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Perpetual Motion
Joseph Beuys hat mit der 1968 formulierten Devise „Jeder Mensch ist ein Künstler“ die Grenzen der Kunst neu definiert. Nicht die
Auseinandersetzung mit den starren Formen von Malerei und Skulptur war sein Ziel, nicht das sich Einfinden in die vordefinierten Strukturen von Akademien und Museen. Es ging ihm vielmehr darum, alle kreativen Kräfte auf das Leben und seine Wandelbarkeit zu lenken. In dieser Beweglichkeit erkannte er die Chance für eine kontinuierliche Veränderung von Bewusstsein und die weitere Herausbildung von Freiheit und Kreativität. Künstlerische Arbeiten hat Beuys als „Werkzeuge“ gesehen. Mit ihrer Hilfe wollte er Ideen in Gang setzen, die über die Betrachtenden in die ganze Gesellschaft hineinwirken und alle Mitglieder zur verantwortungsvollen Teilnahme an diesem kreativen Prozess einladen. Ausstellungen wünschte er sich als „Werkstatt“ für den produktiven Umbau von zunächst ungerichteten Energien, Museen nicht als Ruhmeshallen, sondern als „permanente Konferenz“, an der jeder zur kritischen Teilhabe aufgefordert ist. Dem Künstler – und damit jedem Menschen – spricht er die Fähigkeit zu, schöpferisch über bestehende Verhältnisse hinauszuwachsen, sich mit seiner archaischen Vergangenheit ebenso zu verbinden wie mit einer visionären Zukunft. In der Kultur sieht er den Impulsgeber für diesen kreativen Wandel. Die dort formulierten Kräfte können schließlich, so Beuys, Wirtschaft und Rechtswesen dynamisieren und die Verbesserung der eigenen wie auch der gesamten Existenz herbeiführen.
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Perpetual Motion.
Für diese Ausstellung wurden über 20 Exponate der Jahre 1949 bis 1985 aus den Privatsammlungen der Galeristen Thaddaeus Ropac, Bernd und Verena Klüser sowie der Journalistin Linde Rohr-Bongard und der Sammlung Viehof, ehemals Sammlung Speck, ausgewählt, die alle durch ihre jeweils eigene profunde Geschichte mit Joseph Beuys und seinem Schaffen verbunden sind. Zugleich stehen sie Tony Cragg nahe, der aus Anlass des 100. Geburtstag von Beuys das Desiderat hatte, eine Ausstellung mit seinen Werken in zwei Pavillons des Skulpturenpark Waldfrieden zu verwirklichen. Cragg selbst war Beuys erstmals 1972 in der Whitechapel Gallery in London begegnet. Der damals 23-jährige Cragg war von Beuys‘ charismatischem Vortrag, seinem enzyklopädischen Wissen, seiner brillanten Assoziationsfähigkeit und dem gesellschaftlichen Anspruch seines Kunstbegriffs tief beeindruckt. Die von ihm nun für Wuppertal ausgewählten Exponate von Wegbegleitern von Joseph Beuys vernetzen sich untereinander dialogisch und sind im Beuys’schen Sinne eine Batterie zur Speicherung von Energie, ein Reservoir an Potenzial und Ideen.
La rivoluzione siamo Noi, 1972, Foto Galerie Klüser
Joseph Beuys im Skulpturenpark Waldfrieden
„Ich bin Beuys zum ersten Mal als Student 1972 in London während seines Vortrags in der Whitechapel Gallery begegnet. Damals gab es in England eine große Antipathie gegen Deutsche. Überall waren noch Menschen, die vom Krieg für immer versehrt waren. Dann stand Beuys, „The German“, plötzlich allein und mit Fischerjacke bekleidet im Herzen des East End und beschrieb seine Vision für die Welt. Man musste seinen Mut und seine Überzeugungen bewundern! Für Beuys war Kunst ein aktiver Prozess. Sein Material war nicht Farbe oder Stein, sondern die Gesellschaft und der bewusste und verantwortungsvolle Umgang mit ihrer zukünftigen Gestaltung. Das macht seine Arbeit politisch und sozial relevant. Ich bin kein Jünger von Beuys geworden, aber seine Überzeugung, dass Kunst eine hohe Bedeutung hat und mit dem Alltag engstens verknüpft ist, hat mich tief beeindruckt.“
Tony Cragg
Joseph Beuys, Rückenstütze für eine feingliedrige Person (Hasenart) des 20. Jahrhunderts n. Chr., Galerie Thaddaeus Ropac, © Joseph Beuys Estate, VG-Bildkunst, Bonn 2021, Foto: Ulrich Ghezzi
Joseph Beuys, Rose für direkte Demokratie - Rose for Direct Democracy, 1973, Galerie Klüser, München, © Estate Joseph Beuys, VG Bildkunst Bonn 2021, Foto: Jamie Fischer
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Joseph Beuys, Badewanne für eine Heldin, 1984, © Joseph Beuys Estate, VG-Bildkunst, Bonn 2021
„Joseph Beuys. Perpetual Motion“ ist Anlass zur Neubetrachtung und Diskussion des Werks von Joseph Beuys, der sich als Künstler und politischer Aktivist, als hypersensibler Mensch und scharf-rationaler Denker für die Verwirklichung einer Utopie eingesetzt hat. Sie wird begleitet von einer Vortragsreihe, die Schlaglichter auf die umfassende Theorie des Künstlers wirft, der für jeden Moment des künstlerischen Wirkens gefordert hat: „Jeder Griff muss sitzen.“
Dr. Corinna Thierolf
Dr. Corinna Thierolf kuratiert die Ausstellung gemeinsam mit Tony Cragg. Sie war über 25 Jahre Hauptkonservatorin in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München, und kuratierte als Referentin für Kunst ab 1945 zahlreiche Ausstellungen in der Pinakothek der Moderne, darunter Schauen zu Joseph Beuys, Dan Flavin, Arnulf Rainer und John Chamberlain sowie die Sommerausstellungen Königsklasse im Schloss Herrenchiemsee. Als Autorin und Herausgeberin von Publikationen widmete sie sich der Amerikanischen Kunst.
Joseph Beuys. Perpetual Motion.
noch bis Sonntag, 20. Juni 2021
Skulpturenpark Waldfrieden
Hirschstraße 12, 42285 Wuppertal skulpturenpark-waldfrieden.de Zur Ausstellung findet eine Vortragsreihe statt:
Donnerstag, 22. April 2021, 19 Uhr Dr. Wolfgang Zumdick: „Der Tod hält mich wach“. Über Tod und Auferstehung im Werk von Joseph Beuys und Rudolf Steiner
Donnerstag, 20. Mai 2021, 19 Uhr Prof. Walter Kugler: „Wir arbeiten ja auch nach dem Dreigliederungsmodell von Rudolf Steiner“. Eine Annäherung an „ein radikales Freiheitsmodell“
Mittwoch, 2. Juni 2021, 19 Uhr Prof. Dr. Karen van den Berg: Joseph Beuys und das Erbe der Sozialen Plastik
Mittwoch, 9. Juni 2021, 19 Uhr Vortrag: Prof. Dr. Eugen Blume Joseph Beuys: „Die Idee, einem Tier etwas zu erklären, fördert den Sinn für das Geheimnis der Welt und der Existenz …“
Donnerstag, 17. Juni 2021, 19 Uhr Vortrag: Dr. Gabriele Mackert „Der is doll“, aber: „Dat kauft doch keiner“