präsentieren. Ein Ich zu viel. assoverlag 2021, 211 Seiten, geb. 18 € (ISBN 978-3-938834-97-8)
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Zuschreibungen
Die Frage danach, „wer wir sind“, beschäftigt uns als Individuen und als Gemeinschaft seit Menschengedenken. Von „Identität“ im mo dernen Sinn spricht die Sozialpsychologie allerdings erst seit Mitte des 20. Jahrhunderts. Wir versuchen, diese mit kollektiven Kategorien wie Religion, Nationalität, Haut farbe, Klasse, Kultur oder Geschlecht greifbar zu machen – politischen Kategorien der Zugehörigkeit wie der Ab grenzung, die ihre moderne Gestalt im 19. Jahrhundert er hielten. Bewusst wie unbewusst prägen sie unser Denken und Handeln bis heute, und es gilt mehr denn je, sie zu hinterfragen. Die Literatur birgt hierfür ein besonderes Potenzial: Sie vermag es, Perspektiven zu wechseln, Zu schreibungen von außen zu durchleuchten, in der Fiktion zu überzeichnen, Identitäten zu konstruieren, zu vermi schen und aufzulösen. Unter dem Motto Zuschreibungen. Geschichten von Identität präsentiert die Wuppertaler Literatur Biennale im Jahr 2022 Autorinnen und Autoren, die sowohl auf inhaltlicher als auch auf formaler Ebene die Möglichkeiten des Erzählens von Identität ausschöp fen und damit die Debatten zur Identitätspolitik um eine wertvolle Komponente bereichern.
„Derselbe“ lautet die etymologische Herkunft des poli tisch umkämpften Schlagworts „Identität“, gemäß der ur sprünglichen Definition von Identität als unveränderlicher Wesenskern einer Person. „Identität erweist sich als ein Tun, nicht als ein Ding“, schreibt hingegen der Philosoph Kwame Anthony Appiah in seinem Essay „Identitäten – Die Fiktionen der Zugehörigkeit“. „Und es ist das Wesen jegli chen Tuns, Veränderungen hervorzubringen.“ Identitäten sind also wandelbar und müssen es sein. Sie werden pro zesshaft gebildet und lebenslang im Abgleich mit unserer Umgebung nachjustiert, sind konstruierte Narrative, die wir selbst in unserem Handeln erschaffen oder die uns von außen auferlegt oder: zugeschrieben werden.
Den wohl meistbeachteten literarischen Beitrag der jüngs ten Vergangenheit, der auf diesem Identitätsverständnis basiert, leistete Mithu M. Sanyal mit „Identitti“. Saraswa ti, eine bisher als Person of Color gelesene Professorin für Postcolonial Studies, wird in diesem Roman als weiß über führt und von der studentischen Community der kulturel
len Aneignung beschuldigt. Doch wenn wir Geschlecht als fluides Identitätsmerkmal begreifen, warum dann nicht auch Herkunft oder die Kategorie „race“? Mithu Sanyal ist kuratorische Patin der diesjährigen Wuppertaler Literatur Biennale und wird nicht nur aus ihrem Buch lesen, sondern auch als Gastgeberin zwei Panel-Gespräche mit Gästen wie Islamwissenschaftlerin Prof. Riem Spielhaus, Journalistin und Politikwissenschaftlerin Antje Schrupp und Autor Jayrôme Robinet führen.
Während Mithu Sanyals Figur Saraswati ihre Identität selbst erschafft und damit ein bestimmtes Identifikati onspotenzial generiert, findet sich der Protagonist im ers ten Teil des Doppelromans „Eine runde Sache“ von Tomer Gardi mit einer ihm zugeschriebenen Rolle konfrontiert. Auf seiner Odyssee durch einen deutschen Wald voller my thologischer Symbole wird er als „Ewiger Jude“ bezeichnet – eine Rolle, die er jedoch nicht mehr bereit ist zu erfüllen
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Oder: Die Kunst, Identität zu erzählen –Wuppertaler Literatur Biennale 2022 Mithu Sanyal, Identitti
Tomer Gardi, Foto: Shiraz Grinbaum
oder zumindest: auf diese reduziert zu werden, immer nur Repräsentant einer Gruppe zu sein. Dass auch die Sprache für das Schreiben von Identität eine elementare Rolle spielt, zeigt sich nicht nur in zahlreichen Missverständnissen in nerhalb der skurrilen Romanhandlung, sondern auch auf formaler Ebene: Gardi schrieb nur den ersten Teil in einem eigenwilligen, „fehlerhaften“ Deutsch, seinem „Broken German“; die zweite Hälfte schrieb er auf Hebräisch und ließ den Text in lupenreines Hochdeutsch übersetzen. Die ses Experiment, das mit dem Preis der Leipziger Buchmesse ausgezeichnet wurde, unterwandert alle Fragen zum au thentischen Erzählen, bevor sie überhaupt gestellt werden können.
Auch Abbas Khider lässt seinen Erzähler, der nach langer Zeit in den Irak, die Heimat seiner Eltern, zurückkehrt, seine eigene Vergangenheit im Erzählen erfinden. Der Ro man „Der Erinnerungsfälscher“ fächert gleichzeitig auf, was es bedeutet, als Deutscher mit sichtbarem Migrations hintergrund alltäglichen Zuschreibungen und Benachtei ligungen ausgesetzt zu sein und somit auch in einer neuen Heimat nicht vollständig anzukommen. Mühelos lassen sich Bezüge zu Khiders eigener Biografie herstellen – doch die Romanhandlung macht einmal mehr deutlich, dass das Suchen nach den Autorinnen und Autoren in den Tex ten und nach dem Wahrheits- oder Realitätsgehalt für die Schlagkraft einer Geschichte überflüssig ist oder sogar pro blematisch sein kann: Denn auch über die Identifikation der Werke von Autorinnen und Autoren mit ihrer Person können Zuschreibungen generiert werden.
Leerstellen
Die Literatur ist für das Erzählen von Identität aber auch gerade deswegen ein so geeignetes Medium, weil sie nicht authentisch sein muss. Wird eine Biografie erzählt, verän dert sie sich, kann manipuliert werden, Leerstellen gefüllt und Unstimmigkeiten aufgeklärt – oder bewusst offen ge lassen werden. In „Der zweite Jakob“ nutzt Norbert Gstrein diese Freiheit, um vor der Kulisse einer sich entfaltenden Kriminalhandlung die Diskrepanz zwischen der Selbstund Fremdwahrnehmung der eigenen Identität zu bear beiten, bis zu dem Punkt, an dem der Protagonist seiner eigenen Tochter fremd wird, an dem sein reales Selbst mit seinen als Schauspieler gelebten Rollen verschwimmt und seine bis dato bestehende Identität schließlich gegenüber seiner Neuerzählung vollständig dekonstruiert erscheint.
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Tomer Gardi, Eine runde Sache
Norbert Gstrein, Der zweite Jakob
Abbas Khider, Der Erinnerungsfälscher
Die Frage nach Erzählstimmen ist für Geschichten über Identitäten offensichtlich relevant, kann doch eine Außen perspektive ganz andere Schlüsse ziehen und größere Zu sammenhänge aufzeigen: Sharon Dodua Otoo lässt nicht nur Personen, sondern auch mit einem denkenden Geist ausgestattete Alltagsgegenstände, vom Messingtürklopfer bis zum Reisigbesen, das Geschehen beobachten und be urteilen – ein ungewöhnlicher Stil, der 2016 sicher nicht unschuldig an ihrem Gewinn beim Bachmann-Preis war. In „Adas Raum“ sind Geschichten von Frauenfiguren aus verschiedenen Jahrhunderten versammelt – zu Beginn der Kolonialisierung in Ghana, inmitten der britischen Indus trialisierung in London, in einem Thüringer KZ während der NS-Zeit und schließlich auf Wohnungssuche im gegen wärtigen Berlin – verbunden durch Ähnlichkeiten in ihren Schicksalen und durch einen Namen. Sie alle sind Ada, sie alle erzählen vom Frausein unter verschiedenen Bedingun gen, von Kolonialismus, von Mehrfachdiskriminierung, aber auch von der Stärke und Selbstwirksamkeit der Frau wider alle Umstände.
Identität beweisen
Während Adas denkender Reisepass in Sharon Dodua Otoos Roman ein Symbol für Hoffnung auf ein neues Zuhause bedeutet, erlebt die junge Erzieherin Zala, Protagonistin in Miha Mazzinis True Crime-Thriller „Du existierst nicht“, das Gegenteil: Mazzini erzählt die unglaubliche, aber wah re Geschichte rund 25 000 „Ausgelöschter“, denen in den frühen 1990er-Jahren nach der Unabhängigkeitserklärung des slowenischen Staates ohne jede Vorwarnung die Staats bürgerschaft entzogen wurde – weil sie in der „falschen“ Region des ehemaligen Jugoslawien geboren wurden. In staatlichen Computersystemen sind sie nicht mehr auf findbar, neugeborene Kinder werden zur Adoption freige geben, Pässe ungültig gestanzt. Die Staatsangehörigkeit, die auf Papier gebannt zu einem bedeutenden, in manchen Fällen sogar lebensrettenden Beweis über die Zugehörig keit zu einer nationalen Identität werden kann, erweist sich als konstruierte Identität, die den Menschen durch die Machtausübung eines Staates ebenso ab- wie zugesprochen werden kann. In diesem Verständnis von der Zugehörigkeit zu einer Nation als reines Geburtsrecht wurden Begriffe wie „Heimat“ und „Identität“ von rechtspopulistischen Stimmen immer wieder für eine völkisch-nationalistische Ideologie vereinnahmt.
Doch auch die digitale Manifestation unserer Identität, die zunächst langlebiger als ein Ausweispapier erscheint und auf die wir uns bereitwillig verlassen, um unsere Identität
Philipp Schönthaler, Foto: Julia von Vietinghoff
vor unbekannten Dritten, etwa bei Internet-Käufen, zu bestätigen, kann fehlerhaft sein. So entgleitet dem Prota gonisten in Philipp Schönthalers Dystopie „Der Weg aller Wellen“ nach einer fehlgeschlagenen technischen Identifi kation und damit dem Verlust seiner digital verifizierten Identität zunehmend auch sein reales Leben – eine kafka eske Abhandlung darüber, ob automatisierte Algorithmen tatsächlich die verlässlichsten Aussagen darüber treffen können, wer wir sind, und eine Vision dessen, was Identität in Zukunft bedeuten kann.
Also noch einmal: Woraus schöpfen sich Identitäten; wer oder was entscheidet, wer wir sind? Die Herkunft unserer Familien, unser Aussehen, unsere Sexualität? Ein digitaler Fingerabdruck, ein Personalausweis? Zufällig generierte oder künstlich geschaffene Fakten, die uns vermeintliche Zugehörigkeit zu verschiedensten Gruppen zuweisen, uns aber ebenso schnell wieder abgesprochen werden können?
Die Wuppertaler Literatur Biennale kann an acht Tagen nur eine kleine Auswahl der Fülle an Perspektiven präsentieren, die sich in der zeitgenössischen Literatur angesichts dieser Fragen auftun. Das vollständige Programm ist unter www. wuppertaler-literatur-biennale.de sowie auf Facebook und Instagram zu finden.
Julia Wessel
Ermöglicht wird die Wuppertaler Literatur Biennale durch die Unterstützung des Ministeriums für Kultur und Wissenschaft Nordrhein-Westfalen, der Kunststif tung NRW, der Stadtsparkasse Wuppertal sowie der Sparkassen-Kulturstiftung Rheinland, der Dr. Werner Jackstädt-Stiftung und der Firma Knipex. Veranstalter ist das Kulturbüro der Stadt Wuppertal.
Wuppertaler Literatur Biennale 2022
Samstag, 3. bis Samstag, 10. September 2022 www.wuppertaler-literatur-biennale.de
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Es ist die Geschichte von Klaus und René, René und Klaus. Eine traurige, aber auch schöne Geschichte einer unglücklichen Liebe. Für den französischen Dichter René Crevel en det die Geschichte bereits 1935, als er, lungenkrank und unter dem Zerwürfnis zwischen Kommunisten und Surrealisten leidend, im Alter von 34 Jahren in Paris ein Schlafmittel nimmt und den Gashahn aufdreht. 14 Jah re später nimmt sich Klaus Mann in Cannes das Leben – mit demselben Schlafmittel wie sein Freund, der sei ne erotische Liebe nie gleichermaßen erwidert hatte. Der Schriftsteller und älteste Sohn des Literatur-Nobel preisträgers Thomas Mann wird 42 Jahre alt, hat vor seinem Tod noch Nationalsozialismus, Krieg und Exil erlebt. 1926 lernen sich die beiden in Pariser Surrealistenkreisen ken nen, erfahren wir in Heiner Bontrups Stück „Der schwie rige Tod“ – und an dieser Stelle wird bereits die Stärke des Stücks deutlich: Durch das Zusammenwirken von Text, Musik und Bild gelingt es, stets die passende Atmosphä re entstehen zu lassen und die Zuschauerinnen und Zu schauer in das Zeitgeschehen hineinzuziehen. Hier ist es noch eine Atmosphäre der Leichtigkeit und der Lebenslust im frühlingshaften Paris; später werden zunehmend jene „Gravitationskräfte der Verzweiflung“ spürbar, die für bei de am Ende zu groß waren.
Die Geschichte von Klaus und René – beide homosexuell, beide zunehmend den Drogen verfallen, beide hochsensible Künstlerseelen, die seismographisch auf die politischen und gesellschaftlichen Verwerfungen der Zeit reagieren – ist der Kern des Stücks, das Heiner Bontrup selbst als „Literarische Revue“ oder auch als „Live-Hörspiel mit Vi deobühnenbild und Musik“ bezeichnet – ein Genre, das der Wuppertaler Autor bereits mit früheren Stücken wie „Längst lebe ich vergessen im Gedicht“ über Else LaskerSchüler oder „Der Blaue Reiter ist gefallen“ nicht nur be dient, sondern wesentlich mit kreiert hat. Man könnte es auch als eine collagehafte Zeitreise und Geschichtsstunde bezeichnen, denn die Geschichte von René und Klaus bildet zwar den roten Faden, aber der wird nicht immer sichtbar ausgerollt – kurzzeitig verschwindet er sogar beinahe im Knäuel der Geschehnisse dieser aufregenden, aufreibenden zwei Jahrzehnte, welche das Stück in den Blick nimmt. Eine Zeitreise, die zurück in die 20er- und 30er-Jahre des vergan genen Jahrhunderts führt, in die Nachtclubs von Berlin, in die Surrealistenzirkel von Paris, ins „Zauberberg“-Sanato rium von Davos, ins Exil nach Sanary-sur-Mer, den „Hot spot“ der deutschen Exilliteraten nach 1933, wo das Stück 2021 im Rahmen des dortigen XXIII. Else-Lasker-SchülerForums uraufgeführt wurde.
Selbstzeugnisse und Fragmente aus den Romanen der bei den Protagonisten bilden die eine Ebene der Textgrund lage, gesprochen von Bernt Hahn (René Crevel) und Bernd Kuschmann (Klaus Mann), was ein wenig den Eindruck ver mittelt, als könnten die jung Verstorbenen nun doch noch alt geworden auf ihr Leben zurückblicken. Deutlich jünger dagegen der sprechende „Geist der Erzählung“ (Julia Wolff) und die Figur der (steinalt gewordenen) polnischen Malerin Erna Rosenstein (Margaux Kier) als von Bontrup eingesetzte Zeitzeugin des Jahrhunderts, deren erzählerische Texte als Klammer fungieren. Alle vier zweifellos gestandene Bühnenpersönlichkeiten und charismatische Sprecher –gleichwohl wäre eine altersmäßig umgekehrte Besetzung vielleicht überzeugender gewesen.
Entscheidender aber ist, wie gelungen die Ebenen von Text, Musik und Bild ineinandergreifen. Jede für sich wiederum eine Collage aus verschiedensten Elementen, bilden sie ab solut gleichwertige Bestandteile, die sich zu einem atmo sphärisch dichten Ganzen zusammenfügen. Musikalisch mischen sich Chanson (live gesungen von Margaux Kier und Julia Wolff), sphärische Klänge des Theremin (eben falls Kier), die von Mathias Haus geschaffene Komposition für Schlagwerk und die kongenial improvisierten Passa gen von Haus, Wolfgang Schmidtke (Saxofon) und Roman Babik (Piano). Gregor Eisenmann gelingt es auf beeindru ckende Weise, die (Zeit-)Geschichte nicht bloß zu bebil dern, sondern eine eigenständige visuelle Ebene zu schaf fen. Zeitgeschichtliche Fotografien, die zum Teil zerlegt und zersplittert werden, filmische Sequenzen, abstrakte und in Bewegung versetzte Form-/Farbkompositionen, am Ende aktuelle Aufnahmen aus Sanary-sur-Mer, die erst kurz vor der Uraufführung entstanden, fügen sich stim mig zusammen; taumelnde Bildwelten, welche die erreg te Zeitstimmung widerspiegeln, wechseln mit ruhigeren Passagen, die den Fokus stärker auf den Text lenken. Dieses „Video-Bühnenbild“ muss vom Künstler jedes Mal neu auf den jeweiligen Raum abgestimmt, angepasst und neu pro grammiert werden, und wird dann live eingespielt. So wird jede Aufführung wieder zu einer kleinen Premiere. Nach Aufführungen in Wuppertaler Schulen, in der Citykirche Elberfeld und der Kirche St. Joseph in Solingen sind weitere Termine in Planung, unter anderem im Frühjahr 2023 im Theater Stok in Zürich und voraussichtlich gefördert durch die Bundeszentrale für politische Bildung in der zweiten Jahreshälfte 2023.
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Anne-Kathrin Reif
Heiner Bontrup, Eine schwierige Liebe, ein schwieriger Tod, Margaux Kier und Julia Wolff, Kirche St. Joseph in Solingen, Foto: Anna Schwartz
Farbe ist Programm
Eine Patchwork-Schau in der Bonner Bundeskunsthalle wird der Komplexität des Themas nur bedingt gerecht
Glas, Kerze, einem geschlossenen und einem aufgeschla genen Buch sowie einem Totenschädel – alles grau in grau (abgesehen von den blauen Farbreflexen, die von den LEDLichtstelen Gardar Eide Einarssons herrühren; dazu später mehr). Eine Installation in einer Ausstellung zum The ma Farbe, die sich durch die Abwesenheit von Farbe aus zeichnet, mag zunächst überraschen. Abgesehen von der Vanitas-Symbolik, die durch das Grau unterstrichen wird, kann die Arbeit Op de Beecks aber daran erinnern, dass die Welt vor Erfindung der Teerfarbstoffe (Anilinfarben) im 19. Jahrhundert weitaus weniger farbig gewesen ist und Grau wesentlich stärker den Alltag prägte. Bunte Kleidung etwa war im Mittelalter und der frühen Neuzeit den Noblen und Reichen vorbehalten und fungierte als Medium der sozialen Distinktion, während sich die einfache Bevölke rung die teuren gefärbten Stoffe kaum leisten konnte.
Farbe ist überall, in der belebten und un belebten Natur ebenso wie in der von Men schen gestalteten Umwelt. Ihre Omnipräsenz verleitet häufig dazu, Farbe für eine Selbstverständlichkeit zu halten und darauf keine besonderen Gedanken zu ver schwenden – es sei denn, es geht gerade um die Frage, wel che Farbe das Sommerkleid oder die Karosserie des nächs ten Neuwagens haben soll. Tatsächlich ist das Phänomen Farbe hochkomplex, und so versucht die vor 30 Jahren, am 17. Juni 1992, eröffnete Bonner Kunst- und Ausstellungshal le der Bundesrepublik Deutschland, kurz Bundeskunst halle, in ihrer aktuellen Schau „Farbe ist Programm“, etwas von dieser Komplexität zu vermitteln.
Betritt man die Ausstellung im Erdgeschoss der Bundes kunsthalle und lässt den Blick zunächst nach rechts schwei fen, sieht man sich einer Memento-mori-Inszenierung des belgischen Künstlers Hans Op de Beeck gegenüber, einem dreidimensionalen Stillleben mit Früchten, Karaffe und
Dass der „Nichtfarbe“ Grau im Kontext der Buntfarben ein systematischer Ort zukommt, zeigen bekanntlich die klassischen Künstlerfarbenlehren. So erscheint in Philipp Otto Runges „Farbenkugel“ (1810) im Kugelmittelpunkt idealerweise ein mittleres neutrales Grau, und der Bau haus-Künstler Johannes Itten bemerkt in seiner „Kunst der Farbe“ (1961), dass sich zwei im Farbkreis diametral ge genüberliegende Farben (Komplementärfarben) in der pig mentären Mischung zu Grau „vernichten“. Die in Vietnam geborene und in Paris lebende Künstlerin Thu-Van Tran hat in ihrem monumentalen, 2,20 m mal 3,10 m großen Acrylbild „Colors of Grey“ (2022) diesen Prozess der „Ver nichtung“ von Buntfarben mit einer explizit politischen Bedeutung aufgeladen. Eva Kraus, seit 2020 Intendantin der Bundeskunsthalle, schreibt dazu, die Künstlerin nut ze „symbolisch die farbigen Kodierungen der so genann ten ‚Rainbow Herbicides‘ – darunter das zu trauriger Be rühmtheit gelangte Schädlingsbekämpfungsmittel ‚Agent Orange‘“, das die USA im Vietnamkrieg mit verheerenden Folgen für Mensch und Natur zur Waldentlaubung einge setzt haben. Durch schichtweise Farbüberlagerung löschen sich im Bild Orange, Blau, Grün und andere Farben – die Autorin spricht von „toxischen ‚Agenten‘“ – gegenseitig aus und vernichten sich im Grau, das sich als subtile Anklage und als „Mahnmal sinnloser Kriegsführung entpuppt.“
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Hans Op de Beeck, Vanitas XL, 2021
Die Ausstellung versammelt Beiträge von mehr als 40 Künstlerinnen und Künstlern ganz verschiedener Ausrich tung, die es dem Besucher nicht leicht machen, so etwas wie einen roten Faden zu erkennen. Dies ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass es sich um eine Ausstellung handelt, an der das gesamte Kuratorinnenteam der Bun deskunsthalle mitgewirkt hat. Ohne ein stimmiges Ganzes anzustreben, präsentiert sich die Schau als Patchwork, das aus den persönlichen Interessen und individuellen Präfe renzen der einzelnen Kuratorinnen, acht an der Zahl, resul tiert. Die Folge: ein freier, nicht geleiteter Parcours, dessen „assoziative Herangehensweise“ – bei didaktischer Absti nenz – als „bewusster Teil der Inszenierung“ angepriesen wird. Und der Titel der Ausstellung „Farbe ist Programm“ klingt zwar gut und macht neugierig, bleibt letztlich aber so unverbindlich, ja inhaltsleer, wie die Parolen der Partei en, die unlängst bei der Landtagswahl in Nordrhein-West falen das Wahlvolk zu mobilisieren suchten. Dessen unge achtet ermöglicht die Schau in ihrem Facettenreichtum ein breites Spektrum ästhetischer Erfahrungen und bietet im Hinblick auf Fragen wie die der Nutzung von Farben, ihrer medialen Funktion, ihrer Symbolik und ihrer Bedeutung für Individuum und Gesellschaft manchen Denkanstoß.
Historisch beginnt die Ausstellung mit sogenannten Cyanotypien der britischen Naturforscherin Anna Atkins.
Zwischen 1843 und 1853 schuf sie mehrere tausend Cya notypien von Farnen und anderen Pflanzen – im Grunde Fotogramme, also kameralose Fotografien auf einem che misch speziell präparierten, sich durch Lichteinwirkung blau färbenden Papier. Dass diese monochromen, auch als Blaupausen bezeichneten Blätter als früheste Beispiele der Farbfotografie apostrophiert werden, wird den histori schen Fakten allerdings kaum gerecht. Zwar stand das Be mühen um fotografische Bilder in Farbe schon früh auf der Agenda der Fotopioniere. Doch erst nach 1900 gelang dem auch als Erfinder des Blitzlichtpulvers bekannten Fotogra fen Adolf Miethe die sogenannte panchromatische Sensibi lisierung, die die annähernd tonwertrichtige Darstellung der Farben ermöglichte, und bis produktreife und für den Massengebrauch taugliche Farbfilme verfügbar waren, ver gingen noch drei Jahrzehnte.
Thu-Van Tran, Colors of Grey, 2022
Anna Atkins, Photographs of British Algae: Cyanotypie Impressions, 1843-53
Fotografie und Film avancierten in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und im frühen 20. Jahrhundert zu Mas senmedien, und so wie Schwarz-Weiß-Fotografien häufig von Hand nachkoloriert wurden, bestand auch im frühen Film das Bedürfnis nach Farbe. Die Bonner Ausstellung wartet mit der kurzen Sequenz aus einem der ersten hand kolorierten Filme aus dem Jahr 1894 auf, der den rasanten Serpentinentanz mit der Choreografie der in Paris gefei erten amerikanischen Tänzerin Loïe Fuller zeigt (deren furiosen Tanz übrigens auch Toulouse-Lautrec in einer Zeichnung festgehalten hat). Bei dieser Performance wurde mit farbigen Lichtprojektionen gearbeitet, die die für die damaligen Zeitgenossen „hypnotische Wirkung des Tanzes und das Erlebnis der Bewegung intensivierten“, wie die Ku ratorin Katharina Chrubasik bemerkt. In den 1920er-Jahren entstanden die ersten echten Farbfilme, in den 1930erJahren erlebte der Farbfilm, zunächst in den USA, seinen Durchbruch. Mit Willy Brandts Druck auf den legendären roten Taster (Cover-Motiv des originell gestalteten, im Ge brauch aber unpraktischen Katalogs) am 25. August 1967 im Rahmen der 25. Großen Deutschen Funkausstellung
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Annabelle Serpentine Dance, 1894 (Regie William K.L. Dickson und William Heise)
Katalog „Farbe ist Programm“ (auf dem Cover: Start des Farbfernsehens in der BRD am 25.8.1967)
Judy Chicago, Woman and Smoke, 1971-72
in West-Berlin begann in der Bundesrepublik Deutsch land das Zeitalter des Farbfernsehens und damit der sich bald dramatisch steigernde massenhafte Konsum farbiger Bilder. Natürlich zog die Farbe auch in den experimentel len Künstlerfilm ein, wie in Bonn exemplarisch durch den knapp fünfzehnminütigen 16-mm-Streifen „Woman and Smoke“ (1971/72) von Judy Chicago angedeutet wird. Sie ge hört seit den späten 1960er-Jahren zu den prominentesten Protagonistinnen einer feministischen Kunst in den USA.
In ihrem Film, der zur Werkgruppe der „Atmospheres“ gehört, spielt die Farbe eine ganz entscheidende Rolle. Zu sehen sind fast unbekleidete, in intensive Farben getauchte Frauen, die sich, umgeben von bunten Rauchwolken, in der kalifornischen Landschaft bewegen. Dazu die Künstlerin:
„In meinen Atmospheres befreit mich der Rauch von der formalen Struktur, während seine Farben die Umgebung verweiblichen und weicher machen.“
„Farbe als Programm“ ist keine Ausstellung zur Geschichte und Theorie der Farbe oder zu den im 19. und 20. Jahrhun dert von Künstlern erarbeiteten Farbenlehren. Und doch
tauchen in der Bonner Schau unerwartet eine Rekonst ruktion der bereits erwähnten Farbenkugel Runges, eine Darstellung des Farbensterns von Itten und ein Tableau nach Tafel III des „Didaktischen Teils“ der Goethe‘schen „Farbenlehre“ zum Thema „bunt – unbunt“ auf. Sie sind Bestandteile der Werkgruppe „Tanz RGB-CMYK“ der Ber liner Malerin Antje Majewski aus dem Jahr 2008 und ver weisen auf die intensive Beschäftigung der Künstlerin mit Farbentheorien. Dies unterstreicht auch der Werktitel, der sich auf den RGB-Farbraum der additiven Farbenmischung (Rot, Grün, Blau) und das CMYK-Farbmodell der subtrak tiven Farbenmischung (Cyan, Magenta, Yellow und Key [Schwarzanteil]) bezieht. Was sich in der Theorie metho disch geordnet und systematisch aufeinander bezogen dar stellt und der Malerin als analytische Basis dient, erfährt dann in ihren figurativen Rundbildern (Tondi), die Tan zende in heftigen Bewegungen und in bunten Kostümen in den Farben Rot, Grün, Blau, Cyan, Gelb, Magenta und Schwarz zeigen, ihre Übersetzung in freie Malerei.
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Antje Majewski, Tanz RGBCMYK, 2008
Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie, befasste sich auf der Suche nach einer „neuen Geistigkeit“ im An schluss an Goethes Farbenlehre jahrelang auch mit dem Phänomen Farbe. Die Essenz seiner spirituell grundierten, esoterischen Farbenlehre fand ihren Niederschlag in drei Vorträgen, die er unter dem Titel „Das Wesen der Farbe“ im Mai 1921 im Goetheanum in Dornach hielt. Im Rahmen dieser Vorträge entstanden großformatige Kreideskizzen auf schwarzem und hellbraunem Papier, die zum Fundus der berühmten sogenannten Wandtafelzeichnungen ge hören, von denen zwei aus dem Schweizer Rudolf Steiner
Archiv Dornach nach Bonn ausgeliehen werden konnten. Während Steiner Farbe auf einer metaphysischen Ebene verhandelt, geht es bei Josef Albers um sehr konkrete Pro bleme der Wahrnehmung von Farbe. Neben zwei Beispielen aus der legendären Werkserie „Homage to the Square“ aus den 1960er-Jahren mit der charakteristischen Ineinander staffelung von drei oder vier farbigen Quadraten zeigt die Bonner Kunst- und Ausstellungshalle 20 Siebdruckblätter aus der Grafikmappe „Interaction of Color“ aus dem Jahr 1963. Was der frühere Bauhaus-Schüler und -Lehrer, der seit 1933 in den USA lebte und lehrte, mit diesen didaktischen
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Rudolf Steiner, Wandtafelzeichnung zum Vortrag „Das Wesen der Farben“, 1921
Josef Albers, Arbeiten aus der Werkgruppe „Homage to the Square“, 1960er-Jahre
Tafeln wie auch mit seinen „Homages“ verdeutlichen woll te, war die Erkenntnis, dass Farbe kein absolutes Datum, sondern im höchsten Maße kontextabhängig ist. Das be deutet, dass sie sich für den Wahrnehmenden in ihrer Er scheinungs- und Wirkungsweise durch die jeweilige Um gebungsfarbe massiv verändert, mit anderen Worten, dass Farbe immer in ihrem Wechselverhältnis zu anderen Far ben, in ihrer Interaktion mit ihnen, gesehen werden muss, also ein hochgradig relationales Phänomen ist.
Die Verwendung der Farbe als autonomes Gestaltungs mittel in der konstruktiven Kunst der 1920er-Jahre zeigt in Bonn die Teilrekonstruktion der Foyer-Bar, die Sophie Taeuber-Arp 1926 für das Vergnügungslokal „Aubette“ in Straßburg entworfen hat. Die geometrische, aus Quadra ten und Rechtecken gegliederte Farbkomposition füllt den gesamten Raum einschließlich der Decke aus, sodass der Besucher den Eindruck hat, sich nicht vor, sondern in ei nem Bild zu befinden und in ihm zu bewegen.
Handelt es sich hier um einen rein syntaktischen Umgang mit Form und Farbe, lotet KP Brehmer die politische Se mantik bestimmter Farben aus. Als Vertreter des soge nannten Kapitalistischen Realismus ging es ihm in den 1970er-Jahren um „Kunst als sinnliches Instrument eman zipatorischen Bewusstwerdens“ und um die „Visualisie rung politischer Tendenzen“ mit den Mitteln der Farbe. So
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Sophie Taeuber-Arp, Foyer-Bar „L ‚Aubette“, Straßburg, 1927-28 (Rekonstruktion, 1998)
KP Brehmer, Visualisierung politischer Tendenzen, 1970
identifizierte er für das Jahr 1970 nicht nur Liberale (gelb), Christdemokraten (schwarz), Sozialdemokraten (rosa), So zialisten (rot) und Sonstige (weiß), sondern auch Neofa schisten (braun) und meinte, in deren „Zusammenspiel ein farbiges Stimmungsbild [zu erkennen], das fortwährend in Richtung Braun tendiert“ – so die Intendantin der Bundes kunsthalle Eva Kraus. Thematisiert Brehmer in kritischer Absicht politische Orientierungen oder Konstellationen, so beschäftigt sich der im Iran gebürtige Künstler Rozbeh Asmani, Professor für Neue Medien und angewandte Grafik an der Universität Greifswald, mit der Wirkungsmacht von Farbe im Kontext von Wirtschaft und Werbung. Zweimal wöchentlich lässt er in der Ausstellung auf zwei Billboards die einprägsamen Farbmarken (Colormarks) einiger großer Unternehmen (insgesamt 72) plakatieren, etwa Blau-Weiß für Nivea, Blau-Rot-Gelb für Lidl, Gelb-Orange-Rot für Norma, die unabhängig von der Form der jeweiligen Fir menlogos als Corporate Identity erkannt werden können.
Dass zwischen Licht und Farbe ein unauflöslicher Bedin gungszusammenhang besteht, ist allgemein bekannt. Goethe hat das auf die klassisch gewordene Formel ge bracht: „Die Farben sind Taten des Lichts, Taten und Lei
den.“ Farbiges Licht kann das Wohlbefinden steigern und auch therapeutisch eingesetzt werden. Der norwegische Künstler Gardar Eide Einarsson hat in der Ausstellung ei nige Stelen mit blauem LED-Licht installiert, das, wie oben erwähnt, auf zahlreiche in der großen Halle gezeigten Exponate abstrahlt. Seine Botschaft ist politischer Natur, will er doch auf die prinzipielle Problematik staatlicher Einflussnahme im öffentlichen Raum durch Lichtfarben aufmerksam machen. So hat er in Tokio beobachtet, dass von der japanischen Regierung „in der Annahme, das blaue Licht wirke beruhigend und stimmungsaufhellend“, an Bahnhöfen blaue LED-Lampen aufgestellt wurden, um verhaltensregulierend „der anhaltend hohen Suizidrate entgegen[zu]wirken“, wie die zuständige Kuratorin Johan na Adam berichtet.
Den Schlusspunkt des Parcours, dessen sehr verschieden artige Einzelbeiträge hier nur in einer kleinen Auswahl zur Sprache kommen können, markiert ein separater Raum, nämlich das in den 1960er-Jahren konzipierte Sound and Light Environment „Dream House“ des Komponisten La Monte Young in Zusammenarbeit mit der MultimediaKünstlerin Marian Zazeela. Es handelt sich um einen in
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Rozbeh Asmani, Colourmarks Billboards, 2022 (hier: Lidl, Norma)
changierendes violettes Licht getauchten Klangraum, in dem Sinustongeneratoren variierende akustische Sensati onen erzeugen, die stehend, sitzend, umhergehend oder auf dem Boden liegend erfahren werden können. Hier kann man zu sich selbst kommen, und es ist gut möglich, dass es dem Besucher in diesem meditativen Licht-KlangAmbiente gelingt, das zuvor in der Ausstellung Gesehene Revue passieren zu lassen, zu reflektieren und dabei auch das Heterogene und Disparate dieser Farbenschau zu ei nem ganzheitlichen Erlebnis werden zu lassen.
Text und Fotos: Rainer K. Wick
Ausflugsempfehlung der Redaktion:
Farbe ist Programm noch bis Sonntag, 7. August 2022 Bundeskunsthalle Museumsmeile Bonn, Helmut-Kohl-Allee 4, 53113 Bonn www.bundeskunsthalle.de
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Gardar Eide Einarsson, Distinct Functional Layers Help Establish Hierarchy and Order, 2016 (im Vordergrund: Amalia Pica, Rearranging the Conference Table, 2020)
La Monte Young und Marian Zazeela, Dream House. Sound and Light Environment, 1962-2022
Lina und Elli Köhler im Eröffnungsstück „Der kleine Prinz“, das vor Weihnachten wieder auf dem Spielplan stehen wird, Foto: Robert Hüsch
Offen, bunt und menschlich
Das K4-Theater für Menschlichkeit in Wuppertal will über die Bühnenkunst hinaus gesellschaftliche Signale setzen
Menschen statt Marionetten – lange war das heutige K4-Theater in Wuppertal-Elberfeld eine der bekanntesten Puppenbühnen Deutschlands. „Müllers Marionetten-Theater“ stand für besonders liebevoll gestaltete Aufführungen für Kin der und Erwachsene, für Opernbearbeitungen und Ex perimente. Als sich Ursula und Günther Weißenborn zu rückzogen, wollten sie ihr Haus als Theater erhalten. Im Puppenbereich fanden sie niemanden, der es übernehmen wollte. Und fanden mit Mona und Kris Köhler ein Theater paar aus dem benachbarten Wetter an der Ruhr, das ihre Ideen ganz anders, aber auch mit einer großen inhaltlichen Nähe weiterführen wollte.
„Das Leben kann ja so erfreulich und wunderbar sein. Wir müssen es nur wieder zu leben lernen. Ohne Menschlich keit und Nächstenliebe ist unser Dasein nicht lebenswert.“ Diese Sätze aus dem berühmten Film „Der große Diktator“ von Charles Chaplin stehen auf der Webseite des K4-Thea ters und sind ein Leitmotiv. Sie stammen aus der bewegen den Rede am Ende des Films, in dem Chaplin Adolf Hitler persifliert hat und sich nun direkt ans Publikum wendet.
Über den Namen ihres Theaters haben Mona und Kris Köhler lange nachgedacht. Der erste Teil „K4“ bezieht sich auf ihre Familie. Denn auch die beiden Töchter Lina und Elli sind beteiligt. Die vier Köhlers haben das Eröffnungs
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stück „Der kleine Prinz“ zusammen gespielt, eine berüh rende, witzige und poetische Aufführung, die noch einen besonderen Kick bekommt, wenn man weiß, dass hier eine Familie auf der Bühne steht.
„Wir freuen uns total, dass wir ein eigenes Theater bekom men haben“, sagt Kris Köhler. Für die beiden freiberufli chen Schauspieler ist das ein großer Schritt. Bisher haben sie an vielen anderen Bühnen gespielt, sind auf Tournee gegangen, haben eigene Projekte entwickelt. Nun können sie selbst entscheiden, was gespielt wird. „Wir wollen ein ganz offenes und buntes Haus entwickeln mit vielen ge sellschaftlichen und sozialen Projekten. Diversität ist uns total wichtig.“
Der Spielplan ist sehr vielfältig. Es gab schon eine Koopera tion mit einem Krimi-Theater aus Hamburg und die fran zösische Komödie „Der Vorname“, die erst ein paar Jahre alt, aber schon auf dem Weg ist, so etwas wie ein Klassiker zu werden. Darin wird ein braves linkes Paar davon über rascht, dass der Bruder bzw. Schwager sein Kind „Adolf“ nennen will. Oder „Adolphe“, das Stück spielt in Frank
reich. Was zu Diskussionen und wachsenden Irritationen führt. Im K4-Theater ist das Stück kein reiner Schenkel klopfer, bei allem Humor werden die menschlichen Kon flikte klar, es geht um mehr als pure Unterhaltung.
Eben das ist das Anliegen von Mona und Kris Köhler. Es spiegelt sich auch in der Arbeit mit Kindern und Jugendli chen. „Mona und ich sind seit Jahren als Theaterpädagogen sehr aktiv“, erklärt Kris. „Wir sind da mit großer Leiden schaft dabei. Das haben wir auch nach Wuppertal gebracht.
Das ist ein besonderes Projekt, die ,Stagefreaks‘. Jeden Samstag gibt es drei Stunden Unterricht am Stück.“ Und natürlich Aufführungen, die aus dieser Arbeit entstehen.
Mona und Kris Köhler haben sich auch schon mit vielen Menschen aus Wuppertal und Umgebung vernetzt. Nicht nur was die Kunst angeht. Im Theater werden nachhaltige Getränke und Lebensmittel angeboten. Das Publikum soll sich wohlfühlen. Am Wochenende kann man Frühstück und Kuchen zusammen mit den Tickets bestellen. Und nach den Aufführungen noch ein bisschen dableiben. Das K4-Theater steht für Kommunikation, die Bühne ist der
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Szene aus „Stolen Happiness“: die vier Schauspielerinnen vom Splash Theater aus Kiew bei ihrem Gastspiel im K 4
zentrale Teil davon, aber eben nicht alles. Es gibt Lesungen, Musik, die unterschiedlichsten Angebote. Im Keller haben sich die beiden ein kleines Aufnahmestudio eingerichtet, Kris Köhler ist ein begehrter Hörbuchsprecher.
Die Flutkatastrophe hat das Theater glimpflich überstan den. Dennoch gibt es auch immer neue Rückschläge. Wäh rend der Pandemie ein neues Haus zu eröffnen, war eine extrem schwierige Sache. Das Publikum kommt manchmal immer noch zurückhaltend, beim technischen Umbau gab es immer mal wieder Verzögerungen und Probleme. Auch die eine oder andere Krankheit hat den Spielbetrieb zwi schendurch lahmgelegt. Aber Mona und Kris Köhler lassen sich nicht unterkriegen: „Wir gehen immer positiv an die Dinge ran.“
Diese große Offenheit hat auch zu einer Theaterfreund schaft mit der Ukraine geführt. Vier junge Schauspielerin nen aus Kiew, zwischen 20 und 37 Jahren alt, wohnen seit April in Wuppertal, in der Wohnung über dem K4-Theater für Menschlichkeit. Der Kontakt entstand über ein inter nationales Netzwerk. Normalerweise haben Theater lange im Voraus geplant und sind spontan nicht besonders fle xibel. Das ist im K4 anders. Die Ukrainerinnen haben ein Stück mitgebracht, das sie achtmal in Wuppertal gespielt haben. Von hier aus organisieren sie nun Gastspiele, waren auch schon zweimal in Köln.
Mona und Kris Köhler schaffen eine herzliche Atmosphäre. Sie haben die vier Ukrainerinnen bei ihrer Ankunft mor gens um 6 am Bahnhof abgeholt. Nach einer Menge Tele fonaten und Videocalls von Menschen, die sich vorher gar nicht kannten. „Was jeder bei uns gerade empfindet,“ sagt Kris, „ist diese Hilflosigkeit. Wenn wir von solchen Prob lemen hören, versuchen wir immer zu überlegen, was wir tun können. Und wir haben ein Theater, und wir haben Platz.“
Die Köhlers wollen eine Partnerschaft mit dem Splash The ater in der Ukraine beginnen. Vielleicht auch mal mit ih rem kleinen Theater in die Ukraine reisen, wenn es wie der möglich ist. Ein bisschen Hoffnung vermitteln. Die vier Schauspielerinnen sind junge Frauen, die eigentlich gerade durchstarten. Und nun überhaupt keine Ahnung haben, was die Zukunft bringen wird. „Meine Familie ist im Süden der Ukraine geblieben“, erzählt Alina vom Splash Theater. „Dort ist es nicht sicher. Aber unser Regisseur hat uns gesagt, unser Schlachtfeld ist die Bühne, die Worte, die Stücke und die Kultur.“
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Szene aus der Krimödie „Die Falle“, Mona Köhler, Wernher Becker und Kris Köhler
Szene aus der abgründigen Komödie „Der Vorname“, in dem jemand seinem Kind den Namen Adolphe geben möchte
Projekt Menschenrechte mit Schülerinnen und Schülern des Wilhelm-Dörpfeld-Gymnasiums
Das hat in den Wuppertaler Vorstellungen grandios ge klappt. Viele aus der Ukraine geflohene Menschen sind gekommen, die Stimmung war überwältigend und gelöst. Auch die vier Schauspielerinnen lachen häufig und genie ßen die Zeit in Deutschland. Andererseits sind sie voller Sorge um ihre Freunde und Familien. „Einerseits verschlie ßen wir uns ein bisschen“, sagt Schauspielerin Svitlana. „Wir müssen es einfach durchziehen, ohne sentimental zu werden. Andererseits dürfen wir die ukrainische Kultur repräsentieren und sehr coole Leute treffen. Da sind wir überwältigt und dankbar. Und suchen nach Wegen, um diese seltsame Mischung der Gefühle miteinander zu ver binden.“
Eben das ist auch die Mission des K4-Theaters für Mensch lichkeit. Angesichts von Grausamkeit und Ungerechtigkeit nah und fern nie die Hoffnung zu verlieren und Blicke auf das Schöne zu öffnen, gemeinsam zu lachen, zu diskutie ren, zu leben.
Stefan Keim
K4 / Theater für Menschlichkeit
Wuppertal
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Neuenteich 80, 42107
Telefon: 0202 44 77 66 www.k4theater.de
Die vier Ukrainerinnen vom Splash Theater zusammen mit Mona und Kris Köhler vom K 4 – der Start einer Theaterfreundschaft
Facetten einer schillernden Persönlichkeit
Hajo Jahns zum 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler verfasste Artikelserie ist jetzt als bebildertes „Lesebuch“ erschienen
„Die Facetten des Prinzen Jussuf. Ein Lese buch über Else Lasker-Schüler“ – so heißt das kürzlich erschienene Buch von Hajo Jahn über die 1869 in Elberfeld geborene Dichterin. Der Titel enthält zwei wichtige Informatio nen, die dieses Buch charakterisieren: Es macht sich nicht anheischig, ein vollständiges Bild der Malerpoetin zu zeich nen, sondern beschreibt viele unterschiedliche Aspekte ih rer Person, ihres Lebens und Schaffens – Facetten eben, was dieser als schillernde, ja exzentrische Figur bekannten Per sönlichkeit eher gerecht wird. Zusammengesetzt ergeben diese vielen Facetten, dargelegt in 19 Kapiteln plus Prolog, Epilog, Lebensdaten und Auswahlbibliografie, dennoch ein stimmiges Bild. Und es ist ein „Lesebuch“, d.h. ohne wis senschaftlichen Anspruch – flüssig und gut verdaulich ge schrieben von dem journalistischen Profi und ehemaligen Leiter des WDR-Studios Wuppertal Hajo Jahn, der 1990 die Else-Lasker-Schüler-Gesellschaft gegründet hat und sich nunmehr seit über 30 Jahren aktiv dafür einsetzt, das Be wusstsein für die „Wuppertaler“ Dichterin und den ihr zu kommenden hohen Rang in der deutschsprachigen Litera turlandschaft wachzuhalten (oder zuallererst zu wecken).
Das Buch ist neu, die Texte sind es nicht: Sie erschienen bereits 2019 zum 150. Geburtstag von Else Lasker-Schüler als Artikelserie im Lokalteil der „Westdeutschen Zeitung“. Dass sie nun überarbeitet und der Flüchtigkeit des Medi ums Tageszeitung entrissen wurden, ist ausgesprochen erfreulich – umso mehr, als die Texte umfangreich mit ih ren Gedichten und Zeichnungen sowie einigen aktuellen Fotografien etwa von Stückaufführungen ergänzt wurden.
Die Herkunft aus der Zeitungsserie, bei der jeder Beitrag auch für sich „funktionieren“ muss, bringt es mit sich, dass es einige Überschneidungen und Wiederholungen gibt, was aber nicht von Nachteil ist – fällt es so doch leichter, sich das facettenreiche Bild der „ELS“ selbst zusammenzusetzen. Hajo Jahn bringt sie uns nahe: die Elberfelderin und die Berlinerin, die Dichterin, die Dramatikerin und die Zeich nerin, die Avantgardistin und Performerin, die Mutter und die Vielverliebte, die „Araberin“, die Jüdin, die Verscheuch te. Wem Else Lasker-Schüler schon vertraut ist, der findet
natürlich viel Bekanntes; aber der Autor legt erkennbar Wert darauf, auch eher unbekannte Seiten wie ihren Humor („Die Ulkiadin“) oder ihren heute geradezu prophetisch anmutenden Sinn für die Gefährdungen der Natur durch den Menschen („Die Ökologin“) herauszustellen. Nicht zu überhören bzw. zu überlesen ist der Ton, mit dem hier ein erklärter Liebhaber schreibt: stets auf dem Sprung, die Ver ehrte gegen jedwede Unbill und Ungerechtigkeit, die der deutschen Jüdin in ihrer Zeit – und in der Rezeption noch bis in die 1970er-Jahre hinein – reichlich widerfahren ist, noch im Nachhinein zu verteidigen. Zugleich ist der Autor auf der Hut, nicht zur verklärenden Legendenbildung bei zutragen, und spart auch weniger charmante Charakterzü ge der Lasker-Schüler, die auch schon mal auf offener Straße Ohrfeigen verteilte und nicht mit Geld umgehen konnte, nicht aus.
Im „Prolog“ genannten Auftaktkapitel trägt Hajo Jahn et liche Stimmen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen zusam men, die er im Laufe von Jahrzehnten getroffen hat und die Else Lasker-Schüler noch erlebt haben. Sie spielen im weiteren Verlauf des Buches jedoch keine große Rolle, wes halb die Selbsteinordnung seines Buches als „Oral History“, die bewusst weitestgehend auf wissenschaftlich belegbare Quellenangaben verzichtet, nicht recht stimmig erscheint. Eine als Zitat gesetzte Äußerung, getätigt von nicht näher bezeichneten „manchen Experten“, oder ein anonymes „so wird sie analysiert“ gehört sicherlich nicht in diesen Bereich. Und da, wo Expertinnen wie die Wuppertaler Professorin Gabriele Sander oder Autoren anerkannter Sekundärlitera tur namentlich zitiert werden, hätte die Mühe, die Quellen angaben nachzupflegen, unbedingt gelohnt, ebenso wie ein sorgfältiges Lektorat, welches fehlerhafte Zeitangaben (im biografischen Kapitel „Die Elberfelderin“) eliminiert hätte. Dann wäre dieses schöne Buch nicht nur ein unterhaltsames „Lesebuch“ für Amateure, sondern könnte eine wunderba re, leicht zugängliche Einstiegslektüre für alle Interessier ten sein, die sich gern tiefergehend mit der facettenreichen Künstlerin Else Lasker-Schüler beschäftigen möchten.
Anne-Kathrin Reif
Hajo Jahn: Die Facetten des Prinzen Jussuf. Ein Lesebuch über Else Lasker-Schüler. PalmArtPress, Berlin 2022, ca. 200 Seiten, ca. 47 farb. Abb., Hardcover, 28 € (ISBN: 978-3-96258-106-0)
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Der Abschied eines Menschenzeichners
Polo zählte zu den bekanntesten Cartoonisten unserer Tage.
Nun ließ er still seine Feder fallen.
„Du spinnst wohl!“ – Polos letzter öffentlicher Aus ruf, die fragende Feststellung des klassisch gezeichneten Gottvaters an den Sensenmann gerichtet, der ihn holen kommt, hing als Plakat seiner Einzelausstellung bis zum 22. Mai 2022 vor der Caricatura Galerie für komische Kunst in Kassel. Ein Highlight, die ganze Show wie das Titelbild – und im Nachhinein ein Abgang mit Pauken und Trom peten.
Für André Poloczek, 1959 in Wuppertal geboren, war Humor seit dem ersten Zeitungscartoon 1978 eine verdammt ernste Angelegenheit, denn er zeichnete kaum verachtete, nur verspottete Wesen, sondern vor allem Mitmenschen. Ihnen schaute er aufs Maul und beobachtete mit erstauntem Ver gnügen, was uns im großen Wollen und oft nur vermeint lichen Können alles widerfährt. Sein Studium der Soziolo gie und Germanistik endete mit einer Arbeit zum (und in einer Freundschaft mit dem) Schriftsteller, Regisseur und Maler Robert Wolfgang Schnell. Ab Ende der 80er-Jahre bil dete er sich in zeichnerischer Zuspitzung unter anderem bei den Altmeistern F. K. Waechter und F. W. Bernstein wei ter; kurz darauf war er reif für den ersten eigenen Cartoon band „Arsch auf Grundeis“ im Semmel Verlach. Bald wurde er selbst zu einem der Großen des Cartoons und lieferte an die namhaftesten Zeitschriften und Magazine.
Allen, die ihm begegneten, klingt sein Lachen im Ohr –gelegentlich ausgelassen und albern (für dessen Gelegen heit er sich dann bedankte), oft aber zögernd, prüfend und schon längst weiterdenkend. Ging ihm etwas gegen den nicht nur zeichnerischen Strich, sträubten sich alle Pin selhaare und es wurde auch gestritten; die leichtfertigen, überheblichen und hemmungslosen Seiten der heutigen Spaßkultur lagen ihm fern. Viel lieber heulte er am Ufer der
geliebten Wupper den Vollmond an und zeichnete heim lich abgedrehteste Eulen, die sich über ihr Dasein wun dern. In seinen Bildern lachte er so über sich, wie wir über uns lachen können. Auf das Urkomische des Lebens war er selbst angewiesen wie auf das Wasser (und Bier).
Für das Engels-Jahr gab er zuletzt den kapitalen Sammel band „Engels-Gesichter“ heraus. In der pandemischen Zeit war dann eine seiner liebsten Arbeiten nicht mehr mög lich: das Zeichnen mit Kindern in der Junior Uni. Seine Welt ging in die Binsen. Corona, Klima, Trump, das rechte Rumoren: Polo empfand sich zunehmend als Fremdkörper in einem Leben, das nicht seines war. Darin sah er selbst den Grund für jene Krankheit, die ihn schließlich fraß, bis er am 2. Juni friedlich zu Hause starb. Er wird in uns – und über uns – weiterlachen.
Max Christian Graeff
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André Poloczek, 2018, Foto: Willi Barczat
Was noch wichtig ist
Von der Heydt-Preis 2022 geht an zwei Wuppertaler Künstlerinnen
Frauenpower beim Von der Heydt-Kulturpeis 2022: Der mit 12.500 Euro dotierte Hauptpreis geht an die Bildende Künstlerin Susanne Kessler und der mit 5.000 Euro dotierte Förderpreis an die Sängerin und Kom ponistin Maria Basel. Beide Künstlerinnen überzeugten das vierzehnköpfige Kuratorium jeweils mit ihrem „her ausragenden und charakteristischen Werk, ihrer enormen Experimentierfreude und Vielfalt im Kombinieren unter schiedlicher Gattungen und Genres sowie ihrer vitalen Of fenheit für Begegnungen mit anderen Kulturen, Ländern oder Menschen“, heißt es in der Begründung. Beiden ge meinsam sei ebenfalls, dass ihr jeweils künstlerischer Weg international ausgerichtet ist und sie bereits mit zahlrei chen Preisen ausgezeichnet wurden.
Susanne Kessler, wurde 1955 in Wuppertal geboren, hatte bis in die 2000er Jahre ihr Atelier in Wuppertal-Wichling hausen und lebt heute in Rom und Berlin. Charakteristisch für ihr Werk ist die Verschmelzung von Zeichnung, Malerei und plastischem Gestalten. Kleinformatige Zeichnungen mit malerischen und objekthaften Elementen verwandelt sie zu großformatigen, raumgreifenden Installationen (und umgekehrt) und löst dabei Gattungs- und Raum grenzen auf. Ihre Weltoffenheit zeigt sich in ihrem künst lerischen Werdegang, der sie durch Studium, Stipendien und Arbeitsaufenthalte durch Europa, Afrika, Asien sowie Nord- und Mittelamerika führte. In Wuppertal waren zu letzt 2019 Arbeiten von ihr in der Ausstellung „Kontinuum“ (gemeinsam mit der niederländischen Künstlerin Guda Kosta) in der Stadtsparkasse Wuppertal am Islandufer zu sehen.
Maria Basel, geboren 1990 in der Ukraine als Tochter ei ner Pianistin und eines Cellisten, kam zum Studium nach Wuppertal, wo sie heute lebt. „Wuppertal ist der Ort, an dem alles so richtig losgegangen ist“, sagte sie einmal und beschreibt damit zugleich ihre vielfältigen Wirkungskrei se in der Stadt. „Im Bereich der elektronischen Popmusik hat Maria Basel als Singer-Songwriter ihren ganz eigenen Stil entwickelt. Im Duett mit ihrem Klavier oder dem Syn thesizer vermag sie mit ihrer magischen Stimme und ihren
tiefgründigen Songs ihr Publikum zu verzaubern und in sphärische Momente zu entführen“, begründet das Kura torium die Entscheidung. Maria Basel, die bereits mit fünf Jahren klassischen Klavierunterricht bekam, komponiert, schreibt und produziert ihre Lieder selbst, sie gibt Konzerte in Wuppertal und geht international auf Tournee, und sie legt als DJ RIA selbst auf – etwa im Wuppertaler Kulturort LOCH, dem sie eng verbunden ist. 2021 erschien ihre De but-CD „Layers” beim Berliner Indie Label Listenrecords.
In der Geschichte des 1950 gegründeten von der HeydtPreises ist es erst das dritte Mal, das beide Preise an Frauen vergeben werden: 2012 an die Journalistin und Filmema cherin Anne Linsel und die Musikerin Roswitha Dasch, 1985 an die Schauspielerin Ursula von Reibnitz und die Malerin Graziella Drößler. Die Preisverleihung findet im Herbst 2022 statt. (akr/red)
Ehre für Wuppertaler Peter Hammer Verlag
Im Juni 2022 wurde der Wuppertaler Peter Hammer Verlag bereits zum dritten Mal in Leipzig mit dem Deutschen Verlagspreis geehrt. Kriterien für die Auszeichnung sind neben dem Verlagsprogramm das kulturelle Engagement, die Umsetzung innovativer Projekte oder eine besonders hohe Qualität in der verlegerischen Arbeit. Kriterien, die der 1966 gegründete Verlag, in dem u.a. auch die Bücher des Wuppertaler Illustrators Wolf Erlbruch erscheinen, seit vielen Jahren erfüllt.
Es ist nicht die einzige Ehre in diesem Jahr: Das Pappbil derbuch „Kann ich bitte in die Mitte“ von Susanne Strasser wurde in der Kategorie „2-6 Jahre“ mit dem Leipziger Lesekompass 2022 ausgezeichnet. Das Bilderbuch „Eines Nachts im Paradies“ von Jürg Schubiger und Rotraut Susanne Berner empfahl der Deutschlandfunk im Mai in seiner Rubrik „Die besten 7 Bücher für junge Leser“. Und das Bilderbuch „Ellington“ von Marlies Bardeli und Ingrid Godon stand im Juni im Mittelpunkt der Aktion „Das Jun ge Buch für die Stadt” in Köln. Neben besonders schönen Bilder- und Kinderbüchern liegt der Schwerpunkt des Ver lags von Beginn an auf Literatur aus Afrika und Lateiname rika. (akr)
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Literaturspaziergänge der besonderen Art
Flanieren bedeutet langsames, genüssliches Umherschlen dern, ohne Ziel, ohne Eile, ein Verweilen, ein Pausieren, ein bewusstes Aufnehmen der Umgebung mit allen zur Verfü gung stehenden Sinnen. Der klassische Flaneur ist im 19. Jahrhundert bekannt geworden, trug Stock, Mantel und Hut, kam aus den gehobenen Schichten oder der Bohème und hatte somit Zeit für Müßiggang.
Durch die Pandemie sind Spaziergänge zu einer weit ver breiteten Freizeitbeschäftigung geworden. Aber was be deutet Flanieren heute? Vor diesem Hintergrund entstand das Projekt Flanieren.Flexen.22, eine Kooperation der börse, Wuppertal, und des zakk, Düsseldorf, gefördert vom Ministerium für Kultur & Wissenschaft NRW. Kuratiert wird es von den Wuppertaler Kulturschaffenden Caroline Keufen und Ava Amira Weis. „Verschiedenste Blickwinkel, Lesarten, Fundstücke und Fragen tauchen auf, wenn wir einfach das Haus verlassen und ziellos durch die Gegend streifen wollen“, erklären die Veranstalterinnen. Dazu ge hört auch das „Flexen“ als sehr bewusstes, feministisches Bewegen im städtischen Raum.
Gestartet im Mai werden noch bis einschließlich Septem ber 2022 jeweils kombinierte Spaziergänge in Wuppertal und Düsseldorf sowie in den umliegenden Gebieten ver anstaltet. Regionale Autorinnen und Autoren, die sich mit dem Sich-Draußen-Bewegen auseinandersetzen, mit dem Sich-Treiben-Lassen und dem Sich-Erlauben tragen dabei an unterschiedlichen Orten Texte vor, welche die ganze Spannweite von Flanieren behandeln und zu einem Dis kurs anregen.
Die nächsten Termine: Özlem Özgül Dündar 30. Juli 2022, 15 Uhr,
Awista Gardi 31. Juli 2022, 15 Uhr,
Decolonize Wuppertal
Wuppertal, 27., 28. August 2022, 15 Uhr,
Jule Weber & Kamala Dubrovnik
Wuppertal, 17. September 2022, 19 Uhr,
Emilene Wopana Mudimu & Aylin Celik Düsseldorf, 18. September 2022, 19 Uhr.
Mehr Infos: https://dieboerse-wtal.de/flexen/ (akr)
Jede Menge Kultur beim Rheinischen Kultursommer
Unter dem Label „Rheinischer Kultursommer“ präsentie ren sich in diesem Jahr im Zeitraum Juni bis September 2022 wieder Veranstaltungsformate aller Sparten in und aus dem Rheinland – unterteilt in die Regionen Aachen, Bergisches Land, Niederrhein und Rheinschiene
Dabei laden die Programmpunkte gleichzeitig zum Kultu rerleben wie zum Entdecken der Regionen ein. Vieles fin det in der warmen Jahreszeit fernab der regulären Bühnen statt. Tanz und Theater auf der Straße oder im Steinbruch, Kunst und Musik in Burgruinen sowie kunterbuntes Pro gramm auf Plätzen und in Parks sind nur einige Beispiele für besondere Erlebnisse.
So lockt Kunst auf die Burg Blankenberg bei Hennef, Mär chenspiele nach Zons am Rhein, die Fête de la Musique nach Aachen, ein Römerspektakel in die Römerthermen Zülpich oder Sommermusik nach Schloss Rheydt. Alte Musik erklingt in der romanischen Klosterbasilika in Knechtsteden, barocke Sommeroper im Globe Neuss, jü dische Musik in der Synagoge Köln und Orgelmusik beim Orgelfestival in Altenberg.
Einen Überblick verschaffen kann man sich auch schon über die Termine des Düsseldorf-Festivals im September, wenn sich auf dem Burgplatz wieder internationale Com panien aus den (oft Sparten übergreifenden) Bereichen Per forming Arts, Theater, Musik, Tanz und Neuer Zirkus ein Stelldichein geben.
Alle Infos: www.rheinischer-kultursommer.de (akr)
Wupperfrauen – ein interaktiver Frauenstadtplan für Wuppertal
Wuppertal muss weiblicher werden. Unter den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen wird die Geschlechtergerechtigkeit und die nachhaltige Gestaltung der Städte aufgeführt. Aber Frauen und deren Geschichte werden bisher in Wuppertal kaum berücksichtigt. Zum Beispiel sind nur vier Prozent der Straßen in Wuppertal nach Frauen benannt. Frauen tauchen nicht auf oder gehen unter. Die Initiative „Wupperfrauen“, die von Uta Kroder, Ulrike Mecking-Kroder, Dagmar Hertle und Eva Wald schütz ins Leben gerufen wurde, möchte das ändern.
In einem virtuellen Stadtplan und auf einer Webseite sollen Wuppertaler Frauen aus Kunst, Kultur, Politik, Sport, Wis senschaft, Forschung und Religion auffindbar und ihr Le ben sichtbar gemacht werden. Fast alle kennen Pina Bausch
und Else Lasker-Schüler, aber wer weiß Näheres über The kla Landé oder Doris Pollatschek? Und es gibt noch viele mehr.
Stadtplan und Webseite sind bereits weit fortgeschritten und sollen nun in einem partizipativen Prozess weiter mit spannenden Frauenbiografien befüllt werden. Dazu gibt es ein Treffen für neugierig Gewordene und Interessierte, die vielleicht mitwirken möchten.
Am 8. September 2022 um 18.30 Uhr werden das Projekt und die Webseite einschließlich Stadtplan im Frauenzentrum URANIA in der Hochstraße 60 in Wuppertal vorgestellt.
Da die Zahl der Teilnehmenden aus räumlichen und even tuell auch pandemiebedingten Gründen begrenzt ist, ist eine formlose Anmeldung unter info@wupperfrauen.de erforderlich. (dh)
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Screenshot der Startseite „wupperfrauen.de“
Screenshot der Themenseite
Biografien auf „wupperfrauen.de“
Umgesetzt wurde diese Aktion von Fridays for Future Wup pertal zusammen mit dem renommierten Künstler und Bühnenbildner Knut Klaßen und seinen Studierenden. In einem Open Space entwickelten die Teilnehmenden auf grund von Gesprächen Slogans und Forderungen.
Sie alle haben damit eine deutliche Haltung angesichts des Klimawandels mitten in die Stadt getragen, Botschaf ten projiziert, die auch als Vorzeichen für alles Anstehende gedeutet werden können. Zugleich sind damit innovative Formen der Zusammenarbeit entstanden, die erahnen las sen, welche Potenziale auch zukünftig in einem entstehen den Pina Bausch Zentrum genutzt werden können.
Gestaltet wurde das Festival von der scheidenden Inten dantin des Tanztheaters Bettina Wagner-Bergelt und dem Dramaturgen Stefan Dreher. Beiden ist es gelungen, nicht nur brennende gesellschaftliche Themen aufzugreifen,
sondern mit der eigenen Festivalpraxis pulsierende Kolla borationen ganz unterschiedlicher Akteurinnen und Ak teure zu ermöglichen, Freiräume zu öffnen. „Die Hülle des Hauses haben wir wie eine Litfasssäule genutzt“, so Stefan Dreher, „während im Haus Kreativität getanzt, choreogra fiert wurde, einfach stattfand. Diese Parallelität ist poetisch und politisch zugleich, mit einem Male entsteht eine gro ße Leichtigkeit. Das Erdrückende der aktuellen Probleme kann dazu führen, dass sich beim Tanzen die Füße nicht mehr vom Boden lösen. Wenn dann so engagierte Men schen kommen, wie FFF* oder Du, die diese Dinge wirk lich in die Hand nehmen, dann entsteht mit einem Mal ein positiver Wind“.
Under construction. Wir bauen zusammen ein Haus hat sich vom Veranstaltungskonzept zur einprägsamen Erfah rung gemausert. Angesichts der alarmierenden Progno sen, die mit den Klimaberichten und den erschütternden
Rhythm Roller Skating, Foto: Andreas Kling
Klimafrühstück am 8. Mai 2022, Foto: Bastian Hessler
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Sati Veyrunes in „Hope Hunt“ von Oona Doherty Foto: Bastian Hessler
Graphic Recording: Dalibor Relic, Foto: Uta Atzpodien
Innenhof des zukünftigen Pina Bausch Zentrums mit Installation, Foto: Bastian Hessler
under constructionSzenario vor dem alten Schauspielhaus
Foto: Uta Atzpodien
jüngsten Kriegserfahrungen einhergehen, können Kunst, Kultur, Begegnungen und gestalterische Perspektiven zu kunftsweisende Räume öffnen.
„Hope Hunt“: Zwischen Wut und Leichtigkeit faszinierte virtuos und in unvergleichlicher Eigenart die Tänzerin Sati Veyrunes in der Choreografie der Belfasterin Oona Doherty. Sie führte die Zuschauenden vom Vorplatz in den Innen raum. Mit „Underdogs“ von Anne Nguyen, Künstlerin nen und Künstlern und Ensembles wie Richard Sieghal, Pau Aran, Rainer Behr, Nora Chipaumire oder auch Fabien Prioville mit seinen 3D-Tanzperformances als virtuelle Pa rallelwelten ist ein Kaleidoskop an bewegenden Kunster fahrungen entstanden. All dies inmitten des alten, schon etwas zerrütteten Gemäuers des Alten Schauspielhauses, das Böll 1966 mit seiner legendären Rede zur Freiheit der Kunst eröffnete.
Das von der Vielfalt der Kulturen geprägte Gemeinschaft projekt mit Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs Kohlstraße wurde von den in Wuppertal bekannten Kunst schaffenden ebenfalls ganz unterschiedlicher Herkunft angeleitet (Jorge Puerta Armenta, Anna Wehsarg, Milton Camilo, Horst Wegener und Tobias Daemgen). Dieses be rührende Zusammenspiel des szenischen Gestaltens wur de zu einem Empowerment-Prozess.
Mit dem vom LOCH gestalteten Nachtprogramm wurde die Expertise eines pulsierenden Kulturorts mit einbezogen. Mit der Care Station entstand ein metaphorisch angeleg ter Kunst-Pflegeraum. Das Dach der Stadt bespielte neben den bunten Festival-Flaggen die Container-Installation auf dem Vorplatz, versorgte das Publikum vegan. Direkt daneben zeigte eine Gruppe von Rhythm Roller Skatern, in welch vielseitigen Variationen Tanz beflügeln kann. Dazu gesellten sich die Wanderbäume fürs „talbuddeln“, eine In
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Jorge Puerta Amenta mit Schülerinnen und Schülern des Berufskollegs Kohlstrasse „We are nothing“ Foto: Bastian Hessler
Theater-Staffelbaum zu
Gast beim Klimafrühstück
Foto: Bastian Hessler
Fabien Prioville: Now Fiction
Foto: Bastian Hessler
Open Space mit FFF und Knut Klaßen
Foto: Bastian Hessler
itiative für Obstbäume in der Stadt, als weitere Akteure des Under-construction-Gefüges. Sie verliehen auf dem Festi val dem urbanen Grün der Stadt weitere Stimmen. In Pa tenschaft, erworben vom Tanztheater, werden die Bäume weiter gepflegt, bis sie dann in einigen Monaten auf Obst wiesen der Stadt eingepflanzt werden. Damit hat Under construction das unterstützt, wonach der Klimawandel schreit: die Stadt weiter zu begrünen, um die klimatischen Veränderungen auszugleichen und für alle Menschen Le bensqualität zu bewahren.
Als bundesweite Aktion der Vernetzung war bei Under con struction der Theater-Staffellauf für einen Tag zu Gast. Vom bundesweiten Performing for future initiiert wurde auf der West-und Ost-Achse jeweils ein Obstbaum von Kiel über insgesamt 49 Theater-Stationen bis hin zum Klima festival Endlich in Augsburg transportiert. In Wuppertal landete der Baum aus Essen per Lastenrad, persönlich vom Leiter von PACT Zollverein Stefan Hilterhaus mit Kolle gen gebracht. Erster kurzer Zwischenstopp im Tal war im nachhaltig engagierten K4-Theater für Menschlichkeit. Am nächsten Tag zog die Performerin Louisa Kistemaker von Wuppertal mit dem Baum weiter zu den Mülheimer The atertagen.
Symbolische Handlungen können wertvolle Zeichen set zen: Den Staffelbaum stellte die Koordinatorin für das Pina Bausch Zentrum Bettina Milz tatkräftig auf einen eigenen Platz beim Klimafrühstück. In einem Seitenflügel direkt neben einem der verwunschen-verwachsenen Innengärten des alten Schauspielhauses fanden die zwei Klimafrühstü cke statt. Kulinarisch ausgerichtet und liebevoll gedeckt wurden die Tafeln von Diana Lantzens Unverpacktladen.
Die organisatorische Konzeption und Moderation lag in den Händen von Sina Bublies von Fridays for future und mir als im Feld von Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit akti ven Dramaturgin. Oberbürgermeister Uwe Schneidewind, Sebastian Brünger für die Kulturstiftung des Bundes, An dreas Bialas für die Kulturpolitische Gesellschaft, Matthias Wanner für das Wuppertal Institut und Sevda Bilan für das Medienprojekt Wuppertal: Mit einigen weiteren engagier ten Akteurinnen und Akteuren der Wuppertaler Kultur landschaft war insgesamt eine gesprächsfähige Runde von 25 Personen zu Gast.
An zwei Tagen wurde die Stadtkulturlandschaft samt al ler bisherigen Errungenschaften in Sachen Nachhaltigkeit erfasst, per Graphic Recording dokumentiert, zugleich
wurden Perspektiven, insbesondere für das Pina Bausch Zentrum ausgelotet. Suffizienz, Vernetzung, Verstetigung erwiesen sich als zentrale Themen: „Ich wünsche mir we niger für mehr“, so Tine Lowisch von der Kunststation im Bahnhof Vohwinkel. „Mir liegt am Herzen, die soziale Dimension nicht zu vergessen“, erklärte Louisa Kistema ker, Aktivistin aus den darstellenden Künsten für das Ma nifÖST, ein Manifest für Ökologisch Soziale Transformati on. Sina Bublies von FFF: „Wir sehen in dieser Kooperation eine Riesenchance, endlich etwas gemeinsam in Wupper tal zu bewegen, einfach übergreifend in verschiedenen Sektoren, sei es Kultur, sei es Klimagerechtigkeit.“ Andrea Fütterer von der GEPA, ein lokales Unternehmen, das sich für fairen Handel und Klimagerechtigkeit engagiert: „Wir brauchen Druck auf der Straße, damit die Politik sich be wegt.“ Aufbauend auf den Aktivitäten in der Stadt erklärte Bettina Milz: „Das Pina Bausch Zentrum möchte ich gerne zu einem Best-Practise-Beispiel in Sachen Nachhaltigkeit machen.“ Das Bauvorhaben schätzte Sebastian Brünger für die Kulturstiftung des Bundes als herausfordernd ein, bemerkte zugleich: „Wuppertal ist schon ein besonderer Ort, weil dort so viel potente, kompetente Instanzen zu sammenkommen aus Politik, Wissenschaft, Aktivismus und Kunst. Um das für Kunst, Kultur und Nachhaltigkeit zu nutzen, sind das gute Voraussetzungen, mit diesem OB, der aus der Wissenschaft kommt, mit der Expertise Wup pertal Institut, Utopiastadt, Kulturinstitutionen, die sich dafür interessieren. Das sind tolle Ausgangsbedingungen, um auch modellhaft zeigen zu können, worum es geht. Sichtbar ist beim Frühstück auch geworden: Es gibt große Interessen, auch wenn das Ziel noch etwas diffus ist. Wenn es konkret wird, hat jeder Akteur seine Einschätzung, was es noch konkret braucht. Das gilt es zu moderieren.“
Nachklang: Auf dem Klimafestival „Endlich!“, ausgerichtet von Save the World, einer Plattform der Dramaturgin Nicola Bramkamp und dem Theater Augsburg, kamen Mitte Mai nicht nur die zwei Obstbäume vom Theater-Stauffellauf von Performing for future zusammen und wurden einge pflanzt. Auf dem inspirierendem Festival trat auch die Po litökonomin Maja Göpel auf, einst am Wuppertal Institut aktiv, mit der Sängerin Dota Kehr und begleitet von den Augsburger Symphonikern. Sie las performativ und berüh rend aus ihrem neuen Buch „Wir können auch anders“. Eine zentrale Szene war ein einzelner tanzender Mensch auf ei ner Wiese, dem sich immer mehr Menschen anschließen, alle tanzen mit, eine Bewegung entsteht. Genau das könnte ein Slogan für das entstehende Pina Bausch Zentrum sein: „Tanzt, tanzt, tanzt, für eine gemeinsame Zukunft!“
Uta Atzpodien
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In der Vorlaufphase zum zukünftigen Pina Bausch Zent rum knüpft an „under construction“ Remote X an, ein mobiles Forschungslabor des international renommierten Künstlerkollektivs Rimini Protokoll, das von Stadt zu Stadt zieht. Im September und Oktober lädt die Stadtperfor mance Remote Wuppertal, konzipiert von Stefan Kaegi, in Regie von Jörg Karrenbauer zu einer Audiotour ein, die das zukünftige Pina Bausch Zentrum mit zahlreichen Orten der Stadt verbindet. Eine Gruppe von 50 Menschen, ausgestattet mit Kopfhörern, wird von einer künstlichen Stimme durch die Stadt begleitet, eine choreografierte Tour, die gefühlt zu einem kollektiven Film mutiert.
Termine: jeweils von Donnerstag bis Samstag 1. bis 3., 8. bis 10., 15. bis 17., 22. bis 24. September, 29. September bis 1. Oktober und 6. bis 8. Oktober 2022
Vorverkaufsbeginn: 23. Juni 2022
Tickets:
Kulturkarte Wuppertal, Tickethotline 0202 563 7666, www.kulturkarte-wuppertal.de
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Die zwei Apfelbaumsetzlinge Goldparmäne und Roter Berlepsch auf dem Klimafestival „Endlich“ in Augsburg. Der Theater-Staffellauf hatte insgesamt an 49 Tanzund Theaterorten Station gemacht, die jeweils bunte Buchstaben kreierten. In Wuppertal beim K4-Theater für Menschlichkeit und dem Festival „under const ruction“ im zukünftigen Pina Bausch Zentrum: „Auf die Plätze endlich (los)! Per forming for future“, Foto: Uta Atzpodien
Kulturtipps für Kinder und Jugendliche
LCB | Haus der Jugend Barmen
Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Aktuelle Infos über hdj-online.de
Sommertheater 2022
4 Sonntage im Juli, umsonst & draußen, am und ums Haus der Jugend Barmen - wieder einmal wird das Sommerthea ter die Herzen und Köpfe der Kinder und der Erwachsenen erfreuen, ihnen die Tränen (vor Lachen) in die Augen trei ben und es kunterbunt werden lassen. Drei der wunder vollen Stücke sind vom NRW-Kultursekretariat Wuppertal gefördert, Garant für hervorragende künstlerische Leis tungen! Ergänzt wird das Sommertheater wieder durch die Open Air-Version des Schnipselkinos. Viel Spaß! Kostenlose Tickets können über wuppertal-live.de reserviert werden.
Sonntag, 3. Juli 2022, 16 Uhr Geschwister-Scholl Platz vor dem Haus der Jugend Barmen Monsieur macht Kunst Humor in schwarz-weiß. Ab 4 Jahren, Dauer: ca. 45 Minuten
Mit Monsieur – Clown, Pantomime, Artist und Pianistin Nora Born, Komposition: Nora Born Monsieur ist grimmig, tanzt auf dem Schlappseil, jong liert und manipuliert allerlei Dinge und ganz besonders das Publikum. Ganz ohne Worte, bildgewaltig, beeindru ckend und urkomisch! Am Miniaturflügel begleitet ihn die Pianistin Nora Born mit ihrer Musik und macht das Stummfilmfeeling perfekt. Das mehrfach preisgekrönte Programm ist ein großartiges Erlebnis für die ganze Fami lie! Das Kindertheater in den Ferien wird gefördert durch das NRW-Kultursekretariat.
Sonntag, 10. Juli 2022, 16 Uhr auf dem Spielplatz hinter dem Haus der Jugend Barmen Artisanen - 3 kleine Schweinchen Ein sauturbulentes Puppentheaterstück nach dem be rühmten englischen Märchen.
Ab 4 Jahren, Dauer: ca. 40 Minuten
Mit Inga Schmidt und Stefan Spitzer Konzeption, Regie: Artisanen; Puppen, Bühnenbau Stefan Spitzer Puppenkostüm: Gefahrenzone Berlin
Die 3 kleinen Schweinchen Bob, Beate und Bernhardt haben nichts anderes im Sinn als Fressen, Spielen und Krach ma chen. Da muss doch jemand mal ein Machtwort sprechen! So werden sie von den eigenen Eltern aus dem Haus gejagt und müssen ihre eigenen Wege gehen. Jedes Schweinchen baut sich ein eigenes Haus, eins aus Stroh, eins aus Holz und eins aus Stein. Aber die 3 haben nicht mit dem gewitz ten Wolf gerechnet, der sich etwas ganz Besonderes ausge dacht hat, um sie zu überlisten. Das Kindertheater in den Ferien wird gefördert durch das NRW-Kultursekretariat.
Sonntag, 24. Juli 2022, 11 Uhr auf dem Spielplatz hinter dem Haus der Jugend Barmen Schnipselkino - Lieselotte macht Urlaub von Alexander Steffensmeier Ab 4 Jahren, Dauer ca. 40 Minuten
Der Postbote macht Urlaub und schreibt Lieselotte eine Ansichtskarte. „Ferien machen, das will ich auch“, denkt Lieselotte, packt ihre Reisetasche und trabt zur Bushal testelle. Als nach Stunden immer noch kein Bus kommt, trottet Lieselotte enttäuscht wieder in Richtung Hof. Aber schon nach ein paar Schritten entdeckt sie das perfekte Ur laubsziel. Was wird Lieselotte wohl erleben?
3 kleine Schweinchen, Foto: Sandra Hermannsen
Monsieur macht Kunst
Eine turbulente Feriengeschichte mit der Kuh Lieselotte. Im Schnipselkino werden Bilderbücher für Kinder und Er wachsene auf eine ganz eigene Art bearbeitet. Wir fotogra fieren Bilderbücher, und führen den Blick durch das Buch. Bei detailreichen Bildern ist man oft überfordert: „Wo soll ich bloß zuerst hinschauen?“
Wir haben eine Methode gefunden, ein Bilderbuch auf ganz neue Weise zu erzählen. Wir verdecken anfangs große Teile der Buchseite, und zeigen sie im Verlauf der Erzäh lung nach und nach. Hinzu tritt noch Live Musik und na türlich Live Sprecher, denn die Geschichten sollen ja auch erzählt werden. So entsteht eine sehr spannende Interpre tation des Buches. Die fast filmische Aufarbeitung macht dem Buch aber keine Konkurrenz. Vielmehr entsteht eine musikalische Erzählung der Geschichten, die beim nächs ten Durchblättern der Bücher in den Köpfen nachwirkt.
Er spürt eine Wildheit in sich aufkommen. Und eines Tages hat Herr Tiger eine ganz wilde Idee! Mit Tempo, Witz und liebevollen Details spielt das Theater con Cuore diese Geschichte, die nachvollziehbar macht, dass jeder seinen Freiraum braucht, um sich selbst zu ent wickeln, ohne dabei anderen auf die Füße zu treten. Kindertheater in den Ferien gefördert durch das NRW-Kultursekretariat
Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater
Theater im Berufskolleg, Bundesallee 222, 42103 Wuppertal Infos und Anmeldung über: kinder-jugendtheater.de oder telefonisch 0202 899154
K 4 | Theater für Menschlichkeit
Neuenteich 80, 42107 Wuppertal
Weitere Infos: k4theater.de oder tel.: 0202 44 77 66
Akademie für Darstellende Kunst Westfalen
Neuenteich 80, 42107 Wuppertal
Sonntag, 31. Juli 2022, 16 Uhr auf dem Spielplatz hinter dem Haus der Jugend Barmen Theater con Cuore – Tigerwild Ab 4 Jahren, Dauer ca. 50 Minuten
Puppentheater frei nach dem Kinderbuch Herr Tiger wird wild von Peter Brown. Eigentlich geht es Herrn Tiger sehr gut. Er hat eine gemüt liche Wohnung, geht jeden Tag zur Arbeit und spielt ab und zu mit den Nachbarkindern im Hof Verstecken. Und doch fühlt er sich zunehmend unwohler. Denn alle um ihn herum sind immer so überanständig, ja, fast langweilig.
Aktuelle Infos: adkwestfalen.de oder tel.: 0202 44 77 66
Die Stagefreaks sind in Wuppertal! Schauspiel, Tanz und Gesang ist unsere Leidenschaft. Wir unterrichten dich in allen drei Bereichen und zeigen dir, wie du sie eindrucks voll kombinieren kannst. Jeden Samstag bieten wir dir ein geschütztes Umfeld. Peinlich gibt’s nicht. Hier hilft jeder jedem und ist für den anderen da. Gemeinsam gibt es für uns keine Grenzen! Egal, ob du gerade erst einsteigst oder schon auf dem Weg bist. Wir holen dich ab, wo du stehst, nehmen dich mit deinen ganz persönlichen Eigenschaften auf und bringen dich weiter. Auf der Bühne und im Leben!
Schnipselkino, Lieselotte macht Urlaub
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Tigerwild, @theater con cuore
Kultur- und Ferientipps für Kinder und Jugendliche
Junior Uni Wuppertal
Forscherplattform Bergisches Land
Am Brögel 31, 42283 Wuppertal Kursprogramm, auch mit eigener Sparte „Kunst & Kultur“: junioruni-wuppertal.de
Kulturelle Jugendbildung
Kursinformationen und Anmeldungen über: jugend-kult.de oder telefonisch: 0202 563-2645
Ein buntes und interessantes Programm für Kinder und Jugendliche quer durch alle Stadtteile Wuppertals könnt ihr auf der Internetseite jugend-freizeit.de finden.
Von der Heydt-Museum
Angebote für Kinder und Familien Turmhof 8, 42103 Wuppertal von-der-heydt-museum.de Für alle Angebote ist eine Anmeldung erforderlich. Buchungen im Onlineshop auf der Website des Museums oder per E-Mail: vdh.kunstvermittlung@stadt.wuppertal.de Tel 0202 563-6630 oder 563-6900. Anmeldungen am Wo chenende nur an der Museumskasse, Tel. 0202 563-2223. Aufgrund der aktuellen Pandemie-Situation bitte auf der Webseite über kurzfristige Änderungen informieren.
Medienprojekt Wuppertal
Hofaue 59, 42103 Wuppertal-Elberfeld Infos und Kontakt: medienprojekt-wuppertal.de Tel 0202 28 31 98 79
Filme machen, Filme schauen für junge Menschen ab 14 Jahren, Teilnahme an Filmprojekten (Doku, Kurzspielfilm, Musikvideo u.a.). Teilnahme kostenlos
Wuppertaler Bühnen
Kurt-Drees-Str. 4, 42283 Wuppertal, oper-wuppertal.de
Kontakt:
Charlotte Arndt Theaterpädagogin – Schauspiel 0202 5637646, charlotte.arndt@wuppertaler-buehnen.de Maria Stanke Theaterpädagogin – Oper 0202 5637645, maria.stanke@wuppertaler-buehnen.de Sophie Künnecke Theaterpädagogin – Oper 0202 5637645, sophie.kuennecke@wuppertaler-buehnen.de
Nadja Wiesemann
Educationmitarbeiterin – Sinfonieorchester, 0202 5632614, n.wiesemann@sinfonieorchester-wuppertal.de Heike Henoch Education Management – Sinfonieorchester 0202 563 2614, h.henoch@sinfonieorchester-wuppertal.de
Kronleuchterfoyer der Oper Wuppertal
Dienstag, 6. September 2022, 10 Uhr KIWI –Kinder- und Wiegenlieder aus aller Welt
Bei KIWI (Kinder- und Wiegenlieder aus aller Welt) musi zieren Sängerinnen, Sänger, Musikerinnen und Musiker der Wuppertaler Bühnen gemeinsam mit Eltern und ihren Kindern Wiegenlieder verschiedenster Kulturen und Spra chen. Zweimal im Jahr findet das Projekt in Kooperation mit der Bergischen Musikschule Wuppertal und dem Kommunalen Integrationszentrum im Opernhaus statt –eingeladen sind alle Eltern und Großeltern mit Kindern von null bis drei Jahren!
Der Eintritt ist frei!
Termine auf Anfrage, ab August 2022 Kistenoper – Alle an Bord!
Klasse 1 bis 4
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KIWI, Foto: Uwe Schinkel
Eine ganze Oper aus der Kiste! Nach diesem Motto bringt die Oper Wuppertal das interaktive Format ›Kistenoper‹ in die Klassenzimmer. Piratenkapitän Osmin hasst alle Köni ginnen und Könige – aber vor allem hasst er es, sein Pira tenschiff zu putzen. Da kommt die Königin Blonde doch gerade recht … Gemeinsam mit unseren Opernsängerinnen, Opernsän gern und Pianisten tauchen die Grundschulkinder in die Geschichte ein und entdecken verschiedene Aspekte des Musiktheaters: Was gehört alles dazu, um in eine Rolle zu schlüpfen? Welche wichtigen Aufgaben gibt es während ei ner Vorstellung noch? Und vor allem: Wer muss denn nun das Deck schrubben? Das alles wird in diesem interaktiven Musiktheater im Klassenzimmer ausprobiert, gespielt und musiziert.
Dauer: ca. 35 Minuten, Realisierbar in einer Schulstunde
Donnerstag, 24. November 2022 (Einsendeschluss)
Comicwettbewerb ab 12 Jahren
Unser Comicwettbewerb geht in die sechste Runde. Auf gabe ist es dieses Mal, die Oper La traviata von Giuseppe Verdi zu gestalten. Teilnehmen können Jugendliche ab 12 Jahren – allein oder als Gruppe, im Kunstunterricht oder in der Freizeit. Der Siegercomic wird in unserem Programm heft erscheinen und auf unserer Website präsentiert. Eine Auswahl der schönsten Comics wird im Foyer des Opern hauses und im Lichthof des Rathaus Barmen ausgestellt. Weitere Informationen und Anleitung unter oper-wup pertal.de/comic
Theater am Engelsgarten
Samstag, 20. August 2022 (Premiere)
Das Gespenst von Canterville frei nach „The Canterville Ghost“ von Oscar Wilde Fassung von Charlotte Arndt und dem Ensemble des The ater der Generationen
Schloss von Canterville 2022. Armer Sir Simon! Als nach 40 Jahren Leerstand endlich wieder Menschen ins Schloss von Canterville einziehen, sind es ausgerechnet eine amerika nische Wissenschaftlerin und ihre Influencerinnen-Töch ter. Kamerablitze, TikTokVideos, wissenschaftliche Expe rimente – alles Hexenwerk und definitiv zu viel für den altmodischen Geist, der am liebsten das Weite suchen wür de. Doch ein Fluch fesselt ihn unumkehrbar an das Schloss. Ein Glück, dass auch Virginia zur Familie gehört und der Geschichte auf den Grund gehen will …
Das Gespenst von Canterville
Ein Jahr lang entwickelten die 13 – 80-jährigen Teilneh merinnen und Teilnehmer des Theater der Generationen gemeinsam eine eigene Fassung des berühmten WildeKlassikers und holen die Geschichte ins „Hier und Jetzt“. Entstanden ist eine heiter-schaurige Inszenierung zwi schen Witz und Tiefe, Vergangenheit und Gegenwart, Dies seits und Jenseits.
Sinfonieorchester Wuppertal
Historische Stadthalle Wuppertal, Großer Saal
Sonntag, 25. September 2022, 11 Uhr
Der Feuervogel
1. Familienkonzert, ab 6 Jahren Juri Tetzlaff Moderation
Patrick Hahn, Dirigent Prinz Iwan verirrt sich auf der Jagd nach dem Feuervogel in den Garten des bösen Zauberers Kaschtschei. Als es dem Prinzen gelingt, den Feuervogel zu fangen, bittet ihn dieser um seine Freiheit und aus Mitleid lässt der Prinz ihn los. Zum Dank erhält er eine goldene Fe der, mit der er in Not den Feuervogel zu Hilfe rufen kann. Im Garten beobachtet Iwan dreizehn Prinzessinnen, die von Kaschtschei gefangen gehalten werden und verliebt sich in eine von ihnen. Wäre da nicht der böse Zauberer, der den Prinzen in Stein verwandeln will.
Probenbesuche auf Anfrage
Kontakt: n.wiesemann@sinfonieorchester-wuppertal.de
Mal so richtig nah am Orchestergeschehen sein und den Musikerinnen und Musikern über die Schulter schauen? Wie funktioniert so eine Orchesterprobe? Wie kommen rund 60 bis 90 Musikerinnen und Musiker zu einem Er gebnis? Wer hört auf wen und wer hat das letzte Wort be ziehungsweise den letzten Ton?
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Kistenoper, Foto: Maria Stanke
Gottfried Hattinger, Maschinenbuch.
Eine Sammlung zur Kultur- und Kunstgeschichte der Apparate, 632 Seiten mit 950 farbigen und s/w-Abbildungen, gebunden, Hardcover, 25 x 19,5 cm, Scheidegger & Spiess, 38,- €
Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch Vom Geist der Erfinder
In einem Land der Tüftler und visionären Erfinderinnen gibt es die besonderen Uhren, die kinetischen, verspieltnutzlosen Brunnen und Objekte, die Tresore der Banken und die Zollfreilager, die Totentänze und die Maskierun gen der alemannischen Fastnacht, wobei sich vieles davon auch andernorts findet. Aber hier kommt eine erfreuliche Anzahl an Literatur- und Kunstbuchverlagen hinzu, welche jetzt in verschiedenen Publikationen derartige Besonder heiten ansprechen, diese aber als internationale Phänome ne vorstellen. So war vor Kurzem im Schlossmuseum Linz die Ausstellung „Weltmaschine“ zu sehen. Wenn sie, kura tiert von Gottfried Hattinger, ungefähr so gelungen war wie das begleitende Buch von Scheidegger & Spiess, dann muss sie fantastisch gewesen sein. Das Maschinenbuch ist eine Reise durch die Welt der Erfindungen und scheinbaren Erfindungen auch in der Kunst, die dies aufgreift und wei terdenkt. Die Erfindungen sind Apparate, die dem Wissen und der Kultur und der ästhetischen Formgestalt, schließ lich den technischen Möglichkeiten der verschiedenen Jahrhunderte „unterliegen“ – das führt von der „Gottesma schine“ über die „Höllenmaschine“ zur „Menschmaschi ne“ und über die „Klangmaschine“ bis hin, kurzerhand, zur „Kunstmaschine“. Im Detail werden hier Reliefs mit Orgelmaschinen in Konstantinopel um 390, mittelalterli che Zeichnungen von Menschenhand gesteuerter Drachen und Engel ebenso vorgestellt wie „Der Schachtürke“ des Wolfgang von Kempelen, surreale Mensch-Entwürfe sowie kinetische Objekte von Tinguely, natürlich, oder Rebecca Horn, miteinander martialisch kämpfende und Feuer wer fende Fahrzeuge, und dann auch, Jahrzehnte später entwi
Claude Lichtenstein,
Die Schwerkraft von Ideen.
Eine Designgeschichte, zwei Bände, zusammen 828 Seiten mit 367 üwg. s/w-Marginalabbildungen, Broschur, 19 x 13,5 cm, Birkhäuser, jeder Band 29,95 €
ckelt, künstliche Fauna und Bioadapter. Hilfreich dabei ist, dass all diese Ideen in eigenen Einträgen präsentiert und einander zugeordnet sind. Zusammen ergeben sie eine opulente Kulturgeschichte des menschlichen Einfalls und der nie endenden Ideen. Was sich dabei aber eben auch mit teilt, ist das Zusammenspiel von Form, Technik, Praktika bilität, Möglichem und Erschwinglichem der Apparate.
Was alles zu bedenken ist, wie sich Form entwickelt und wie alles zusammenhängt, auseinanderentwickelt und die Historie dabei eine Rolle spielt, vermittelt ein weiteres, nun zweibändiges Buch, das ebenfalls das Niveau und den Erzählduktus hin zum Klassiker besitzt, Die Schwerkraft von Ideen. Schon der Titel! Die Darlegung, die in der pro minenten Reihe „Bauwelt Fundamente“ bei Birkhäuser erschienen ist, versteht sich, wie es im Untertitel heißt, als „Eine Designgeschichte“ mitsamt etlicher kluger, ein gefügter kulturgeschichtlicher und -theoretischer Über legungen. Der Autor Claude Lichtenstein (*1949), der über eineinhalb Jahrzehnte die Ausstellungen zu Architektur und Design am Museum für Gestaltung in Zürich kura tiert hat, geht chronologisch, exemplarisch vertiefend vor, er klärt das Thema, ist sich seiner eurozentrischen Perspek tive bewusst, hat ein Gespür für die Intelligenz von Kurio sitäten und versteht es, die Vergangenheit mit der Gegen wart zu verknüpfen. Und er berücksichtigt soziale Aspekte und ökologische Verantwortung. Immer wieder gibt er die verschiedenen Voraussetzungen und Bedingungen für eine Designlösung zu bedenken, wozu gesellschaftliche Impli kationen und wirtschaftliche Folgen gehören.
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Carlo Mollino, Architect and Storyteller, englisch, 456 Seiten mit 550 üwg. farbigen Abbildungen, gebunden, Hardcover, 32 x 24 cm, Park Books, 85,- €
Willi Facen, Überlebensstrategien, 168 Seiten mit 170 üwg. farbigen Abbildungen, gebunden, Hardcover, 31 x 25,5 cm, Scheidegger & Spiess, 58,- €
Das Zusammenwirken von Design und Architektur hat im Besonderen Carlo Mollino (1905-1973) beschäftigt, der es trotz eines eigentlich überschaubaren Werkes zu welt weiter Bekanntheit gebracht hat. Er war ein Tausendsassa mit weitem Horizont. Wie sein Vater war er als Architekt in Turin tätig, wo er die unterschiedlichsten Bautypen ent warf, aber nur zehn Gebäude ganz verschiedener Nutzung und Gestalt verwirklichen konnte. Er lieferte das Innenle ben der Gebäude, ihr Design, gleich mit, entwarf Möbel, andererseits aber auch einen Rennwagen, erfand einen Kurvenschwung in der Skifahrt und damit zugleich einen besonderen Kurvenverlauf, den er wie manche andere sei ner Erfindungen als Patent angemeldet hat. Das Buch Carlo Mollino - Architect and Storyteller, erschienen bei Park Books, ist erstaunlich, irgendwie abstrakt, aber wenn man die Geschichte und die Produktivität von Mollino kennt, auch wieder nicht. Es dringt gleichsam in Mollinos Kosmos in seiner Heimatstadt Turin ein, schaut mit seinen Augen, zitiert aus seinen Korrespondenzen und Texten und schrei tet quasi, in den ganzseitigen, meist historischen fotogra fischen Aufnahmen (die z.B. Magazinen oder Fotoalben entnommen sind) die Architekturdetails entlang. Die Rolle von Glas und Geschwindigkeit (die Liebe zum Rennpferd) wird anschaulich. Nur das Möbeldesign selbst, mit seiner organischen Formung, kommt hier wenig vor, aber das wäre doch ein anderes Projekt: Auch dieses Buch bleibt bei aller Opulenz, allem vermeintlich Ausschweifenden äu ßerst konzentriert. Und dann spürt man, wie authentisch es gewiss ist und weiß es umso mehr zu schätzen.
Ebenfalls ein Sonderling im angenehmen Sinne, der zu rückgezogen und einzelgängerisch an seinem Werk arbei tet, ist – gewiss ganz anders, aber eben doch – der Züricher
Maler Willi Facen (*1930). Dass er nun, im hohen Alter, mit Ausstellungen gefeiert und mit einer grundsoliden Mono grafie unter dem Titel Willi Facen – Überlebenskünstler gewürdigt wird, mag ihn mit einem gemischten Gefühl höflicher Freude erfüllen. Aber die Malerei ist hermetisch, besteht sozusagen aus transparenten, kantig begrenzten Eisblöcken, die zugleich einen lichtdurchfluteten wie end losen Raum umfassen. Facen malt großformatige Aquarelle auf Papier. Die zentralen Sujets im Buch von Scheidegger & Spiess sind die Arche Noah, die schon mit einer architekto nisch-urbanen Struktur ausgestattet ist, und ein bildfül lender gewaltiger Turm, der direkt an den Turmbau zu Ba bel denken lässt. Diese Bilder referieren auf Grundformen und Weiterentwicklungen, wie wir sie von den Pyramiden ebenso wie aus „Blade Runner“ kennen, aber auch aus den Kathedralen des Lichts, wie sie Feininger gemalt hat. Und doch kennzeichnet Facens Werk ein ganz eigener Klang. Es gibt noch weitere, teils figürliche Werkgruppen, immer aber dominiert der lichthelle, unbegreifliche Raum, der sich ins Endlose zu dehnen scheint. Gewiss hängt dieses bewundernswert konsequente Werk damit zusammen, dass Facen seit 1967 sein Atelier in der ehemaligen Täufer kapelle am Neumarkt in Zürich hat (einst war hier Varlin sein Ateliernachbar), mitten im Epizentrum der Stadt, ab geschirmt vom äußeren Geschehen, erst recht vom Kunst betrieb. Seine Bilder verbinden das Archaische mit dem Unterbewusstsein und mit einem futuristischen Sound, gewiss ein bisschen wie H.R. Giger, auch der ein Schweizer, aber doch völlig anders, bescheidener und beseelter: In ih rer existenziellen Durchdringung, die auf unser reines Da sein zwischen Geburt und Tod anspielt, sind Facens Bilder ernsthaft und introvertiert. Sie sind im besten Sinne aus der Zeit gefallen.
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AUSSTELLUNGEN
Stadtsparkasse Wuppertal
Kundenforum am Islandufer, 42103 Wuppertal
Eröffnung: Mittwoch, 7. September 2022, 19,30 Uhr Tatjana Valsang STREIFZUG
Botanischer Garten auf der Hardt
Elisenhöhe 1, 42107 Wuppertal
Sonntag, 3. Juli bis Freitag, 30. September 2022
10. Skulpturenprojekt auf der Hardt
Vernissage: Sonntag, 3. Juli 2022, 11 Uhr. Es spricht Wilko Austermann. Um 14 Uhr: Konzert „RESET 2.1“ mit Enno Gremser Bass, Peter Ryzek Piano und Peter Caspary Gitarren, Synthesizer, Percussion, Daxophon
2009 hat Oswald Gibiec-Oberhoff, Designer und Künst ler aus Wuppertal, das Skulpturenprojekt im Botanischen Garten Hardt ins Leben gerufen und bis 2017 durchgeführt. Seitdem ist der Kunstsommer auf der Hardt zu einem fes ten Bestandteil der Wuppertaler Kulturszene geworden. Das 10. Skulpturenprojekt Hardt, organisiert von Jaana Caspary, Jonas Hohnke und Charlotte Perrin in Zusam menarbeit mit dem Verein der Freunde und Förderer des Botanischen Gartens, findet vom 3. Juli bis 30. September 2022 statt. Zu sehen sein werden Skulpturen und Installa tionen von insgesamt 11 Künstlerinnen und Künstlern, die zum größten Teil speziell für die Gartenanlage entwickelt wurden. Beteiligt sind: Maike Denker, Ahu Dural, Jochen Damian Fischer, Wolfgang Flad, Bernd Kastner, Renate Löbbecke, Katharina Maderthaner, Dorothea Nold, Thomas Rentmeister, David Semper und Johannes Specks.
30 Jahre lang hatte Tatjana Valsang für sich im Atelier gear beitet hat, ohne ihre Bilder zu zeigen, bevor sie 2011 erstmals und sogleich sehr erfolgreich in der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer öffentlich ausstellte. 2013 folgte eine gro ße Einzelausstellung in der Von-der-Heydt-Kunsthalle in Barmen. Ab 7. September 2022 gibt es nun die Gelegenheit, Malerei aus ihrem eigenen Bestand auf einem Streifzug durch die Stadtsparkasse Wuppertal vom Kundenforum am Islandufer, im Private Banking und in der Glashalle am Johannisberg zu sehen. Das Kundenforum ist geöffnet während der normalen Geschäftszeiten, die andere Orte mit Sonderöffnungszeiten. Es erscheint ein Katalog. Zur Eröffnung am 7. September, 19.30 Uhr, spricht der langjäh rig in Wuppertal beheimatete, seit einigen Jahren in USA lebende Künstler Rob de Vrij.
Musik: Salome Amend Vibraphon/Perkussion. (akr)
Haus Martfeld
Haus Martfeld 1, 58332 Schwelm
noch bis Sonntag, 31. Juli 2022 design-ikonen: Miniaturstühle aus der Sammlung von Dirk Dowald, Fotografien von Marko Dowald.
Seit ca. 40 Jahren interessiert sich Dirk Dowald (www.mi niaturstuhl.de) für Designgeschichte, insbesondere die von Stühlen, und sammelt seit 1996 Miniaturstühle. Bis heute trug er um die 450 solcher Miniaturobjekte (Maßstab 1:6) zusammen. Davon werden 85 in der Schwelmer Ausstel lung gezeigt, darunter Entwürfe von Alvar Aalto, Charles & Ray Eames, Arne Jacobsen, Gerrit Rietveld, Eero Saarinen u.a.. Ergänzt wird die Ausstellung durch Fotografien Mar ko Dowalds (www.dowald.art), der die Miniaturen in drei Fotoserien dokumentiert hat. schwelm.de
Tatjana Valsang, Dokkagelb-Pigmentdruck
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Bergische Kunstgenossenschaft
Hofaue 55, 42103 Wuppertal Kolkmannhaus Hinterhaus, 3.Etage,
Sonntag, 14. August bis 11. September 2022 „ver rückt – gucken gratis.“ Carola Engels und Andreas Landrock Eröffnung ist am 14. August 2022 um 11 Uhr Wolfgang Eichler Piano
Zu sehen ist eine ungewöhnliche Mischung aus Installati on, Malerei und Objekten der beiden BKG Mitglieder aus Ratingen und Wuppertal. bkg.wtal.de
Wasserschloss Lembeck
Schloss 1, 46286 Dorsten-Lembeck
Freitag, 26. bis Sonntag, 28. August 2022, 10-18 Uhr „FineArts“
Mit hochkarätigen Künstlern, Kunsthandwerkern und Designern
Zahlreiche Besucher strömten schon in den vergangenen vierzehn Jahren zu diesem außergewöhnlichen Event ins Schloss Lembeck nach Dorsten. Immer am letzten August wochenende kommen über 160 Künstler, Kunsthandwer ker und Designer zu „FineArts“, die in dieser Qualitäts dichte und -breite nur an ganz wenigen Orten in Europa zu sehen sind. Hier trägt jedes Stück seine persönliche Hand schrift: bezaubernde Skulpturen aus Keramik, Eisen, Holz und Stahl, von höchster Stelle ausgezeichnetes SchmuckDesign sowie einzigartige Werke der bildenden Künste er warten Sie.
Lassen Sie sich verzaubern von diesem ungeheuren Puls der Kreativität der handverlesen ausgewählten Manufakturen, die die Entstehung Ihrer Arbeiten teilweise vorführen und gehen Sie auf Entdeckungsreise zu Ihren Lieblingsstücken. Harmonisch eingebettet in die faszinierende Parkland schaft eines der schönsten barocken Wasserschlösser Deutschlands genießen die Besucher ein außergewöhnli ches Programm mit Butler James und einer Hutkünstlerin „Chapeau D‘oro“ sowie ein besonderes kulinarischen An gebot: Elsässer Flammkuchen, feine Kaffee- und Kuchen spezialitäten, frisch gebackenes Brot aus einer historischen Bäckerei, köstlichen Flammlachs und herrliche Sommer weine. Alle Ausstellerporträts und VVK unter Schloss-Lembeck.net. Eintrittskarten können auch direkt vor Ort er worben werden.
Eintritt: Erwachsene 12 Euro, Kinder bis 16 Jahre frei. Veranstalterin: OpenMind ManagementService, Anke Peters, omms.net
Historische Stadthalle
Johannisberg 40, 42103 Wuppertal
Samstag, 8. und Sonntag, 9. Oktober 2022, 10-18 Uhr „FineArts“
Mit 100 hochkarätigen Künstlern, ausgewählten Manufakturen und Designern
Mehr als 100 Aussteller aus den Bereichen der bildenden und angewandten Künste, des traditionellen Handwerks und des modernen Schmuck- und Textildesigns werden am 8. und 9. Oktober ihre faszinierenden Unikate ebenso präsentieren wie einzigartige Manufakturen, die langle bige Produkte nachhaltig fertigen.
FineArts findet zum 2. Mal in der kompletten Histori schen Stadthalle Wuppertal mit ihren atemberaubenden Sälen auf zwei Etagen statt. Weitere Infos, Ausstellerport räts und VVK unter kunstmarkt.net
Eintritt: Erwachsene 10 Euro; Kinder bis 16 Jahre frei omms.net
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Museum Ratingen
Peter-Brüning-Platz 1, 40878 Ratingen, (Eingang Grabenstraße)
noch bis Sonntag, 31. Juli 2022 Unendliche Geschichten
Aus der Sammlung Oehmen Lisa und Stephan Oehmen sammeln seit den 1980er-Jahren zeitgenössische Kunst, wobei ihre große Leidenschaft der figurativen Malerei gilt. Im Museum Ratingen zeigen sie nun eine Auswahl von rund 80 Exponaten, die 13 Künstle rinnen und Künstler geschaffen haben. Die ausgestellten Werke vermitteln einen lebendigen Ein druck der Sammlung Oehmen und erzählen zugleich ihre Geschichte von den Anfängen bis heute. Zu sehen gibt es vor allem Gemälde, die teilweise im gro ßen Format erworben wurden, außerdem Zeichnungen, Fotografien, Skulpturen und Objekte. Viele Werke sind phantastisch surreal und rätselhaft und lassen die Besu cherinnen und Besucher in ganz eigene Welten eintau chen. Bemerkenswert an der rheinischen Sammlung ist, dass immer wieder junge Kunstschaffende durch Ankäufe gefördert werden. museum-ratingen.de
Museum Morsbroich
Gustav-Heinemann-Straße 80, 51377 Leverkusen
noch bis Freitag, 16. September 2022 2022: spielzeit #1 1 Prozess, 1 Ort, 11 + 4 Räume
Mit den „Morsbroicher Kunsttagen“ begann unter dem Titel „2022: spielzeit #1“ ein neuer Abschnitt in der Geschichte des Museums Morsbroich.
Worum geht es in „2022: spielzeit #1“? Ausgehend von der Frage „Wie wird aus einem Museum für Gegenwartskunst ein gegenwärtiges Museum?“ begibt sich das Museum Morsbroich unter der neuen Leitung von Jörg van den Berg mit „2022: spielzeit #1“ in einen offenen und öffentlichen Prozess, der das gesamte Ensemble Mors broich in den Blick nimmt. Begleitet wird dieser Entwick lungs- und Gestaltungsprozess von einem Kreis gezielt ausgewählter Künstlerinnen und Künstler, die sich über einen längeren Zeitraum hinweg intensiv mit Morsbro ich befassen. Es entsteht so ein sich über mehrere Mona te erstreckendes Projekt, das diese Entwicklung mit einer wachsenden, sich nach und nach verändernden Inszenie rung und zahlreichen Veranstaltungen begleitet, beein flusst und kommentiert.
museum-morsbroich.de
Im Raum von Czenki & Christoph Schäfer für 2022: spielzeit #1 im Museum Morsbroich, Leverkusen, Foto: Denis Bury
Uğur Ulusoy, reborn #1, 2020, diverse Materialien, © VG Bild-Kunst, Bonn 2022
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HBK Essen
Campus Wuppertal Barmen Gewerbeschulstraße 76, 42289 Wuppertal
Campus Essen Kupferdreh Prinz-Friedrich-Straße 28 A, 45257 Essen
Rundgang 2022
Vernissage Campus Wuppertal: Donnerstag, den 14. Juli 2022, 18 Uhr
Rundgang 2022
Vernissage Campus Essen: Freitag, den 15. Juli 2022, 18 Uhr
Der traditionelle Rundgang der HBK Essen findet dieses Jahr erstmals auch an dem neuen Standort Wuppertal in der Gewerbeschulstraße 76 statt, der im letzten Jahr eröff net wurde.
Ausstellung im Campus Essen und Wuppertal: Freitag, 15. bis Sonntag, 17. Juli 2022
15. Juli von 13 bis 18 Uhr
16. Juli von 10 bis 20 Uhr 17. Juli von 10 bis 18 Uhr
Zentrum für verfolgte Künste im Kunstmuseum Solingen
Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen
noch bis Sonntag, 11. September 2022 1929/1955
Die erste documenta und das Vergessen einer Künstler:innengeneration
Oktober 2022 bis Februar 2023 MOCAK Museum für Gegenwartskunst Krakau 2023 – Kassel
Ein gemeinsames Forschungs- und Ausstellungsprojekt des Zentrums für verfolgte Künste mit dem documenta archiv Kassel. Beide Institutionen schauen parallel zur documenta 15 im Jahr 2022 kritisch-reflektierend zurück auf die Anfänge der Großausstellung.
Manche Künstlerinnen und Künstler schaffen es. Sie wer den bekannt, Museen sammeln ihre Werke und halten die Erinnerung an sie wach. Einige Künstlerinnen und Künst ler sind nur für kurze Zeit öffentlich präsent, andere nie. Die Auswahl derer, die bleiben, wird u.a. durch Museen, den Kunstmarkt, durch Galerien, Sammlerinnen, Sammler und die Kunstgeschichtsschreibung mitbestimmt. Ihr Zu sammenwirken prägt den kunsthistorischen Kanon.
Einen schwerwiegenden Bruch bedeutete für viele Künst lerinnen und Künstler die Durchsetzung der nationalso zialistischen Ideologie nach 1933. Deutschland wurde eine Diktatur, verantwortlich für Millionen Tote, den Zweiten Weltkrieg und die Shoah. Das NS-Regime verfolgte zahl reiche Künstlerinnen und Künstler, beschlagnahmte ihre Werke in deutschen Museen und zeigte sie ab 1937 auf der Femeausstellung Entartete Kunst. Gerade die Künstlerin nen und Künstler, die 1933 um 30 Jahre alt waren und be gannen, sich zu etablieren, traf diese Verfolgung hart, denn selbst nach 1945 konnten viele nicht mehr an ihre früheren Erfolge anknüpfen.
In einem gemeinsamen Projekt mit dem documenta archiv, Kassel, stellt sich das Zentrum für verfolgte Künste der Fra ge, welche Rolle die documenta und ihre Gründer bei den Kanonisierungsprozessen bildender Kunst in der Nach kriegszeit spielten. Die documenta 1955 war als europäi sches Großereignis geplant, das die „Kunst der Gegenwart“ mit der Kunst vor 1933 verbinden wollte. Wurde sie diesem Anspruch gerecht? (red) verfolgte-kuenste.de
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Der traditionelle Rundgang der HBK Essen an dem neuen Standort Wuppertal, in der ehemaligen Textilfabrik Kaiser & Dicke, Foto: Tjorben Meier, HBK Essen
MUSIK
Peter Kowald Gesellschaft/ ort e.V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal
Dienstag, 16. August 2022, 20 Uhr Reihe „All Female“ Marlis Debacker Piano
das Reale mit dem Virtuellen sowie das Biologische und das Künstliche nahtlos zu verbinden.
Donnerstag, 10. September 2022, 20 Uhr Canaris on the Pole Jacques Foschia Klarinette/Bassklarinette, Mike Goyvaerts Percussion, Christoph Irmer Violine, Georg Wissel Präpariertes Saxophon
Das Posaunen-Trio mit Jeb Bishop, Matthias Müller und Matthias Mu che spielt Musik zwischen klangbild hauerischen Noise-Drones, Jericho einstürzenden Blechbläserkaskaden und zarten Klanggeflechten aus Luft und Ton; resonierende Obertöne mit vielschichtigen Artikulationen beflü geln die Posaune mit ihren physika lisch-akustischen Eigenschaften und der Körperlichkeit der Spieler an ihre Grenzen und darüber hinaus.
Donnerstag, 29. Sept. 2022, 20 Uhr soundtrips NRW
Reverse Camouflage
Oguz Büyükberber Bassklarinette
& Tobias Klein Bassklarinette
Gast: Martin Blume Schlagzeug
Die belgische Pianistin Marlis Deba cker ist eine leidenschaftliche Inter pretin frei improvisierter Musik und zeitgenössischer klassischer Musik. Sie erforscht ausgiebig die klanglichen Möglichkeiten ihres Instruments –auch mit dem Einsatz verschiedener Präparate, wodurch sie sich zwischen dem konventionellen Klavierklang und verschiedenen perkussiven und pseudoelektronischen Klängen bewe gen kann. Sie lebt in Köln und unter richtet an der dortigen Hochschule für Musik und Tanz.
Donnerstag, 25. August 2022, 20 Uhr soundtrips NRW
Paulina Owczarek Saxophon und Federico Reuben live processing. Gast: Sebastian Büscher Saxophon
Paulina Owczarek und Federico Reu ben sind zwei freie Improvisatoren mit fast gegensätzlichen Methoden, denen es dennoch gelingt, das Orga nische mit dem Synthetischen, das Physiologische und das Mechanische,
„Canaries on the Pole“ feiert 2022 sein 20-jähriges Bühnenjubiläum mit einem frischen und experimen tierfreudigen neuen Programm. Mit dem Mittel der freien Improvisation schafft das deutsch-belgische Quar tett für Gegenwartsmusik eine weit gehend abstrakte, farbenreiche und spannende polyphone zeitgenössische Kammermusik.
Sonntag, 18. September 2022, 20 Uhr Reihe Jazz Matthias Muche Posaunen Trio
Durch jahrelange gemeinsame Auf tritte fein aufeinander abgestimmt, nutzen Oğuz Büyükberber und Tobi as Klein ihr feines Gespür für Struktu ren, um Musik zu erschaffen, die frei und streng zugleich ist. Der in Ams terdam lebende Klarinettist Oğuz Büyükberber verbindet in seinem Stil zeitgenössische Komposition, Jazz und Einflüsse aus seiner türkischen Her kunft. Der ursprünglich aus Deutsch land stammende Bläser und Kompo nist Tobias Klein lebt seit den frühen 90er Jahren in Amsterdam. Sein Werk spiegelt die kulturelle Vielfalt der niederländischen Hauptstadt wider. Mehr Infos: www.kowald-ort.com Tickets über www.wuppertal-live.de
Canaries on the Pole
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Marlis Debacker, Moers Festival © André Symann
Matthias
Muche Posaunen Trio: Bishop, Müller, Muche, Foto: Cristina Marx
Kulturzentrum Immanuel
Normannenstraße 24, 42275 Wuppertal
Freitag, 12. August 2022, 20 Uhr Immanuel Goes Bigband heißt das im August startende, vom Kultur zentrum Immanuel veranstaltete und durch die Unterstützung von Neu start Kultur II möglich gewordene Leuchtturmprojekt.
Das erste von vier Konzerten wird durch das Jugend Jazz Orchester NRW (JJO NRW) bestritten, eine der herausragenden Bigbands Deutsch lands.
Der Eintrittspreis beträgt 18 Euro bzw. 12 Euro für Schülerinnen und Studen ten.
Im Oktober folgen zwei weitere Big band-Konzerte mit renommierten Gästen. Die Konzertreihe 2022 wird im November von einer der international größten und durch diverse Grammy Nominierungen ausgezeichneten Bands, deren Name in der nächsten DBZ-Ausgabe verraten werden soll, abgeschlossen. Das Kulturzentrum Immanuel soll auch im nächsten Jahr wieder der Ort für Bigband-Konzerte sein. Lassen Sie sich überraschen. www.immanuelskirche.de
die börse
Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal
Sonntag, 14. Juli 2022, 20 Uhr Noche Latina
Die Noche Latina, Live-Veranstaltung mit Musik aus Lateinamerika bietet einen Abend mit ganz besonderem Programm in der Börse, Wuppertal: 4 hochkarätige Gäste gestalten die ses Konzert mit der bekannten LATIN SESSION BAND: Julito Padron, cuba nischer Jazztrompeter der Extraklasse (Ex-Irakere, Interactivo), Majela van der Heusen, Sängerin und Multiins trumentalistin aus Havana, Cuba und die beiden spanischen Gitarristen Daniel de Alcala & Jose Primo sor gen für ein Feuerwerk aus cubani schen und spanischen Latin- und Fla menco-Grooves:
AK 15 €, VVK 13,50 €, erm.
L‘aréna
Sonntag, 28. August 2022, 17 Uhr Stefan Lex
Stefan Lex (Tenor), Christiane Linke (Sopran), Sigrid Althoff (Klavier) prä sentieren Melodien aus Oper, Ope rette, Musical und Film, grandios gesungen, hinreißend gespielt und humorvoll moderiert. Freuen Sie sich auf einen rauschenden Konzertabend. VVK
9 €, VVK 8 €, Soliticket 5€ Tickets: wuppertal-live.de
Kultur auf der Siegesstraße Siegesstraße 110, 42287 Wuppertal
24 €, AK 28 € 75
Jugend Jazz Orchester NRW, 2021, Foto: Rebecca ter Braak
Mirta Junco So., 23. 10. 2022 19 Uhr Patricia Gamero Sa., 4. 6. 2022 20 Uhr Latin Session Band 2022 Live mit diesen Gästen: Majela van der Heusen, José Primo & Daniel de Alcala, Julito Padron So., 14. 8. 2022, 19 Uhr
Uhr
Seatown Seven
Die Seatown Seven wurde 1962 von Adrian von Saucken ge gründet. Zu einem Zeitpunkt als diese Musik noch ein Ge heimtipp in musikhistorischen Zirkeln war. Die Band gilt heute bei lnsidern, Publikum, Festival-Veranstaltern und Redakteuren als prominent. Durch ausgeprägte Professio nalität in Klang und Improvisation ist die Formation längst über den Stand einer Amateurkapelle hinausgewachsen. Eine Band, die ihre Musik an stilbildenden Musikern des „golden Jazz-Age” orientiert, die ihre Einflüsse also aus erster Hand bezieht, die schon zu Zeiten der „Trad”-Welle früherer Jahre ihre Vorbilder in den Orchestern von Louis Amstrong, Jelly Roll Morton, Clarence Williams und Flet cher Henderson usw. hatte.
Um eine frühzeitige Anmeldung wird gebeten. Der Eintritt ist frei Anmeldung/Onlinebuchung: larena-wuppertal.de
BÜHNE Wuppertaler Bühnen Theater am Engelsgarten Engelsstraße, 42283 Wuppertal
Premiere: Samstag, 24. September 2022, 19.30 Uhr DIE WAHRHEITEN
von Lutz Hübner und Sarah Nemitz mit Stefan Walz, Silvia Munzón López, Maditha Dolle und John Sander
Sonja mit Bruno und Jana mit Erik: zwei Paare, die sich seit Jahren freundschaftlich verbunden sind. Sonja und Bruno helfen Jana und Erik hier und da aus, beraten und unter stützen, wenn es etwa um Geldangelegenheiten oder be rufliche Neuorientierung geht. Eines Abends kündigt Erik per SMS die Freundschaft mit dem älteren Paar auf. Mit so fortiger Wirkung und ohne weitere Erklärung. Die Suche nach Gründen für diesen zunächst unverständ
lichen Akt setzt eine Dynamik in Gang, die unangenehme Wahrheiten freilegt und eine gut funktionierende Paar freundschaft gründlich demaskiert. Hat Jana bei dem von Bruno vermittelten Coaching krachend versagt oder wurde sie Opfer sexueller Belästigung? Ist finanzielle Hilfe das Er kaufen von Abhängigkeit? Ist Verschweigen gleich Lügen? Wie schwer wiegt ein anvertrautes Familiengeheimnis und steht Loyalität über allem? Das Erfolgsduo Hübner / Nemitz ist ein Garant für span nende Plots mit gesellschaftlicher Brisanz. Mehrmals wechselt das Stück die Perspektive, lässt in atemberauben der Geschwindigkeit überwunden geglaubte Geschlech terstereotype durchbrechen und zeigt, wie missverständ nisvoll unsere ach so achtsame Zeit ist. wuppertaler-buehnen.de
KINO
cine:ort –Peter Kowald Gesellschaft/ort e.V.
Luisenstraße 1, 42103 Wuppertal
Donnerstag, 22. September 2022, 20 Uhr cine:ort „Peter Kowald – off the road“ Regie: Laurence Petit-Jouvet, FMP - FILM F, USA 2001, 72 MIN. Mit Peter Kowald, William Parker u.a.
Im Jahr 2000 unternahm Peter Kowald eine ausgedehnte Tournee durch die USA, über weite Strecken begleitet von der französischen Filmemacherin Laurence Petit-Jouvet. Auf der Reise durch Amerika in einem alten Chevrolet Ca price entstand der Film „Off the Road“ als eine Art „frei improvisiertes Roadmovie“ mit Begegnungen mit vielen der großen Namen der Frei Improvisierten Musik vor dem Hintergrund des „Off The Road“-Amerikas. Die Peter Ko wald Gesellschaft zeigt den Film in der Reihe cine:ort aus Anlass des 20. Todestages von Peter Kowald am 21. Septem ber 2002 (Eintritt frei).
TAL FLIMMERN
Mehr als 25 Kinoabende unter
Himmel: DR. SELTSAM
MÜTTER
EVERYTHING
GEORGE
Juni - 13. August // Vorverkauf empfohlen
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Samstag, 24. September 2022, 18
2022 24.
Ort: Alte Feuerwache, Gathe 6, 42107 Wuppertal Web: www.talflimmern.de
freiem
PARALLELE
/
EVERYWHERE ALL AT ONCE / EINE NACHT IN HELSINKI / NEBENAN A E I O U / BORGA / BULLDOG / RABIYE KURNAZ GEGEN
W. BUSH ONE OF THESE DAYS / DUNE THE CARD COUNTER / ANNETTE HELDEN DER WAHRSCHEINLICHKEIT WIE IM ECHTEN LEBEN u.v.a
Innenhof der Alten Feuerwache, Gathe 6, 42105 Wuppertal
Acht Wochen Talflimmern im Sommer
Bereits seit dem 24. Juni flimmert es wieder mehrmals wöchentlich auf der Leinwand im Wuppertaler Freiluftkino im Innenhof der Alten Feuerwache. „Programmatisch ist die Staffel gewohnt breit aufgestellt, es entfaltet sich der bewährte Talflimmern-Mix aus internationaler Filmkunst und an spruchsvollem Mainstream“, sagt Mark Tykwer zur Filmauswahl. In den Wochen nach der Eröffnung gesellen sich an 25 weiteren Filmabenden ak tuelle Filme wie Andreas Dresens Rabiye Kurnaz gegen George W. Bush, Parallele Mütter von Pedro Almodóvar, Denis Villeneuves Science-FictionEpos Dune oder Mika Kaurismäkis Eine Nacht in Helsinki hinzu. Auch Pre views wird es wieder geben, darunter der dritte Teil der ungemein populä ren Monsieur Claude-Reihe aus Frankreich. Außerdem hat das Wuppertaler Filmemacher:innen-Kollektiv „Vollbild“ erneut ein Kurzfilmprogramm mit eigenen Produktionen kuratiert, und „Greenpeace“ wird zum wiederholten Mal im Rahmen einer moderierten Multimedia-Show Naturfotografien von Markus Mauthe beim Talflimmern präsentieren. Obwohl es nach zwei durch die Pandemie geprägten Sommern wieder eine Abendkasse geben wird, empfehlen die Veranstalter ausdrücklich, den Vorverkauf zu nutzen. An der 3G-Regelung und einer Maskenempfehlung in den Warte- und Durchgangs bereichen wird festgehalten. Der Talflimmern-Biergarten öffnet jeweils eine Stunde vor Vorstellungsbeginn.
Der Vorverkauf läuft über den Ticketservice von wuppertal-live.de, an der Abendkasse gibt’s stets ein Restkartenkontingent für Kurzentschlossene. Es gilt die 3G-Regelung (geimpft, genesen, getestet). Ausführliche Infos zum Programm und allen Modalitäten: www.talflimmern.de
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Gut besuchter Innenhof der Alten Feuerwache,
©
„cinopsis“
beste Zeit“
Wuppertal Elberfeld
Kulturmagazin
Bloom Event Thomas & Sabine Haase, Friedrich-Ebert-Str. 66, 42103 Wuppertal, (0202) 97 11 37 23, facebook:@bloomevent.de
Buchhandlung v. Mackensen Fr.-Ebert-Str., Ecke Laurentiusstr. 12, 42103 Wuppertal, (0202) 30 40 01, www.mackensen.de
Buchhandlung Thalia Wuppertal City-Arkaden, Alte Freiheit 9, 42103 Wuppertal, (0202) 69 80 30, www.thalia.de
Glücksbuchladen Kerstin Hardenburg, Friedrichstraße 52, 42105 Wuppertal, (0202) 37 29 00 58, www.gluecksbuchladen.de
Looping Luisenstraße 71 b, 42103 Wuppertal, (0202) 31 01 06, www.looping-mode.net
RELAY. Wuppertal Hauptbahnhof, Döppersberg 37, 42103 Wuppertal, www.my-relay.de
Von der Heydt-Museum Museumsshop, Turmhof 8, 42103 Wuppertal, (0202) 563 6231, www.von-der-heydt-museum.de
Wuppertal Barmen
Bücherladen Jutta Lücke Hünefeldstraße 83, 42285 Wuppertal, (0202) 8 83 53
Café und Buchhandlung im Barmer Bahnhof Winklerstraße 2, 42283 Wuppertal, (0202) 59 53 85,www.joliso1904.de Musikhaus Landsiedel-Becker Höhne, Ecke Werther Hof, 42275 Wuppertal, (0202) 59 21 57, www.landsiedel-becker.de RELAY. Wuppertal-Oberbarmen Bahnhof, Berliner Platz 15, 42277 Wuppertal, www.my-relay.de Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal, (0202) 3 17 29 89, www.skulpturenpark-waldfrieden.de
Wuppertal Cronenberg
Buchhandlung Nettesheim Hauptstraße 17, 42349 Wuppertal, (0202) 47 28 70, www.nettesheim.de
Wuppertal Ronsdorf
Ronsdorfer Bücherstube Christian Oelemann, Staasstraße 11, 42369 Wuppertal, (0202) 2 46 16 03, www.buchkultur.de
Wuppertal Vohwinkel
Buchhandlung Jürgensen Vohwinkeler Straße 1, 42329 Wuppertal, (0202) 73 09 42, www.buch-juergensen.de
Friseursalon Capilli Heinrich Wermann, Manteuffelstr. 2, 42329 Wuppertal, (0202) 30 13 22, www.capilli.de
Remscheid
Galerie Wroblowski Alleestraße 83, 42853 Remscheid, (02191) 25910, www.galerie-wroblowski.de
Solingen
Kunstmuseum Solingen Museumsshop, Wuppertaler Str. 160, 42653 Solingen, (0212) 25 81 40, www.kunstmuseum-solingen.de
Leverkusen
Schloss Morsbroich Museumsshop, Gustav-Heinemann-Str. 80, 51377 Leverkusen, (o214) 8 55 56 28, www.museummorsbroich.de
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* bis zum Redaktionsschluss bekannt 78
Kultur auf der Siegesstraße
Das Programm im August, September 2022
Stefan Lex
Stefan Lex (Tenor), Christiane Linke (Sopran), Sigrid Althoff (Klavier) präsentieren Melodien aus Oper, Operette, Musical und Film, grandios gesungen, hinreißend gespielt und humorvoll moderiert. Freuen Sie sich auf einen rauschenden Konzertabend.
VVK: 24 €,
28 €
Die Seatown Seven wurde 1962 von Adrian von Saucken gegründet. Zu einem Zeitpunkt als diese Musik noch ein Geheimtipp in musikhistorischen Zirkeln war. Die Band gilt heute bei lnsidern, Publikum, Festival-Veranstaltern und Redakteuren als prominent. Durch ausgeprägte Professionalität in Klang und Improvisation ist die Formation längst über den Stand einer Amateurkapelle hinausgewachsen. Eine Band, die ihre Musik an stilbildenden Musikern des „golden Jazz-Age” orientiert, die ihre Einflüsse also aus erster Hand bezieht, die schon zu Zeiten der „Trad”-Welle früherer Jahre ihre Vorbilder in den Orchestern von Louis Amstrong, Jelly Roll Morton, Clarence Williams und Fletcher Henderson usw. hatte.
Eintritt
AK:
Der
ist frei, um eine Ausgangsspende wird gebeten Sonntag 28. August 17 Uhr Samstag 24. Sept. 18 Uhr Onlinebuchung: www.larena-wuppertal.de „l‘aréna“, Siegesstraße 110, 42287 Wuppertal, Tel.: 0202/429783 - 50/51/52, info@larena-wuppertal.de Druckereigesellschaft mbH Wir lieben Druckprodukte. www.offset-company.de DRUCKEN. MIT GUTEM GEWISSEN. Ute und Hans Brüne SIEBEN SA CHEN GUTE DINGE – GUTES LEBEN 20. + 21. AUGUST 2022 schloss-luentenbeck.de SCHLOSS LÜNTENBECK WUPPERTAL Öffnungszeiten: 11 – 18 Uhr Eintritt: 7 €, Kinder bis 14 Jahre frei
Gestaltung: barczat kommunikation www.barczat.de Küster + Steinbach Visuelle Kommunikation www.kuester-steinbach.de Impressum
Herausgeber und v.i.S.d.P.: Schwebetal, Stadtteilverlag Wuppertal
Willi Barczat, Rita Küster, Juliane Steinbach GbR Redaktion: Willi Barczat, Rita Küster, Dr. Anne-Kathrin Reif Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Ausgabe: Dr. Uta Atzpodien, Boris Charmatz, Max Christian Graeff, Martin Hagemeyer, Dagmar Hertle, Dr. Thomas Hirsch, Stefan Keim, Torsten Krug, Marion Meyer, Günter Baby Sommer, Helmar Trompelt, Dr. Johannes Vesper, Julia Wessel, Prof. Dr. Rainer K. Wick, Jon Wood Titelbild: Andreas M. Wiese, Porträt André Poloczek Druck: Offset Company, Wuppertal, Auflage: 1000 Erscheinungsweise: vierteljährlich, Erfüllungsort und Gerichtsstand: Wuppertal Trotz journalistischer Sorgfalt wird für Verzögerung, Irrtümer oder Unterlassun gen keine Haftung übernommen. Texte und Fotos: Bildnachweise/Textquellen sind unter den Beiträgen vermerkt. Haftung oder Garantie für Richtigkeit, Aktualität, Schreibweise, Inhalt und Voll ständigkeit der Informationen kann nicht übernommen werden. Kürzungen bzw. Textänderungen, sofern nicht sinnentstellend, liegen im Ermessen der Redaktion. Für unverlangt eingesandte Beiträge kann keine Gewähr übernommen werden. Nachdruck - auch auszugsweise - von Beiträgen innerhalb der gesetzlichen Schutz frist nur mit der ausdrücklichen Genehmigung des Verlages.
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