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Portrait Andre Turba
Der Willinger Andre Turba, 41, ist Direktor im Kurhotel Hochsauerland 2010. Somit ist er Herr über 177 Zimmer und 62 Mitarbeiter. Er kann von vielen schönen, aber auch aufregenden Erlebnissen berichten.
Herr Turba, wie ist Ihre Karriere verlaufen? „Ich habe das Gastgewerbe von der Pike auf gelernt, indem ich tatsächlich jede Station eines Hotels durchlaufen habe. Es hat sich alles nach Plan entwickelt und ich habe sehr viel gesehen und erlebt. Ein Karrierestart im Hotel Adlon in Berlin ist natürlich etwas ganz besonderes. Dort war ich 1 Jahr und 6 Monate im à la carte Restaurant und in der Bankettabteilung, wo wir unter anderem den Deutschen Filmpreis betreuten sowie das Catering für viele namenhafte Firmen durchführten. Danach habe ich 2 Jahre an der Hotelfachschule in Dortmund studiert. Dann bekam ich das Angebot ins Grand Hotel nach Heiligendamm zu gehen.” Welcher Gast hat Sie besonders beeindruckt? „Das kann man so gar nicht beantworten, weil ich viele großartige, individuelle Persönlichkeiten kennen gelernt habe, die nicht prominent waren. Jedoch gab es schon besondere Begegnungen. So war ich gerade auf der Terrasse im Service als direkt über uns Michael Jackson sein Baby aus dem Fenster hielt. Ein Foto, das um die Welt ging. Sehr beeindruckt hat mich die natürliche Freundlichkeit von HansDietrich Genscher. Er kam oft zum Morgenkaffee vorbei und hat einen persönlich und mit Namen angesprochen.
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Besonders stolz bin ich jedoch dass ich beim G8-Gipfel 2007 jedem Staatsoberhaupt die Hand geschüttelt habe: Bush, Putin, Merkel, Blair, Sarkozy, Abe, Harper und Prodi. Putin habe ich sogar ein zweites Mal getroffen. Auch Bill Clinton durfte ich bei anderer Gelegenheit die Hand schütteln, also zwei US-Präsidenten – das ist schon was.”
Was hat Sie am meisten geprägt? „Meine Lebenserfahrung aus den vielen Begegnungen wirkt bis heute. Dabei ist es egal ob es ein prominenter Gast ist, ein Kollege oder Mitarbeiter. Jeder Mensch ist ein Individium, eine Persönlichkeit. Die Mehrzahl ist sehr freundlich. Jeder hat andere Wünsche und reagiert anders. Daraus entstehen viele Situationen und Gedanken. Es war anregend und ich habe vieles ausprobiert, in allen Bereichen, ob bei Speisen und Getränken, oder beim Verkaufen von Zimmern. Im Laufe der Jahre hat man sich sozusagen eine große Trickkiste angeschafft und schöpft aus ihr, um die vielseitigen Herausforderungen des Tourismus erfolgreich zu bewältigen. Mein früherer Chef und Mentor, Detlef Kruse, ist eine wunderbare Persönlichkeit. Er sagte immer "Schau Dir die Situation an. Was Du gebrauchen kannst, das behalte oder merke Dir. Schmeiß weg, was Dir nicht gut tut." Daran halte ich mich.” Was war Ihr aufregendstes Erlebnis? aber ein Ereignis werde ich nie vergessen. Wir hatten ein voll besetztes Restaurant in Heiligendamm, als zu Beginn des Abendessens der Strom ausfiel. Komplett! Der Sicherungskasten war im Keller und wir mussten entsetzt feststellen, dass der gesamte Keller unter Wasser stand. Zunächst fühlt man nur Panik. Das gesamte Team besprach sich, wie man diese Situation be-
ANDRE TURBA
VOLLPROFI IN SACHEN GASTLICHKEIT
wältigen könnte. Strom gab „Erlebt habe ich wirklich viel,
es auf absehbare Zeit nicht. Schnelle Entscheidungen waren gefragt. Man beschloss in der Küche mit offenem Feuer zu kochen und lud die Gäste dazu ein. Zunächst wurde die Vorspeise draußen serviert und danach ein improvisierter Hauptgang in der Küche. Die Gäste waren fasziniert. Sie empfanden diesen Abend als unvergessliches Highlight. Auch wenn es für das Personal schlimm war, so eine Situation lehrt einen zu reagieren. Das mag ich an meiner Arbeit. Ich weiß morgens noch nicht, was der Tag alles bringt. Ich brau-
che die Herausforderung. Ein ruhiger Bürojob wäre nichts für mich.“
Wie hat sich Corona auf Ihr Leben und das Hotel ausgewirkt? „Privat gibt es kaum Auswirkungen, außer man ist ein bisschen vorsichtiger. So ein Hotel für acht Wochen zu schließen ist schon ein Ausnahmezustand. Ich habe das Hotel im Juli 2019 übernommen. Da ging es zunächst darum das Haus in allen Einzelheiten zu bewerten. Wir haben eine neue Strategie erarbeitet, Arrangements zusammen gestellt und die Prospekte überarbeitet. Im neuen Jahr wollten wir durchstarten. Dann kam Corona. Wir brauchten keine Änderungen an der Strategie vornehmen, aber wir nutzten die Gelegenheit, weitere Gedanken einfließen zu lassen, wie zum Beispiel ein neues Logo gestalten zu lassen. Wir haben alles auf den Prüfstand gestellt, um den Betrieb lebensfähig zu erhalten, denn die Verantwortung für so viele Mitarbeiter ist enorm. Aber das ist die Situation vieler Betriebe. Auch bei Investitionen schauen wir im Moment genau hin, welche sind jetzt wichtig, welche können noch warten. Wir halten zwar an unseren monatlichen Vorausschauen fest, aber man muss sich darauf einstellen, dass zur Zeit die Gäste extrem kurzfristig buchen. Corona ist anstrengend, alles ist angespannter, es gibt ständig wechselnde Verordnungen und die Gäste sind nicht immer auf dem gleichen Wissensstand wie wir. Aufgrund der höheren Altersstruktur unserer Gäste haben wir viele Maßnahmen wie Handschuhe für das Servicepersonal, Abstandsregeln der Tische, keine Buffets etc. länger eingehalten als vorgeschrieben. Das haben unsere Gäste sehr geschätzt.”
Warum sind Sie zurück nach Willingen? „Ich bin im Herzen immer Willinger geblieben und habe nie den Kontakt zur Heimat verloren. Ich fühle mich hier wohl und es war mir immer klar, dass ich zurück kommen werde. Ich bin froh, dass auch meine Frau da mitgemacht hat. An Willingen schätze ich, dass es so vielfältig ist. Man kann etwas mit der Familie unternehmen, seinem Sport nachgehen, auch die Ruhe in der Natur ist purer Genuss.”
Wie motivieren Sie sich? „Das brauche ich nicht. Ich gehe gerne zur Arbeit. Als Ausgleich mache ich Sport, ich jogge und spiele Badminton. Da muss ich mich auspowern, um den Kopf frei zu kriegen – das entspannt mich. Ich kann von mir behaupten, dass ich durch Fleiß zum Erfolg gekommen bin. Schon als 9-jähriger war mein Ziel einmal Hoteldirektor zu sein. Das habe ich mit harter Arbeit erreicht, alles was jetzt noch kommt ist Zugabe. Ich war sehr ehrgeizig und oft litt das Privatleben darunter. Aber ich hatte auch Glück und war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Heute haben sich die Prioritäten verschoben. Klar, ich arbeite 13 Stunden am Tag, das gehört zum Job. Aber meine Familie, mein 3-jähriger Sohn, erfüllen mich. Ich bin im Gleichgewicht und glücklich. Ich genieße es jeden Morgen mit meinem Sohn zu frühstücken, das ist mir wichtig.“