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Beirat Familienunternehmen
Die Bewältigung der Pandemiefolgen, die Verhinderung immer neuer Staatseingriffe und die dringende Rückkehr zu marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen – standen ebenso im Mittelpunkt der Beratungen des Beirats Familienunternehmen wie die wirtschaftspolitischen Anforderungen an die neue Legislaturperiode 2021 bis 2025�
Unter dem Vorsitz von Prof. Rolf Schnellecke, Aufsichtsratsvorsitzender der Schnellecke Group GmbH & Co KG, befasste sich der Beirat außerdem mit dem Imagewandel von Familienunternehmen aus Sicht der jüngeren Generation, den besonderen Schwierigkeiten der Generationennachfolge in Pandemiezeiten sowie der Einrichtung von Digitalbeiräten als Innovationstreiber.
Zum Ende des Berichtszeitraumes wurde Prof. Schnellecke in Anerkennung seiner besonderen Verdienste von Präsidium und Bundesvorstand zum Ehrenvorsitzenden des Beirates berufen. Den Vorsitz des Gremiums übernahm die Vizepräsidentin des Wirtschaftsrates und Vorsitzende des Beirats der Würth-Gruppe, Bettina Würth. Zu stellvertretenden Vorsitzenden wurden berufen: Bonita Grupp, Leiterin E-Commerce und Personal von Trigema, Dr. Tim Kannewurf, Vorstand der Schnellecke Group GmbH & Co KG und Jan Hendrik Goldbeck, Geschäftsführender Gesellschafter der Goldbeck GmbH.
In einem Interview mit dem Handelsblatt vom 26�08�2021 forderte die Präsidentin
des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker: „Statt Verboten und Quoten ist es wichtig, die Wirtschaft zu entlasten und ihr den Spielraum zu geben, mit eigenen technischen Neuerungen den Wandel zu gestalten. Bürokratieabbau, solide Staatsfinanzen und Steuerentlastungen sind die wichtigsten Punkte, die die neue Regierung angehen muss. Der Steuersatz für Personengesellschaften sollte nicht höher sein als 25 Prozent, der Solidaritätszuschlag gehört für alle abgeschafft.“
Eingehend befasste sich der Beirat Familienunternehmen in einer Diskussion mit Prof. Dr. Tom Rüsen, geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen, mit dem Thema Unternehmensnachfolge. Nach den Erhebungen des Instituts ergibt sich dieses Bild:
• 190.000 Familienunternehmen stehen zwischen 2022 und 2026 zur Übergabe an die nächste Generation an. • 90 Prozent der Firmeninhaber wünschen sich eine familieninterne Nachfolge, aber 49 Prozent haben keinen Nachfolgeplan. • Nur zehn Prozent der Familienunternehmer schaffen es in die vierte Generation. Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, die mit erheblichen staatlichen Beschränkungen bis hin zu vorübergehenden Betriebsschließungen verbunden war, setzte sich der Wirtschaftsrat erfolgreich für die Abmilderung der Verschonungsbedingungen des Erbschafts- und Schenkungssteuerrechts ein.
Die Übergabe der Leitungsverantwortung ist ein besonders forderndes Ereignis in Familienunternehmen. Umso wichtiger ist es, dieses Thema frühzeitig und mit gründlicher Vorbereitung anzugehen. Umso größer ist die Besorgnis, dass das Image von Familienunternehmen in der jüngeren Generation deutlich abgenommen hat. Nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch der Staat und die Medien sind gefordert, das Ansehen der Familienunternehmen in der Öffentlichkeit als Rückgrat der deutschen Wirtschaft, tatkräftig zu verbessern.
Trotz der ohnehin hohen Pandemiebelastungen, vielfach unterbrochener Lieferketten, massiv steigender Energie- und Rohstoffpreise hielt sich im Jahr der Bundestagswahl eine hartnäckige Steuererhöhungsdebatte besonders für Familienunternehmen.
Prof� Rolf Schnellecke, Vorsitzender der Bundesfachkommission Familienunternehmen und Mittelstand (bis 31�12�2021)
„Wir müssen erreichen, dass die Stimme der Familienunternehmen in der Politik wieder mehr gehört wird.“
Der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger, warnte in der WELT vom 10�02�2021 vor den Vorschlägen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und den Linken zur Anhebung der Erbschaftssteuer sowie der Wiedereinführung einer betrieblichen Vermögenssteuer und sprach von einer
„besorgniserregenden Situation“� „Weil die Vermögen von Familienunternehmen fast komplett im Betrieb gebunden sind, muss eine anfallende Erbschaftssteuer meist aus dem Betriebsvermögen finanziert werden“, sagte Steiger. Damit würde den Unternehmen massiv Eigenkapital entzogen oder es müsse über Kredite finanziert werden. „Beides hat nicht nur Folgen für die Bonität der Unternehmen, sondern verringert auch die Fähigkeit, in Arbeitsplätze, Anlagen und Produkte zu investieren.“
Im Ergebnis konnte erreicht werden, dass die Koalitionsvereinbarungen der Regierungsampel Steuererhöhungen – auch bezogen auf die Anhebung des Spitzensteuersatzes der Einkommensteuer – ausschließen, leider wird jedoch auf dringend notwendige Steuerentlastungen für Familienunternehmen verzichtet, obwohl sie im internationalen Vergleich die höchsten Steuerbelastungen am Standort Deutschland tragen.
Der Beirat Familienunternehmen und die Bundesfachkommission Steuerpolitik berieten in einer gemeinsamen Sitzung mit Prof. Dr. h.c. Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofes a.D. und Direktor des Institutes für Finanzen und Steuern, über aktuelle Entwicklungen im nationalen und internationalen Steuerrecht. Die rasant gewachsenen und sanktionsbewährten steuerlichen Melde- und Veröffentlichungspflichten – so das Fazit – erhöhen die ohnehin aufwändige Steuerbürokratie und werden zu häufig geprägt vom Grundverdacht unternehmerischer Steuertrickserei und Steuerumgehung. Dabei wachse ordnungspolitisch die Gefahr, gegen Datenschutzrecht und Steuergeheimnisse zu verstoßen. Die schrittweise Internationalisierung des Steuerrechts hebele außerdem den Steuerwettbewerb aus und führe zu einer erheblichen Qualitätsverschlechterung des Steuerrechts.
Die Präsidentin des Wirtschaftsrates, Astrid Hamker, forderte mit Blick auf die 20. Legislaturperiode des Deutschen Bundestages eine grundlegende Modernisierung der Wirtschaftspolitik für Familienunternehmen. Als Schwerpunkte wurden hervorgehoben:
• eine grundlegende Vereinfachung und Entlastung der
Unternehmensbesteuerung • verstärkte Anstrengungen zum Bürokratieabbau und zur Verkürzung von Genehmigungsverfahren • eine realistische Klimapolitik im Schulterschluss mit der
Wirtschaft, die technologieoffen als Innovations- und
Wachstumstreiber angelegt werden sollte • die Sicherung der Energieversorgung und Senkung der staatlichen Abgaben auf die Energiepreise • die Bündelung der Kompetenzen zur Beschleunigung der Digitalisierung sowie • die Begrenzung des Sozialversicherungsbeitrags auf 40
Prozent und die Sicherung der Bezahlbarkeit des Sozialstaates in den Zeiten des demographischen Wandels.
Trotz einer deutlichen Ablehnung der Verbände der Familienunternehmen sieht der Ampelkoalitionsvertrag die Einführung einer neuen Unternehmensrechtsform als „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen (GmbH-gebV)“ vor. Kernelemente sind: der Verzicht auf die Ausschüttung von Überschüssen, die Beschränkung der Unternehmensgesellschafter auf eine Treuhänderfunktion, das Verbot des Verkaufs von Unternehmensanteilen zu Preisen, die den Nennwert übersteigen.
Für den Wirtschaftsrat führt die „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ letztlich zur Aushebelung des Marktprinzips, nämlich der Verbindung von Eigentum und Verantwortung. Zurecht kritisiert bereits das vom Wirtschaftsrat mit initiierte Verbändeschreiben vom 14. Dezember 2020: „Das Ziel, Start-Ups vor dem Ausverkauf durch Investoren zu schützen und Familienunternehmen im Generationenwechsel den Unternehmenserhalt bei fehlender Familiennachfolge zu erleichtern, verlangt keine Rechtsform einer GmbH-VE. Benötigt werden Verbesserungen der Rahmenbedingungen für Gründer in Deutschland sowie Nachbesserungen im kostspieligen, aber im Übrigen gesellschafts-, aufsichts-, steuer- und erbschaftsrechtlich bewährten Stiftungsrecht. Die Novellierung des Stiftungsrechts ist hierfür der richtige Anlass.“
Ordnungspolitisch völlig unakzeptabel wäre die steuerliche Privilegierung der neuen Unternehmensform.
Ausblick
Der Beirat Familienunternehmen wird 2022 eine umfassende Strategie zur Bekämpfung des in vielen Branchen auf einen Höchstwert angestiegenen Fachkräftemangels erstellen. Weitere Schwerpunkte werden die Reform des Steuerrechts für Familienunternehmen, die Beschleunigung von Bürokratieabbau und Digitalisierung, die Belastung des industriellen Mittelstandes durch Klima- und Energiepolitik sowie die Erleichterung der Unternehmensnachfolge und Kooperation der Familienunternehmen mit Start-Ups sein.
Bettina Würth, Vorsitzende Bundesfachkommission Familienunternehmen (ab 01�01�2022)
„Die Politik sollte die Generationennachfolge in Familienunternehmen unterstützen, statt sie durch Abgaben und Steuern zu erschweren.“
Vor dem Beirat Familienunternehmen referierten u. a.: Maik Außendorf MdB
Prof� Dr� Clemens Fuest, Präsident ifo-Institut – Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung an der Universität München e.V. Prof� Dr� Christian Hagist, Lehrstuhl für Wirtschafts- und Sozialpolitik an der WHU Otto Beisheim School of Management Dr� Joachim Harms, Beirat der Oetker-Digital GmbH Michael Kümpfel, Mitglied des Vorstandes der MEWAUnternehmensgruppe Prof� Dr� h�c� Rudolf Mellinghoff, Präsident des Bundesfinanzhofs a.D., Direktor des Instituts für Finanzen und Steuern Prof� Dr� Tom Rüsen, Geschäftsführender Direktor des Wittener Instituts für Familienunternehmen Christian Freiherr von Stetten MdB, Mittelstandspolitischer Sprecher der CDU-CSU-Bundestagsfraktion, Vorsitzender des Parlamentskreises Mittelstand Michael Theurer MdB, Parlamentarischer Staatssekretär beim Bundesminister für Digitales und Verkehr