"die beste Zeit", April-Juni 2021

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Das Kulturmagazin im Bergischen Land 02/2021 April-Juni

KUNST & NATUR ERLEBEN! JAHRESKARTE SKULPTURENPARK WALDFRIEDEN Ein ganzes Jahr kostenloser Eintritt, Ausstellungseröffnungen inbegriffen. Vergünstigte Eintrittspreise zu Veranstaltungen. Gültige und während der Schließung durch die Corona-Situation abgelaufene Jahreskarten verlängern wir selbstverständlich automatisch kostenlos um den Zeitraum der Schließung.

die beste Zeit

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Die Ausstellung wird gefördert durch

Abb.: Aelbert Cuyp, Ansicht von Amersfoort (Detail), vor 1650, Von der Heydt-Museum

GOLDENE ZEITEN DIE SAMMLUNG NIEDERLÄNDISCHER KUNST UND IHRE GESCHICHTE(N)

JAHRESKARTE

VO N D E R H EYDT M U S E U M WU PPE RTAL

Knospe, Spaten und Feines – für die kommende Gartensaison

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ISSN 18695205

Textilmarkt

Ausstellung Joseph Beuys im Skulpturenpark Waldfrieden Beitrag Bazon Brock zur Kunstreligion mit Joseph Beuys in Wuppertal Ausstellung Philipp Fröhlich zeigt Gemälde in der Kunsthalle Barmen Rückblick Hanna Jordan zum 100sten Geburtstag Gespräch Wolfgang Schmidtke besucht Peter Brötzmann Kulturort Das Loch wird virtueller, bleibt aber vital 0 2 / 2 0 21 A p r il -Ju ni / 5. 8 0 €

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Editorial Liebe Leserinnen, lieber Leser. Die große Kunst der Altvorderen. Ein riesiger Berg an schönen, klugen, verrückt verstörenden Elaboraten, die viele bewegten und manchmal tatsächlich die Welt veränderten - na, sagen wir ehrlicherweise, die Welt der Kunst, äh, für alle, die sich ihr zugehörig fühlen, hier die korrekte Bezeichnung: die Szene! Wie oft habe ich zu Schülerinnen und Schülern, die sich für falsche Töne auf Ihrem Instrument entschuldigten, gesagt: „Doch nicht dafür, die Welt dreht sich garantiert genauso weiter.“ Soll mir jetzt keiner kommen, ich würde die Kunst nicht ernst nehmen, tue ich schon, und zwar sehr, aber es kann doch nicht die Folge der Aufklärung sein (auch wenn sie gerade überall verschwindet), dass, weil der Heilige Geist die Erde verließ, wir jetzt alle zu Chagall, Canetti und Coltrane beten. Kunst ist (verdammt noch mal) keine Religion, und deshalb mahne ich zu dieser Einsicht: Lasst uns stets schön frech und mutig im Hier und Jetzt sein. Pardon, ich sollte ja etwas zum Inhalt dieser Ausgabe sagen. Nun, es ist in der Tat faszinierend, ein Ensemble von Persönlichkeiten zu sehen, die in dieser Saison ihren 80. bzw. 100. Geburtstag feiern. Erstere sind Ulle Hees, Peter Brötzmann und Klaus Küster. Letztere Hanna Jordan, Joseph Beuys und Max Kratz. In den allermeisten Fällen sind die Bezüge zum Bergischen sehr direkt, weit hergeholt ist keiner. Fraglos ist die Region ein guter Garten für ebenso kreative wie sperrige Pflanzen. In dem Garten ist dann so einiges gereift, das in den six- und seventies zum höchstmöglichen Prädikat gereichte: Avantgarde. Alle Vorgenannten waren absolut auf der Höhe der Zeit, also frech und mutig. Immer dann, wenn eine Avantgardistin auf einen Sockel gestellt wird, sollte bei aller Liebe und Ehrfurcht auch der Brandmelder angehen. Was Avantgarde ist, geht nicht nur gegen den „Geschmack“, es geht in der Regel auch gegen das System, oder besser, gegen die Rezeptionsmechanismen. Also sollten wir uns darin einig sein, dass die Achtung vor den Altvorderen (ich weiß auch nicht, wieso ich diesen mir sonst nie gebräuchlichen Begriff wähle, fällt

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mir wahrscheinlich erst nach Drucklegung ein), nicht bei ihrem Werk Schluss macht, sondern mindestens ebenso stark ihre Haltung bewundert. Eine Haltung, die es im Normalfall zunächst viele Jahre verhindert, auf die Sockel des Kunstg’schäfts zu kommen. Wir dürfen sie lieben und verehren, und weil wir sie in ihrer Haltung ernst nehmen, sollte es unser dringlichstes Anliegen sein, zu schauen, was ihre Nichten/Neffen, Enkelinnen und Enkel an Verstörendem produzieren Okay, Freunde, nicht immer diese mahnenden Töne, gibt’s nicht auch angenehmere, freudenvollere? Wirklich, wir leben in finsteren Zeiten und können eine gute Nachricht nun doch empfangen: Der einzige deutsche Musiker, der einen Club in New York vollkriegt, ist gerade 80 geworden, spielt so gut wie eh und je und kommt aus Wuppertal – aber geboren wurde er in Remscheid. Nochmals herzlichen Glückwunsch, lieber Peter Brötzmann! Also fordere ich alle Leserinnen und Leser auf: Steht zu eurer Liebe zum Bergischen! Da ich nicht wegen des letzten Abschnitts als Jazztunnelblicker in Erinnerung bleiben möchte, hier noch eine Zugabe: Als Joseph Beuys von seinem ersten Biennale-Besuch zurück ins Niederrheinische kam und abends in der Straelener Eckkneipe aufschlug, fragten die bäuerlichen Stammtischkollegen: „Un’ Jupp, wie war et in Venedig?“ Des Meisters Antwort: „Ooch, en biskken kleinkariert.“

Wolfgang Schmidtke Jazzmusiker

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Inhalt 4 Anne-Kathrin Reif im Gespräch mit Dr. Bettina Paust

„Beuys ging es um die Entwicklung einer humanen Gesellschaftsstruktur“ Ein Performancefestival zum NRW-weiten Beuys-Jubiläumsjahr

Die Unendlichkeit des Augenblicks

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Ein Beitrag zur Kunstreligion mit Joseph Beuys in Wuppertal von Bazon Brock

Heilmatland

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Der Kunst- und Museumsverein Wuppertal stellt Philipp Fröhlich in der Kunsthalle Barmen aus

„Die Themen arbeiten jahrelang in meinem Kopf“

Leunora Salihu im Skulpturenpark Waldfrieden

Vom Innen zum Außen

Joseph Beuys im Skulpturenpark Waldfrieden

Perpetual Motion

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Das Kunstmuseum Solingen präsentiert Werke des Bildhauers

Max Kratz zum 100sten Geburtstag Der Remscheider Künstler Klaus Küster hat ein einzigartiges Lebenswerk geschaffen. Ein Hausbesuch zum 80. Geburtstag

Für ihn sind Kunst und Leben eins

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Ulle Hees‘ Menschenbilder

Der Mensch im Mittelpunkt der Geschichte

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48 Der Bühnenbildnerin Hanna Jordan zum 100. Geburtstag

Die Versöhnerin

Zwei Musiker im Gespräch: Wolfgang Schmidtke besucht Peter Brötzmann

BRÖtz 80

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Gabriele Klein untersucht die internationale Produktion und Rezeption der Stücke Pina Bauschs

Gemeinsames Suchen einer Welt im Kleinen Kulturtipps

für Kinder und Jugendliche Zwei Wuppertaler Projekte nehmen Bezug auf das Festjahr 2021 „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“

Kulturaussichten

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Paragrafenreiter

Kann ich mit der Förderung des wissenschaftlichen Sozialismus Steuern sparen? Das Loch wird virtueller, bleibt aber vital

Vor Ort, im Netz und voller Ideen Christiane Gibiec hat das Buch „Rotter Blüte“ von Hans Werner Otto gelesen

Keine Heuchler an seinem Grab

Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Der Mensch in modernen Zeiten Ausstellungen, Musik, Literatur, Kino

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Kulturtipps

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Impressum

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Joseph Beuys, Dillinger Aktion vor dem Kino „Biograph“ in Chicago, 14. Januar 1974, Foto: Klaus Staeck / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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„Beuys ging es um die Entwicklung einer humanen Gesellschaftsstruktur“ Anne-Kathrin Reif im Gespräch mit der Leiterin des Wuppertaler Kulturbüros und BeuysSpezialistin Dr. Bettina Paust: Über die vielen Angebote im Beuys-Jahr 2021, über die Vielschichtigkeit seiner Themen, seine Aktualität heute und darüber, wie man sich ihm am besten nähert. Der 100. Geburtstag von Joseph Beuys wird in diesem Jahr groß gefeiert. Es wird Dutzende Ausstellungen und Veranstaltungen geben, Feuilletons und Kunstzeitschriften sind schon jetzt voll mit Artikeln über ihn, auch „die beste Zeit“ macht keine Ausnahme. Ist der ganze Rummel aus Ihrer Sicht eigentlich gerechtfertigt? Bettina Paust: Ja, im Hinblick auf seine Bedeutung als Künstler finde ich das absolut gerechtfertigt – und auch, dass sich das Land Nordrhein-Westfalen besonders mit ihm beschäftigt. Beuys ist ja in NRW geboren, hat sein ganzes Leben hier verbracht und ist dieser Region immer sehr verhaftet geblieben. Die Hoffnung, die ich mit dem BeuysJahr und seinen vielen Veranstaltungen verbinde, ist, dass man Beuys noch mal von anderen Seiten beleuchten wird. Es wird viele Ausstellungen geben – da finde ich natürlich 5

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Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden, „Joseph Beuys. Perpetual Motion“, 28. März bis 20. Juni 2021, (siehe Seite 30) Abbildung: Joseph Beuys, Capri-Batterie, 1985, Light bulb with plug socket, wooden box, lemon / Sammlung Galerie Klüser © Estate Joseph Beuys, VG Bildkunst, Bonn 2021, Foto: Mario Gastinger

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die Frage interessant: Wie werden seine Werke präsentiert, und wie wird das eingewoben, was man nicht präsentieren kann, nämlich sein immaterielles Hauptwerk, die „Soziale Plastik“. Die „Soziale Plastik“ wird natürlich eine ganz große Rolle spielen, weil das letztendlich Gedanken sind, die hochaktuell sind. Mit dem, was Beuys vor über 50 Jahren formuliert hat – manchmal so, dass man ihn nicht unbedingt verstanden hat –, war er seiner Zeit in einigem weit voraus. Deshalb kann man sagen: Beuys ist schon einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts – und so gesehen ist die Aufmerksamkeit absolut gerechtfertigt. Tatsächlich hat Beuys wie kein anderer mit dem herkömmlichen Kunstbegriff gebrochen, hat ihn aufgebrochen und erweitert und nachfolgende Künstlergenerationen damit beeinflusst. Aber wie sieht es aus mit seiner Wirkung außerhalb der Kunstszene? Da sieht es eher durchwachsen aus, würde ich sagen. Durchwachsen, weil viele seiner Gedanken in ihrem Gewicht erst heute erkannt werden. Man muss wirklich sagen, dass Beuys seine Wirkkraft im Kunstsystem entwickelt hat, mit allem, was dazu gehört – Museum, Kunstbetrieb und so weiter. Aber mit seinem Versuch, in die politische Schiene zu gehen, ist er letztendlich abgeschmettert worden. Was ihn wohl auch sehr enttäuscht hat. Er hat sich dann wieder ins Kunstsystem zurückbewegt. Trotzdem hat er auch außerhalb Spuren hinterlassen, die man heute noch sehen kann und die in der Kommunalpolitik bis heute wirken: Das ist vor allem seine Aktion „7000 Eichen“ in Kassel. Wenn man in Kassel tätig ist, muss man sich mit dem Projekt einfach auseinandersetzen – spätestens, wenn ein Baum gefällt werden soll. Ist der jetzt Teil des Kunstwerks? Vielleicht war für einige seiner Gedanken, wie etwa seine Idee der „Sozialen Plastik“, die Zeit auch einfach noch nicht reif genug. Wenn wir heute an Bewegungen denken wie Fridays for Future oder überhaupt das gesamte ökologische Thema – das begann ja eigentlich damals erst wirklich, sich als Thema zu entwickeln. Und Beuys hat das aufgegriffen mit Aktionen wie den „7000 Eichen“, der „Coyote“-Aktion oder „wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“. Was heute außerdem auch eine erschreckende Brisanz bekommen hat, das ist der Umgang mit dem wirtschaftlichen System, der Finanz-Crash, und das ist auch etwas, womit sich Beuys beschäftigt hat. Wenn man zum Beispiel an die große Installation „Das Kapital Raum 1970-1977“ denkt, die jetzt im Hamburger Bahnhof in Berlin ist. Das sind alles Themen, die ihn dazu bewogen haben, die Kunst so radikal in das gesellschaftliche Leben hinein zu erweitern und auch diesen Anspruch an Kunst zu haben.

Ist das eigentlich verstanden worden, was diese Erweiterung des Kunstbegriffs wirklich bedeutet, nämlich einen Paradigmenwechsel vom ästhetischen zu einem anthropologischen Kunstbegriff, wo Kunst letztendlich alle Bereiche des Lebens und der Gesellschaft erfasst? Ich glaube, dass es durchaus zu Beuys Lebzeiten von einer Reihe von Menschen erkannt wurde, sonst wäre er auch nicht einer der wichtigsten Künstler des 20. Jahrhunderts geworden. Man kann das Beuys‘sche Denken, seine Theorie, ja nicht von den Artefakten trennen. Das ist ja eine Einheit. Hinter einer Fettecke steht ja sozusagen der gesamte Beuys-Kosmos. Das heißt, in dem Moment, wo ich ein Beuys-Werk anschaue, muss ich immer schon weiterfragen nach dem, was dahintersteckt … Oder es bleibt einem eben doch komplett verschlossen … Ja, genau. Deshalb finde ich es so interessant zu sehen: Wie gehen Museen heute mit der Präsentation seiner Objekt gewordenen Werke um? Viele dieser Objekte sind ja keine „Werke“ im engeren Sinne, sondern Relikte oder Notate von Aktionen und Performances. Das heißt, sie legen Zeugnis ab von etwas längst Vergangenem. Die Kunst, auf die sie verweisen, ist flüchtig. Auch die berühmten Fett-Arbeiten sind nicht gerade ewigkeitstauglich. Wie geht man also damit um? Gehört es zum Werk selbst, dass es mit der Zeit „vergammelt“ – ist das von ihm mitgedacht und insofern dann auch völlig in Ordnung? Oder muss man konservatorische Klimmzüge machen, um das alles zu erhalten? Wie sind Sie als Museumsleiterin damit umgegangen? Erstmal muss man natürlich sagen: Beuys hat nicht umsonst Materialien gewählt, die vergänglich sind bzw. die sich im Laufe ihrer Existenz verändern. Klar, Fett verändert sich, die Substanz verändert die Form. Oder wenn er mit Lebensmitteln gearbeitet hat, oder wenn man die frühen Zeichnungen betrachtet, wo er mit wasserlöslichen Farben oder mit Blut gearbeitet hat. Das sind ja Materialien, die sich vielleicht sogar schon im Moment des Zeichnens verändern – und das war für Beuys ganz wichtig. Die Frage nach der Konservierung ist natürlich eine ganz schwierige, weil ein Museum dazu verpflichtet ist, die Kunst, die ihm anvertraut ist, zu bewahren. Das heißt, da muss man für jedes Werk eine singuläre Lösung finden und sich fragen: Wie kann ich etwas erhalten, wie weit kann ich den Veränderungsprozess, den Prozess des Verschwindens aufhalten, und inwieweit greife ich dann in ein Werk ein? Diese Fragen müssen dann im Einzelfall mit den Rechtsnachfolgern 7

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des Künstlers, die das Urheberrecht geerbt haben, eng abgestimmt werden – in dem Fall mit seiner Witwe und seinen beiden Kindern. Noch schwieriger ist ja wahrscheinlich die Frage, ob man das flüchtige Werk selbst über seine gegenständlichen Hinterlassenschaften hinaus – also die Performance, die Aktion – in irgendeiner Weise erhalten oder wieder verlebendigen kann. Kann man eine Beuys-Performance nachspielen? Darf man das – und wäre das überhaupt sinnvoll? Oder wäre das eine übergriffige Aneignung von etwas, das in besonderer Weise an seinen Urheber gebunden ist? Wie stehen Sie dazu? Das ist natürlich eine große Frage, die jetzt auch in unserem Wuppertaler Performancefestival zwar nicht primär, aber doch gedanklich eine Rolle spielt. Es gibt durchaus Künstler und Künstlerinnen oder Künstlerkollektive, die mit der Wiederholung arbeiten, wie zum Beispiel Marina Abramovic die die Beuys-Aktion „wie man dem toten Hasen die Bilder erklärt“ „nachgemacht“ hat. Es ist natürlich eine wichtige Form der künstlerischen Auseinandersetzung, aber ich persönlich finde sie nicht so wahnsinnig reizvoll. Wir werden im Performancefestival auch Künstlerinnen und Künstler dabei haben, die sich mit einer Aktion von Beuys auseinandergesetzt haben, wie zum Beispiel das Künstlerduo Kattrin Deufert und Thomas Plischke – sie haben sich intensiv mit der Coyote-Aktion beschäftigt und dabei eine freie Form entwickelt. Das interessiert mich persönlich mehr, als wenn jemand eine Aktion nachspielt. Wobei – es gibt im Performancefestival auch eine Gruppe, die Jackson Pollock Bar, die als „Playback Performancegruppe“ agiert. Die werden zwar keine Aktion von Beuys, aber ein Gespräch mit Beuys eins zu eins nachstellen, an dem auch Bazon Brock teilgenommen hat – es geht um die Diskussion anlässlich der Ausstellung von Harald Szeemann 1983 „Der Hang zum Gesamtkunstwerk“. Wir werden allerdings die Playback-Performance dieser Gesprächsrunde nicht so für sich stehen lassen, sondern noch eine reale Diskussionsrunde zum Thema Gesamtkunstwerk dranhängen. Ich finde so etwas da interessant, wo Künstler sich mit Beuys auseinandersetzen und performative Formen entwickeln oder – was wir auch im Performancefestival sehen werden – wo sie völlig unabhängig von Beuys Ideen entwickeln, die wiederum den Ideen von Beuys sehr nahe sind. Das ist für mich die „Mobile OASE“, das ist Utopiastadt. Die tun das, ohne zu sagen: Wir beziehen uns jetzt auf Beuys. Aber daran sieht man wiederum, wie aktuell heute Themen geworden sind, die im gedanklichen Kosmos von Beuys eine große Rolle gespielt haben.

Bei aller Anerkennung seiner Bedeutung für die Kunst des 20. Jahrhunderts wird Beuys in letzter Zeit in verschiedenen Veröffentlichungen auch sehr kritisch bewertet. Das bezieht sich zum Beispiel auf seine Selbstinszenierung als „Schamane“ oder „Heiler“ oder auch auf seine nationalsozialistisch geprägte Jugend. Wie sehen Sie das? Die Inszenierung der eigenen Person ist ein zentraler Bestandteil der künstlerischen Arbeit von Beuys und in ihren vielen Facetten – auch soziologisch betrachtet – äußerst interessant. Alleine durch seine Kleidung mit Jeans, Anglerweste und Hut hat sich Beuys zu einer „Marke“ stilisiert, die einen hohen Wiedererkennungswert hat. Eine nationalsozialistische Gesinnung, die man Beuys immer wieder in Wellenbewegungen unterstellt, finde ich absolut verfehlt. Ihm ging es wirklich darum, nach der Welterschütterung des Zweiten Weltkriegs über Kunst eine absolut humane und auch gemeinwohlorientierte Gesellschaftsstruktur zu entwickeln. Aber ich denke, es ist durchaus richtig, dass sich der Blick auf sein Werk weiterentwickelt und manches heute auch anders bewertet wird – zum Beispiel durch die noch junge wissenschaftliche Disziplin der „animal studies“, die das Mensch-Tier-Verhältnis untersucht und eine Aktion wie die „Coyote“-Aktion von 1974 heute in anderem Licht erscheinen lässt. So etwas muss Wissenschaft auch leisten. Man muss so eine Aktion natürlich auf verschiedenen Ebenen betrachten, und da kann es durchaus sein, dass man auf Punkte stößt, wo man sagt: Das sieht man heute mit anderen Augen. Eine Kritik in diesem Sinne ist ja nichts Negatives. Sie kann auch einfach etwas feststellen im Kontext neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse. Das schmälert ja in keinster Weise das, was bei Beuys gedanklich dahinterstand. Das ist ja auch das Faszinierende an der Beschäftigung mit Beuys – man fängt vielleicht bei einem kleinen Detail an, und überall öffnen sich dann neue Türen. Er hatte ja schon einen großen Weltentwurf im Sinn. Insofern ist es ja wirklich ein riesiges Gebiet, wenn man sich mit Beuys ernsthaft beschäftigen will. Im Grunde muss man immer schon das Ganze im Blick haben, um das Einzelne zu verstehen. Wenn jemand bisher noch keinen Zugang zum Beuys-Werk hatte und dieses Jahr zum Anlass nehmen will, sich erstmals mit ihm zu befassen – was empfehlen Sie ihm? Was braucht man, um Beuys zu verstehen, und wo soll man anfangen? Das ist wirklich nicht so ganz einfach zu beantworten. Es wird natürlich dieses Jahr wieder viele Bücher zu Beuys geben, wo man einen guten Einstieg finden kann. Aber wenn man jetzt über die vielen Angebote des Beuys-Jahres einen

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Ausstellung im Kunstmuseum Krefeld, Kaiser Wilhelm Museum, 8. Oktober 2021 – 16. Januar 2022 „Beuys & Duchamp – Künstler der Zukunft“, Abbildung: Joseph Beuys, aus: 3-Tonnen-Edition, 1973-1985, Städtische Museen Heilbronn, Depositum Ernst Franz Vogelmannstiftung © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden, „Joseph Beuys. Perpetual Motion“, 28. März bis 20. Juni 2021, (siehe Seite 30), Abbildung: Joseph Beuys, Handgranate, ca. 1970, Öl auf Papier mit Schnur in einem Karton, in einem Holzkasten, Sammlung Thaddaeus Ropac © Estate Joseph Beuys, VG Bildkunst, Bonn 2021, Foto: Ulrich Ghezzi

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Einstieg finden will, dann fängt man einfach am besten dort an, was bei einem ganz persönlich am meisten Neugier oder Interesse weckt. Wenn es zum Beispiel die frühen Zeichnungen sind, dann gibt es im Museum Kurhaus Kleve dazu eine Ausstellung. Oder es gibt eine umfangreiche Ausstellung auch im Hinblick auf das Performative in der Kunstsammlung NRW in Düsseldorf. Ich würde empfehlen, man soll sich die Seite www.beuys2021 im Internet anschauen und da hinfahren, wo man Lust drauf hat. Auf der Seite findet man auch Hinweise auf einige Podcasts und weiterführende Literatur zu Beuys, die ein guter Einstieg sind. Empfehlen kann ich auch nur den Film „Beuys“ von Andres Veiel, der auf DVD erhältlich ist. Man sollte sich einfach leiten lassen von dem, was einen interessiert. Das ist sowieso immer das Beste – alles andere ist doch Krampf. Glauben Sie denn, dass die Objekte und auch die Relikte von Performances gewissermaßen noch so aufgeladen sind mit der Beuys’schen Energie, dass der Erkenntnisfunke bei der Begegnung heute noch überspringen und etwas beim Betrachter in Gang setzen kann? Oder bedeutet sich mit Beuys beschäftigen immer Arbeit … Ich glaube schon, dass der Funke überspringen kann. Sich gedanklich und kontemplativ auf ein Werk einlassen, ohne dass man irgendwelche Informationen hat, kann für einen selbst schon ein großer Gewinn sein. Sich einfach vor ein Werk stellen und sich fragen: Was passiert jetzt gerade mit mir? Wir haben ja einen Riesenschatz an Wahrnehmungsmöglichkeiten – die durchaus auch in sich widersprüchlich sein können. Wenn ein Werk es schafft, einen zu berühren, zu packen – was nicht bedeutet, dass man es „schön“ finden muss –, dann hat ein Kunstwerk schon viel erreicht. Aber das rein emotionale Befragen eines Objektes wird doch Beuys ebenso wenig gerecht wie die rein rationale Frage nach seiner „Bedeutung“, oder? Beuys ging es ja gerade um die Verbindung der Bereiche. Ja, das stimmt. Die Verbindung von Ratio und Intuition spielt bei Beuys und auch bei der Betrachtung von BeuysWerken eine ganz große Rolle. Das ist ja auch etwas, das uns als Menschen ausmacht. Man beurteilt ja auch ein Gegenüber nicht nur mit der Ratio, da spielen ja auch viele andere Dinge eine Rolle. Bei der Kunstvermittlung — und das ist auch meine Erfahrung aus langen Jahren im Museum Schloss Moyland – kommt es immer darauf an, eine gute Balance zu finden – nämlich jeden Betrachter erst mal frei in seiner Wahrnehmung zu lassen, ohne vorgefertigte Interpretationsmuster. Aber wenn man dann zusätzliche Informationen bekommt durch eine gute Führung oder auch

einen Audioguide, dann kann einen das schon sehr bereichern und ist auf jeden Fall hilfreich – bei Beuys allemal. Also im Grunde das, was er zu Lebzeiten selbst gemacht hat – es hat ja kaum ein anderer so viel über seine eigene Kunst geredet, erklärt, vermittelt … Ja, genau. Das tangiert eine ganz wichtige Frage, nämlich: Wie kann das Werk von Beuys ohne die Person Beuys heute funktionieren? Denn er war zu Lebzeiten schon das Zentrum seines Werkes – mit den ganzen Interviews, überhaupt mit seiner Person, seiner wahnsinnigen Ausstrahlung. Das haben wir jetzt nur noch in konservierter Form in Plakaten, Fotos, Filmen. Wie kann also sein Werk weiter funktionieren und wirken? Ich denke, das geschieht am ehesten über die Inhalte, wenn man sich mit Themen beschäftigt, die auch für Beuys zentral waren. Das ist übrigens etwas, das ich hier in Wuppertal vorgefunden habe und das mich an der Stadt, gerade was die Freie Szene angeht, so begeistert. Dass es hier Entwicklungen gibt, die eine große Parallelität zum Denken von Beuys haben, ohne dass es Beuysianer und Beuysianerinnen wären – was ich ganz schrecklich fände. Sondern wo es wirklich um die Frage geht: Wie kann sich Kunst heute gesellschaftlich einmischen und auf kommunaler Ebene gesellschaftliche Relevanz haben? Das finde ich total faszinierend, und das wird auch ein Thema für die Zukunft dieser Stadt sein. Wuppertal als „Soziale Plastik“? Ja, gewiss, Wuppertal als eine Stadt, in der kulturelle Prozesse ganz klar als gesellschaftliche Prozesse erkannt werden. Deshalb werden wir zum Beispiel auch in unserem Beuys-Performancefestival eine Gesprächsrunde zu dem Thema „Performing Citizenship“ haben, in der es darum geht, inwiefern künstlerische Interventionen wichtige Faktoren für Stadtteilentwicklung sein können und sind. Im Sinne von Beuys ist ja jedes Gemeinwesen eine „Soziale Plastik“, die es zu gestalten gilt – und jeder ist aufgerufen, sich daran zu beteiligen und mitzugestalten. Eben das meinte Beuys ja mit seinem berühmten Ausspruch „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Der wohl am meisten missverstandene Satz im Zusammenhang mit Beuys, oder? (Lacht) Ja, das ist wohl so. Der hat schon zum Teil sehr schräge Blüten getrieben. Er bedeutet ja eben nicht, dass jeder Pinsel und Leinwand zur Hand nehmen soll und damit schon ein Künstler oder eine Künstlerin ist – was häufig so verstanden worden ist und was ein völliges Missverständnis ist. Beuys versteht ja Kunst im Sinne von Kreativität, 11

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und die Kreativität kann alles sein und sich auf alle Lebensbereiche beziehen – auch auf das Arbeitsleben, die Politik, die Wirtschaft, die Wissenschaften. Das kann man auch nicht mehr in einen Kunstbetrieb packen, der davon lebt, Kunstwerke auszustellen und Kunstwerke zu verkaufen. Das macht Beuys auch in manchem so ungreifbar. Sie haben ja nun schon fast ihr halbes Leben mit Beuys verbracht … Können Sie in zwei Sätzen sagen, was Sie so lange bei der Stange hält und immer wieder neu fasziniert? Mich fasziniert immer wieder die Unendlichkeit des Kosmos des Beuys’schen Denkens. Die Unendlichkeit und die Aktualität und die Vielschichtigkeit seiner Themen. Dr. Bettina Paust kam in der Gründungsphase 1995 an das Beuys-Museum Schloss Moyland im Kreis Kleve und verantwortete dort zunächst die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, bevor sie die Leitung des Beuys-Archivs übernahm. Von 2009 bis 2018 war sie Künstlerische Direktorin des Museums. 2018 wechselte sie als Leiterin des Städtischen Kulturbüros nach Wuppertal. Sie ist als Lehrbeauftragte immer wieder an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf tätig.

Anfang Juli 2021 erscheint das von ihr gemeinsam mit Prof. Dr. Timo Skrandies herausgegebene umfangreiche erste Handbuch zu Joseph Beuys im J.B. Metzler Verlag. Zum ersten Wuppertaler Performance-Festival im Juni siehe Seiten 13–15.

Ausstellung im Skulpturenpark Waldfrieden, „Joseph Beuys. Perpetual Motion“, 28. März bis 20. Juni 2021, (siehe Seite 30) Abbildung: Joseph Beuys, Bleifrau (Lead Woman), 1949, Bleiguss, Sammlung Galerie Thaddaeus Ropac, © Estate Joseph Beuys, VG Bildkunst, Bonn 2021, Foto: Tom Carter

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Wuppertal – Stadt der Performanz

Die Unendlichkeit des Augenblicks. Ein Performancefestival zum NRW-weiten Beuys-Jubiläumsjahr

Dass gerade in Wuppertal anlässlich des NRW-weiten Jubiläumsjahres zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys ein Performancefestival vom 2. bis 6. Juni 2021 stattfindet, das den Impulsen nachspürt, die von Beuys‘ aktionistischem Werk ausgehen, ist kein Zufall. Denn die Stadt Wuppertal steht in einer langen Tradition von Künstlerinnen und Künstlern, bei denen Performanz ein wichtiger Bestandteil ihrer künstlerischen Arbeit ist: von Else Lasker-Schüler bis zur Galerie Parnass als wichtiges Zentrum der Fluxus-Bewegung. Dort beteiligte sich beispielsweise 1965 Joseph Beuys an dem „24 Stunden Happening“ mit seiner Aktion „und in uns … unter uns … landunter“. Mit Peter Kowald und Peter Brötzmann entwickelte sich ebenfalls Mitte der 1960er-Jahre in Wuppertal eine wichtige Keimzelle des internationalen Free Jazz. Ab Mitte der 1970er-Jahren war es Pina Bausch, die weltweit ein neues Verständnis von Tanz geprägt hat. Sie alle haben tradierte Kunstvorstellungen spartenübergreifend entgrenzt und wegweisende Impulse für aktuelle performative Ansätze in der Gegenwartskunst gesetzt. In den letzten Jahren, in denen Wuppertal schwer an der Haushaltskonsolidierung zu tragen hatte, hat sich zugleich eine besonders resiliente, dynamische und innovati-

ve freie Kunstszene (weiter)entwickelt. So wird u.a. an zahlreichen Orten in der Stadt ein Performanzbegriff gelebt, der als „Performing Citizenship“ bezeichnet wird. Damit sind Formen von Bürgerschaft gemeint, in denen sich die Beteiligten selbstbestimmt und oft in kreativen Formaten organisieren, um ihr Zusammenleben nicht nur auszuhandeln, sondern auch konkret zu gestalten im Sinne einer „performativen Demokratie“. Diese besondere Situation in der Wuppertaler Freien Szene war für das Kulturbüro der Auslöser, die einstige Wuppertaler PerformanceNacht neu aufzustellen als ein fünftägiges Festival, das – ausgehend von Beuys‘ erweitertem Kunstbegriff – die aktuelle Definitionsbreite von „Performance“ beleuchtet und gleichzeitig die gesellschaftliche Relevanz von Kunst durch künstlerische Beiträge und wissenschaftliche Diskussionen befragt. So trafen sich die Planungen des vom Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW veranstalteten Beuys-Jubiläumsjahres sehr gut mit der spezifischen Situation in Wuppertal und der Arbeit des Kulturbüros. Schließlich hat Joseph Beuys nicht nur den traditionellen Kunstbegriff auf jeden Menschen und auf dessen gemeinwohlorientiertes Handeln erweitert, sondern damit auch das Verständnis von Performanz radikal ausgedehnt. In der Konsequenz hat er mit seiner Theorie der Sozialen Plastik das Verständnis von Kunst auf die Kreativität und Verantwortung jedes Menschen für eine humane und nachhaltige Gesellschaft übertragen. In Wuppertal laufen 13

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Rimini Protokoll, Feast of Food, 2019. Foto: Rimini Protokoll

Showcase Beat Le Mot, Vote Zombie Andy Beuyz, 2008 Foto: Showcase Beat Le Mot

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also gedankliche Fäden zu Joseph Beuys und seiner Vorstellung einer gesellschaftlichen Transformation durch Kunst auf vielfältigen Ebenen zusammen. Dabei geht es keineswegs um eine Adaption der Beuys‘schen Kunst, sondern vielmehr um eine gedankliche Auseinandersetzung mit seinem Werk und der Sozialen Plastik und deren Fortschreibung, Aktualisierung und Konkretisierung mit Blick auf eine nachhaltige Stadtentwicklung. Dafür scheint Wuppertal geradezu prädestiniert, nicht zuletzt nach der letzten Kommunalwahl: Mit Prof. Dr. Uwe Schneidewind, dem langjährigen Direktor des Wuppertal Instituts, hat die Stadt einen Oberbürgermeister gewählt, der in seiner wissenschaftlichen Forschung zur gesellschaftlichen Transformation den Begriff der „Zukunftskunst“ geprägt und daraufhin sein Programm für eine nachhaltige Stadtentwicklung vorgestellt hat. Es geht im Kern also um die Erkenntnis, kulturelle Potenziale und kreative Fähigkeiten für eine nachhaltige und sozial gerechte gesellschaftliche Transformation im Sinne einer „Urbanen Performanz“ zu nutzen. Auf diesem immateriellen Erbe und der aktuellen Situation in Wuppertal baut das erste Wuppertaler Performancefestival auf, das von Prof. Dr. Barbara Gronau (Universität der Künste, Berlin), Prof. Dr. Timo Skrandies und Dr. Katharina Weisheit (Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf) gemeinsam mit Dr. Bettina Paust (Kulturbüro Wuppertal) kuratiert wird. In einer Kombination aus künstlerischer Produktion und wissenschaftlicher Reflexion wird der Blick auf zwölf Künstlerinnen und Künstler(-kollektive) gerichtet, die durch ihre Arbeit in der Nachfolge von Joseph Beuys gesellschaftsrelevante Themen auf ganz unterschiedliche Weise verhandeln. Die Festivalbeiträge werden für diesen Anlass meist neu produziert oder bestehende Arbeiten werden aktualisiert. Sie alle greifen Aspekte des Werkes von Joseph Beuys in unterschiedlichster Weise auf. So thematisiert Bazon Brock in seiner mehrstündigen Lecture Performance „Ich trete aus der Kunst aus!“ in der Diskussion mit sechs Gästen in Folge, ob und wie „Beuys als Kulturträger die Kunst erledigt“. Das Künstlerduo der Kunstschaffenden Kattrin Deufert/ Thomas Plischke erweitert seine Langzeitperformance „I like Erika and Erika likes me“ um den Mythos der Arachne, basierend auf der aktuellen Beschäftigung mit frühen Frauenzeichnungen von Beuys und in Auseinandersetzung mit Beuys‘ Aktion „I like America and America likes me“ (1974). Raimund Hoghe thematisiert in seiner meditativen Tanzperformance „Der Mensch ist frei“ den Freiheitsbe-

griff von Beuys, während die Gruppe Partita Radicale in ihrer „Etüde der Langsamkeit“ auf den Zeitbegriff in den Aktionen von Beuys musikalisch rekurriert. Das PlaybackPerformance-Unternehmen Jackson Pollock Bar untersucht in seinem Reenactment der Fernsehdiskussion „Der Hang zum Gesamtkunstwerk“ anlässlich der gleichnamigen Ausstellung von Harald Szeemann (1983) die Proklamation der Sozialen Plastik durch Beuys selbst, während sich das Kollektiv Showcase Beat Le Mot in „Remode Zombie Andy Beuyz“ den beiden großen Protagonisten der Kunst des 20. Jahrhunderts – Andy Warhol und Joseph Beuys – widmet. Das Künstlerkollektiv Rimini Protokoll konfrontiert in seiner immersiven Videoinstallation „Feast the Food“ die Besucherinnen und Besucher mit der industriellen Landwirtschaft und Fleischproduktion sowie deren Folgen und greift so Beuys Aphorismus auf, dass sich das Tier für den Menschen geopfert habe. Ebenfalls auf Beuys‘ gesellschaftliches Denken bezieht sich das Kollektiv ImpACT mit Beate Rüter und Doris Dopf in ihrer Performance „Wer im Glashaus sitzt…“, während Pia Janssen in „Die Stimme der Stadt“ Bürgerinnen und Bürger von Wuppertal in einer literarischen Performance demokratisch zu Wort kommen lässt. Olaf Reitz und Andy Dino Iussa setzen sich in ihrer partizipatorischen Performance „Ich bin alle“ mit dem Begriff des Schmerzes im Werk von Joseph Beuys auseinander und thematisieren ihn mittels eines öffentlich zugänglichen „Schmerzraumes“. Mit den Beiträgen „Fundamental – Akademie der Straße“ der Mobile OASE und „Registrierungsstelle für handhabbare Freiheit (RHF)“ von Utopiastadt sind zwei Projekte vertreten, die den kreativen und gemeinwohlorientierten Grundgedanken der Sozialen Plastik von Beuys aufgreifen und im Sinne von „Urbaner Performanz“ in ihren jeweiligen Stadtvierteln durch performative Interventionen wirken. Parallel zu den künstlerischen Beiträgen ziehen sich fünf wissenschaftliche Panels durch die Festivaltage, in denen sich die teilnehmenden Künstlerinnen und Künstler mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern in Diskussionsrunden zu zentralen Begriffen von Beuys und deren aktueller Rezeption sowie künstlerischer Umsetzung austauschen und den Blick zugleich nach vorne richten auf Formen kunst- und kulturbasierter nachhaltiger Stadtentwicklung. Das Performancefestival findet vom 2. bis 6. Juni 2021 an unterschiedlichen Ort in Wuppertal statt. Weitere Informationen sind zu finden unter: https://www. wuppertal.de/microsite/kulturbuero/index.php Bettina Paust 15

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Heilmatland

Ein Beitrag zur Kunstreligion mit Joseph Beuys in Wuppertal von Bazon Brock

Barmen und Elberfeld waren einmal Heiligland. Mit starker Emphase, wie in mittelalterlichen Zeiten üblich, feierte man sonntagsselig noch bis ins 19. Jahrhundert hinein die Städte im Tal der Wupper als zu denkendes, vorzustellendes Jerusalem. Vor allem die vielen freikirchlichen Sekten übertrugen die angestammten Abläufe von Prozessionen und Ritualen auf die Begehung des städtischen Lebensraums, als ob man eine Erinnerung an die Topografie des geografisch gegebenen Jerusalem ausleben wollte. Das von der heiligen Helena, der Mutter des ersten christlichen römischen Kaisers, initiierte Gebäude der Grabeskirche Christi wurde allenthalben im Modell kopiert; „Zionsberge“ luden sogar auf dem „platten Land“ zu simulierten „Reisen nach Jerusalem“ ein. Das bekannteste Beispiel hochliterarischer Repräsentation des heilsgeschichtlichen Geländes bietet zu Ende des 19. Jahrhunderts Theodor Fontane, der allerdings als volkstümliche Legende ausgibt, was tatsächlich Apostelgeschichte ist: Jesus trifft vor dem Schafstor Jerusalems auf einen Krüppel, der ihm erzählt, dass er wie viele andere auf die Gelegenheit warte, bei dem leider nicht vorhersehbaren Brodeln des Sees vor ihren Augen als Erster ins Wasser zu gelangen und so geheilt zu werden. Wenn Fontane das Brodeln und Kochen des Stechlin-Sees als Zeichen weltweiter

Katastrophendrohung wiedergibt, entgeht ihm der Kern der Erzählung, dass das Schäumen des Sees auf Heilstaufe im Zusammenbruch der profanen Welt hinweist. Wie erklärt man sich derartiges Erleben? Gilt für gläubige Christen bei der Begehung des Vorstellungsraums Jerusalem in der realen Stadt das Gleiche, was für „Theatergläubige“ angenommen wird, nämlich unmittelbar in der eigenen Sinnlichkeit zu realisieren, was auf der Bühne ausdrücklich als bloße Simulation vorgeführt wird? Das reicht wohl nicht. Stanislawskis Postulat verpflichtet den Schauspieler, jene Gefühle in sich zu erzeugen, die er beim Zuschauer ansprechen soll. Zwischen Schauspieler und Zuschauer entsteht ein paralleler Swing wie beim Paarlauf auf dem Eis. In der Imitatio Christi übte man sich in den Parallelswing mit Jesus ein, der in der Vorstellung als innerpsychische Realität wirksam wurde. Schon vor Stanislawski versuchte etwa Madame Blavatsky, hinduistische Vorstellungen vom Zusammenhang zwischen Körper und Seele, der Psychosomatik, auf europäische Übungstraditionen, auf die Askese zu übertragen, der zufolge es der Geist sei, der sich die Körper forme. (Der makabre Benn bezichtigt in diesem Zusammenhang Friedrich Schiller, Selbstmörder gewesen zu sein, weil sein Geist schon nach 46 Jahren dem Körper die Lizenz zum Leben entzogen habe.) Mit Verweis auf Rudolf Steiner, der Blavatskys hinduistische Theosophie/Verehrung der Götter in europäische Anthroposophie/Würdigung des Menschseins überführt

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Symposium im Ludwig Forum für Internationale Kunst und Lehrstuhl für Kunstgeschichte der RWTH Aachen, 22. bis 23. Oktober 2021, Beuys, Fluxus und die Folgen – Das Festival der Neuen Kunst in Aachen, Abbildung: Joseph Beuys bei seiner Aktion während des „Festivals der Neuen Kunst“, am 20. Juli 1964 im Audimax der TH Aachen, Foto: Heinrich Riebesehl / © VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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Ausstellung in der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, 27. März – 15. August 2021 „Jeder Mensch ist ein Künstler.“ Kosmopolitische Übungen mit Joseph Beuys Abbildung: „Musik aus der Zukunft“, Joseph Beuys, Kukei, Akopee – nein!, Braunkreuz – Fettecken – Modellfettecken, während des Festivals der Neuen Kunst, 20. Juli 1964, © Foto: Peter Thomann / Ludwig Forum für Internationale Kunst Aachen / VG Bild-Kunst, Bonn 2021

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hatte, gründete man die Waldorfschulen, um die Übertragungsenergien im Leib-Seele- wie im Mensch-Welt-Verbund durch Training zu entfalten. Als Medien der Übertragung aktivierte man Vorstellungen, die ganz unzeitgemäß zu sein schienen, aber von vielen Künstlern, etwa im Umfeld Kandinskys und dessen kosmischer Malerei, als ganz modern propagiert wurden. „Mal’ak, so benannten die alten Israeliten bestimmte Geschöpfe, die nicht besonders klar konturiert waren. Engel konnten alles Mögliche sein: Naturkräfte, überirdische Wesen, auch Menschen, vor allem aber und immer wieder Spracheindrücke, intensiv bis zur Visualisierung, ja bis zur Körperlichkeit – Stimmen, die aufrichteten oder schlugen, töteten, entrückten, retteten, kräftigten. Unbestritten war ein Mal’ak eine Kreatur, niemals Gegenstand von Anbetung. Als ein vielseitiger Übermittler war er nicht rein passiv wie ein schwingender Luftraum, kein Medium, aber doch auch kein schaffender Autor. Wie eine poetische Metapher stand er für etwas anderes, aber dieses andere war nicht zu trennen von ihm selbst, indem er geschah.“ (Christian Lehnert, 2020, 43 ((entweder nur den Namen nennen oder als Fußnote setzen.) Sollte man nicht annehmen, dass die Kraft der Mal’aks längst durch die Warenpropaganda des Kapitalismus mit größter Subtilität überboten worden sei, wie die Werbung sie etwa Waschmitteln nachsagte, die nicht nur „sauber“, sondern „rein“ wuschen? Seit 1960 dürfte auch in Elberfeld und Barmen, wie überall im Königreich der Kunden, die Stadt als Kaufhaus alle religiöse Vorstellungskraft der Zeitgenossen besetzt haben. Da boten Jerusalem und Rom nur noch wenig Faszination. Brodelnde Wasser wie vor dem Schafstor und am Stechlin wurden Kurziele der Krankenversicherten, in Abano Terme und überall, wo es seit römischen Zeiten nach Schwefel oder Salzlake roch. Danach war man wieder fit für 40 Monate am Fließband in der Automobilindustrie und im Kaufrausch resistent gegen Zusammenbruchsahnungen aus der Zukunft. Durch die Arbeit von Künstlern wie Beuys wird aber mehr und mehr erkennbar, dass zwischen alttestamentarischem Mal’ak und zeitgemäßen Malakten, zwischen Spiritualismus der Gläubigen und Spiritismus der Kaufenden in den Wirkungserwartungen kaum ein Unterschied besteht. Der

Käufer glaubt auf die gleiche Weise an das Wirksamwerden der erworbenen Güter wie der Gläubige an die Geister der Vermittlung zwischen Welt und Gott, zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Essen und Gegessenhaben, zwischen Wesen und Wirkung. Wie immer man jemals das christliche Heilsversprechen ausgelegt hat – heute gilt unmissverständlich, dass im Unterschied zu allen anderen Religionen der Weltgeschichte nur die christliche Theologie die vernünftige Rede und nicht nur märchenhafte Erzählung von Gott ermöglicht. Denn nur weil Gott Mensch werden musste und wurde, können Menschen über Gott wie über alle anderen Gegebenheiten in der Welt sprechen. Gott bleibt nicht das Jenseits des Menschen. Alle Vorstellungen der Erhebung zu Gott, der Apotheose, sind sagenhaft beliebig; auch die opportunistische Aneignung von Menschengestalt durch Götter ist harmlose Mimikry, wie man es im sozialstrategischen Rollenspiel des Alltags häufig glaubt, erkennen zu müssen. Gott ist entweder Mensch oder bloße Fiktion. Und unter Menschen stiftet der Geist Heil, wenn er deren Beziehungen untereinander belastbar, gar verbindlich werden lässt. Und das nicht nur in der Beziehung von Eltern zu Kindern, von Arbeitgebern zu Arbeitnehmern, von Reichen zu Armen; sondern generell ist ein Mensch nur Mensch in der verbindlichen Beziehung zu anderen. Der historische Name für solche dauerhaft gestifteten Beziehungen ist „Heiliger Geist“. In ihm gründet erst recht Einsteins Feststellung „Alles ist relativ“, alles Gegebene wird nur aus seinen Relationen/Beziehungen zu anderem bestimmbar, also aus dem Heiligen Geist.

Jeder Mensch ist Mensch Der Elberfelder Rolf Jährling hatte ab 1961 in der Moltkestr. 67, ganz im Sinne der früheren Jerusalem-Imagination und der Mal’ak-Aktivitäten, mit der „Galerie Parnass“ ein Übungsgelände für künstlerische Erprobung des Menschseins zur Verfügung gestellt. Seinem Beruf als Architekt gemäß ging es ihm um Vorstellungen und Einbildungen als Lebensräume unter besonderer Berücksichtigung von Zeitverläufen: Arbeitszeit, Schlafenszeit, Erholungszeit, Lernzeit, Erzählzeit, Erlebniszeit. Eine Einheit dieser Zeitdifferenzierungen stiften die kalendarischen Zyklen, ande19

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re die epochalen geschichtlichen Ereignisse oder die religiösen Orientierungen. Die zeitgenössischen Adressaten dieser Anleitungen zum Leben in Bildern, Texten, Erinnerungen und Vorstellungen waren unterschiedlich motiviert. Eine für viele gleiche Motivation stiftete die um 1960 weitreichende Faszination durch den Roman „Ulysses“ von James Joyce, der eine 24-StundenPeriode der Lebenszeit des Annoncenakquisiteurs Leopold Bloom erzählt. Seit Ende der 1950er-Jahre feierten wir, wie in Dublin vorgemacht, den 16. Juni als Bloom’s Day (zum Beispiel in der Galerie Dorothea Loehr), so wie die Franzosen ihren 14. Juli als Sturm auf die Bastille und die Amerikaner den 4. Juli als Independence Day begehen. Leben in historischen Vorstellungen wie in einem Roman, zum Beispiel im „Ulysses“, bedeutet dann auch, das Verhältnis von erzählter Zeit und Erzählzeit im Leben der Leser erfahrbar zu machen. Lesezeit als Lebenszeit oder: Erleben, wie man liest. Leben, wie man die Zeitung liest, sagt Bloom. Und die erscheint jeden Tag aufs Neue als eine andere. Deshalb schlug ich Jährling und meinen gleichermaßen von Joyce begeisterten Kollegen vor, in der Galerie Parnass eine 24-Stunden-GAP-Aktion als gradus ad parnassum zu planen. GAP, also Aufstieg zum Gipfel der Anerkennung, hieß ein Förderprogramm für Studierende der Deutschen Studienstiftung; bei Jährling konnten nun einmal die Enthusiasten der Lehre Joseph Beuys, Bazon Brock, Nam June Paik und die Lehrmeister Wolf Vostell und Tomas Schmit, Charlotte Moorman und Eckart Rahn ihre Parnass-Tauglichkeit demonstrieren. Wegen der Popularität der von Vostell propagierten Aktionsform „Happening“ wurde aus meinem Vorschlag das „Wuppertaler 24-Stunden-Happening 1965“, obwohl der Begriff Happening längst durch „action teaching“, „performance“, „Fluxus-Manifestation“, „Präsentation“, „Agitpop“ zur Unfassbarkeit abgeschwächt worden war. Am 5. Juni 1965 begannen die Protagonisten kurz nach Mitternacht, jene Vorstellungs- und Einbildungsräume darzustellen, in denen sie sich 24 Stunden lang bewegen wollten. Für Vostell war es ein Tag im KZ, für Paik und Moorman ein Tag im Musikparadies, für Brock ein Tag mit dem Großvater auf dem Lande, für Schmit ein Tag im Labor, für Rahn ein Tag auf der Seidenstraße.

Für Beuys war der 5. Juni ein Tag in ganz nahen, aber unbekannten Räumen wie zum Beispiel dem Raum unter der leeren Kiste oder in der Kniekehle. Diese Räume ließ er mit der Fühllichtkamera sichtbar werden. Er orientierte sich durch Wärme-/Kältedifferenzen, Nah-/Fernempfindungen, Weich-/Hartüberlagerungen, durch das Echolot der Gefühle und seine Bekenntnisfrömmigkeit. Wieder erprobte er seine Definitionskraft, Leerformen, Zwei-Seiten-Formen, Zwischenräume, also generell offene Formen auszuweisen. Seine in dieser Hinsicht bekanntesten Markierungen sind in Fettkörpern repräsentierte Ecken oder mit Unschlitt ausgefüllte Hohlräume als Negativformen oder Formen des Negativen. Wenn man Beuys zusah, wurde selbst der klarste Blick auf die von ihm ausgeführten Handlungen unscharf. Alles fragwürdig? Welche Form hat die Leere oder die Null? Ist die Null eine Zahl, gibt es das Nichts auf gleiche Weise wie das Etwas? Bewegt sich etwas im Raum oder wird der Raum erst definierbar durch die Bewegung in ihm? Ist die Differenz auf gleiche Weise gegeben wie die differenten Teile? Man bewegt sich oder sieht andere sich bewegen, in unbestimmter Landschaft (Landschaft ist von Vorstellungen überformte Natur). Erst die Körper im Raum lassen den Raum als körperliches Gebilde erfassbar werden. Wenn die sich bewegenden Körper aus dem Raum verschwinden, verschwindet der Raum, der für den Betrachter erst durch die Erinnerung an das Gesehene rekonstruierbar wird. Noch zu Zeiten der Aufklärung nannte man diese Sicht auf Körper, die aus dem Raum, den sie definiert hatten, verschwinden, das Geistersehen. Diesem Geistersehen widmete Kant seine frühen Vorlesungen, um es dann in seinen Begriffsschöpfungen der Vorstellungs- und Einbildungskraft praktikabler zu formulieren. Beuys ist ganz sicher der begabteste und erfahrenste Geisterseher der Nachkriegskunstpraxis, der die alttestamentarischen oder die schamanischen oder keltischen oder auch pflanzlich-tierischen Praktiken des Geistersehens produktiv zu nutzen verstand. Schamanische Kraft definieren wir als Fähigkeit eines Menschen, ohne fremde Hilfe etwa aus dem Verlust der

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eingeübten Welterfahrung (selbstinduziertes „Irresein“) selbständig wieder herauszufinden. Ein Schamane beruft sich selbst zu dieser Prüfung und legitimiert und autorisiert sich dadurch, dass er sie durchsteht und damit besteht. Keltische Spiritualität beruht auf der Fähigkeit, nicht-menschliche Akteure als raumbildende Kräfte zu identifizieren und sie in menschlicher Einbildung zu repräsentieren. Die pflanzlich-tierischen Geistwesen erkennen wir im Metabolismus, durch den wir Pflanzen und Tiere in Lebensenergie für uns verwandeln (siehe die Theologie des christlichen Abendmahls). Wir wollen versuchen, anhand des Beuys‘schen Kunstbegriffs den historischen Prozess anzusprechen, in dem ausgerechnet Mitglieder der altjüdischen oder der keltischen Kultur zu Missionaren des Christentums werden konnten. Das gesamte Beuyswerk stützt sich auf diese Transformation; aber Beuys zeichnet sich dadurch aus, dass er den historischen Prozess gegenläufig rekonstruiert. Er lässt von der christlichen Ikonografie aus die keltische Spiritualität wie die des Mal’ak in befremdender, erstaunlicher Weise erkennbar werden. Man sollte sich erinnern, dass Thomas Mann die gesamte Moderne, zu der Beuys zweifellos gehört, als „intentionale Re-Barbarisierung“ kennzeichnet. Das entspricht dem griechischen Verständnis von Barbarei als Begegnung mit dem Fremden und dem Jenenser Verständnis von Romantisieren. Letzteres hat Novalis 1800 als Intention formuliert, „dem Nächsten und Bekanntesten die Anmutung des Fernsten und Fremdesten, also einen geheimnisvollen Sinn“ zu geben. Beuys schließt unmittelbar an die Jenenser Romantik an. Er versteht mit Novalis und Co. den Beginn der deutschen Ikonografie mit der Donauschule und Dürer. Daher erklärt er Dürers Hasen bei Schmela in Düsseldorf ebenfalls 1965 die deutsche Kunst als Geschichte der Ikonografie des Deutschseins. Von Rembrandt übernimmt er den Goldhelm als nächsten Verweis auf die Entwicklung der deutschen Ikonografie, indem er sein Gesicht mit Blattgold belegt. Besonders wichtig ist für ihn der dritte Schritt mit der Mystik Jakob Böhmes und den Gold-/Porzellanmachern des Dresdener Hofes um 1700. Vierter Schritt: Novalis‘ Romantik und Schellings Theosophie. Dann Goethes Topos der „Beseelung“, erarbeitet in seinen naturkundlichen

Schriften, die schließlich Rudolf Steiner als Erster ediert hatte. So kommt Beuys zum Bildungsgestus der Anthroposophen, in welchem die schwarze Schultafel als zeitgemäße Repräsentation der mosaischen Gesetzestafel erscheint. Gesetz ist für die Modernen das, was man in stringenter Logik als Zusammenhang erschlossen hat. Die Tafeln repräsentieren das, was trotz aller Fertigkeit nicht gezeigt, sondern nur gedacht werden kann. Glaubte man etwa, mit „Atom“ oder „Individuum“ auf das zeigen zu können, was als das Kleinste eben nicht mehr teilbar sei, so erzwang das Denkbare jenseits des bloß Zeigbaren die Teilbarkeit des Unteilbaren. Damit führt der Begriff weit über das Erwiesene hinaus, sodass selbst die extremsten Materialisten in der Gruppe der Kleinteilchenforscher inzwischen anerkennen müssen, dass die Welt nur im Begriff des Geistes fassbar ist. Denn Geist ist im Begriff gegeben. Alles Material, alle Form, alle Naturgesetze sind Verweise auf den Geist als Begriff. Welch schöne Pointe, dass die Kleinteilchenphysiker zu Joyce aufschließen, wenn sie etwa den Begriff der Quarks, Teilchen des geteilten unteilbaren Atomkerns, von den Poeten übernehmen. Beuys hat das „begriffen“. Er eröffnet ständig durch Mal’akErfahrung, durch Geistersehen selbst in den kleinsten Formgebungen Perspektiven auf das, was nicht sichtbar ist, aber umso zwingender gedacht werden muss. Das Durchhalten des Denkens führt zu Verbindlichkeit als etwas, das dauert. Was dauert, ist heilsam. Geist als das, was die Dauer stiftet, ist das Heil, und den Ort des Denkens nennt man Heimat. Bazon Brock Fortsetzung folgt am 2. Juni 2021 im Schauspielhaus Wuppertal

„Action Teaching zum 100. Geburtstag von Joseph Beuys“ von mittags bis Mitternacht mit Bazon Brock, Wolfgang Ullrich, Robert Fleck, Hans Ulrich Reck und anderen.

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Philipp Fröhlich, Der Rattenfänger von Hameln – die Kinder, 2018, Öl auf Leinwand, 275 × 195 cm, alle Abbildungen © Philipp Fröhlich

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„Die Themen arbeiten jahrelang in meinem Kopf“ Der Kunst- und Museumsverein Wuppertal stellt Gemälde von Philipp Fröhlich in der Kunsthalle Barmen aus

In seinen jüngsten Arbeiten beschäftigt sich der Künstler mit Märchen und erzählt im Interview mit der besten Zeit, warum ihn das Spiel von Fiktion und Realität fasziniert. Wie kam es dazu, dass Sie sich schon seit einiger Zeit mit Märchen beschäftigen? Auf die Märchen bin ich gekommen, weil ich mich gefragt habe, ob es noch möglich ist, narrative Bilder zu malen. Es war mir sehr wichtig, ein Thema zu finden, das weithin bekannt ist, was man aber bei den klassischen Motiven der Bibel oder der antiken Mythologie nicht mehr voraussetzen kann. Für Märchen habe ich mich deshalb interessiert, weil sie eine sehr bildhafte Sprache haben und zumindest die großen Märchen wirklich sehr bekannt sind. Mich interessiert gerade eine interpretative Herangehensweise besonders. Was interessiert Sie inhaltlich an Märchen? Wofür stehen sie für Sie? Märchen erzählen in sehr kraftvollen Bildern und häufig auf einer intuitiven Ebene. Dabei ist es gar nicht immer so ersichtlich, wie man meint, worum es in einem Märchen wirklich geht. Die Geschichten finden auf mehreren Ebenen statt, und viele Märchen erhalten sich eine erstaunliche Offenheit. Auch die viel beschworene Moral ist häufig nicht so klar, wie einem erscheint. So geht es in „Hänsel und Gretel“ beispielsweise um Täuschung und Wirklich-

Philipp Fröhlich, Foto: Esther Fernández Garcia

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Philipp Fröhlich, Die Vögel des Waldes picken die Brotkrumen auf, 2017, Öl auf Leinwand, 145 x 195 cm

Philipp Fröhlich, Da gab ihr Gretel einen Stoß, dass sie weit hineinfuhr, machte die eiserne Tür zu und schob den Riegel vor, 2018, Öl auf Leinwand, 195 × 275 cm

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keit, aber es geht auch um Hunger, Urängste der Kinder und ihre Überwindung, Emanzipation, Brüderlichkeit und Egoismus, und sogar Sexualität spielt sicher eine Rolle. Mich fasziniert diese Vielschichtigkeit, und sie hat für mich eine große Nähe zur Malerei.

Haben Sie Vorbilder? In dieser Hinsicht haben mich Jeff Wall und seine inszenierten Fotografien immer sehr interessiert. Überhaupt finde ich inszenierte Bilder oft sehr spannend, Max Beckmann und Rubens beispielsweise faszinieren mich sehr.

Nach welchen Gesichtspunkten wählen Sie Ihre Motive? Gibt es weitere literarische Vorlagen, zu denen Sie schon gearbeitet haben? Gibt es weitere Themenkreise? Ich bediene mich da frei an allem, was mir begegnet und was etwas in mir auslöst. Häufig arbeiten Themen jahrelang in meinem Kopf, bevor sie irgendwann zu einem Bild heranreifen. Ein Bezug zu Romanen, Theaterstücken, Presseartikeln oder Poesie besteht eigentlich fast immer. Das ist sicherlich auch biografisch bedingt, weil ich ja eher vom Theater komme. So konkret zu einer literarischen Vorlage wie bei den Märchen habe ich allerdings noch nie gemalt. In anderen Bildern gibt es häufig einen Bezug, der aber so nicht ersichtlich ist und höchstens als Anhaltspunkt oder fragmentarisch auftaucht.

Sie haben in der Bühnenbildklasse von Karl Kneidl an der Kunstakademie Düsseldorf studiert. Hatten Sie auch überlegt, ans Theater zu gehen? Noch als Schüler habe ich damit angefangen, am Wuppertaler Stadttheater als Statist zu arbeiten. Danach wollte ich unbedingt Bühnenbildner werden, denn es erschien mir die perfekte Symbiose aus meinem Interesse am Theater und meinem bildnerischen Drang zu sein. Karl Kneidl war ein ganz toller Professor. Überhaupt der erste richtig durch und durch künstlerische Mensch, den ich getroffen habe. Als Assistent von ihm konnte ich bei tollen Theater- und Opernproduktionen mitarbeiten, unter anderem mit Peter Zadek als Regisseur. Das war für mich eine ganz besondere Zeit, die mich sehr geprägt hat. Wenn eine Theaterproduktion und die Mitwirkenden gut sind, dann steigert einer den anderen, und es kann etwas Unglaubliches entstehen. Dazu muss man aber in eine gemeinsame Fantasie miteinander gelangen. Mir persönlich fällt die Zusammenarbeit sehr schwer, wenn dies nicht so ist, und auch das kommt leider auch sehr häufig vor. Am Ende musste ich feststellen, dass ich eigentlich mehr an meiner eigenen Fantasie interessiert bin. Deshalb bin ich kurz entschlossen vor dem Theater nach Spanien geflohen, um dort zu malen. Ich wusste, dass es schwer sein würde, wenn ich in Deutschland bliebe, weil ich dort schon einen Fuß im Theater hatte.

Sie malen mit Öl. Wie bereiten Sie Ihre Bilder vor? Gibt es Skizzen? Wie haben Sie Ihren Stil entwickelt? Die Bilder der Ausstellung sind alle mit Ölfarbe gemalt, aber das ist eher eine Neuigkeit für mich. Vorher habe ich 15 Jahre lang fast ausschließlich mit Eitempera gemalt. Für die Bilder zu den Märchen war mir aber ein glatteres, reflektierendes, der Fotografie näheres Medium wichtig. Meine Bilder entwickle ich eigentlich immer an einem Modell. Auch das habe ich mir in meinem Bühnenbildstudium angewöhnt, und es erleichtert mir die Arbeit enorm. Ich kann mit dem Modell spielerisch umgehen, Dinge leicht ausprobieren und ändern. Das Modell dient mir danach als Vorlage für das eigentliche Bild. Skizzen entstehen parallel dazu. Ihre Gemälde wirken fast wie Fotografien. Was fasziniert Sie an dem Spiel von Fiktion und Realität? Gerade im Bezug zum Thema Märchen erschien es mir reizvoll, dieses mit einem gewissen Realismus anzugehen. Märchen werden ja meistens eher kindlich oder stilisiert gezeigt. Ich finde es spannend, die beschworenen Bilder erstmal ernst zu nehmen und ihnen einen Platz in unserer Sehweise einzuräumen, und diese ist heute natürlich sehr geprägt durch die Fotografie. Die Malerei ist ja auch eine Möglichkeit, Fiktionen in die Realität zu übertragen und sichtbar zu machen. Für mich persönlich ist dies überhaupt der entscheidende Punkt, warum ich male. Die Möglichkeit, die Bilder in meinem Kopf auszuformulieren und sichtbar zu machen, aus Fiktion Realität werden zu lassen.

Sie lebten lange in Spanien, nun in Brüssel – warum? Mein Bruder Hendrik und ich haben dann unsere alten Autos mit all unseren Sachen vollgepackt und sind damit nach Madrid gefahren. Wir haben dort einen Monat in einer Pension gewohnt und dann eine Wohnung gefunden, die so vergammelt war, dass ich dort ohne Hemmungen malen konnte. Wir hatten eigentlich keinen richtigen Grund, um nach Madrid zu ziehen. Wir kannten die Stadt beide nicht, nur mein Bruder sprach etwas Spanisch. Die ersten Jahre habe ich dort vor mich hingemalt, und dann habe ich mich irgendwann für einen Wettbewerb für eine Ausstellung in einem Zentrum für junge Künstler in Madrid beworben. Dann ging plötzlich alles ganz schnell, und ein Jahr später hatte ich eine Ausstellung im MUSAC, dem Museum für zeitgenössische Kunst in Leon. Dort hat eine der bekanntesten Galeristinnen von Spanien meine Bilder gesehen, und ich habe angefangen, mit ihr zu arbeiten. So 25

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Philipp Fröhlich, Rosendickicht, 2017, Öl auf Leinwand, 110 × 145 cm

bin ich 15 Jahre in Madrid geblieben und heute mit einer Spanierin verheiratet (die übrigens meine erste Ausstellung dort aufgebaut hat). Vor einigen Jahren wollte ich dann gerne etwas näher zurück nach Mitteleuropa, und so sind wir in Brüssel gelandet. Eigentlich auch ohne einen richtigen Grund. Wir fühlen uns aber sehr wohl hier. Welche Verbindung haben Sie noch nach Wuppertal, wo sie ein paar Jahre gelebt und auch ihr Abitur gemacht haben? In meiner Kindheit sind wir häufig umgezogen und dann 1991 in Wuppertal gelandet. Meine Eltern leben immer noch hier. Ich habe in Barmen, unweit der Kunsthalle, mein Abitur und in Wuppertal meinen Zivildienst gemacht. Mit dem Wuppertaler Maler Enric Rabasseda, der damals mein Chef gewesen ist, war ich bis zu seinem Tod 2016 befreundet. Meine Familie ist sehr verstreut, ein Bruder wohnt in Kalifornien, der andere wohnte in Kyoto, und so ist das Haus meiner Eltern in Wuppertal immer noch unser Treffpunkt. Biografie: Philipp Fröhlich (*Schweinfurt, 1975) studierte von 1996 bis 2002 in der Bühnenbildklasse von Professor Karl Kneidl an der Kunstakademie Düsseldorf. Während des Studiums

arbeitete er als dessen Assistent an verschiedenen Theaterund Opernproduktionen, unter anderem mit Peter Zadek. Von 2002 bis 2016 lebte Philipp Fröhlich in Madrid. Seine Bilder wurden in einer Reihe von Ausstellungen in Spanien und im Ausland gezeigt und finden sich in Museen und öffentlichen Sammlungen wie dem Museo Reina Sofia in Madrid, dem MUSAC in León, dem Museo Patio Herreriano in Valladolid und dem Von der Heydt-Museum in Wuppertal. Philipp Fröhlich lebt seit 2016 in Brüssel. Die Ausstellung „Märchen“ in der Kunsthalle Barmen ist seine erste Einzelausstellung in Deutschland.

Märchen Philipp Fröhlich Sonntag, 9. Mai, bis Sonntag, 4. Juli 2021 Kunsthalle Barmen Geschwister Scholl Platz 4-6, 42269 Wuppertal Öffnungszeiten Do bis Fr 14 bis 18 Uhr Sa und So 11 bis 18 Uhr Feiertage (Christi Himmelfahrt, 13. Mai, Pfingstmontag, 24. Mai, Fronleichnam, 3. Juni): 11 bis 18 Uhr Eintritt 3 Euro/erm. 2 Euro. Tickets mit Zeitfenster nur über wuppertal-live.de erhältlich. Zur Ausstellung erscheint ein Katalog.

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Philipp Fröhlich, Großmutter erzähl - die Sonne I, 2020, Öl auf Leinwand, 175 x 120 cm

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Leunora Salihu, Wellenlänge, 2019, ceramic, glaze, wood, 135 x 214 x 25 cm, Courtesy of the artist, Foto: Dejan Sari

Vom Innen zum Außen Leunora Salihu im Skulpturenpark Waldfrieden Leunora Salihus keramische Skulpturen, ihre Raumkörper und Rauminstallationen, die durch das Prinzip der Wiederholung von organischen und konstruktiven Formelementen Möglichkeiten und Grenzen von Bewegung ausloten, entstehen aus einem ungewöhnlichen und vielschichtigen Erfindungsreichtum und gelten bereits heute als ein wesentlicher Beitrag zur Bildhauerei der Gegenwart. Sie zeugen von einer unverwechselbaren Material- und Formensprache. Salihu befasst sich mit elementaren Themen der Bildhauerei wie konstruktiven und organischen Bauweisen, Bewegung in der statischen Form, der Skulptur-Sockel-Problematik, innen und außen, Raum und Umraum.

Ihre skulpturalen Formen basieren auf einem Prinzip von modularen Bauweisen aus manuell gefertigten Elementen, die durch das Prinzip der Wiederholung und Reihung einen spannungsgeladenen Rhythmus erzeugen und physikalische Gegenpole betonen: Expansion und Anziehungskraft sowie Schwerkraft und Schwerelosigkeit. Alles hängt miteinander zusammen und bedingt sich gegenseitig. Dabei sind die Wahl und Kombination der Materialien mit ihren spezifischen Eigenschaften und Herstellungsprozessen, darunter vornehmlich natürliche Materialien wie Keramik oder Holz, untrennbar mit der Ausdrucksqualität ihrer Skulpturen verbunden. Unabhängig von statischen und konstruktionsbedingten Fragestellungen beschäftigt sich Salihu in ihren Zeichnun-

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Leunora Salihu, Foto: Mathias Schormann

„Ich sehe meine Arbeiten als eigenständige Einheiten, die eine Geschlossenheit in sich und gleichzeitig eine Offenheit zum Umraum verkörpern. Die Wahrnehmung von sich selbst als eine innere und eine äußere Existenz und das Verhältnis vom Innen zum Außen und umgekehrt sind etwas Urmenschliches. Da beginnen für mich auch all die spannenden Fragen nach dem, was Raum ist. Nicht wenige meiner Arbeiten sind ja als Segmente gedacht oder als eine Bewegung, die sich im Raum endlos fortführen könnte.“ Leunora Salihu

gen mit dem Verhältnis von Körper und Raum sowie biologischen und geologischen Phänomenen. Dem Prinzip der Wiederholung und Variation einzelner Elemente bleibt sie auch in diesem Medium treu. Leunora Salihu wurde 1977 in Prishtina, Kosovo geboren und lebt und arbeitet in Düsseldorf. Sie studierte Bildhauerei an der Kunstakademie Düsseldorf und schloss als Meisterschülerin bei Tony Cragg ab. Sie hatte Einzelausstellungen in Institutionen wie kürzlich in der Sammlung Philara (2020), dem Museum Lothar Fischer (2018), der Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, K21 (2017), The National Gallery of Kosovo (2017) sowie dem Lehmbruck Museum (2011/12). Salihus Schaffen wurde unter anderem mit dem LotharFischer-Preis (2017) ausgezeichnet.

Leunora Walihu, Welle, 2020, ceramic, glaze, wood, 177 x 96 x 36 cm,

Leunora Salihu. Pieces Samstag, 17. April bis Sonntag, 20. Juni 2021 Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal skulpturenpark-waldfrieden.de

Leunora Salihus Ausstellung Pieces zeigt Skulpturen und Zeichnungen. Ruth Eising 29

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Joseph Beuys hat mit der 1968 formulierten Devise „Jeder Mensch ist ein Künstler“ die Grenzen der Kunst neu definiert. Nicht die Auseinandersetzung mit den starren Formen von Malerei und Skulptur war sein Ziel, nicht das sich Einfinden in die vordefinierten Strukturen von Akademien und Museen. Es ging ihm vielmehr darum, alle kreativen Kräfte auf das Leben und seine Wandelbarkeit zu lenken. In dieser Beweglichkeit erkannte er die Chance für eine kontinuierliche Veränderung von Bewusstsein und die weitere Herausbildung von Freiheit und Kreativität. Künstlerische Arbeiten hat Beuys als „Werkzeuge“ gesehen. Mit ihrer Hilfe wollte er Ideen in Gang setzen, die über die Betrachtenden in die ganze Gesellschaft hineinwirken und alle Mitglieder zur verantwortungsvollen Teilnahme an diesem kreativen Prozess einladen. Ausstellungen wünschte er sich als „Werkstatt“ für den produktiven Umbau von zunächst ungerichteten Energien, Museen nicht als Ruhmeshallen, sondern als „permanente Konferenz“, an der jeder zur kritischen Teilhabe aufgefordert ist. Dem Künstler – und damit jedem Menschen – spricht er die Fähigkeit zu, schöpferisch über bestehende Verhältnisse hinauszuwachsen, sich mit seiner archaischen Vergangenheit ebenso zu verbinden wie mit einer visionären Zukunft. In der Kultur sieht er den Impulsgeber für diesen kreativen Wandel. Die dort formulierten Kräfte können schließlich, so Beuys, Wirtschaft und Rechtswesen dynamisieren und die Verbesserung der eigenen wie auch der gesamten Existenz herbeiführen. Perpetual Motion. Für diese Ausstellung wurden über 20 Exponate der Jahre 1949 bis 1985 aus den Privatsammlungen der Galeristen Thaddaeus Ropac, Bernd und Verena Klüser sowie der Journalistin Linde Rohr-Bongard und der Sammlung Viehof, ehemals Sammlung Speck, ausgewählt, die alle durch ihre jeweils eigene profunde Geschichte mit Joseph Beuys und seinem Schaffen verbunden sind. Zugleich stehen sie Tony Cragg nahe, der aus Anlass des 100. Geburtstag von Beuys das Desiderat hatte, eine Ausstellung mit seinen Werken in zwei Pavillons des Skulpturenpark Waldfrieden zu verwirklichen. Cragg selbst war Beuys erstmals 1972 in der Whitechapel Gallery in London begegnet. Der damals 23-jährige Cragg war von Beuys‘ charismatischem Vortrag, seinem enzyklopädischen Wissen, seiner brillanten Assoziationsfähigkeit und dem gesellschaftlichen Anspruch seines Kunstbegriffs tief beeindruckt. Die von ihm nun für Wuppertal ausgewählten Exponate von Wegbegleitern von Joseph Beuys vernetzen sich untereinander dialogisch und sind im Beuys’schen Sinne eine Batterie zur Speicherung von Energie, ein Reservoir an Potenzial und Ideen.

La rivoluzione siamo Noi, 1972, Foto Galerie Klüser

Perpetual Motion

Joseph Beuys im Skulpturenpark Waldfrieden

„Ich bin Beuys zum ersten Mal als Student 1972 in London während seines Vortrags in der Whitechapel Gallery begegnet. Damals gab es in England eine große Antipathie gegen Deutsche. Überall waren noch Menschen, die vom Krieg für immer versehrt waren. Dann stand Beuys, „The German“, plötzlich allein und mit Fischerjacke bekleidet im Herzen des East End und beschrieb seine Vision für die Welt. Man musste seinen Mut und seine Überzeugungen bewundern! Für Beuys war Kunst ein aktiver Prozess. Sein Material war nicht Farbe oder Stein, sondern die Gesellschaft und der bewusste und verantwortungsvolle Umgang mit ihrer zukünftigen Gestaltung. Das macht seine Arbeit politisch und sozial relevant. Ich bin kein Jünger von Beuys geworden, aber seine Überzeugung, dass Kunst eine hohe Bedeutung hat und mit dem Alltag engstens verknüpft ist, hat mich tief beeindruckt.“ Tony Cragg

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Joseph Beuys, Rückenstütze für eine feingliedrige Person (Hasenart) des 20. Jahrhunderts n. Chr., Galerie Thaddaeus Ropac, © Joseph Beuys Estate, VG-Bildkunst, Bonn 2021, Foto: Ulrich Ghezzi

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Joseph Beuys, Rose für direkte Demokratie Rose for Direct Democracy, 1973, Galerie Klüser, München, © Estate Joseph Beuys, VG Bildkunst Bonn 2021, Foto: Jamie Fischer

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Joseph Beuys, Badewanne für eine Heldin, 1984, © Joseph Beuys Estate, VG-Bildkunst, Bonn 2021

„Joseph Beuys. Perpetual Motion“ ist Anlass zur Neubetrachtung und Diskussion des Werks von Joseph Beuys, der sich als Künstler und politischer Aktivist, als hypersensibler Mensch und scharf-rationaler Denker für die Verwirklichung einer Utopie eingesetzt hat. Sie wird begleitet von einer Vortragsreihe, die Schlaglichter auf die umfassende Theorie des Künstlers wirft, der für jeden Moment des künstlerischen Wirkens gefordert hat: „Jeder Griff muss sitzen.“ Dr. Corinna Thierolf Dr. Corinna Thierolf kuratiert die Ausstellung gemeinsam mit Tony Cragg.

Zur Ausstellung findet eine Vortragsreihe statt: Donnerstag, 22. April 2021, 19 Uhr Dr. Wolfgang Zumdick: „Der Tod hält mich wach“. Über Tod und Auferstehung im Werk von Joseph Beuys und Rudolf Steiner Donnerstag, 20. Mai 2021, 19 Uhr Prof. Walter Kugler: „Wir arbeiten ja auch nach dem Dreigliederungsmodell von Rudolf Steiner“. Eine Annäherung an „ein radikales Freiheitsmodell“

Sie war über 25 Jahre Hauptkonservatorin in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München, und kuratierte als Referentin für Kunst ab 1945 zahlreiche Ausstellungen in der Pinakothek der Moderne, darunter Schauen zu Joseph Beuys, Dan Flavin, Arnulf Rainer und John Chamberlain sowie die Sommerausstellungen

Mittwoch, 2. Juni 2021, 19 Uhr Prof. Dr. Karen van den Berg: Joseph Beuys und das Erbe der Sozialen Plastik

Königsklasse im Schloss Herrenchiemsee. Als Autorin und Herausgeberin von

Joseph Beuys. Perpetual Motion.

Mittwoch, 9. Juni 2021, 19 Uhr Vortrag: Prof. Dr. Eugen Blume Joseph Beuys: „Die Idee, einem Tier etwas zu erklären, fördert den Sinn für das Geheimnis der Welt und der Existenz …“

noch bis Sonntag, 20. Juni 2021 Skulpturenpark Waldfrieden Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal skulpturenpark-waldfrieden.de

Donnerstag, 17. Juni 2021, 19 Uhr Vortrag: Dr. Gabriele Mackert „Der is doll“, aber: „Dat kauft doch keiner“

Publikationen widmete sie sich der Amerikanischen Kunst.

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Max Kratz zum 100sten Geburtstag Das Kunstmuseum Solingen präsentiert Werke des Bildhauers

Spinne, 1972

Kratz, am 3. Mai 1921 in Remscheid geboren, absolvierte ein Studium an der Werkkunstschule in Krefeld und legte dort seine Gesellenprüfung als Goldschmied ab. 1941 begann er ein Studium an der Düsseldorfer Kunstakademie, das er im gleichen Jahr unterbrach, um bis 1945 seinen Kriegsdienst in Frankreich und Russland zu absolvieren. Von 1946 bis 1950 setzte er sein Studium bei Professor Sepp Mages an der Düsseldorfer Kunstakademie fort. Anschließend lebte er als freier Bildhauer bis zu seinem Tod im Jahre 2000 in Düsseldorf. Verheiratet war er seit 1951 mit der Bildhauerin Gerda Kratz, mit der er eine Familie gründete. Es dauerte einige Jahre, bis er erste öffentliche Aufträge erhielt. 1970 ging er als Dozent an die Folkwangschule Essen und war von 1973 bis 1985 Professor an der dortigen Gesamthochschule. Vor dem Essener Hauptbahnhof steht eines seiner Hauptwerke: ein markantes „Bergarbeiter-Denkmal (Steile Lagerung)“, das 1988 umgesetzt wurde. Monumental und kraftvoll stellt es die beschwerliche Arbeit unter Tage dar, die das Ruhrgebiet über Jahrzehnte prägte.

Zahlreiche öffentliche Aufträge in seiner Wahlheimat Düsseldorf gehören dort zum Stadtbild: Bereits 1951 entstand der „Delphinbrunnen“, der im Benrather Hallenbad steht. Die reduzierte und klare Formensprache abstrahiert die drei in die Höhe springenden Tiere, die aus einer Form mit glatter, polierter Oberfläche erwachsen. Die Gruppe „Schwim- Max Kratz, Foto privat mer“ wurde 1961 im Freibad Lörrick installiert. Die schnelle Bewegung der in der Horizontale befindlichen Sportler ist Form geworden. Die Schwimmer scheinen sich wie spitze Pfeile vorwärtszubewegen. Ein „Pylon“ aus Edelstahl ragt seit 1962 am Düsseldorfer Flughafen in die Höhe und weist spitz gen Himmel. Eine „Daphne“ (1965) steht am Schwimmbad Düsselstrand. Max Kratz hat die Figur der griechischen Mythologie, die sich von einer Meerjungfrau in einen Lorbeerbaum verwandelt, mehrfach dargestellt. Das Motiv der Verwandlung ist in der angedeuteten Drehung des Körpers und der Veränderung der Oberfläche sichtbar geworden.

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Zeichnung, o. J.

Bergarbeiter Denkmal (Steile Lagerung), 1988, Essen, Hauptbahnhof

Für zahlreiche Sakralbauten hat Max Kratz Kreuze, Altäre und Taufbecken gestaltet. In Banken und Verwaltungsgebäuden finden sich überregional Türgriffe, Wandbilder und Plastiken, die der Bildhauer geschaffen hat. Der Salinenbrunnen in Düsseldorf, Brunnenskulpturen in Freiburg, Sieglar oder Bad Pyrmont gehörten ebenso zu seinem Repertoire wie frei stehende Figuren oder Skulpturengruppen. Das Bandwirkerdenkmal, das seit 1979 vor dem Ronsdorfer Rathaus steht, ist seitdem so etwas wie ein Wahrzeichen des Wuppertaler Stadtteils geworden. Bandwirkerdenkmal, 1979, Wuppertal-Ronsdorf

Finale, 1963, Theater- und Konzerthaus Solingen

In Solingen findet sich seit 1963 die große Figurengruppe „Finale“ an einer Wand im Innenraum des Theater- und Konzerthauses. In Solingen Wald gehört die Arbeit „Fischer un sin Frau“ zum Ortsbild. Max Kratz war seit den 60erJahren bis 1993 im Kunstbeirat der Stadt Solingen. 1994 hat er dem damals entstehenden Kunstmuseum Solingen 134 seiner Skulpturen geschenkt, die auch im Außenbereich des Museums zu sehen sind. Auch aus diesem Grunde richtet es nun die Ausstellung aus. Sollte es jedoch in dieser Zeit nicht öffnen können, wird es auf der Webseite des Museums digitale Hinweise auf die Schau und den Bildhauer Max Kratz geben. Gisela Elbracht-Iglhaut noch bis Sonntag, 25. April 2021

100 Jahre Max Kratz

Kunstmuseum Solingen Wuppertaler Straße 160, 42653 Solingen-Gräfrath kunstmuseum-solingen.de 35

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Ob an den Wänden oder anderswo: Klaus Küster lebt umgeben von Kunst - vielfach, wie hier, der eigenen.

Für ihn sind Kunst und Leben eins Abseits vom Kunstbetrieb hat der Remscheider Künstler Klaus Küster ein einzigartiges Lebenswerk geschaffen. Ein Hausbesuch. Als der berühmte Fotograf, Maler und Objektkünstler Man Ray in den 1920er-Jahren in der Dunkelkammer mit Fotogrammen experimentierte und diese längst bekannte Technik des „Fotografierens ohne Kamera“ weiterentwickelte, prägte er dafür den Begriff der „Rayographie“ und nannte die Ergebnisse „Rayogramme“. Klaus Küster hat sich erst vor einer Weile entschlossen, seine über Jahrzehnte verfolgte Technik der „Luminoplastik“ selbstbewusst „Küstereogramm“ zu nennen. „Meine Frau findet das immer noch nicht gut“, erzählt er amüsiert. Aber warum sollte er nicht? Schließlich ist es seine ureigene Erfindung. Eine übertriebene Geltungssucht kann man dem Künstler auch wirklich nicht vorwerfen. Über mehr als 50 Jahre hinweg hat er weitab vom Getöse des Kunstbetriebs ein kaum zu überschauendes Œuvre von einzigartiger Origi-

nalität und Vielschichtigkeit und schier unglaublichem Variantenreichtum geschaffen, ohne je das Rampenlicht zu suchen. Ihren Weg in Ausstellungen (weit über 200) und öffentliche Sammlungen u.a. in Berlin, Bochum, Bonn, Essen, Düsseldorf und Wuppertal haben seine Arbeiten dennoch gefunden, aber längst nicht in dem Umfang, wie sie es verdient hätten. Den Künstler ficht das nicht an. Sicher, er zeigt seine Arbeiten gern und führt Besucherinnen und Besucher bereitwillig durch sein auf drei Etagen mit eigener und fremder Kunst bestücktes bergisches Schieferhaus in Remscheid, in dem kaum mehr ein Platz an einer Wand frei ist. Aber er produziert nicht für irgendeinen Markt. Er arbeitet unermüdlich, weil er gar nicht anders kann. Aufhören? „Kann ich mir nicht vorstellen“, sagt er. Man hört ja auch nicht einfach aus freien Stücken auf zu atmen, solange man immer wieder mit so viel Neugier auf die Dinge des Lebens schaut. Im Mai dieses Jahres feiert Klaus Küster seinen 80. Geburtstag.

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Fotografie mit und ohne Kamera: Fotogramme auf Positivpapier aus der Serie „Fremde Freunde“ (2001, obere Reihe) und „Fotosculture“ aus 2018. Die Fotorechtecke über der blauen Bank sind abnehmbar an kleinen Schrauben hängend platziert.

Anfassen erlaubt: Klaus Küster führt Anne-Kathrin Reif durch sein Atelierhaus und erläutert die Technik seiner Arbeiten.

Dass man ihm sein Alter nicht anmerkt, hat viel mit dieser Haltung dem Leben und der Kunst gegenüber zu tun – mit unermüdlicher Neugier, mit der Freude am Entdecken, mit der Lust am Experiment. Auch mit dem Sinn für Schönheit, wenngleich er sagt: „Schön strebe ich nicht an.“ Will heißen: Ein „schönes Kunstwerk“ zu erschaffen ist nie sein Ziel. Aber er entdeckt Schönheit dort, wo man sie nicht erwartet, wo andere sie gar nicht wahrnehmen – und macht sie sichtbar: etwa das Malerische, Freskohafte einer in Schichten abbröckelnden Mauer, die er in einer Fotografie festhält, oder das Formenspiel von Plastikfetzen an einem Bauzaun. Wobei Küster es nie bei der bloßen Wiedergabe von Wirklichkeit belässt. Vielmehr ist die Fotografie bei ihm fast immer nur ein Ausgangspunkt. Durch verschiedenartige Bearbeitung fügt er der abgebildeten Wirklichkeit eine reale hinzu: Ein Loch in der Wand, welches das Foto zeigt, gibt es im Bild und im Bildträger wirklich. Eine echte Kordel auf einer Holzkiste scheint einen präzisen – aber fotografischen – Schatten zu werfen. 37

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Hausecken, ganz wörtlich verstanden: Fotografien von Hausecken hat Küster auf dreidimensionale Bildträger montiert, die in den Raum ragen.

Fotografierte Hausecken montiert er auf rechtwinklige Bildträger, die tatsächlich als Ecken in den Raum ragen. Ein Holzfundstück oder ein Stück Draht arbeitet er genau dort ein, wo dieses in der Fotografie auch abgebildet ist. Aus der Fotografie wird so eine „Fotoscultura“ (auch das eine küstersche Wortschöpfung), und aus dem reproduzierbaren Produkt wird ein Unikat, in dem Realität und Abbild augentäuscherisch verschwimmen, und das den Betrachter weniger zwingt als lustvoll verführt, genau hinzusehen. Und die in unserer Kultur allgemein verbreitete Haltung, dem Foto als Abbild von Wirklichkeit schon den Stellenwert von Wirklichkeit einzuräumen, zu hinterfragen. Mit Klaus Küster durch sein Atelierhaus zu gehen, ist einfach ein großes Vergnügen. 1969 war er zunächst in die Dachwohnung des alten bergischen Schieferhauses eingezogen, später ergab sich die Gelegenheit, das Haus, hinter dem sich ein malerisch verwilderter Garten erstreckt, zu kaufen. Gerade rechtzeitig, als die Familie wuchs. 1972 und 1974 wurden seine Söhne Ruben und Till geboren, für die er von 1979 an als alleinerziehender Vater verantwortlich war. 1987 folgte der dritte Sohn Jan Lino. Lange war kein Denken daran, sich voll und ganz der Kunst widmen zu können.

Küster, der nach einer ersten Ausbildung als Fernmeldetechniker in den 1960er-Jahren Kurse an der Wuppertaler Werkkunstschule und der École des Beaux-Arts in Paris absolviert hatte, arbeitete rund 30 Jahre als Fotograf und Grafikdesigner, bevor er 1998 die Leitung der Städtischen Galerie in Remscheid übernahm. Als er 2006 in den Ruhestand ging, verabschiedete er sich mit einer großen eigenen Werkschau. Schon damals hätte er die vielen Räume der beiden Galeriehäuser in Remscheid, in denen heute die städtische Musik- und Kunstschule untergebracht ist, zweimal füllen können. 2012 widmete ihm die Stadtsparkasse Wuppertal eine große Ausstellung in ihrem Kunstforum – eine schöne Gelegenheit, auch einmal große Formate und vielteilige Installationen zeigen zu können. Dafür ist in Küsters verwinkeltem Schieferhaus leider kein Platz. Trotzdem gibt es unendlich viel zu entdecken – umso mehr, wenn der Künstler die mit den Objekten verbundenen Geschichten preisgibt. „Da hatte ich einen neuen Wollpullover, und der fluste so…“, verblüfft er die Betrachterin, die sich angesichts des Gewimmels auf einem abstrakten Fotogramm gerade Assoziationen von Molchen und Spermien hingibt. Nichts ist zu unbedeutend, zu unscheinbar,

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Die pure Augentäuschung: Das Lichtspiel, das der Betrachter glaubt, real wahrzunehmen, ist fotografiert. Der Titel dieser „Fotoscultura“-Objekte „Credo“ (2016/17) verweist auf eine metaphysische Dimension – an was glauben wir?

als dass es sich nicht unter seinem Blick noch in Kunst verwandeln ließe. „Bevor ich etwas wegschmeiße, fällt mir immer noch was dazu ein“, sagt Küster schmunzelnd. Davon künden auch die zahllosen kleinen Objektkästen, in denen Reste von belichtetem Fotopapier und Fundstücke aller Art zu verblüffenden Arrangements zusammenfinden. Zigarillokästchen erhalten bei Klaus Küster nach dem Leerrauchen grundsätzlich ein neues Leben als Kunstobjekt.

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Klaus Küster erklärt anhand jüngerer Arbeiten das von ihm entwickelte Verfahren der „Luminoplastik“. Erst seit kurzem nennt er die Ergebnisse „Küstereogramme“.

Die Wandinstallation aus winzigen Papierschnipseln hat der Recklinghausener Künstlerfreund Gerhard Reinert nach einer Ausstellung bei Klaus Küster Anfang der 1990er-Jahre hinterlassen. Bei jeder Renovierung wird sie sorgfältig abgedeckt.

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Obwohl: Zahllos sind sie gar nicht. „Die erste Serie hat 330 Stück, und bei der neuen Serie der ,Lichtungen‘ sind es bis jetzt 15“, zählt Küster auf. Er weiß es so genau, denn er hat die Zigarilloschachteln eigenständig leergeraucht, wie er freimütig bekennt. Manchmal haben die Kästchen auch etwas Theaterhaftes, sind wie kleine Bühnen, auf denen unvorhersehbare Dinge passieren können. „Da fehlt ein Brett in der Bühne, da kann man reinfallen“, macht Küster auf ein Detail aufmerksam, wobei er unverkennbar Spaß an solchen Einfällen hat. So tiefsinnig und reflektiert sein Umgang mit der Formensprache der Kunst und ihren Möglichkeiten auf der einen Seite ist, so wichtig ist andererseits der Aspekt des Spielerischen in seiner Arbeit. Vielleicht ist es sogar der zentrale Begriff in seinem Schaffen. Denn das Spielerische ist für den Künstler eine unversiegbare Quelle des Schöpfertums. „Ich spiele wirklich gern“, bekennt er und ergänzt: „Über das Spiel macht man Erfahrungen, die man sonst wahrscheinlich nicht gemacht hätte.“ Seiner Lust am Experiment und dem spielerischen Umgang mit Materialien verdankt sich auch die Erfindung eben jener Luminoplastiken, die er inzwischen Küstereogramme nennt. Mit der Technik des Fotogramms – dem Fotographieren ohne Kamera – und des Chemogramms experimentierte er schon in den 1960er-Jahren. Konsequenterweise müsste man im Zusammenhang mit den frühen Arbeiten von Klaus Küster „Photographie“ eigentlich immer in dieser alten Schreibweise schreiben, bezeichnet sie doch genau das, was dabei passiert: das Schreiben bzw. Zeichnen mit Licht. Beim Gang durchs Haus finden sich noch einige dieser frühen Arbeiten, bei denen etwa Fischschuppen, Muscheln oder Haare zum Einsatz kamen und die an seltsame Tiefseewesen oder Aufnahmen aus dem Weltraum denken lassen. Bereits in den 1970er-Jahren erweiterte Küster die bekannte Technik ins Dreidimensionale: Durch verschiedenste Einprägungen, Lochungen, durch Knicken, Falten oder Durchbohren mit kleinen Objekten wie etwa Zahnstochern bearbeitet er das lichtempfindliche Papier. Im Vorgang der Belichtung werfen diese Eingriffe Schatten, die bei der Entwicklung in ihr helles Gegenteil verkehrt werden. Es entsteht ein plastisches Bild, dessen Anmutung von Körperhaftigkeit eine Mischung aus Realität und Illusion ist. „Schattenspielchen“ seien das, sagt er lächelnd. Und schon ist da wieder das Spiel im Spiel: das Spielerische der Methode, das Spiel mit dem Zufall, das Spiel mit der Wahrnehmung, das Spiel mit den Erwartungen des Betrachters.

Über die Jahrzehnte hat Küster dieser Technik einen schier unübersehbaren Formen- und Variantenreichtum entlockt – und es ist nicht absehbar, dass er damit an ein Ende kommen könnte. Dabei handelt es sich nicht um routinierte Wiederholung dessen, was einmal ausprobiert, eingeübt und perfektioniert ist. Sondern vielmehr um ein unermüdliches Weiterforschen und Befragen dessen, was „Bild“ und „Wirklichkeit“ eigentlich bedeuten. Die Frage ist der rote Faden, der sich bei aller Vielgestaltigkeit durch sein Werk zieht. Das hat er inzwischen in einem auf drei Bände angewachsenen Werkverzeichnis mit dem Titel „Andere Ansichten“ dokumentiert, das bis zum Jahr 2019 datiert. Eine Fortsetzung ist mithin zu erhoffen und zu erwarten. Denn, wie gesagt: Aufhören ist für Klaus Küster keine Option. Anne-Kathrin Reif Fotos: Willi Barczat

Klaus Küster: Ein nachdenklicher Künstler mit Humor und großer Lust am Spiel.

Ausstellungen Sonntag, 9. bis Sonntag, 30. Mai 2021 Jet ze luure Einzelausstellung bei der Kulturwerkstatt Ins Blaue e.V., Siemensstraße 21, 42857 Remscheid. Eröffnung: Sonntag, 9. Mai, 16 Uhr. Geöffnet: sonntags 14 bis 18 Uhr und nach Vereinbarung unter Tel.: 0151 26886535 www.ins-blaue.net

Samstag, 15. Mai bis Samstag, 26. Juni 2021 Beide Seiten Ausstellung mit Dietmar Wehr bei 68 elf Studio Kunstverein Köln, Gottesweg 102, 50939 Köln www.68elf.de 41

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Abbildung links: Anne Martin Mischtechnik auf Papier 1998, 42 x 29,7 cm

Ulle Hees, Foto: Ziad Kobeissi

Der Mensch im Mittelpunkt der Geschichte Ulle Hees‘ Menschenbilder

Wer im Tal kennt sie nicht, die Mina Knallenfalls und den Zuckerfritz, die beiden lokalen Originale, die in der Elberfelder Fußgängerzone stehen? Geschaffen hat sie die Wuppertaler Bildhauerin und Malerin Ulle Hees, die im März 80 Jahre alt geworden wäre. Aber die beiden zeigen nur eine Facette dieser außergewöhnlichen Künstlerin, die stets den Menschen ins Zentrum ihrer Werke stellte und vielfach regionale Bezüge einfließen ließ. 2015 widmete ihr die Stadt Wuppertal im Rathaus Elberfeld die Ausstellung „Menschenbilder“. Die Wuppertaler Kunsthistorikerin Susanne Buckesfeld würdigte die Kunst der Ulle Hees zu diesem Anlass mit folgender Rede. Angesichts der hier im Elberfelder Rathaus präsentierten Menschenbilder von Ulle Hees zeigt sich ihre Haltung, das künstlerische Schaffen als eine grundsätzliche Voraussetzung des menschlichen Daseins aufzufassen. Betrachtet man die Porträt-Zeichnungen von Ulle Hees, ihre Aktdarstellungen, ihre Vorzeichnungen zu Skulpturen, ihre Kleinplastiken oder ihre Denkmäler im öffentlichen Raum, so wird klar, dass die Kunst der ihr eigene Weg ist, mit anderen Menschen in Austausch zu treten. Die Kunst von Ulle Hees ist gewissermaßen „ansteckend“, wie der russische Schriftsteller Leo Tolstoi es in seinem Buch „Was ist Kunst?“ von 1898 formuliert hat: Ihre Arbeiten bleiben nicht für sich, sie sind keineswegs als völlig autonome

Mina Knallenfalls 1978, Bronze, 180 x 75 x 50 cm Foto: Ziad Kobeissi

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Kunstäußerung zu verstehen, sondern sie verschreiben sich ganz und gar ihrem Gegenstand, dem Menschen, über den Ulle Hees spricht und an den sie sich richtet – und den sie im Sinne der „Ansteckung“ auch erreicht, und zwar mit der ihr eigenen Offenheit, Aufrichtigkeit und Empathie. Worum ging es Tolstoi mit seiner Vorstellung von „ansteckender“ Kunst? Gute Kunst ist ihm zufolge diejenige, mit der die Künstlerin oder der Künstler eine Brücke zu den Betrachtenden des Werkes schlagen kann: „Jedes Kunstwerk veranlasst den Betrachter in eine bestimmte Beziehung zu treten – sowohl zu demjenigen, der das Kunstwerk produziert oder produziert hat, als auch mit all denen, die gleichzeitig, vorher oder nachher, denselben künstlerischen Eindruck erhalten. (...) Die künstlerische Tätigkeit basiert auf der Tatsache, dass ein Mensch, der durch seinen Hör- oder Sehsinn den Ausdruck der Gefühle eines anderen Menschen aufnimmt, in der Lage ist, die Gefühle nachzuvollziehen, die denjenigen bewegt haben, der sie ausgedrückt hat. (…) Auf dieser Fähigkeit des Menschen, die Gefühle eines anderen zu empfangen und selbst nachzuvollziehen, basiert das künstlerische Schaffen.“ Ja-Sager/Nein-Sager Fingerzeige der Geschichte I, 1984, Bronze, 66 x 42 x 42 cm, Sockel 94 cm, Foto: Ziad Kobeissi

In den Zeichnungen und Skulpturen von Ulle Hees bildet sich diese Fähigkeit, Gefühle zu erspüren und zum Ausdruck zu bringen, auf buchstäblich ergreifende Weise ab – ist es den Betrachtern ihrer sensiblen Figurationen doch unmittelbar möglich, den emotionalen Gehalt der Werke nachzuvollziehen. Wesentlicher Bestandteil des künstlerischen Prozesses ist die eingehende Auseinandersetzung mit ihrem Gegenstand. Bei den Porträt-Zeichnungen erfolgt dies in langen Gesprächen mit den jeweiligen Modellen – die eben das gerade nicht sind, Modelle, sondern eigenständige, autonome Personen mit ihren individuellen Geschichten und Erfahrungen. Genau diese Hintergründe sind es, für die sich Ulle Hees immer interessiert hat, von denen sie im wiederholten Gespräch mit offenem Ohr und auch offenem Herzen erfahren hat. Sie verstand es auf unnachahmliche Weise, diese in ihre erzählerischen Darstellungen einfließen zu lassen. Neben der emotionalen Qualität ihrer Zeichnungen und Skulpturen ist es denn auch nicht die bloße „Imitation“, wie es Erik Schönenberg in der Ankündigung zu dieser Ausstellung formuliert, welche ihre Kunst ausmacht, sondern „eine Mimesis von Bewegung und Veränderung“, die für Ulle Hees stets Richtschnur ihres künstlerischen Gestaltungswillens und für ihr besonderes Verständnis von Schönheit war. Diese Art der Nachahmung manifestiert sich bei ihren Porträts in einer offenen Zeichenstruktur, die ebenso vorsichtig wie kraftvoll ihre Protagonisten umschreibt, ohne sie je endgültig festzuschreiben. Stets scheint die Möglichkeit des Wandels, der plötzlichen Veränderung in ihrem Strich mit angelegt. In diesem lang andauernden künstlerischen Prozess, bei dem die fertige Zeichnung nur das sichtbare Resultat darstellt, sah sich die Künstlerin als Mitgestalterin einer dialogischen Begegnung mit ihrem Gegenüber, dem sie sich nicht nur mit dem Zeichenstift, sondern auch persönlich annäherte. Das visuelle Gespräch schließt auch die Betrachtenden mit ein, denen sie mit ihrem ausdrucksstarken Strich möglichst viel über die solcherart umschriebene Person mitteilen möchte. Es ist gerade dieses hohe Maß an Lebendigkeit, auf der die ansprechende Wirkung ihrer Arbeiten beruht. Um es noch einmal mit den Worten Tolstois zu sagen: „Ein echtes Kunstwerk zerstört im Bewusstsein des Betrachters die Trennung zwischen ihm und dem Künstler – und nicht nur das, sondern auch die zwischen ihm und all jenen, deren Geist das Kunstwerk je aufgenommen hat. In dieser Befreiung unserer Persönlichkeit von ihrer Trennung und Isolation, in dieser seiner Verbindung mit anderen, liegt die wesentliche Eigenschaft und die große anziehende Kraft der Kunst.“

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Werkskizze und Plastik Der Kälberstrick Fingerzeige der Geschichte III 1985, Bronze, 44 x 42 x 55 cm, Sockel 120 x 50 x 50 cm Foto: Ziad Kobeissi

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Die Isolation des Einzelnen zu überwinden und alle am künstlerischen Prozess Beteiligten miteinander in Verbindung zu bringen, war erklärtes Ziel ihres künstlerischen Schaffens – ob beim Porträtzeichnen oder in ihrer Lehre – sowohl an den Universitäten in Wuppertal und Dortmund als auch in ihrem eigenen Atelier, in dem sie Kurse gab. Auch die jährliche Einladung in ihr Atelier zum Advent zusammen mit Künstlerkolleginnen und –kollegen diente nicht bloß dem Verkauf. Es zeigt vielmehr ihr Anliegen, andere an ihrer Kunst teilhaben zu lassen und mit ihnen in Kontakt zu treten – eine Tradition, die erfreulicherweise bis heute besteht. Wie gut es Ulle Hees mit ihren Kunstwerken, vor allen Dingen den Skulpturen im öffentlich Raum, gelang und bis heute gelingt, die Betrachter zu erreichen, davon zeugt nicht zuletzt ihre große Beliebtheit hier in Wuppertal und darüber hinaus. Aus heutiger Sicht lässt sich beispielsweise kaum noch nachvollziehen, wie viele Kämpfe auszustehen waren, bis ihre berühmte Mina Knallenfalls, ihr erster öffentlicher Auftrag in Wuppertal, 1979 mitten in der Fußgängerzone, in der Alten Freiheit mit Blick zur Wupper aufgestellt werden konnte. Damals wurde es noch als Affront empfunden, dass Ulle Hees‘ ganz persönliche Vorstellung von der fiktionalen Figur, die das wirtschaftliche Elend zu Beginn der Industrialisierung im 18. Jahrhundert verkörpert, nicht etwa auf einem Sockel stand, wie es für Denkmäler jahrhundertelang üblich war, sondern ganz einfach auf dem Boden, mit den Passantinnen und Passanten auf einer Stufe. So lädt die kecke Mina buchstäblich zum Anfassen ein – wie ihr blankes Hinterteil verrät – und bildet die Hauptperson auf zahlreichen Gruppenfotos von Touristen und Einheimischen. Dieser ganz handfeste Gebrauch ihrer Skulpturen durch die Menschen, die mit ihnen denselben Raum teilen, war bewusst intendiert und hat Ulle Hees zeitlebens erfreut. Während die Bildhauerin in ihren Zeichnungen mit schnellen, spontanen Strichen Wesentliches der gezeigten Figuren nur umreißt, um die Dynamik des Lebens zum Ausdruck zu bringen, gelingt ihr dies in ihren Plastiken durch die Unmittelbarkeit des Modellierens mit Ton, was in zerklüfteten Oberflächen resultiert und den direkten Ausdruck des Gefühls erlaubt. Der Kontrast von detailliert ausgearbeiteten Partien einerseits und grob belassenen Strukturen andererseits bewirkt die reizvolle Offenheit ihrer Figuren, die dazu auffordern, mit ihnen in einen Dialog zu treten. Diese Qualität, aus der ihre großen Vorbilder Rodin und Giacometti hervorscheinen, zeigt sich besonders eindringlich in ihrem Hauptwerk, den „Fingerzeigen der Geschichte“, die sie seit Mitte der 1980er-Jahre mit ihrem

damaligen Mann Herbert Hees konzipiert und umgesetzt hat. Nicht nur aus persönlichem Grund möchte ich hier den 3. Fingerzeig, den „Kälberstrick“ von 1985 aus Ahlen herausgreifen, jener westfälischen Kleinstadt im südlichen Münsterland, in der ich seit nun fast fünf Jahren lebe. Hier realisiert sich die Intention Ulle Hees‘, Kunst über die Menschen für die Menschen zu erschaffen, jedes Jahr aufs Neue – nämlich beim Gedenken an die ermordeten und deportierten Juden aus Ahlen am Gedenktag der sogenannten „Reichskristallnacht“, dem 9. November, der in Ahlen alljährlich mit großer Anteilnahme der Bürgerschaft an diesem „Fingerzeig“ offiziell gefeiert wird. Eher unscheinbar steht die Skulptur auf einem tischhohen Sockel, in den die Inschriften aller damaligen jüdischen Mitbürger der Stadt eingraviert sind. Hees hat eine Gruppe leidender Menschen geformt, die mit einem Kälberstrick gefangen genommen und fortgeführt werden wie Tiere zum Schlachthof, wobei sie in einem Flammenmeer untergehen. Die Skulptur befindet sich in unmittelbarer Nähe zur Innenstadt, am ehemaligen Standort der Synagoge, die am 9. November 1938, wie so viele andere Gebäude an unterschiedlichen Orten in Deutschland, niedergebrannt und ein für alle Mal zerstört wurde. Auf ihre keineswegs aufdringliche Weise erzählt Ulle Hees hier von einem unrühmlichen Teil der Geschichte Ahlens und Deutschlands. Sie vergisst dabei aber auch nicht, auf die wenigen mutigen Bauern aus der Umgebung hinzudeuten, die verfolgte Ahlener Jüdinnen und Juden bei sich aufnahmen und retteten. So wie Ulle Hees sich in ihren Porträts auf die gezeigte Person einlässt, ist hier die sorgfältige Auseinandersetzung mit jenem schwierigen Teil der Geschichte erkennbar, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind. Die Künstlerin gibt dabei den Fehlenden ihren Namen zurück und verleiht ihnen Gestalt – als Leidende, Aufbegehrende, deren Schicksal sich auch hier in Bewegung – ja, man kann sagen: in äußerster Gemütsbewegung den Hinschauenden mitteilt. Die Fingerzeige sind somit das genaue Gegenteil nationalsozialistischer Monumentalskulptur, wie sie kürzlich aus einem illegalen Lager beschlagnahmt worden ist. Sprach diese überdeutlich von der emotionalen Überwältigung, und nicht der Ansteckung des Betrachters, bieten sich die Fingerzeige still und leise zur lernenden Betrachtung an: Sie sind Modelle historischer Begebenheiten, die den Protest und die Auflehnung aus der Position der Schwäche heraus würdigen, dem Vergessen entreißen und möglicherweise auch der Nachahmung empfehlen. Auch diese Plastiken beruhen, anders als ihre monumentalen Gegenstücke nationalsozialistischer Propaganda, auf

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der Annahme, dass die Betrachter in der Lage sind, das Geschehen mitfühlend nachvollziehen zu können – eine der Grundannahmen Leo Tolstois: „Dank der menschlichen Fähigkeit, durch die Kunst mit den Gefühlen anderer infiziert zu werden, ist dem Menschen alles, was seine Zeitgenossen durchlebt haben, zugänglich, wie auch die Gefühle, die die Menschen vor tausenden von Jahren erfahren haben, und er hat zudem die Möglichkeit, seine eigenen Gefühle anderen mitzuteilen. Wenn Menschen diese Fähigkeit fehlen würde, die Gedanken aufzunehmen, die lange vor ihnen erdacht wurden, und anderen ihre eigenen Gedanken mitzuteilen, wären die Menschen wie wilde Tiere. (…) und wenn den Menschen auch noch die Fähigkeit fehlte, von Kunst angesteckt zu werden, würden sie fast noch wilder – vor allem wären sie noch isolierter voneinander und würden noch feindseliger miteinander umgehen.“

vermeintliche ‚Wiederkehr‘ auch bezeichnet wird. Bei Ulle Hees dient sie dazu, die Menschen mittels der ästhetischen Erfahrung gemeinsam an Gefühlen teilhaben zu lassen mit dem Ziel, ein friedliches Miteinander zu stärken. Sicherlich würde sie Leo Tolstoi zustimmen, mit dem ich den Vortrag in einem letzten Zitat nun beschließen möchte: „Kunst ist nicht, wie die Metaphysiker sagen, die Manifestation irgendeiner mysteriösen Idee von Schönheit oder von Gott; sie ist auch keineswegs (…) ein Spiel, bei dem der Mensch seinen Überschuss angehäufter Energie loswerden kann; sie ist nicht der Ausdruck menschlicher Emotionen durch äußerliche Zeichen; und vor allem ist sie nicht einfach nur ein Vergnügen; die Kunst ist vielmehr ein Instrument der Verbindung zwischen den Menschen, die sie über dieselben Gefühle zusammen bringt, und sie ist unabkömmlich für das Leben und den Fortschritt zum Wohle des Einzelnen und der Gesellschaft.“

Die Kunst von Ulle Hees kann und sollte auch im Lichte der Geschichte des Dritten Reichs betrachtet werden. Und zwar nicht nur, was die Beschäftigung mit den Opfern und dem Widerstand gegen den Nationalsozialismus im Sinne der Vergangenheitsbewältigung angeht, die ihr sehr wichtig war. Ich meine hier die Folgen der nationalsozialistischen Kulturpolitik auf den Kunstbetrieb in Deutschland nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges. 1941 geboren, ist Ulle Hees Zeugin einer Epoche, die so viele Erneuerungen und Erweiterungen des Kunstbegriffs gesehen hat wie kaum eine davor. In Deutschland umfasste dies auch und gerade die Abkehr von der Figuration, die durch die Propaganda des Dritten Reichs wie so viele andere Kunstformen sozusagen kontaminiert worden war. Man kann sogar von einer zunächst bewussten, politisch gewollten Förderung der Abstraktion als Ausdruck und Sinnbild westlicher Lebenseinstellungen sprechen. Davon unberührt, blieb Ulle Hees seit ihrer Ausbildung an der Werkkunstschule in Wuppertal, an der Akademie der Bildenden Künste in München oder an der Academia di belle arti in Rom ihrem gegenständlichen, der Figur verpflichteten Stil über die Jahrzehnte treu, den sie auf ihre Weise, den Werten der Menschlichkeit verpflichtet, konsequent weiterentwickelte. So muss aus heutiger Sicht gesagt werden, dass eine der realistischen Darstellung anhängende Kunst über alle Zeiten hin aktuell war und ist und daher selbstverständlich immer ihre Berechtigung hat, mit welchen Begriffen ihre

Ulle Hees wurde am 19. März 1941 in Wuppertal geboren und wuchs in Vohwinkel auf. Sie studierte zunächst Bildhauerei an der Werkkunstschule Wuppertal, dann in München und Rom. 1964 kehrte sie in ihre Heimatstadt zurück, wo sie seitdem lebte und arbeitete. Sie starb am 9. Juli 2012. Susanne Buckesfeld

Amouzou, 2002, Bronze, 27 x 22 x 25 cm,

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Die junge Bühnenbildnerin Hanna Jordan

Die Versöhnerin

Der Bühnenbildnerin Hanna Jordan zum 100. Geburtstag Es konnte passieren, dass im Wuppertaler Opernhaus der Vorhang aufging und das Publikum spontan Beifall klatschte: Er galt dem immer Fantasie anregenden Bühnenbild und den Kostümen von Hanna Jordan. Von 1946 bis zum Ende des vorigen Jahrhunderts prägte die Bühnenbildnerin entscheidend das Wuppertaler Theater. Als engagierte Bürgerin mischte sie sich stets mutig in kultur- und gesellschaftspolitische Fragen ein. Hanna Jordan war eine moralische Instanz in dieser Stadt. Sie hatte die Schrecken der Nazi-Diktatur erlebt, wollte aber nicht „als Verfolgte, sondern als Versöhnerin durchs Leben gehen.“

dem Kaputtschlagen des (alten) Geschirrs. Zudem war das Elternhaus Treffpunkt für Freundinnen und Freunde aller sozialen Schichten, verschiedener Glaubensrichtungen und politischer Überzeugungen, von Künstlern und Kunstinteressierten. Es wurde, so Hanna Jordan, diskutiert und gestritten. „Oft ging es dabei hoch her.“ Gemeinsam wurde gelesen oder musiziert. „In dieser Atmosphäre lernte ich Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Ich erlebte, dass Dinge wichtig sind, die, völlig unabhängig von Geld, die Menschen erfahren lassen, wie spannend das Leben sein kann, wenn man nicht in Ehrgeiz und Äußerlichkeiten untergeht.“

Hanna Jordan kam am 3. April 1921 in Wuppertal auf die Welt, mitten hinein in ein liebevolles, liberales, kosmopolitisches und künstlerisch orientiertes Elternhaus. Die Eltern Henriette und Franz Jordan waren Freidenker und schlossen sich den „Quäkern“ an, der „Religiösen Gemeinschaft der Freunde“, wie sie sich nennen. Hier, in der Wotanstraße 15, erlebte Hanna Jordan eine Kindheit, die für ihr Leben bestimmend wurde. Die Erziehung war im besten Sinne antiautoritär, „mit Disziplin. Es wurde nicht auf den Teppich gespuckt oder mit Schuhen im Bett getobt.“ Dafür gab es mehrmals im Jahr Kinderfeste mit Verkleiden, „Lügenspielen“ und Kuchenessen, mit anschließen48

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Die kleine Hanna am Klavier

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Schon früh zeigte sich ihre künstlerische Begabung. Hanna Jordan zeichnete, malte, machte kleine Skulpturen, lernte Klavier spielen und komponierte kleine Stücke. Mit ihrem Vater, einem glühenden Wagnerianer, hörte das Kind sämtliche Wagner-Opern auf Schallplatten. Damals konnte sie nicht ahnen, dass sie einmal für viele WagnerOpern die Ausstattung entwerfen würde. Die Eltern - die Mutter war Jüdin - waren hellsichtig genug, um zu spüren und zu sehen, was ab 1933 politisch in Deutschland vor sich ging. So schickten sie ihre Tochter 1935 nach Holland, in ein Internat, das die Quäker damals in einem barocken Wasserschloss für jüdische Kinder gegründet hatten. Es lag in Eerde bei Ommen. Diese vier Jahre bis zum englischen Abitur waren für Hanna Jordan „das Glück ihres Lebens.“ Die Pädagogik war musisch ausgerichtet, neben allen Wissensfächern nahmen Kunst, Musik und Literatur einen großen Raum im Lehrplan ein. Hier entwarf Hanna Jordan ihre ersten Bühnenbilder für die Theateraufführungen der Schüler. Hier erlebte sie, was an deutscher Kultur gelehrt wurde, etwas „Unzerstörbares“, gegen das auch ein Hitler nichts ausrichten konnte: deutsches Kulturgut, als geistige und künstlerische Heimat, die

Von der 11-jährigen Hanna: „Mary Wigman“. Mary Wigman war eine deutsche Tänzerin, Choreografin und Tanzpädagogin. Sie machte den Ausdruckstanz als New German Dance international bekannt, Foto: Willi Barczat

von allen Auswanderern im Gepäck mitgenommen wurde in die Emigration. „Hier habe ich noch einmal erfahren dürfen – während Deutschlands Machthaber und viele begeisterte Volksgenossen ihr eigenes Land geistig verwüsteten -, in welcher Weise die Gaben des deutschen Genius im Gemüt von Kindern und Jugendlichen aufblühen können und Maßstäbe für ein Leben setzen.“ Darüber hinaus habe sich jüdischer Witz mit englischem Humor gemischt, wie sie es später nie wieder erlebt habe.

Liegendes Pferd von der 12-13-jährigen Hanna, Foto: Willi Barczat

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Mitglieder aus dem „Bund für sozialistisches Leben“. Auch die spätere Wuppertaler FDP-Landtagsabgeordnete und Kulturpolitikerin Claere Bläser.

Modell „Tannhäuser“, Berlin 1978

In Eerde wurde auch „demokratisches Miteinander“ in der Schülermitverwaltung praktiziert, fast Mitbestimmung, soweit das vernünftig gewesen sei. „Es gab kein Gemähre wie in den 1960er-Jahren an deutschen Theatern, als es um sogenannte Mitbestimmung ging.“ Die Jahre in Schloss Eerde waren für Hanna Jordan die Fortsetzung des geliebten Elternhauses: „Die Basis für alles Weitere. Denn wenn man das erleben durfte, dann kann man sehr viel aushalten.“ Als Hanna Jordan nach Wuppertal zurückkehrte, hatte sich die politische Situation verändert. Die Jordans beschlossen, dass Mutter und Tochter nach England auswandern sollten. Aber der Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verhinderte den Plan. Für ihren Berufswunsch, Bühnenbildnerin zu werden, nahm sie nun ein Kunststudium auf: zuerst an der Barmer Kunstgewerbeschule. Dort aber wurde „nur gezeichnet, vor allem Eichenlaubkränzchen“. Sie bestand dann die Aufnahmeprüfung an der Düsseldorfer Kunstakademie mit Glanz – nach drei Monaten aber wurde sie „entfernt“, als „Mischling ersten Grades“. Sie ging nach Essen an die Folkwang-Schule, bis sie in Wuppertal zum Arbeitsdienst in eine Rüstungsfabrik gerufen wurde.

Als es auch im Wuppertaler Versteck zu gefährlich wurde, ging Vater Jordan „auf Reisen“ nach Süddeutschland, in ein Kloster. Tochter Hanna machte sich zu einer abenteuerlichen Reise auf zu Freunden im Bergischen Land. Für ihren Weg verkleidete sie sich als alte Frau: schwarzes Kleid, schwarzer Mantel, ein Kapotthütchen auf dem Kopf, das Netz tief ins Gesicht gezogen, schwarze Handschuhe über den jugendlichen Händen, ein altmodisches Handtäschchen am Arm. Das Leben im Haus der Freunde sei trotz der Bombenbedrohungen und trotz ständiger Angst heiter, ja fröhlich gewesen. „Wir haben unseren Humor nicht verloren.“ Mit Traurigkeit könne man nicht überleben. Wenn sie später als Zeitzeugin vor Schulklassen aus jener Zeit erzählte, dann auf ihre typisch lebendige Weise: nicht mit Tränen in den Augen, sondern mit jener Komik, die in allen Tragödien steckt. Oft mussten die Jugendlichen lachen. Einmal aber fragte ein Schüler, ob denn nicht bei allem, was sie erlitten habe, zumindest ein kleiner Hass in ihr sei. „Nein“, antwortete Hanna Jordan. Hass sei immer

Inzwischen war die Situation für die jüdische Mutter brenzlig geworden. Ein SS-Mann, ein Stammtischfreund von Franz Jordan, warnte die Familie in einem nächtlichen Anruf vor der bevorstehenden Verhaftung der Mutter. Am Morgen in aller Frühe brachte Hanna Jordan ihre Mutter in ein Versteck in einer Villa im Wald nahe Düsseldorf, die Freunden gehörte – mit der Straßenbahn, meist aber zu Fuß, viele Kilometer weit. Hanna selbst konnte sich mit ihrem Vater vier Tage lang in einer Apotheke in Duisburg verstecken, dann wieder in Wuppertal in einer Wohnung am Frankenplatz. Möglich war das alles, weil es „ein Netzwerk mutiger Menschen gab, die unter Einsatz ihres Lebens anderen geholfen haben.“ Dazu gehörten viele Quäker und 50

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der falsche Weg, auch wenn die Dinge, die Menschen einander antun, ungeheuerlich und furchtbar seien. Hass löse keine Probleme, sondern schaffe immer Gewalt. Eine Lehre, auf die man sich heute dringend besinnen sollte. Sie fügte manchmal hinzu: „Faschismus hat viele Farben, viele Namen und Masken.“

mithilfe des Wuppertaler Architekten Rolf Jährling (späterer Inhaber der Galerie Parnaß) und Beate Bremme, Frau des späteren Wuppertaler Oberstadtdirektors. 1949 wurde das „Nachbarschaftsheim“ eingeweiht – eine Einrichtung nach dem Vorbild amerikanischer Quäker. Sie hatten die „neighbourhoods“ erfunden. (Im Nachkriegsdeutschland wurden sie vor allem durch die „Quäkerspeise“ bekannt.)

Am Ende des Krieges fand die Familie Jordan wieder zusammen – sie hatten, jeder an einem anderen Ort, überlebt. Sie kehrten in ihre unversehrte Wohnung zurück – die Stadt aber lag in Trümmern, Schutt und Rauch. Die Menschen hungerten. Tausende waren obdachlos. Ein Brennpunkt des Elends war der Bunker am heutigen Platz der Republik. Hier hausten Menschen unter unwürdigsten Umständen im fensterlosen, kalten und feuchten Bunker, in Dreck, ohne sanitäre Anlagen und Lüftung. Henriette Jordan, die schon vor dem Krieg als ehrenamtliche Sozialarbeiterin in die Armenviertel der Stadt gegangen war, begann sofort, zusammen mit ihrer Tochter, die Kinder aus dem Bunker zu holen. Mithilfe eines schwedischen Offiziers der Heilsarmee, der in Wuppertal diese Hilfsorganisation leitete, schafften sie es auf langen Wegen mit vielen Hindernissen, zuerst eine Baracke, dann ein Gebäude aus Stein für die Kinder errichten zu lassen - übrigens

Hanna Jordan mit Kindern im Nachbarschaftsheim

Das „Nachbarschaftsheim“ gibt es immer noch mit einem breiten Freizeit- und Bildungsangebot für Seniorinnen und Senioren, Kinder und Jugendliche. Hanna Jordan hatte lange im Vorstand des Vereins mitgearbeitet. Der Einstieg in die Wuppertaler Theaterwelt gelang Hanna Jordan direkt 1946. Intendant Erich Alexander Winds engagierte sie rasch, nachdem er ihr erstes Probe-Bühnenbild gesehen hatte. Gespielt wurde auf provisorischen Bühnen: Oper in der Stadthalle, Schauspiel in der „Union“, einem Gebäude in der Nähe des Polizeipräsidiums. Die Menschen strömten in die Theater, tauschten Kohle gegen Kunst, nicht nur in Recklinghausen. Der Hunger, auch nach geistiger Nahrung, war groß, vor allem auf das, was zwölf Jahre lang verboten gewesen war. Material für Bühnenbilder gab es kaum, Hanna Jordan aber verzauberte jeden Raum mit einfachsten Mitteln. Alle hätten rund um die Uhr gearbeitet, erzählte sie später, „eine 35-Stunden-Woche erledigten wir in zwei Tagen“, zum Beispiel bei der legendären deutschen Erstaufführung von Albert Camus‘ „Caligula“, mit Hans Caninenberg. Am Abend vor der Premiere war der Bühnenraum noch nicht fertig. Alle arbeiteten weiter, trotz Hunger und Durst. Da fuhr Hanna Jordan mit der letzten Straßenbahn nach

Bühnenbildentwurf für „ Gesang im Feuerofen“ von Carl Zuckmayer, Regie: Hans Jungbauer, 1951

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Entwurf zum „Hauptmann von Köpenick“

Kostümentwurf „Susanne 2“ mit Stoffmustern, „Die schlaue Susanne“ von Lope de Vega, Regie: Ernst Seiltgen, 1964

Hause, kochte mit ihrer Mutter aus Ersatzlebensmitteln eine Suppe und ging zu Fuß mit dem Topf auf dem Fahrrad wieder nach Barmen, um der Bühnenmannschaft etwas zu Essen zu bringen. Zeit ihres Lebens war sie davon überzeugt, dass Kunst nicht mit der Stechuhr in der Hand entstehen kann: „Wer das nicht akzeptiert, soll zu Hause bleiben.“ 1949 war Schluss in der „Union“ - das Theater an der Bergstraße wurde eröffnet. Hanna Jordan war und blieb lange fast die einzige Bühnenbildnerin. In rasantem Tempo stattete sie klassische wie zeitgenössische Stücke aus, oft deutsche Erstaufführungen. Manchmal waren es über 20 in einer Spielzeit. 1947 hatte sie den Juristen Walter Kraft geheiratet. Ein Jahr später kam Tochter Tilla zur Welt. 1957 erkrankte dieses geliebte, künstlerisch hochbegabte Kind an der asiatischen Grippe und starb. „Den Tod eines Kindes kann man nicht verkraften“, sagte Hanna Jordan. Aber

sie habe nie gefragt, warum ausgerechnet ihr das passieren müsse, angesichts der vielen unschuldigen Kinder, die ins KZ und den Tod geschickt worden waren. Die Theaterarbeit half Hanna Jordan in ihrer Trauer. Vor allem Helmut Henrichs, seit 1953 Intendant und Regisseur in Wuppertal, und Regisseur Imo Moszkowicz, der Auschwitz überlebt hatte, waren wichtige künstlerische Partner im Schauspiel, Letzterer später auch im neuen Medium Fernsehen. Hanna Jordan war eine der Ersten, die große Fernsehspiele ausgestattet haben. Auch an vielen anderen deutschsprachigen Bühnen war ihre Bühnenbild-Kunst gefragt, in München, Wien, Hamburg, Berlin, Hannover, Stuttgart, Darmstadt, Frankfurt. Dabei arbeitete sie mit vielen namhaften Regisseuren zusammen, u.a. mit Hans Bauer, Peter Palitzsch und Rudolf Noelte. Die Inszenierungen mit diesem Ausnahmeregisseur (Tschechows „Drei Schwestern“ und „Der Kirschgarten“) erlangten Ruhm und Auszeichnungen. Doch ihrer Heimatstadt Wuppertal, an der sie „mit Leib und Seele“ hing, blieb sie trotz aller Gastspiele treu. Hanna Jordan verstand ihre Arbeit als Dienst am Werk. Ein Bühnenbild sollte nicht bloße Dekoration, sondern Interpretation eines Stückes, Teil einer Gesamtkonzeption sein. Ihre Gespräche in ihrer Wohnung mit dem jeweiligen

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Regisseur Wochen vor der Premiere sind legendär. „Diese Sitzungen begannen bei Alpha, sie dauerten Stunden, Tage, das waren richtige Pilgereinheiten – aber schön.“ (Operndirektor Kurt Horres). Ab 1970 arbeitete Hanna Jordan fast nur noch in der Oper. An die Diskussionen über Mitbestimmung, vor allem im Schauspiel, an „dieses endlose Gemähre“ Ende der 1960erJahre, erinnerte sie sich später „mit Schrecken“. Das sei Ideologie gewesen, die in der Kunst nichts zu suchen habe. Für sie galt: „In der Kunst kann es keine Mitbestimmung geben.“ Die Zeit mit Kurt Horres als Operndirektor war geprägt von aufregenden Operninszenierungen, darunter etlichen Uraufführungen. Wuppertal hatte damals einen Ruf als Stadt der Opern-Avantgarde. Mit Friedrich MeyerOertel, der vor wenigen Wochen mit 85 Jahren in Darmstadt verstorben ist, setzte Hanna Jordan ihre erfolgreiche Arbeit bis in die 1990er-Jahre fort. 1965 ehrte die Stadt Wuppertal die Bühnenbildnerin mit ihrem Eduard von der Heydt-Kulturpreis. 1990 verlieh sie der engagierten Bürgerin den Ehrenring der Stadt. Wer das Glück hatte, mit Hanna Jordan befreundet zu sein, ging durch eine Schule des Lebens. Anne Linsel

Zeichnung zu „Alcina“ von Georg Friedrich Händel, Regie: Friedrich Meyer-Oertel, 1981

„Frau ohne Schatten“, Richard Strauss, 1977, Hamburgische Staatsoper, Regie: Kurt Horres, Bühnenbild: Hanna Jordan

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Peter Brötzmann: „self-portrait in the garden“, November 2020

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BRÖtz 80 Dienstag, 16. Februar, 12 Uhr, Brötzmanns Wohnung in der Obergrünewalder Straße Wolfgang Schmidtke: Vielleicht ist das für einen trüben Freitagmittag eine gute Startfrage: Du bist ja wahnsinnig viel unterwegs, fast dein Leben lang. Wie ist es, plötzlich so lang zu Hause zu sein? Peter Brötzmann: Am kommenden Wochenende ist es genau ein Jahr her, dass ich meinen letzten öffentlichen Job gespielt habe, in Athen, mit Heather (Leigh) zusammen, zwei Tage, und ich bin froh, dass ich die gute Erinnerung habe. Ich bin noch nie, seitdem ich überhaupt beweglich bin, so lang an einem Platz gewesen. Ich kann auf der anderen Seite nicht meckern, hab da hinten mein Studio, daher immer noch genug Arbeit auf dem anderen Standbein, die Malerei, das Büchermachen. Mit meinem fantastischen Kollegen Klaus Untiet haben wir gerade ein Buch fertiggestellt.

Ich hab den Prototyp gestern schon gesehen, Klaus hat es mir gezeigt. In meinem normalen Leben fehlt einfach die Bühne, es fehlt das Publikum. Geplant waren im letzten Jahr vier lange und interessante Touren, zwei in den Staaten - endlich mal gut bezahlt -, mein jährlicher Japanbesuch und ’ne län-

Altelier in der Obergrünewalder Straße

gere Geschichte in Südamerika. Das wurde alles abgesagt, mit der Ansage, dass es aufs nächste Jahr verschoben wird, und wen immer ich jetzt spreche, es wird wieder auf das kommende Jahr verschoben. Im Augenblick ist es für die Zukunft der Arbeit eine äußerst unsichere Situation, auch für die Zukunft der Musik generell- keiner spielt mehr, oder zu Bedingungen, die lächerlich sind. Du meinst das Streamen? Das hab ich von Anfang an abgelehnt, es ist in meinen Augen ein Widerspruch zur Musik. Beim Streamen ein bisschen Selbstbeschäftigung zu finden, ist totaler Unsinn. Ich verstehe, wenn die jüngere Generation das anders sieht, aber ich kann nun mal nicht anders. Angesichts der aktuellen Lage würde ich mich gern mit dir austauschen, was die Lage der frei arbeitenden Leute betrifft. Ich weiß, dass du einer der wenigen bist, die große Tourneen stemmen, ohne dass nennenswerte öffentliche Unterstützung in die Projekte fließt. Das finde ich beachtlich, trotzdem kann ich mich immer wieder aufregen, über die eklatant ungleiche Behandlung von sogenannter klassischer Musik und Jazz. Das Missverhältnis ist haarsträubend, im Vergleich zu einem sicher angestellten Sinfoniker hast du jetzt Monat für Monat …

cloud on wood, 2019, wood/metal, 16 x 33 x 6,5 cm

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Heather Leigh/ Peter Brötzmann 2019 MUSIC WORKS, Brooklyn

Wolfgang Schmidtke/ Peter Brötzmann 2012 Schauspielhaus Wuppertal Foto: Karl-Heinz Krauskopf

Nix! Aber da gibt es ein paar Voraussetzungen, die man über mich wissen muss. Ich bin ja jetzt uralt - als ich anfing zu denken und an meinem Ding zu arbeiten, war ganz klar: Ich mach das, so oder so. Hilfe der Eltern ging nicht, da war nichts da. Alles, was ich gemacht habe, habe ich selbst gemacht, mit meiner Arbeit, und das ist eine Angewohnheit, die schlecht abzulegen ist. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ich bin über die Jahrzehnte für jede Hilfe, die ich bekommen habe, dankbar. Gern hab ich da auch eine Hilfe des Landes NRW in Anspruch genommen. Das ging auch sehr unbürokratisch, aber … Money talks, it says goodbye, wie lange da noch was zu reden ist, weiß ich nicht (lacht). Eigentlich ist das ja auch eine Selbstverständlichkeit bzw. es sollte eine sein, aber mit unserer Art von Musik hängen wir immer am allerletzten Rand der Kulturskala. Hast du die Arbeit in der bildenden Kunst und der Musik eigentlich immer parallel gemacht? Das ging immer parallel, ich habe allerdings jahrzehntelang nichts in der Öffentlichkeit gemacht. Vor ungefähr 20 Jahren hatte ich, durch die Musik, einen guten Freund, der Museumsdirektor in einer kleinen südschwedischen Stadt war, in Ystad. Dort haben wir gespielt, und ich habe mir das Museum angeguckt. Er wusste, was ich tue, und dann hat er mir die fantastischen, altmodischen Räume - hoch, weiße Wände, große Fenster - angeboten. Diese Zusammenarbeit mit dem netten Herrn Direktor, Thomas Millroth, hat mir großen Spaß gemacht, nettes schwedisches und auch internationales Publikum. Gleichzeitig hatte ich in Chicago meine Beziehung zu John Corbett, der zu der Zeit Professor am Art Institute war und selber eine Galerie aufmachte. Es ist keine großartige finanzielle Geschichte, aber ab und zu ein angenehmes Taschengeld.

Die Hauptsache ist immer noch die Musik, ich brauche das Reisen, ich brauche andere Leute, ich brauche andere Landschaften, Situationen. Und ich brauch die Kollegen und so’ne Bühne. Wenn da was Gutes passiert, ist das ja kein schlechtes Gefühl, wie du weißt. Gern würd ich noch ein anderes Thema ansprechen: Wenn ich hier links zu dem CD-Stapel neben dem Fenster schaue, dann sehe ich etwas, das viele Leute, die dich nicht persönlich kennen, wundern würde - Platten von Lionel Hampton, Miles Davis, John Coltrane, Thelonious Monk, Louis Armstrong. Früher gab es ja eine ganze Reihe von Leuten, die gedacht haben, sie verstehen Jazz, und trotzdem war das, was ihr gemacht habt, ein unglaublicher Bruch und hatte mit dem, was davor im Jazz geschah, nichts zu tun. Siehst du dich als Teil einer Chronologie? Wir selbst haben das ja gar nicht so propagiert in den 60ern, als das alles anfing, auch in Europa, wo wir einen großen Teil unserer Entwicklung unabhängig von den Amerikanern gemacht haben. Ich wusste immer, wo die Musik herkommt, und wusste auch, dass ich ohne Louis Armstrong oder Duke Ellington und Thelonious Monk nicht das machen könnte, was ich für mich herausgefunden habe. Das alles ist schon ein ganz wichtiger Baustein. Natürlich hat sich das Publikum und auch die Kritik gewehrt, hat aufgeschrien: Das ist keine Musik mehr. Wenn du das jetzt, 50 Jahre später, mal beobachtest, war das zwar ein gewisser Schritt in eine durchaus notwendige Richtung, aber es war eine konsequente Folge von dem, was vorher war. Es war kein Riesenbruch, es war ein Schritt in eine Richtung, die einfach vorgegeben war. Die Kunst steht ja nicht im luftleeren Raum. In den 60ern wurden in den Südstaaten noch Leute an dem Bäumen aufgeknüpft, vergiss das nicht. Und wir jungen Kerle hatten hier den Krieg und die Folgen aufzuarbeiten, vor allen Din-

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gen zu verstehen, was passiert war und warum. Ich weiß, dass es Alex Schlippenbach genauso geht. Es war der ganze Impetus der Geschichte, sich da auch so reinzustürzen. Damals konntest du nicht googeln, ich hab mir in Polen Bücher über den Aufstand im Ghetto besorgt, alles an Literatur, was ich kriegen konnte. Von den Alten, Eltern oder Lehrern, kriegte ich keine Antworten, du musstest dir das selbst zusammenholen. Da ich sehr früh angefangen hatte zu reisen, nach England und Holland vor allem, hatte ich dort schnell Kontakt zu jüdischen Künstlern. Das führte zu einer großen Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte, und das ist natürlich in die Musik geflossen. Und außerdem wollten wir sowieso die Welt verändern (lacht), mit nicht allzu großem Erfolg, verdammte Sch… Können wir ganz konkret sagen, dass das Verlangen danach, tradierte Strukturen zu sprengen, einem Bewusstsein folgt, das gesellschaftliche Strukturen erkannte, die zum notwendigen Wandel nicht in der Lage waren? Man muss die Dinge mal vereinfachen. Wir wuchsen auf in einem staatlichen Gebilde, wo der ganze Justizapparat, der Verwaltungsapparat besetzt war von Leuten, die aus dem Dritten Reich kamen. Ich will nicht sagen, dass sie alle Nazis waren, aber es waren Nazis in Adenauers Umgebung, bei denen man das sehr genau belegen konnte. Da ist man auch Hannah Arendts Studien gefolgt, und wir wussten nur eins: So kann es nicht weitergehen, wir müssen das ändern. Die ganze Musikwelt war ja damals gut bestückt mit Hardbop, Dexter Gordon, Art Blakey war überall, nichts gegen Art, er war der beste Drummer überhaupt. Aber die Musik bewegte sich seit Langem in einem festgelegten Schema, und wir wollten kein Schema mehr. Wir haben es geschafft, den Blickwinkel zu erweitern, in dem der Bass nicht nur mehr ein Bass war, sondern zum Soloinstrument avancierte, die Trommeln nicht nur den Background bildeten, sondern durchaus mal sagen konnten, wo es lang geht. Und die Saxofone nicht nur die Scales rauf und runter spielten, sondern andere Bereiche, die möglich waren, entdeckten. Das habe ich, glaube ich, am konsequentesten gemachtweil ich es auch nicht anders wusste (lacht). Ganz furchtbar ist ja auch die Erkenntnis, dass zu oft beim Spielen einer Form nach dem Takt 32 wieder von vorn angefangen wird, der Bogen geht zu selten darüber hinaus. Im schlimmsten Fall wird in acht Blues-Chorussen acht Mal die gleiche Geschichte erzählt. Ja, das stimmt, aber Gott sei Dank geht es auch anders. Wir sind ja nun beide Saxofonisten, und wenn du dir die Ge-

schichte von Coleman Hawkins anhörst, und als direkte Folge würde ich Sonny Rollins nennen, da ist bei diesen alten Gentlemen sehr viel an neuer Musik drin, aber dafür muss man immer spielen und ständig unterwegs sein, und das wird ja immer schwieriger. Wir hatten es ja noch gut, wir waren ja fast die Einzigen. Auch wenn ich zu machen Dingen überhaupt keinen Zulass hatte und manche Leute mich jahrzehntelang ignoriert haben- wir haben unsere Dinge dann eben selbst gemacht, das haben wir in dieser Situation auch gelernt. Du sprichst gerne im Plural, von „wir“. Wen würdest du gern aus dieser Zeit nennen wollen? Hier in der Stadt war es von Anfang an Peter Kowald, das ist klar. Wir beide haben uns gut ergänzt, er war jemand, der sehr gut verhandeln konnte mit der städtischen Administration. Das waren so Dinge, wo ich mich immer rausgehalten habe. Das waren in den ersten Jahren, wenn wir über die Mitte der 60er reden, die einzigen „wir“. Selbst mit den späteren guten Kollegen, wie Manfred Schoof und Alex Schlippenbach, gab es eine ungeheure Distanz, weil die uns sehr misstrauten, erst mal. Dann kam eine Geschichte, die in manchen Köpfen die Meinung über mich geändert hat. Ich wurde von Carla Bley eingeladen, in ihrem European Quintet mitzuspielen, und zur gleichen Zeit tauchte Don Cherry ab und zu mit mir auf, und das hat dann in vieler Leut’ Gehirn ein paar Veränderungen bewirkt. Das heißt, die deutschen Kollegen wurden erst dann vertrauensvoll, nachdem amerikanische Musiker mit dir arbeiteten? Es gibt eine nette Geschichte aus Düsseldorf. Da war damals der Jazzclub Oase, und die buchten noch Engagements für eine Woche oder sogar zwei, wenn du erfolgreich warst. Da spielte Gunter Hampel, und ich wusste, in der Band gab es einen Altsaxofonisten, der nannte sich Barbu, sein bürgerlicher Name war Werner Lüdi. Der spielte für damalige Verhältnisse schon ein irres Zeug. In einer Nacht hab ich dann mein Alt eingepackt und bin nach Düsseldorf gefahren. Vor der Tür standen sogar Rausschmeißer, da musste man sich erst mal drum herum schlängeln. Dann bin ich eingestiegen - es sah so aus, dass ein Musiker nach dem anderen von der Bühne verschwand, bloß Barbu, mit dem langen Bart und seinem Alt, blieb, und wir haben uns ein Duo geliefert. Bis dieser Riesenrausschmeißer kam, mich am Kragen packte und vor die Tür stellte. So war das damals, aber mit Barbu/Lüdi hab ich in den späteren Jahren noch viel zusammen gemacht. 57

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Seit Jahrzehnten gibt es den Nimbus der Wuppertaler Szene. Quantitativ war es ja nie eine große Zahl an Spielern. Es gesellten sich aber immer mehr interessante Leute hinzu. Hans Reichel kam aus Hagen und hat von Anfang an sehr spezielle Dinge gemacht. Zu der Zeit gab es auch ein gutes Duo, Günter Christmann/Detlev Schönenberg. Rüdiger Carl kam aus Berlin, in Brüssel hatte ich Sven Ake Johansson aufgelesen- das war der enge Kreis. Ist es jetzt eine Zufälligkeit, dass bestimmte Personen zu einer bestimmten Zeit zusammenkommen, oder gab es hier einen besonderen Geist, der stärker war als in den benachbarten großen Städten? Bei aller Bescheidenheit hat das schon mit Kowald und mir zu tun. Wir hatten gute Beziehungen nach Berlin, zu anderen Musikern, aber auch Leute wie Rene Block, der in seiner Galerie Konzerte organisierte. Ich hatte meine Beziehungen nach Antwerpen und Holland, Willem Breuker/Han Bennink, Misha Mengelberg. Kowald war mehr für die Engländer zuständig. Das haben wir dann zusammengebracht. Der weitaus größte Teil eurer Arbeit war nicht in Wuppertal, aber die Identifikation mit der Stadt ist doch geblieben. Ich weiß nicht, wenn wir in Solingen gewesen wären, Kowald und ich, hätten wir es in Solingen versucht. Aber ich muss sagen, zu der damaligen Zeit hat die Stadt uns auch relativ gut unterstützt, egal, welche politische Farbe gerade im Rathaus saß. Zu nennen ist sicher die Konzertreihe im Von der HeydtMuseum. Ja, das war eine ganz wunderbare Geschichte, die Heinrich Müller, der zweite Chef, damals initiiert hatte. Großartig war, dass das Publikum es im Vorbeigehen mitkriegen konnte, es kostete auch keinen Eintritt, soweit ich mich erinnere. Es gab sehr schöne Konzerte, aber wie immer sind die Dinge abhängig von Personen, und als die nächste Person kam, war es vorbei. Aber wir hatten auch die börse, das Impuls, wir hatten den Jazzclub Adersstraße als Urzelle, und die Leute, die kamen, die fühlten sich auch wohl. Ich wohnte ja damals mit meiner Familie in Unterbarmen, Rene Block kam mal für ein paar Tage vorbei, und ich habe ihm das Unterbarmer Nachtleben gezeigt. Er war begeistert, er war überrascht. Manches hat er selbst in Berlin nicht erlebt. Über die Gruppe von Musikern hinaus gab es ja auch die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern wie Gerd Hahnebeck, Dietrich Maus. Oder Achim Knispel, ein guter Maler und guter Gitarrist.

Erinnerst du dich noch an die legendäre 24-Stunden-Performance in der Galerie Parnass? Natürlich, da war ich als Gast dabei. Das kam durch meine Zusammenarbeit mit Nam June Paik, durch ihn habe ich auch Beuys kennengelernt, den wir ein paar Mal in seinem Atelier besucht haben. Paik kam tatsächlich mal in die Adersstraße und war für mich eine große Hilfe, weil er immer sagte: Brötzmann, mach deinen Sch… Wenn du jung und unwissend bist, tut so was ganz gut. Da, muss ich sagen, hab ich immer gute Leute getroffen. Don Cherry und Steve Lacy, der ja immer ein gern gesehener Gast hier in Wuppertal war, durch Dieter Fränzel, den man nicht vergessen sollte. Wenn es mal nicht so gut ging, haben die mich immer wieder an die Arbeit gebracht, und Arbeit ist ja das Einzige, was über die schlimmen Zeiten hinweghilft. Du hast recht oft neue Bands gebildet. Es gibt ja auch andere Beispiele, wo Musiker einen Sound, einen Weg, eine Besetzung finden und sehr lange dabeibleiben. Was ist das für eine Relation bei dir, gibt es diese Momente, in denen du denkst, jetzt muss etwas Neues passieren? Nein, ich bin immer noch der Auffassung, dass Musik, und gerade diese Musik, die sich immer auf der Kante bewegt, Zeit braucht, um sich zu entwickeln, Zeit braucht, um Fehler zu machen, und Zeit braucht, um daraus zu lernen. Mein erstes richtiges Trio, mit (Han) Bennink und (Fred) van Hove, damit haben wir zwölf lange Jahre zusammengearbeitet. Mit Heather bin ich inzwischen auch schon sechs Jahre unterwegs, oder Full Blast, die beiden Schweizer, die kenne ich mehr als 20 Jahre, und wir arbeiten immer noch weiter. Selbst das Chicago Tentet ist fast zwölf Jahre lang gelaufen, für eine Band mit zehn Leuten eine lange Zeit. Irgendwann haben mich die finanziellen Voraussetzungen sagen lassen: Kinder, heute ist Schluss. Wenn du nach über zehn Jahren zwar einen Fortschritt in der Musik, aber gar nicht im Geschäft siehst, dabei haben alle für ein Taschengeld gespielt, und als Bandleader stehst Du am Ende da mit leeren Taschen. Schade, aber manchmal bestimmt die Szene das Format. Ellington hat seinen Hauptstamm an Musikern das ganze Leben behalten, was unwahrscheinlich schön ist, aber das ist aus musikalisch-kommunikativen Gründen nicht mehr zu verwirklichen und aus finanziellen schon gar nicht. Irgendwann gab es keinen Platz mehr für größere Ensembles, und wenn du Jobs gespielt hast und wenigstens ein paar Mark mit nach Hause bringen wolltest, musstest du die Gruppen reduzieren, am besten auf ein Duo.

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the silver lake, 2020 watercolor on paper 19 x 13,3 cm

Ich war schon bei meinem letzten Besuch erstaunt, dass du alle Instrumente aufgebaut und spielfertig um dich herumstehen hast. Gehst du da überall mal ran? Ja, ich kann ja hier auch in der Nacht spielen. Im Augenblick reicht es ja, wenn der Ansatz funktioniert. Dann schau ich mir dabei meinen Nachtkrimi an und spiele, du musst ja nicht verstehen, was in dem Film gesprochen wird. Wie wäre es, wenn du zum Schluss eine Anekdote aus dem Tourleben erzählst? Es gab Mitte der 60er ein Festival in Comblain la Tour, Belgien, in der Nähe von Lüttich, Open Air. Da war ich eingeladen zu spielen, natürlich mit (Peter) Kowald und Pierre Courbois am Schlagzeug, den ich von (Gunter) Hampel gestohlen hatte. Wir spielten im Newcomer-Programm, nachmittags. Es war ein wunderschöner Sommertag, brüllend heiß, herrliche Atmosphäre, das Publikum auf einer Wiese. Und was passierte? Nach 15 Minuten zog uns jemand den Stecker raus, wir haben aber unsere 40/45 Minuten weitergespielt. Ich war total durchgeschwitzt und renn’ die Straße runter zu der einzigen Kneipe. Komm ich dahin, voll bis obenhin, ich zum Tresen, da steht ein großer schwarzer Mann und ein Kleiner mit einer sehr prägnanten Nase, die unterhielten sich. Der große schwarze Mann sah, dass ich wirklich total durchgeschwitzt war und etwas zu trinken brauchte, und er merkte auch, dass ich nicht die nötige Resonanz vom Barkeeper bekam. Also sagte er zu dem Typen: Give that young man a beer. Ich bekam mein Bier. Das war John Coltrane, und der Typ neben ihm war Charles

Aznavour. Und dann in der Nacht, nach dem Konzert des Coltrane Quartetts – vorher hatte noch Stan Getz gespielt, den ich aber leider verpasst habe –, gab es große Party bei Jacques Pelzer, der war Apotheker in Lüttich, spielte aber nebenher auch gut Altsaxofon. Coltrane tauchte nicht auf mit seinen Mannen, aber Stan Getz war da, in Boxershorts, und rannte in Shorts und total stoned durchs ganze Haus hinter Miss Belgium her. Ich war ja einiges gewohnt, betrunken war man ja schon mal, aber so ein Zirkus … Das war Stan Getz und ein guter Einstieg ins Berufsleben. Peter Brötzmann ist der bedeutendste Vertreter des europäischen Free Jazz und hat dessen Entwicklung seit Mitte der 60er Jahre entscheidend mitgeschrieben. Am 6. März feierte Brötzmann seinen 80. Geburtstag. Zu diesem Anlass besuchte ihn sein 15 Jahre jüngerer Kollege Wolfgang Schmidtke und die beiden führten das Gespräch für „die beste Zeit“. Bisweilen spielen sie gemeinsam in dem Ensemble „wuppertal JAZZ workshop“: https://www.youtube.com/watch?v=WWYZ47Dz2go

BRÖTZMANN ALONG THE WAY 228 pages in hardcover First edition 2021 © Peter Brötzmann Wolke Verlag, Hofheim ISBN: 978-3-95593-253-4

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Gemeinsames Suchen einer Welt im Kleinen

und Zuschauer, die ihr regelrecht verfallen waren. Darunter fanden sich auch viele etablierte Künstlerinnen und Künstler. In der jungen internationalen Tanzszene war sie damals schon eine Berühmtheit. Man hörte viel von ihr, aber sehen konnte man ihre Arbeiten nur in Wuppertal.

Prof. Dr. Gabriele Klein, Foto: Bettina Stöß

Die Choreografin Pina Bausch begeisterte von Wuppertal aus Menschen auf der ganzen Welt. Die Hamburger Tanz- und Bewegungswissenschaftlerin Prof. Dr. Gabriele Klein untersucht die internationale Produktion und Rezeption der Stücke Pina Bauschs und begab sich dafür selbst auf Entdeckungsreise. Miriam Althammer: Sie haben sich in den vergangenen Jahren anhand von einer Vielzahl an Archivmaterialien, Interviews und ethnografischen Studien mit neuen Sichtweisen auf Pina Bausch und das Tanztheater befasst. Wie wurde Pina Bausch als junge Choreografin wahrgenommen? Gabriele Klein: Pina war eine begnadete Tänzerin und eine junge, extrem hoffnungsvolle Choreografin. Dennoch wurde sie für ihre ersten Stücke in Wuppertal ausgebuht – so die gängige Darstellung. Wie ich feststellte, ist das jedoch nur die halbe Wahrheit. In der ersten Phase von 1973 bis 1979 war das Publikum stark gespalten. Es gab einerseits das Opernpublikum, das ihren Vorgänger, Ivan Sertic, schätzte. Auf der anderen Seite gab es Zuschauerinnen

Das änderte sich mit der Tourneetätigkeit der Kompanie. In diese Phase fällt 1979 eine erste Indien-Tournee mit dem Doppelabend „Café Müller“ und „Das Frühlingsopfer“. Die Aufführung geriet zum Skandal. Warum? Das waren schreckliche Erfahrungen. In Kalkutta wurde die Bühne gestürmt, die Vorstellung musste abgebrochen werden. Dazu gibt es verschiedene Begründungen. Während des Solos in „Frühlingsopfer“ reißt der Träger des roten Kleides, das das „Opfer“ trägt, so dass eine Brust der Tänzerin entblößt wird – was, so meinen manche, zu provokant, ja zu obszön war für das indische Publikum. In Indien aber war man der Ansicht, dass die Aufführung Opfer einer lokalen politischen Konfliktlage mit den Kommunisten in Kalkutta gewesen sei und das Gastspiel des Tanztheaters einer Auseinandersetzung um bürgerliche, westliche Kunst zum Opfer fiel. Wie ist Pina Bausch mit diesen Erlebnissen umgegangen? Sie hat eine unglaubliche Scheu entwickelt, wollte Indien meiden. Georg Lechner, langjähriger Leiter verschiedener Goethe-Institute in Indien, hat es in den 1990ern geschafft, sie von einer weiteren Tournee zu überzeugen. Im Rahmen eines „East-West-Encounter“ ist sie zusammen mit der indischen Tänzerin und Choreograpin Chandralekha, die als „Mutter“ des modernen indischen Tanzes gilt, getourt. Gezeigt wurde „Nelken“ – und damit hatte sie einen riesigen Erfolg!

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Ensembleszene aus Pina Bauschs Choreografie „Das Frühlingsopfer“ zur Musik von Igor Strawinsky. Foto: Laszlo Szito

Die zweite künstlerische Phase, die Sie in ihrem Buch beschreiben, steht in den 1980ern unter dem Stichwort der Internationalisierung, neue Farben im Werk Pina Bauschs entwickeln sich. Wie kam es dazu? Nach dem Tod ihres Partners Rolf Borzik 1980 erlebte sie eine persönliche und künstlerische Krise. In Zusammenarbeit mit Peter Pabst und Marion Cito, die fortan Bühne und Kostüme für ihre Stücke schufen, und mit Raimund Hoghe als Dramaturgen entwickelte sie im selben Jahr das Stück „1980“, mit dem das Tanztheater sehr viel tourte. 1986 macht die Kompanie ihre erste von insgesamt 15 mehrwöchigen Reisen, aus denen internationale Koproduktionen hervorgingen. Woraus entsprang die Idee, andere Kulturen zu erfahren und künstlerisch zu erforschen? Letztlich hat Pina aus der Not eine Tugend gemacht. Denn die Arbeitsbedingungen für das Tanztheater waren nicht einfach, die Stadt war arm und konnte sich eine Kompanie in diesen Dimensionen – mit Stücken mit aufwendi-

gen und teuren Bühnenbildern – langfristig nicht leisten. Aus dem ökonomischen Grund, Koproduktionen einzugehen, entwickelte sie ein ästhetisches Konzept, und damit internationalisierte sie ihre Arbeit, die ja aufgrund der bewussten interkulturellen Zusammenstellung der Kompanie schon immer international war, die Welt im Kleinen widerspiegelte. Was interessierte sie an diesen unterschiedlichen Lebenswelten? Die verschiedenen Perspektiven der Tänzerinnen und Tänzer auf den Alltag und wie sich deren einzelne Geschichten mit den jeweiligen kulturellen Kontexten verbinden. Pinas Philosophie scheint dem Denken Walter Benjamins nahezustehen. In ihrem Suchen ist einerseits zu sehen, dass es eine Form der überhistorischen Verwandtschaft zwischen Menschen gibt, unabhängig von ihren kulturellen Kontexten und historischen Rahmungen. Andererseits zeigt sie in ihren Stücken vielfältige kulturelle Differen61

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zen. Dieses Spannungsfeld interessierte sie. Ihre Frageperspektive war: Was haben wir gemeinsam, obwohl uns so viel unterscheidet?

sehr unterschiedlich sind. Was in einem Land Lachen erzeugt, kann in einem anderen Land ein Peinlich-berührtSein bewirken.

Dieser Ansatz, der die Stücke universell erscheinen lässt, macht wohl auch die große Zugänglichkeit ihrer Arbeit aus? Ja, aber nicht nur. Hinzu kommt, dass Pina Bausch nie ein aktuelles Thema bearbeitete oder in ihrer politischen Aussage konkret wurde. Sie hat als Tänzerin choreografiert und in ihrem Medium Tanz nach archaischen Formen gesucht, um das, was sie – in der Kompanie und auf den Reisen – im Alltag sah und wahrnahm, zu zeigen. Ihre Formensprache ist so gut und hochwertig, dass die Choreografien die Zuschauer affizieren, egal in welcher Situation sie sich befinden. Dennoch weist das Publikum aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Situiertheit den Stücken unterschiedliche Bedeutung zu. Das lässt sich am anschaulichsten beim „Frühlingsopfer“ nachvollziehen: Alle verstehen die Opfermetapher, das Opfer ist jedoch überall und immer wieder etwas anderes, entsprechend der persönlichen Situationen der Zuschauer, des situativen Kontextes der Aufführung und des kulturellen und politischen Zustands des jeweiligen Landes, in dem das Stück gezeigt wird.

Im Rahmen Ihrer Studie haben Sie nicht nur 1500 Zuschauer befragt, um Aufschluss über Reaktionen des Publikums zu erhalten, sondern sind selbst auf Reisen gegangen. Was konnten Sie herausfinden? Mich hat während meiner Reisen beeindruckt, dass ich auf sehr viele Menschen, oft Kenner der Tanz- und Kunstszene des jeweiligen Landes, gestoßen bin, die von der Ästhetik und der Qualität des Tanztheaters so fasziniert waren. Ganz anders, als wir das in Deutschland kennen, wo das Tanztheater seit den 1990ern quasi als historisch gilt. Beeindruckt war ich auch davon, dass die Person Pina Bausch eine solche Wirkung auf die Menschen hatte. Der Leiter eines GoetheInstituts sagte mir, dass es eine Person und Choreografin wie Pina Bausch nur alle drei Jahrhunderte gebe.

Welche Rolle nahm das Publikum dabei ein? Pina Bausch hatte schon lange, bevor dies in der Theaterforschung zum Gegenstand wurde, ein performatives Verständnis von einem Publikum. Das zeigt sich zum einen darin, dass sie die Aufführung immer auch mitsteuerte. Bis heute ist die Musik keine zusammengebastelte und abgespielte CD, sondern wird während der Vorstellung „gefahren“. Sie war zudem eine der wenigen in Deutschland und darüber hinaus, die in einem etablierten Theater das Publikum in den 1980ern partizipatorisch miteinbezog, indem die Tänzer durch die Zuschauerreihen gehen, Tee anbieten, ihnen Brötchen schmieren, sie ansprechen. Einmal erzählte Pina von einer Gastspielreise mit „Wiesenland“, bei der Tänzer den Zuschauern in den ersten Reihen Familienfotos zeigen. Plötzlich haben die Zuschauer angefangen, auch Familienfotos aus der Tasche zu holen und den Tänzerinnen und Tänzern zu zeigen. Solche spontanen Reaktionen haben ihr große Freude bereitet. Das klingt nach einer unvorhergesehenen Intimität, die in solchen Momenten entsteht. Ja – die Intimität des Augenblicks. Pina Bausch war an der Begegnung mit dem Publikum interessiert. Dieses zeigen ja auch die Publikumsreaktionen auf ein Stück, die in den unterschiedlichen Ländern und auch im Laufe der Jahre

Vor dem Hintergrund aktueller Debatten im Feld einer globalisierten Welt der Künste: Ist diese Art der Interkulturalität noch zeitgemäß? Würde Pina Bausch mit ihren Arbeitsweisen heute in die Kritik geraten? Oder waren ihre Stücke in der Beschäftigung mit kulturell differenzierten Erfahrungswelten bereits eine de-kolonisierende Geste? Das ist nicht einfach zu beantworten. Auf der einen Seite gibt es Szenen in ihren Stücken, die man heute nicht mehr so gestalten würde. Auf der anderen Seite ist ihre Arbeit eine, die durch die Suche nach Haltungen, Konventionen, Gesten, Bedürfnissen und Sehnsüchten der Menschen in und aus verschiedenen Kulturen auch immer danach fragt, inwieweit das, was im Alltag sichtbar ist und in ihren Stücken gezeigt wird, eine kolonialisierte Form ist. Pina Bausch hatte in den 1980er-Jahren, also einer Zeit vor der Globalisierung der Kunst, nicht nur eine internationale Kompanie, sondern hat Interkulturalität mit allen ihren Hürden und Grenzen zum Thema gemacht und sich zugleich durch die gemeinsame Suche mit anderen Ländern und Kulturen verbunden. Das Interview führte Miriam Althammer. Gabriele Klein ist Professorin für Tanz und Performance an der Universität Hamburg und Autorin des Buches: „Pina Bausch und das Tanztheater. Die Kunst des Übersetzens“, Bielefeld 2019. Das Buch ist auch in englischer Sprache erschienen (Pina Bausch’s Dance Theater, Bielefeld 2020) und erscheint im Herbst 2021 auf Russisch. Miriam Althammer, Autorin, Journalistin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am ZZT Köln

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Kulturtipps für Kinder und Jugendliche LCB | Haus der Jugend Barmen Geschwister-Scholl-Platz 4-6, 42275 Wuppertal Aktuelle Infos über www.hdj-online.de

K4 Family, Foto: Maria

K 4 | Theater für Menschlichkeit

Corona verhagelt uns gerade alles und ganz besonders das kulturelle Leben. Daher hat sich das Haus der Jugend Barmen an die Situation angepasst und bietet für Kinder verschiedene Aktionen an. Was seit Monaten immer klappt, ist, dass wir mit verschiedenen digitalen Angeboten zu Euch nach Hause kommen. Ihr könnt jederzeit gemütlich zuhause auf dem Sofa sitzen und die Videos, die wir für euch entwickelt und aufgenommen haben, ansehen: Clownin Pauline ist 14 Tage in Quarantäne gewesen und hatte jeden Tag neue Ideen, damit ihr nicht langweilig wurde! Damit Ihr Euch auch nicht langweilt, lässt sie Euch daran teilhaben und zeigt euch z.B. Zaubertricks. Das KuKi-Cafè hat viele Bastelanleitungen verfilmt. Als Ersatz für die Kinderdisco tanzt Murat an vielen ungewöhnlichen Orten in Wuppertal. Alle 14 Tage stellen wir ein neues Video online. Das erste gibt es zu den Osterferien. Lustige Clips (Kratz- und Bissfest –„aus dem Leben der Theaterpuppen“) sind ebenso auf der Homepage verlinkt und auch Kindertheater interaktiv über Zoom ist möglich! Bevor wir uns wieder live und in Farbe zusammen im Haus der Jugend Barmen sehen oder auf dem Spielplatz dahinter im Sommer umsonst und draußen das Sommertheater stattfinden kann, wird uns noch das ein oder andere einfallen, das wir für Euch auf die Seite stellen! Guckt einfach regelmäßig unter www.kinderkulturausderkiste.de und lasst Euch überraschen!

nach der Erzählung von Antoine de Saint-Exupèry Es spielen: Elli, Lina, Mona & Kris Köhler Der Pilot, der mit seinem Flugzeug abgestürzt ist, und der kleine Prinz treffen einander mitten in der Wüste. Der kleine Prinz bittet nur „Zeichne mir ein Schaf!“. Bald stellt sich heraus, dass der kleine Prinz von einem kleinen, fernen Planeten stammt. Seine Reise führte ihn auf die Erde, doch vorher hatte er im Kosmos nach Freunden gesucht. Erst auf der Erde kann er Freundschaften schließen. Ein Fuchs lässt sich von ihm zähmen. Mit dem Piloten kann der Prinz gemeinsam lachen, träumen und Sonnenuntergänge genießen. Und ihm wird klar, dass er auf seinen Planeten zurück muss, eine Rose wartet dort auf ihn. Diese philosophischpoetische Geschichte vom kleinen Prinzen fasziniert Zuschauerinnen und Zuschauer jeden Alters und findet die Aufhebung der Einsamkeit in der Freundschaft.

Junges Theaterfestival Wuppertal 2021

Wuppertaler Kinder- und Jugendtheater

Angedacht für eine Woche im Juni, findet das Junge Theaterfestival Wuppertal dieses Jahr höchstwahrscheinlich digital statt. Aktuelle Veröffentlichungen auf der neuen Webseite jtf-wuppertal.de.

Theater im Berufskolleg, Bundesallee 222, 42103 Wuppertal Aktuelle Infos und Anmeldung über www.kinder-jugendtheater.de oder telefonisch 0202-899154

Neuenteich 80, 42107 Wuppertal Weitere Infos www.k4theater.de oder telefonisch 202 44 77 66 Samstag, 1. Mai 2021, 18 Uhr (Premiere und Neueröffnung)

Der kleine Prinz

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Akademie für Darstellende Kunst Westfalen

Kulturelle Jugendbildung

Neuenteich 80, 42107 Wuppertal Aktuelle Infos www.adkwestfalen.de oder telefonisch 0202 44 77 66

Kursinformationen und Anmeldungen über www.jugend-kult.de oder telefonisch 0202 563 26 45

Die Stagefreaks kommen nach Wuppertal! Schauspiel, Tanz und Gesang ist unsere Leidenschaft. Wir unterrichten dich in allen drei Bereichen und zeigen dir, wie du sie eindrucksvoll kombinieren kannst. Jeden Samstag bieten wir dir ein geschütztes Umfeld. Peinlich gibt’s nicht. Hier hilft jeder jedem und ist für den anderen da. Gemeinsam gibt es für uns keine Grenzen! Egal, ob du gerade erst einsteigst oder schon auf dem Weg bist. Wir holen dich ab, wo du stehst, nehmen dich mit deinen ganz persönlichen Eigenschaften auf und bringen dich weiter. Auf der Bühne und im Leben!

Junior Uni Wuppertal

Ein buntes und interessantes Programm für Kinder und Jugendliche quer durch alle Stadtteile Wuppertals könnt ihr auf der Internetseite www.jugend-freizeit.de finden.

Von der Heydt-Museum Turmhof 8, 42103 Wuppertal Angebote für Kinder und Familien Anmeldung für alle Angebote: www.von-der-heydt-museum.de oder per E-Mail vdh.kunstvermittlung@stadt.wuppertal.de, Telefon: 0202 / 563 66 30 oder 563 69 00. Anmeldungen am Wochenende nur an der Museumskasse. Aufgrund der aktuellen Situation bitte auf der Webseite über kurzfristige Änderungen informieren!

Forscherplattform Bergisches Land Am Brögel 31, 42283 Wuppertal Kursprogramm, auch mit eigener Sparte „Kunst&Kultur“: www.junioruni-wuppertal.de Für beide Veranstaltungen unten bitte vorher beim Junior Uni-Team melden unter info@junioruni-wuppertal.de Zu sehen sind die Livetreams auf unserem YouTube-Kanal: https://www.youtube.com/channel/UC8zaGEDkz92ZiyRiE2Yu7MQ/featured

Medienprojekt Wuppertal Hofaue 59, 42103 Wuppertal-Elberfeld Infos und Kontakt www.medienprojekt-wuppertal.de oder telefonisch 0202 28 31 98 79

Filmemachen, Filme schauen

Mittwoch, 21. April 2021, 16 Uhr

Extrembergsteigerin Helga Hengge berichtet von ihren Gipfelerfahrungen auf dem Mount Everest und den „Seven Summits“. Interessierte Kinder und Jugendliche können ihre Fragen per Chat stellen oder sich sogar live dazu schalten lassen.

Freitag, 9. Juli 2021, 16 Uhr

Bei diesem Livestream geht es in die Tiefe Apnoe-Taucherin Jennifer Wendland taucht ohne Sauerstoffflaschen und wird von ihren Unter-WasserAusflügen berichten. Interessierte Kinder und Jugendliche können ihre Fragen per Chat stellen oder sich sogar live dazu schalten lassen

Aufstieg Everest Team,

für junge Menschen ab 14 Jahren Teilnahme an Filmprojekten (Doku, Kurzspielfilm, Musikvideo u.a.), Teilnahme kostenlos

Wuppertaler Bühnen Kurt-Drees-Str. 4, 42283 Wuppertal Weitere Infos www.oper-wuppertal.de

Biparcours Online-Angebote zum Mitmachen Fünf Themenrallyes richten sich in der App Biparcours mit spannenden Fragen und Aufgaben an Schülerinnen und Schülern verschiedenen Alters. Dabei lässt sich „Robin Hood“, „Romeo und Julia“, „Die Zauberflöte“, „La traviata“ und „Out - Gefangen im Netz“ im Klassenraum entdecken oder direkt sagen: „Komm wir gehen ins Theater“ (vor Ort am Opernhaus).

Foto:

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Helga Hengge

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Aus der Reihe! Begegnungsplattform für Theaterinteressierte In der Welt des Theaters gibt es vieles zu entdecken. Bei „Aus der Reihe!“ können die Teilnehmerinnen und Teilnehmer einmal im Monat via Zoom einen Blick hinter die Kulissen werfen, Akteure und Akteurinnen des Schauspiel Wuppertal kennenlernen und mit ihnen ins Gespräch kommen.

sammen mit den Profitänzern Choreografien entwickeln? Alle Kinder und Jugendlichen von 10 bis 14 Jahren, die sich für die Ferienangebote im Kulturrucksack interessieren, sind an diesem Tag eingeladen, auszuprobieren, was ihnen Spaß macht. Die Künstlerinnen und Künstler sind vor Ort und stellen ihre Ferienworkshops vor. Ort: die börse, Wolkenburg 100, 42119 Wuppertal

Robin Hood

Freitags, 16. April–25. Juni 2021, von 15-17.30 Uhr

Familienstück als Schulstreamingwoche Wenn die Schulen nicht ins Theater kommen, kommt das Theater zu ihnen. Das Schauspiel Wuppertal zeigt sein Familienstück (ab 6 Jahren) vom 19. bis 23. April und vom 17. - 21. Mai erneut in einer Schulstreamingwoche. In „Robin Hood“ wird die Geschichte um den mittelalterlichen Helden aus einer ganz anderen Perspektive erzählt. Ein politischer Umsturz nötigt Prinzessin Robin von Locksley zur Flucht. Im Wald von Sherwood sucht sie nach ihrem legendären Namensvetter Robin Hood, der doch versprochen hat, dem Land zu helfen, wenn es in Not gerät. Die Szenen werden von epischer Musik – eigens für das Stück komponiert und vom Sinfonieorchester Wuppertal eingespielt – stimmungsvoll begleitet. Tickets, Termine und wie auch Familien in den Genuss kommen können: schauspiel-wuppertal.de/robinhood Stefan Walz liest

Ich und meine Linie

Zeichnen und Gestalten mit dem 3D-Drucker-Stift Ort: Jugendhaus in Vohwinkel Gräfrather Str. 9A, 42329 Wuppertal Anmeldung: Sebastian Herzog, Sebastian.Herzog@stadt.wuppertal.de Telefon: 0202 563 73 13, Leitung: Justyna Weitz

Dienstags und Mittwochs, Teilnahme: kostenlos 25. Mai bis 30. Juni 2021, jeweils von 15-18 Uhr

Art to go – Go with the Flow!

Ort: Wichlinghausen Veranstalter: Diakonie Wuppertal Bereich Mobile Kinder und Jugendarbeit, Nesselstr. 14, 42287 Wuppertal Info: IRoesner@Diakonie-Wuppertal.de Telefon: 0176 16 97 45 09, Leitung: Gisela Kettner

„Tischlein deck dich“ und „Das tapfere Schneiderlein“ Seit einem Jahr hat das Schauspiel Wuppertal seine Reihe „Das literarische Solo“ als Podcast im Angebot. Ab Ende März erscheinen zwei beliebte Märchen gelesen von Stefan Walz. Stimmungsvoll mit Musik in Szene gesetzt durch den Tonmeister der Wuppertaler Bühnen, Thomas Dickmeis. Alle Folgen des Podcasts sind überall zu finden wo es Podcasts gibt und auf der Homepage schauspiel-wuppertal.de/podcast

Kulturrucksack Wuppertal Infos unter www.kulturrucksack.nrw.de Anmeldung über www.wuppertal-live.de oder in den VVK-Stellen Sonntag, 30. Mai 2021, 15-18 Uhr, Teilnahme: kostenlos

Schnuppertag

Ein altes T-Shirt aufpimpen, Scratchen mit einem echten DJ, Filmen und am Computer schneiden, einen FreestyleRap performen, mit der Malmaschine malen, oder zu-

Pop up Atelier, Foto: Gisela Kettner

Mittwochs, 19. Mai–16. Juni 2021, von 17-20 Uhr

Musizierende Monster

Baut eure eigenen LEGO-Kreaturen und macht Musik dazu! Ort: Kinder- und Jugendzentrum Mastweg Mastweg 29, 42279 Wuppertal Anmeldung: cindy.hutcap@drk-wuppertal.de Telefon: 0202 47 02 80, Teilnahme: kostenlos Leitung: Kolja Vorthmann und Aran Hudson 65

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Still aus der Multichannel-Videoinstallation „1001 Lights“ aus Anlass des Festjahres „321-2021, 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, Foto: Anthony McLean

Kulturaussichten

Zwei Wuppertaler Projekte nehmen Bezug auf das Festjahr 2021 „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“

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„1001 Lights“ als Teil der Ausstellung InSite Impromptus, Ming Contemporary Art Museum, Shanghai, China, 2017, Foto: Scott Millar

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2021 ist trotz allem auch ein Festjahr. Wir feiern 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland und rücken durch unzählige konfessionsübergreifende Veranstaltungen jüdische Tradition, die dazugehörigen Rituale, die Geschichte und auch das aktuelle Leben unserer jüdischen Mitbürgerinnen und -bürger in den Fokus. Aufklärung, Bildung, gegenseitiges Interesse, selbstverständliches Miteinander fördern den Abbau von Vorurteilen und bauen Brücken. Eine Brückensanierung im mittelalterlichen Köln war der Anlass für die erste urkundliche Erwähnung jüdischen Lebens nördlich der Alpen. Die Stadtväter an der heutigen Rheinschiene erhielten im Jahr 321 n. Chr. von Kaiser Konstantin per Erlass die Erlaubnis, Juden in den Stadtrat zu berufen. Danach konnte ihre Unterstützung in Anspruch genommen werden. Die wichtige Brücke zur Überquerung des Rheins konnte saniert werden und beflügelte die Region. „Durch reichsweit gültiges Gesetz erlauben wir allen Stadträten, dass Juden in den Stadtrat berufen werden.“ Das Dekret aus dem Jahr 321 erstmals belegt, dass Juden in der damals niedergermanischen Provinz mit der Hauptstadt Colonia Claudia Ara Agrippinensium lebten. Mit der Vielfalt jüdischen Lebens und der Nähe zu allgemein bekannten Ritualen und Kulturtechniken beschäftigen sich auch zwei Projekte aus Wuppertal, die im Rahmen dieses Themenjahres gefördert werden: Tanzrauschen e.V. präsentiert deutschlandweit 1001 Lights – Eine Multichannel-Videoinstallation Jeden Freitag kurz vor Sonnenuntergang läuten in der Regel jüdische Frauen und Mädchen, aber auch alleinstehende Männer auf der ganzen Welt das Ende der Woche ein. Mit dem Entzünden der Schabbat-Kerzen schaffen sie so den Abstand zum Alltag. Die traditionellen Rituale des Kerzenanzündens variieren: Einige bedecken ihre Köpfe, die Augen geschlossen; andere singen den Segen laut, manche leise. Die Hände kreisen um das Licht. Der Schabbat geht von Freitagbis Samstagabend: ein Tag der Ruhe, der Stille. Die innere Einkehr als die Rückkehr zum Licht. Das Licht als Lichtblick – ein feierlicher Augenblick, ein Licht im Dunkeln. Nach ihrem Tod hinterließ die Mutter dem jüdisch-kanadischen Filmemacher Philip Szporer die Kerzenständer des Schabbat-Rituals: „Jeden Freitagabend, kurz vor Sonnenuntergang, zündete sie die Schabbatkerzen an. Obwohl

Still aus der Multichannel-Videoinstallation „1001 Lights“ aus Anlass des Festjahres „321-2021, 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, Foto: Anthony McLean

sie keine offenkundig religiöse Frau war, war ihr diese Tradition sehr wichtig, und sie verlieh diesem Augenblick Besonderheit. Ich glaube, es war für sie eine bedeutsame Meditation und ein Moment der Erneuerung.“ Die Videoinstallation „1001 Lights“, die er gemeinsam mit der Künstlerin Marlene Millar geschaffen hat, vermittelt hochemotional und anschaulich dieses schlichte Ritual. Sie kann als eigener Raum gedacht werden, in den die Besucherinnen und Besucher eintreten und sich so in das Kunstwerk hineinbegeben. Als technisch weniger aufwendige Version kann die Installation in Innen- oder Außenräumen auch über Leinwand oder Monitor gezeigt werden. Das Ritual des Entzündens von Kerzen ist in vielen Religionen und Kulturen bekannt. Selbst für Atheisten unterstreicht es feierliche Momente oder zaubert Licht und Wärme in den Alltag. Das durch die beiden Kunstschaffenden erlebbar gemachte Gefühl, die Besinnung, der Moment der inneren Ruhe und Einkehr und das Innehalten sind eine Brücke, ein verbindendes Element von Mensch zu Mensch. Deshalb hat sich TANZRAUSCHEN diese Arbeit ausgesucht und möchte sie deutschlandweit vielen Menschen präsentieren – an möglichst öffentlich zugänglichen Orten und Plätzen. Neben jüdischen Einrichtungen sind ganz bewusst Kulturorte avisiert, die ein großes Publikum erreichen. Die Installation soll von einem Rahmenprogramm mit Performances, Vorträgen und auch Community-Cookings begleitet werden. Das Kunstwerk beginnt seine Reise durch Deutschland in Bremen. Vom 28. April bis zum 9. Mai 2021 zeigt steptext dance project die Installation in der Bremer Schwankhalle, flankiert von Beiträgen vieler Bremer Bürgerinnen und Bürgern, die in diesem Rahmen ein Statement gegen Antisemitismus setzen oder ihr persönliches oder kulturelles Ritual des Kerze-Entzündens mit der Öffentlichkeit teilen wollen. Termin und auch Ort für die Station Wuppertal stehen noch nicht fest. Hier nimmt TANZRAUSCHEN noch gern Bewerbungen von Kulturstätten oder Vorschläge für Ver67

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anstaltungsorte entgegen. Auch Menschen, die tatkräftig mitarbeiten möchten oder Ideen für das Rahmenprogramm haben, sind herzlich willkommen. Kerstin Hamburg Aktuelle Informationen finden Sie unter: 2021jlid.de, tanzrauschen.de und steptext.de Marlene Millar und Philip Szporer erstellen mit ihrer Produktionsgesellschaft

mators Jesus übrig blieb. Der Handwerker aus Galiläa stellte im Sinne der großen prophetischen Traditionen seines Volkes Gerechtigkeit und Liebe in den Mittelpunkt seiner Weltsicht. Als engagierter Täter für seine Überzeugungen wurde er von den Mächtigen hingerichtet. Die christlichen Theologen entwerteten ihn als Opfer. Dies sei gottgewollt. Auf diese Weise idealisierten sie über Jahrhunderte Unterwürfigkeit und Opferbereitschaft.

Mouvement Perpétuel beeindruckende Tanzfilme, Kunstdokumentationen, Multichannel-Videos und Installationen. Sie zeigen Choreografien und Porträts von einigen der führenden zeitgenössischen Tänzer und Choreografinnen Kanadas. Viele ihrer Kunstwerke sind mittlerweile preisgekrönt. Sie arbeiten in ihrer

Ein interreligiöses Gespräch über Menschen- und Gottesbilder, über Gerechtigkeit und Liebe, Angst und Zukunft. Eine Annäherung an unsere Menschlichkeit.

Installation sowohl mit Non-Professionals als auch mit professionellen Tänzerinnen und Choreografen zusammen. Die Arbeit wurde bereits weltweit gezeigt, u.a. in Limerick City, Shanghai, Montreal, Phoenix oder auch Melbourne.

Siehe: Ein Mensch! Der künstlerische Versuch einer kulturell-religiösen Häutung Musiktheaterstück Zu 99,5 % haben wir Menschen ein identisches Erbgut. Was uns unterscheidet: wie viel wir verdienen, woher wir kommen, was wir glauben. In einer kleiner gewordenen Welt und seit der Erfahrung mit Covid-19 ist es überfällig, die Unterschiede in Frage zu stellen. Gerade dann, wenn immer mehr Menschen darin konkurrieren, gottähnlich sein zu wollen. Für die Zukunft unserer Welt lohnt die Erinnerung daran, dass wir zuerst alle Menschen sind und voneinander und miteinander lernen können. Siehe: Ein Mensch! ist der künstlerische Versuch einer kulturell-religiösen Häutung. Das Musiktheaterstück handelt von einer fiktiven Begegnung eines Informatikers mit einer Freundin Maria Magdalenas. Im Gespräch wird deutlich, wie wenig von den Visionen des jüdischen Refor-

Mitwirkende: Eine bekannte Schauspielerin, ein bekannter Schauspieler sowie ein Sprecher. Bekannte Bachchoräle aus der Matthäuspassion werden von einer Kantorei/einem Opernchor zitiert, musikalisch gebrochen bzw. mit einem neuen Text gesungen. Die Namen der Akteurinnen und Akteure werden noch bekannt gegeben, wenn sich eine Realisierung des Stückes zu Coronazeiten abzeichnet. Die Jazzformation Ufermann, die seit mehr als 30 Jahren im interkulturellen und interreligiösen Dialog konzertiert, setzt dabei musikalisch und textlich eigene Akzente. Autor und Komponist: Erhard Ufermann

Aktuelle Informationen unter: jazz.ufermann.net und facebook.com/jazz.ufermann/ Erste Aufführungen sind für Bremen, Osnabrück und Wuppertal geplant. Gefördert werden die Projekte aufgrund des Beschlusses des Deutschen Bundestages vom Bundesministerium des Inneren, für Bau und Heimat im Rahmen des Feierjahres „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“, Schirmherr Frank-Walter Steinmeier

Die Jazzformation Ufermann, Foto: Bettina Osswald

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Paragrafenreiter

Kann ich mit der Förderung des wissenschaftlichen Sozialismus Steuern sparen? Was bisher geschah: Nach einem vielversprechenden Anfang als Barmer Kaufmannssohn geriet Friedrich Engels in die schlechte Gesellschaft von Karl Marx, stand auf den Eberfelder Barrikaden, war nach Niederschlagung des Elberfelder Aufstands auf der Flucht nach England und musste seinen Lebensunterhalt selber verdienen, weil sein Vater ihm die finanzielle Unterstützung entzog. Von einer gesicherten Existenz konnte nicht die Rede sein. Natürlich versuchten Friedrich und Karl ihren Lebensunterhalt durch wissenschaftliche und journalistische Arbeit zu sichern, erfolgreich waren sie damit aber nicht. Also kehrte Friedrich 1850 schließlich in die Dienste seines Vaters zurück, allerdings nicht in Barmen, sondern in Manchester. Hier hielt Vater Engels einen Anteil an der Firma Ermen & Engels und verdächtigte seine Mitgesellschafter, die drei Brüder Ermen, die Geschäfte des Hauses nicht ganz korrekt und eher zulasten des weit entfernt im Tal der Wupper sitzenden Minderheitsgesellschafters zu führen. Friedrich wurde folglich als Buchprüfer ins Kontor von Ermen & Engels entsandt und schlug sich dort tapfer. Der Engels‘sche Gewinnanteil stieg ziemlich schnell an, und Friedrich erhielt von seinem Vater ein regelmäßiges, nicht nur ausreichendes, sondern durchaus komfortables Gehalt. Karl erhielt keins. Und so unterstützte Friedrich seinen Freund und Mitdenker durch regelmäßige Geldzahlungen oder vielmehr: gründete mit ihm zusammen ein „Compagniegeschäft“, in dem Karl „für den theoretischen und Parteiteil des business“ und Friedrich für die Finanzierung verantwortlich war.

Über eine etwaige steuerliche Abzugsfähigkeit von Friedrichs Zahlungen an Karl haben sich die beiden damals garantiert keine Gedanken gemacht. Heute wäre diese das Sahnehäubchen auf der Sozialismus-Torte: Wenn ich am Umsturz der Verhältnisse arbeite, habe ich schließlich keine Lust, sie durch Steuerzahlungen zu stabilisieren.

Welche Möglichkeiten würden sich einem klugen Barmer Geschäftsmann bieten? Nr. 1: Karl als wissenschaftlichen Mitarbeiter von Ermen & Engels anstellen und seine Lohnkosten bei der Gesellschaft geltend machen? Keine gute Idee. Vermutlich hätte es Vater Engels und die Ermens gegraust bei dem Gedanken, was eine Beschäftigung von Karl mit ihrem shareholder value angestellt hätte. Nr. 2: Karl als externen Unternehmensberater zur Erforschung von Mitarbeiterzufriedenheit und Entwicklung neuer Mitarbeitervergütungsmodelle beauftragen und sein Honorar als Beratungsaufwand abziehen? Faszinierender Gedanke, aber wohl auch nicht mehrheitsfähig. Nr. 3: Das Wuppertaler Modell bürgerschaftlichen Engagements entwickeln, eine Stiftung zur Erforschung des wissenschaftlichen Sozialismus gründen und dotieren, die hierfür erforderlichen Mittel als Sonderausgaben geltend machen und Karl als Gründungsgeschäftsführer einstellen? Fantastisch! Susanne Schäfer Susanne Schäfer, Steuerberaterin, Geschäftsführerin der RINKE TREUHAND GmbH

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Vor Ort, im Netz und voller Ideen Das Loch wird virtueller, bleibt aber vital.

Ausstellung in Corona-Zeiten: Ava Weis und Fabian Nette zeigen in den Fenstern des Loch die Schau „Spielkinder“. Foto: Jan Kreienkamp

Ortsfest und auch wieder nicht: Das Loch in der Wuppertaler Plateniusstraße ist ja einerseits das verstetigte Sommerloch, das nach dieser für einige Sommer nomadierenden Pop-up-Kulturreihe hier seine fixe Adresse fand. Seither dauerhaft im Ex-Bücherschiff, wurde es Name für eine Art Off-Kultur mit Ambition, daneben für manchen – das geht wohl nur mit festen Räumen – vertrautes Wohnzimmer. Derzeit scheint indes der virtuelle Raum zu locken, und nicht nur als Lockdown-Behelf. Wird man allzu heimisch - oder etwa digital verstiegen? Zum Stichwort Ambition passt die gute Nachricht vom 14. Januar: Ans Loch ging erneut die Spielstättenprogrammprämie NRW, und zwar ganz weit oben: Mit satten 20000 Euro Prämie ist es unter Nordrhein-Westfalens Kulturorten einer der zwei Höchstplatzierten; zu den Preisträgern gehört auch der „ort“ in der Luisenstraße. Ins Virtuelle verlegen musste man selbstredend auch die Verleihung,

anders als im Vorjahr, als das Loch ganz besonderes Gewicht und Aufmerksamkeit erfahren hatte: Preisträger und zudem Gastgeber der offiziellen Feier, die den honorigen Gästen von auswärts auch Gelegenheit gab, Loch-Luft zu schnuppern. Heuer roch‘s nach Rechner. Vorigen Herbst nun gab es umfangreiche Umbauarbeiten, die fast wie ein Neustart wirkten. Inwiefern es den brauchte, mochte beim Ambiente nicht unbedingt einleuchten gelang ihm doch schon zuvor mit Bar, Buchregalen, Couch der Rahmen für einiges, was typisch sein mag fürs Loch: wählerisch im Programm bei durchaus distinguierter Attitüde, nicht zu kuschlig auch im Auftreten, bei aber gleichzeitig sehr chilliger Wohlfühlatmosphäre, in der auch mal gespielt und gebastelt werden darf. Klar, Bedarf zum Umrüsten freilich gab‘s rund um Corona. So augen- wie auch sinnfällig kamen daher etwa Plexiglasscheiben an die Theke, die nun für unbedenkliches Eindecken mit Trendlimo

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sorgen sollten. Wer im Herbst zur fast etwas feierlichen Neueröffnung kam, erlebte vor der Bühne Sitzgruppen an frisch lackierten Tischchen, wurde dort bedient, vermisste vielleicht die (freilich noch existente) Tischtennisplatte, wo dafür aber nun der Backstagebereich gelandet war. So richtig „back“ war‘s nicht, sondern recht mitten im Geschehen; vielleicht deshalb wurde der Rückzug für Künstlerinnen und Künstler inzwischen erneut verlegt. Doch Anfang November ging es der und dem Beobachtenden hier wie überall, wo Lokale und Veranstalter in Hygiene investiert hatten und sich nun gerüstet glaubten, gegen Virus wie auch Schließungen: Der zweite Lockdown machte alles dicht – außer Spesen nichts gewesen? Bloß Argwohn des Beobachters war dies, wie gesagt – denn der Wahrnehmung intern, im Loch also, entsprach es keineswegs. Wer die zunächst vergebliche Mühe als Dämpfer eingeschätzt hätte, würde die Schaffenslust des Teams schlecht kennen: Seitdem, beschreibt Chef Maik Ollhoff unverdrossen, ging es nämlich weiter mit Veränderung und Umbau. Vielfach, aber nicht nur Richtung digital. Soweit virtuell, galt ihm zufolge die Devise: „Live-Formate, die nicht das ersetzen, was es vorher gab.“ „Lochfunk“ wurde neues Zauberwort, und anders als manche Konstante im Loch-Kalender (Lesung, Jazzkonzert) stand damit weniger eine bestimmte Kunstform Pate als vielmehr das Medium. Online-Übermittlung also war gemeint. Über 20 Mal funkte bislang das Loch schon im Lockdown, in den Lockdown, um ihn herum - Musik, Wort, Film und mehr. Auch die Literaturbiennale, coronabedingt verschoben, neu konzipiert und schließlich (weiter verkürzt) nur online, sendete von hier. „Dauerhaft“, so Ollhoff, soll Digitalisierung im Loch nicht zuletzt „für Teilhabe“ stehen. Nicht zuletzt um Angebote für solche Menschen verfügbar zu machen, die nicht herkommen können. Und auch die Präsenz des Lochs im Internet wird neu aufgestellt: Eine neue Homepage soll, Stand Mitte Februar, in den nächsten Wochen kommen. Man sieht sich als soziokulturelle Adresse, und auch mit Hilfe der virtuellen Verbreitungswege soll das nun noch stärker sichtbar werden. Optimiert ist auch die Technik vor Ort, real und durchaus materiell. In Bild und Ton sind jetzt professionelle Aufnahmen möglich. Insgesamt kann man es Tonstudio nennen, was an Equipment hier nun steht; nicht gerade fest gemauert, aber doch ganz physisch-hiesig. Beim Gespräch im Februar war hier das Album der Musikerin Maria Basel in Arbeit. Doch nutzen, das dürfte manchen interessieren, können die Technik künftig keineswegs nur dem Haus verbundene Mu-

Der „Lochfunk“ sendet Kultur (nicht nur) in den Lockdown. Foto: Arne Schramm

siker, sondern man ist offen für jeden, der Interesse hat. Doch bleibt dies alles ja Drumrum. Dass dem Loch bei alldem die Ideen fürs Veranstaltungsprogramm nicht ausgehen, war schön an Silvester zu erleben, dessen Programm trotz Verbannung seiner Gäste vor die Rechner schön bunt und vielfältig war. DJs turnten an den Turntables, vor den Bildschirmen durfte getanzt werden, per „Zoom-Konferenz“ sogar irgendwie zusammen, es gab eine „Live-Schalte nach Hawaii“ und mehr. Vielleicht ein schönes Kontra in Zeiten, da selbst Kultur und Freizeit oft streng dienstlich benannt werden müssen („Projekt“, „Kooperation“), dass sich umgekehrt hinter dem Bürowort „Konferenz“ komplett undienstliches Feiern verbergen darf. An besagten Kalender-Konstanten findet sich natürlich weiter feiner, variantenreicher Jazz vom „Jazzclub“. „Kult&Klang“-Sessions bringen musikalische Improvisation in alle Richtungen. Auch die Lesebühne „Dichterstunde“ bleibt, gern mit einem prominenten Gast. Was bildende Kunst betrifft, früher unter dem Titel „#polar“, so machte jüngst das wandernde Projekt „12/21“ von Ava Weis Station, genauer: mit den Stationen eins und zwei. Die Autorin und Fotografin, die generell Fragen um Geschlecht und Identität interessieren, las hier zur ersten Ausgabe Texte von Su Zieroth und umgekehrt - und wählte zur zweiten eine ganz ungewöhnliche Pandemieoption: Gemeinsam mit Fabian Nette kam die Schau „Spielkinder“ so analog wie derzeit möglich, nämlich in den Fenstern und von außen einsehbar, was sich trotz Fröstelns am Eröffnungsabend nicht einmal gar so anders anfühlen mochte als in einer Galerie. Aufnahmen waren da von außen zu bestaunen, die für die Freundschaft der beiden expressive Bilder fanden. Es bleibt also kreativ und überraschend im Loch, und es bleibt auch vor Ort. Und so digital auch manche Pläne sein mögen: Selbst wer künftig speziell die Aufnehmtechnik nutzen möchte, muss ja doch physisch in die Plateniusstraße stiefeln – und hat weiter Grund, es gern zu tun. Ganz in echt. Martin Hagemeyer 71

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Keine Heuchler an seinem Grab Christiane Gibiec hat das Buch „Rotter Blüte“ von Hans Werner Otto gelesen

Arthur Gießwein Foto: privat

In der biografischen Erzählung „Rotter Blüte“ rollt Hans Werner Otto die schier unglaubliche Geschichte des Wuppertaler Antifaschisten Arthur Gießwein auf und zeichnet gleichzeitig ein lebendiges Porträt des Barmer Stadtteils Rott. Da steht sie, die „Rotter Blüte“, auf dem Titelfoto des gleichnamigen Buches. Die Aufnahme von 1927 zeigt eine Gruppe von Jungen und Mädchen vom Rott, fröhlich, selbstbewusst, die starke Verbundenheit ist den Kindern anzusehen. Zu ihnen gehören die Geschwister von Arthur Gießwein, der, 1904 als uneheliches Kind geboren, mit Mutter, Stiefvater und einer großen Geschwisterschar auf dem Rott in Barmen aufwächst. „Rotter Blüte“ heißt auch die biografische Erzählung, in der der Autor Hans Werner Otto die außergewöhnliche Lebensgeschichte des Arthur Gießwein nachvollzieht. Um es gleich vorwegzunehmen: Dieses Leben, und damit auch das Buch, ist eine Wucht, ein zeitweise atemberaubender Parcours durch das kriegsgeschüttelte Europa, bestimmt vom antifaschistischen Widerstand, von der Suche nach einer politischen Heimat, von unbeugsamer Auflehnung gegen den Zeitgeist, von Angst und Flucht. Aus von Arthurs Sohn Rainer Gießwein zusammengestellten Dokumenten und Berichten hat Otto dieses Leben nachgezeichnet und da, wo es Leerstellen gibt, behutsam und poetisch rekonstruiert. Manchmal kreist er ungeklärte Fragen ein, stellt Mutmaßungen an, wie es gewesen sein könnte.

Das bringt immer wieder Ruhe in den drängenden, komplexen, faktenreichen Text, der einen so in die Geschichte hineinzieht, dass man beim Lesen gelegentlich auftauchen muss, um Luft zu holen. So entsteht eine reizvolle, unbedingt lesenswerte Mischung aus Dokumentation und Literatur, angereichert mit der Geschichte des Antifaschismus in Wuppertal und darüber hinaus. Gleichzeitig gelingt dem Autor ein liebevolles Porträt des „roten“ Stadtteils Rott, „wo die Sozialdemokratie der preußischen Rheinprovinz ihr Zentrum hat und das ‚Milieu‘ in den Arbeitervierteln mit seinen zahlreichen Gesangs-, Wander-, Spar- und Sportvereinen, schreienden Kinderhorden, roten Fahnen und Blaskapellen, Stammtischen und den Warteschlangen vor den Verkaufsstellen der Konsumgenossenschaft Alltagsleben und Straßenbild bestimmt.“ Im Juli 1932 - Arthur ist Mitglied der KPD, hat geheiratet und ist Vater geworden - erlebt er den Wahlkampfauftritt des KPD-Führers Ernst Thälmann im Stadion am Zoo, der 56 000 Zuhörerinnen und Zuhörer anzieht, alles ist voller roter Fahnen. Am nächsten Tag tritt der Nazi Goebbels ebenfalls im Zoo auf, die SA marschiert und wird von den Linken mit Steinen beworfen. In Wuppertal toben Streiks gegen den Lohnabbau und Straßenkämpfe zwischen Roten und Faschisten. Arthur verteilt Flugblätter und wird verhaftet, glücklicherweise landet er nicht wie viele andere im Konzentrationslager Kemna - das bis heute als eines der brutalsten Lager der Nazis gilt -, sondern „nur“ im Gefängnis Bendahl. Als er entlassen wird, heißt die Haspeler Straße Adolf-Hitler-Straße. In Amsterdam gründet sich 1935 ein Wuppertal-Komitee, das die Nazi-Verbrechen gegen die Wuppertaler Gewerkschafter und Kommunisten anprangert. Arthur Gießwein, der zunehmend unter Druck gerät, verlässt Frau und Kind, geht nach Holland und nennt sich dort Jan Aage. Die Antifaschisten in Holland werden zur Teilnahme am Spanischen Bürgerkrieg aufgerufen. Arthur organisiert von Amsterdam aus die Reisen der Freiwilligen über Frankreich nach Spanien und schließt sich selbst den Kämpfern an. In Madrid wird er zum Oberleutnant befördert, dann bei einem Bombenangriff der Faschisten verschüttet und liegt sechs Wochen im Koma.

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der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund FDGB. Ihm schließt Arthur Gießwein sich an und steigt gleich aktiv in die Jugendarbeit ein. Er findet eine Stelle in der Wuppertaler Stadtverwaltung, in der Gewerkschaftsbewegung lernt er seine zweite Frau, Hedwig „Hetty“ Gadow, kennen, deren Vater als Kommunist im KZ Kemna gesessen hat. Sie bekommen den Sohn Rainer.

Arthur Gießwein, 1935-1936 in Amsterdam-Zuid

Nach seiner Genesung gerät er immer wieder mit der von Stalin beherrschten KPD aneinander und wird einmal fast als Renegat erschossen. Nach dem Sieg der spanischen Faschisten flüchtet Arthur nach Frankreich, im Internierungslager Gurs schließt er sich mit anderen KPD-kritischen Genossen zu einer „Unabhängigen Antifaschistischen Gruppe“ zusammen. „Er hat sich ausgegrenzt, sich abseits gestellt – aber er ist nicht allein, er gehört zu einer Gruppe aus abtrünnigen Kommunisten, Sozialdemokraten und Anarchosyndikalisten, und zusammen bilden sie eine sozialistische Einheit“, so Hans Werner Otto. Die ersten Jahre des Zweiten Weltkrieges verbringt Arthur in einem Bautrupp der französischen Armee. Als die Deutschen näher rücken, flüchtet er in das unbesetzte Südfrankreich. Eine Zeit lang schlägt er sich hier unter falscher Identität durch. Dann beordert ihn die Vichy-Regierung nach Emden, um dort auf der Nordseewerft die deutschen Arbeitskräfte zu ersetzen, die an der Ostfront kämpfen. Kurz vor Kriegsende wird Arthur von den Nazis enttarnt und in das Arbeitslager Ostermoor eingeliefert, es geht ihm sehr schlecht dort, und er rechnet mit seiner Erschießung. Dann kommt das Kriegsende, die Erlösung. Arthur ist frei und fährt mit einem Fahrrad zurück in das zerstörte Wuppertal, sechs Tage braucht er dazu. Nicht nur der Rott liegt in Trümmern, auch seine Ehe ist in die Brüche gegangen, die Tochter ihm entfremdet.

Arthurs Suche nach einer politischen Heimat geht weiter. Er ist aus der KPD ausgetreten, tritt jetzt in den Bund der Verfolgten des Naziregimes (BVN) ein, eine Gegenvereinigung zur kommunistisch gesteuerten VVN, tritt aber Anfang der 50er-Jahre wieder aus, weil ihm die Organisation zu rechtslastig wird. Wie schon vor dem Zweiten Weltkrieg schließt er sich erneut den Naturfreunden an, organisiert Wanderungen und Bildungsabende, baut am Naturfreundehaus in Ronsdorf mit. Familie Gießwein geht es jetzt gut, sie haben ein ausreichendes Einkommen und fahren regelmäßig in Urlaub. Über die Gesamtdeutsche Volkspartei GVP, in der er gemeinsam mit Gustav Heinemann und dem jungen Johannes Rau gegen die Wiederbewaffnung eintritt, und die Deutsche Friedensunion DFU nähert er sich - vermutlich auch als Reaktion auf den Antikommunismus in der BRD - wieder den Kommunisten an und tritt 1968 in die gerade gegründete DKP ein. Es folgen Reisen in die DDR und die Sowjetunion, wo er mehrere Auszeichnungen für seinen Spanieneinsatz erhält. Als Arthurs Sohn Rainer Gießwein mithilfe seiner Mutter eine Wohnung in der Schnurstraße kauft, die damit aus der Sozialbindung herausfällt, werden beide aus der DKP ausgeschlossen, Arthur erklärt - wieder einmal - ebenfalls seinen Austritt. Ende 1973 stirbt er und hinterlässt, tief enttäuscht, in seinem Testament, er wolle keine Heuchler an seinem Grab sehen, „nur aufrechte, sozialistisch denkende und handelnde Menschen mit roten Fahnen und Kränzen mit roten Schleifen.“

Hans Werner Otto Rotter Blüte,

Unter der Führung des Sozialdemokraten Robert Daum gründet sich in Wuppertal, wie in anderen Städten auch,

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NordPark Verlag, Wuppertal 2020,

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Carole A. Feuerman. Van Eyck.

Fifty Years of Looking Good,

Eine optische Revolution,

englisch, 192 Seiten

504 Seiten, durchgehend farbig,

mit 120 Farbabbidungen,

Leinen, gebunden

gebunden mit Schutzumschlag,

mit Schutzumschlag,

30 x 24 cm,

31,5 x 24 cm, Belser Verlag, 98,- €

Scheidegger & Spiess, 58,- €

Neue Kunstbücher vorgestellt von Thomas Hirsch

Der Mensch in modernen Zeiten Die Untertitel sagen, wohin die Reise geht. „Eine optische Revolution“ – „Fifty Years of Looking Good“ – „It‘s not about me“ – „Emotion and Technology“: In allen vier Kunstbüchern geht es um das Menschenbild im Wandel der Zeiten, von der wirklichkeitsgetreuen Wahrnehmung über den Wunsch nach Schönheit und die Widerspiegelung der Psyche hin zur Fragwürdigkeit der Gefühle, der Mimik. Der Mensch steht im Mittelpunkt. Jan van Eyck (um 1395-1141) ist einer der Größten in der eurozentrisch geprägten Geschichte der Kunst. Mit seiner naturalistischen Malerei gilt er als Hauptvertreter der altniederländischen Malerei. Diese leitete eine Revolution in der Kunst ein: Ohne die Religiosität aus dem Auge zu lassen, wandte sich die Malerei dem Diesseits zu und konstruierte dazu einen stillgelegten Blick, der das Gegenüber und die Interieurs abtastet, Licht setzt und dafür eine hoch virtuose, bis ins Detail wirklichkeitsgetreue Malerei entwickelt. Diese war auch Grundlage für die Porträtaufträge, die zugleich florierten. Heute sind die Bilder von Jan van Eyck und seinen Zeitgenossen weltweit in den wichtigsten Museen verstreut, und es bedarf schon eines besonderen Ereignisses, um sie für eine Ausstellung vereinen zu können. Dieses war im vergangenen Jahr der Abschluss der jahrelangen Restaurierung der Außentafeln des Genter Altars in der St. Bavo-Kathedrale. Im dortigen Museum für Schöne Künste fand dazu die größte Jan van Eyck-

Ausstellung aller Zeiten statt. Als Dokument davon, aber auch als bleibende Vertiefung ist das wohl wichtigste, umfassendste Ausstellungsbuch zu Jan van Eyck entstanden. Dabei, das Buch ist störrisch. Die Fachartikel sind ellenlang und deswegen – optisch nicht gerade der Hit – zweispaltig mit geringem Zeilendurchschuss. Und es sind viele Texte. Folglich sind die Abbildungen verteilt und von Referenzabbildungen begleitet. Aber das folgt im Buch einer klaren Struktur, die Bilder sind punktgenau zum Text gesetzt. Die gegenüberliegenden Abbildungsseiten sind auf Vergleiche und Referenzen hin angelegt und widmen sich Details in den Gemälden selbst. Die Monografie im Belser Verlag ist ganz einfach ein Abenteuer ins Reich der Kunst und der Kunstgeschichte, und zwar vom Feinsten. Der Naturalismus der Alten Niederländer, der auch die malerische Wiedergabe von Skulptur umfasst, unterliegt natürlich anderen Paradigmen als der Hyperrealismus in der Skulptur, der in der Neuzeit, und zwar in den 1960er-Jahren, in den Vereinigten Staaten einsetzt. Die Protagonisten sind Duane Hanson und John De Andrea. Im vergangenen Jahr widmete sich eine Ausstellung im Osthaus Museum Hagen diesem Ismus. Dort war auch eine US-amerikanische Künstlerin vertreten, die hierzulande wenig bekannt ist, in ihrer Heimat aber gefeiert wird: Carole A. Feuerman (*1945). Ihre lebensgroßen Figuren sind häufig polychrom, sie bestehen aus Kunststoff, Marmor oder Bronze und stehen, teils auf Sockeln, oft im öffentlichen Raum.

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Greg Gorman. It‘s not about me.

S. Himmelsbach/A. Spaninks (Ed.),

A Retrospective, englisch,

Real Feelings. Emotion and Technologie,

416 Seiten, 100 Farb-

englisch, 192 Seiten,

und 242 s/w-Abbildungen,

153 üwg. Farb-Abbildungen,

Hardcover, 31,5 x 24,5 cm,

Broschur mit transparentem Schutzumschlag,

teNeues, 80,- €

24 x 16,5 cm, Christoph Merian Verlag, 25,- €

Feuermans Motivspektrum ist klein. Überwiegend hat sie Frauen im Badeanzug geschaffen, und da diese bevorzugt Badekappen tragen, könnte es sich auch um Selbstbildnisse handeln. Die Badenden posieren, so machen sie sich für den Sprung ins Wasser bereit. Die Gefahr des Kitschigen paart sich bei diesen Skulpturen mit Langeweile. Andererseits thematisiert Feuerman Luxus und gesellschaftliche Rituale. Die Bedeutung ihrer Badenden klärt sich weiter, wenn man sich die Pin-ups des Pop-Art-Malers Mel Ramos vor Augen führt. Feuerman setzt dem eine Innigkeit und ein Selbstbewusstsein im Ausdruck entgegen, eine reale Körperlichkeit, die den Figuren Leben verleiht. Das von Scheidegger & Spiess souverän gestaltete Buch setzt Skulpturen aus verschiedenen Dekaden zueinander; deutlich wird, wie wenig sich das Werk entwickelt hat – wozu auch, wenn es sich bewährt und überzeitliche Situationen zeigt? Greg Gorman (*1949), ein weiterer US-Amerikaner, ist als Porträtfotograf berühmt geworden. Seine „Sujets“ sind überwiegend prominente Schauspielerinnen und Schauspieler sowie Musikerinnen und Musiker. Die nun bei teNeues erschienene Monografie gibt einen Überblick seit den 1970er-Jahren: Es ist ein irrwitziges Buch mit vielen „ikonischen“ Aufnahmen, die unsere Wahrnehmung der jeweiligen Persönlichkeit geprägt haben. Die in SchwarzWeiß aufgenommenen Fotos sind voller Kraft und Energie – und ihr hoher Grad an Realismus entspricht dem von Malerinnen und Bildhauern. Die Körperhaltung hat mit Ausdruck zu tun und spiegelt sich geradezu im Gesicht wieder. Überhaupt das Gesicht! Das Antlitz ist gegenwärtig, blickt in die Kamera, die Vertrautheit zwischen Fotograf und Fotografiertem ist hoch, immer scheint eine große Menschlichkeit auf. Der besondere Kick ist natürlich

die Prominenz der Dargestellten, aber davon unabhängig: Gorman ist ein großartiger Porträtfotograf. „Real Feelings“ heißt eine Themenausstellung, die in den Fachinstituten für elektronische Medien in Basel und Eindhoven stattfand bzw. noch stattfindet. Thema ist das Wechselverhältnis von Mensch und Maschine, bei dessen rasanter Entwicklung der technische Fortschritt mehr und mehr den Menschen auch auf der psychischen Ebene kopiert und der Mensch infolgedessen mit den Technologien, den Avataren und Robotern kommuniziert, sie gar als menschliches Gegenüber empfindet einschließlich der Verunsicherung, was an Emotionen wahr und was konstruiert ist. Konsequenterweise sind im solide gemachten Katalog Gesichter, immer wieder Gesichter, manchmal auch Körper zu sehen. Die Vermittlung der mit Veränderung, Zeit, Sound funktionierenden digitalen Werke ist in Buchform natürlich komplizierter, als wenn es sich um Malerei, Skulptur oder Fotografie handelt. Aber dazu werden die Beiträge von jedem der 20 Künstlerinnen und Künstler in mehreren Abbildungen und Sequenzen vorgestellt und mit einem knappen, grundsätzlichen, wenn auch leider nur englischen Text erläutert. Der Katalog im Christoph Merian Verlag holt wahrscheinlich das Beste aus der so wichtigen und so komplexen Thematik heraus.

Die künstlerische Beschäftigung mit der körperlichen und emotionalen Wirklichkeit des Menschen ist über die Jahrhunderte geblieben, auch wenn sich die Verfahren parallel zum Fortschritt gewandelt haben. Darauf weisen auch die Cover der vier Buchpublikationen: Sämtlich zeigen sie Frauengesichter. 75

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Kulturtipps In den Kulturtipps präsentieren wir eine Auswahl von Veranstaltungshinweisen, die uns bis zum Redaktionsschluss vorlagen. Aufgrund der ungewissen Situation während der Pandemie können sich Termine verschieben, ausfallen oder neu hinzukommen. Bitte informieren Sie sich auf den Webseiten der Veranstalterinnen und Veranstalter über den aktuellen Stand.

KINO: Rex-Filmtheater Kipdorf 29, 42103 Wuppertal Engels2020 Filmabend Deutschland-Premieren im Rex „remember me“ und

„Denkmal machen Wuppertal – when robots make art” Zwei Filme aus Wuppertal zum Thema Corona macht auch dies möglich. Friedrich Engels‘ Geburtstag wird zwei Jahre lang gefeiert. Wenn die Kinos wieder öffnen – wir hoffen im Mai –, ist ein Premierenabend im RexLichtspieltheater in Wuppertal-Elberfeld geplant. Gezeigt werden zwei Filme von Wuppertaler Filmemachern und Künstlern.

Aus Anlass des 200. Geburtstags von Friedrich Engels beschäftigen sich die Filme unter anderem mit Erinnerungskultur und Denkmälern sowie den Engels 2020 Skulpturen von Eckehard Lowisch, die im Spannungsfeld zwischen künstlerischem Individualismus und industrieller Massenproduktion entstanden sind. „remember me“ TANZRAUSCHEN-Produktion / D © 2021 / 37 min Film von Kerstin Hamburg, Michael Baudenbacher und Paul White „Denkmal machen Wuppertal when robots make art“ 6tant Produktion / D © 2021 / 30 min Film von Ralf Silberkuhl, Lutz Rieder u.a. mit Eckehard Lowisch, Tine Lowisch, Shirin Hirsch, Fergus Wilde Musikalisch begleiten wird den Abend die Band „Reset“: Peter Caspary, Klaus Harms und Peter Ryzek. n

Peter Kowald Gesellschaft/ ort e. V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Donnerstag, 6. Mai 2021, 20 Uhr

cine:ort „Embryo: The Journey of Music and Peace” Ein Film von Michael Wehmeyer Seit mehr als 50 Jahren baut das Musikkollektiv Embryo Brücken zwischen Jazz und indischen, afrikanischen und arabischen Musikwelten,

„Die Erschaffung“ - aus dem Film: Denkmal machen Wuppertal – when robots make art. Foto: Ralf Silberkuhl

als Pioniere der „World Musik”. Mit der Band spielten Jazzgrößen wie Mal Waldron, Charlie Mariano und Fela Kuti. Für den Regisseur Michael Wehmeyer hat die Band ihre Archive geöffnet, um die 50-jährige Zeit des gemeinsamen Bestehens filmisch zu verarbeiten (Deutschl. 2018, 98 Min.). Weitere Termine und Infos unter www.kowald-ort.com n

THEATER: K4 | Theater für Menschlichkeit Neuenteich 80, 42107 Wuppertal Aktuelle Infos: www.k4theater.de oder telefonisch unter 0202 44 77 66 Samstag, 5. Juni, 20 Uhr (Premiere)

WAHRHEIT 1.5

Ein Politthriller von Gutmenschen und Schlafschafen Julia ist Anwältin. Sie verklagt einen großen Energiekonzern und die Landesregierung, weil bei der Räumung eines Dorfes für den Braunkohleabbau nicht alles korrekt gelaufen ist. Noch fehlen ihr eindeutige Beweise. Ein Informant soll sie liefern. Durch einen Fehler bei der Onlinerecherche gerät sie an Philipp, einen erfolglosen Journalisten. Eine Verwechslung mit Folgen. Phillip wittert seine Chance auf die große Story, die ihn endlich bekannt machen könnte. Zwischen den beiden entsteht ein Katz- und MausSpiel und etwas, mit dem Julia und Philipp nicht gerechnet hätten. Dann wird es gefährlich. WAHRHEIT 1.5 ist ein politischer Theaterthriller, der unsere Probleme der Gegenwart aufgreift und zuspitzt. Mit Spannung, Satire und Gefühl. Mona und Kris Köhler haben das Stück erneut zusammen mit dem WDR-Kulturjournalisten Stefan Keim entwickelt. In ihrem neusten

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Werk widmen sie sich den zeitgemäßen Fragestellungen der Klima- und Umweltpolitik. Dabei bedienen sie sich bei echten Fällen, Nachrichten und Diskussionen aus den sozialen Netzwerken. Gefördert vom Fonds Darstellende Künste aus Mitteln der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. n

desregierung für Kultur und Medien) und Veranstalter des Festivals (das Internationale Theaterinstitut/ITI und das Düsseldorfer Schauspielhaus) voller Hoffnung gemeinsam getroffen. Seit vielen Wochen schon arbeitet das Team um den künstlerischen Leiter Stefan Schmidtke an der kommenden Ausgabe. Vom 17. Juni bis zum 4. Juli 2021 ist ein umfangreiches Theaterprogramm geplant. Festivalzentrum und Hauptspielstätte ist das Düsseldorfer Schauspielhaus. Neu ist eine große Open-Air-Bühne auf dem Gustaf-Gründgens-Platz, das Central am Hauptbahnhof wird auch bespielt, außerdem wird es ein Programm für junges Publikum im Jungen Schauspiel und auch im Schauspielhaus geben. Jetzt gilt es, die Daumen zu drücken, dass all die wunderbaren Pläne auch in die Tat umgesetzt werden können. Aktuelle Infos unter www.theaterderwelt.de und www.dhaus.de n

LITERATUR:

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Das große internationale Festival

Freitag, 21. Mai 2021, 19.30 Uhr Literatur auf der Insel

Bereits einmal musste es verschoben werden. Ursprünglich sollte es im Mai 2020 in Düsseldorf stattfinden und Künstlerinnen und Künstler aus allen Kontinenten nach NRW bringen. Wie so viele Kulturveranstaltungen und Festivals musste es aufgrund des Pandemiegeschehens im vergangenen Jahr abgesagt werden. Die Entscheidung, es auf den Juni 2021 zu verschieben, habe die Förderer (das Land Nordrhein-Westfalen und die Landeshauptstadt Düsseldorf in Abstimmung mit der Beauftragten der Bun-

Gastgeber: Torsten Krug und Uta Atzpodien „Identitti“ ist eine literarische Suche nach Identität und Zugehörigkeit, gnadenlos und humorvoll zugleich. Eine angesagte Professorin für Postcolonial Studies an der Uni Düsseldorf gibt vor, PoC, People of Colour, konkret Inderin zu sein, entpuppt sich dann aber als weiße Intelektuelle. Ihre Lüge fliegt auf, ein Shitstorm beginnt. Das jüngst erschienene, viel beachtete Romandebüt der Kulturwissenschaftlerin Mithu Sanyal lädt zu einer

„Theater der Welt“

Mithu Sanyal: „Identitti“

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restlos beseitigt. Aber: Der Fall Kleist muss neu aufgerollt werden! Denn Henriettes Ehemann will eine weitere Tatwaffe gefunden haben. Ihr Besitzer soll absurderweise ein gewisser Michael Kohlhaas sein, bekanntlich eine der berühmtesten Figuren aus Kleists Erzählungen … Samstag, 12. Juni 2021, 19 Uhr und 20.30 Uhr Piano-Duo Mithu Sanyal, Foto: GuidoSchiefer

KONZERTE: schriftstellerischen Karussellfahrt ein. Mit zukunftsweisend erfrischender Leichtigkeit voll Selbstironie und Wissen fokussiert Sanyal alltägliche Themen wie Rassismus, Identitätspolitik und die Frage, wer worüber und für wen sprechen darf und, das unser Leben heute beeinflusst. Eintritt: 12/8 € Freitag, 11. Juni 2021, 19.30 Uhr Literatur auf der Insel

Philipp Weiss: „Am Weltenrand sitzen die Menschen und lachen“ 1000 Seiten, 5 Bände – ein Roman Gastgeber: Torsten Krug und Uta Atzpodien Ein furioses Debüt über Verwandlung der Welt im Antropozän, jener Epoche der Erdgeschichte, in welcher der Mensch zur zentralen gestaltenden Kraft geworden ist. Zwischen Frankreich und Japan, zwischen dem 19. und dem 21. Jahrhundert, in Form von Enzyklopädie, Erzählung, Notizheft, Audiotranskription und Comic entwirft dieser kühne Roman ein Panoptikum unserer fliehenden Wirklichkeit. Wie kommt man zurecht mit dem Unvorhersehbaren? Und was bringt die Zukunft des Menschen? Eintritt: 12/8 € n

Peter Kowald Gesellschaft/ ort e. V. Luisenstraße 116, 42103 Wuppertal Sonntag, 16. Mai 2021, 12 Uhr Matinée

Kleist – Der letzte Akt Partita Radicale spielt munter kratzig auf, und Ulrich Land liest aus seinem neuen Krimi: November 1811, Kleiner Wannsee. Der Dichter Heinrich von Kleist erschießt, wie verabredet, erst seine Todesgefährtin Henriette Vogel und dann sich selbst. Der Doppel-Selbstmord wird offiziell bestätigt, alle Zweifel

Aki Takase und Alexander von Schlippenbach Das jährliche Konzert des Schlippenbach-Trios im Dezember musste coronabedingt ausfallen, jetzt kommt der Grandseigneur des Free-JazzPianos in anderer, aber mindestens ebenso großartiger Konstellation: im Duo mit seiner Partnerin, der Pianistin und Komponistin Aki Takase. Seit 1978 spielt die in Osaka/Japan geborene Aki Takase mit der Crème der Jazzszene, seit den 1990er-Jahren auch im Duo mit Alexander von Schlippenbach. Neben anderen Auszeichnungen erhielt sie bereits neun Mal den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, 2018 den Jazzpreis Berlin. Weitere Termine und Infos unter www.kowald-ort.com n

Aki Takase und Alexander von Schlippenbach, Foto: Georg Tuskany

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