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Nachgefragt: Präsidentin Astrid Hamker

Nachgefragt

Wachstum entfesseln

Astrid Hamker, Präsidentin des Wirtschaftsrates

Frau Hamker, Ihr früherer Vizepräsident und Mitstreiter im Wirtschaftsrat, Friedrich Merz, ist jetzt Vorsitzender der CDU Deutschlands� Was erwarten Sie von ihm?

Der Markenkern der CDU hat während der Großen Koalition stark gelitten. Das geht über ihre Rolle als Partei der Sozialen Marktwirtschaft hinaus. Mit Friedrich Merz an der Spitze wird die CDU nicht nur bei wirtschaftspolitischen Themen wieder debattenfähig werden. Auch die programmatische Arbeit und die interne Diskussionskultur sind zuletzt viel zu kurz gekommen. Friedrich Merz besitzt den richtigen ordnungspolitischen Kompass für diese Aufgabe. In der Sozialen Marktwirtschaft ist konstitutiv angelegt: Vom unternehmerischen Erfolg sollen Arbeitnehmer und die Gesellschaft als Ganzes profitieren. Gleichzeitig muss der Grundsatz gelten, erst erwirtschaften, dann verteilen. Dies hat die Union zuletzt zu wenig beherzigt.

Was schreiben Sie der Ampelkoalition in punkto Wirtschaftspolitik ins Stammbuch?

Bürokratieabbau, solide Staatsfinanzen und Steuerentlastungen sind die wichtigsten Punkte, die die neue Bundesregierung hier angehen muss. Insbesondere das Verbandsklagerecht gilt es zu beschränken. Es kann nicht sein, dass ein internationaler Investor wie Tesla, der 40.000 Arbeitsplätze schaffen möchte, immer wieder von der deutschen Bürokratie aufgehalten wird.

Sind Schuldenbremse und schwarze Null angesichts der Corona-Krise überholt?

Deutschland muss nach der Pandemie wieder zu einer soliden Haushaltspolitik zurückkehren. Unser Land ist der Stabilitätsanker in Europa. Ab dem Jahr 2023 müssen wir zumindest die Schuldenbremse wieder einhalten. Und perspektivisch muss auch die schwarze Null das Ziel sein. Dazu sollte die Politik vor allem private Investitionen beflügeln, die auf neunmal höherem Niveau liegen als die staatlichen, auf die sich Kanzler Olaf Scholz und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck fixieren. Nur eine wachstumsorientierte Politik verspricht bessere Staatseinnahmen.

Zugleich setzen Sie sich dafür ein, insbesondere den Mittelstand zu entlasten� Was ist am wichtigsten?

Wir brauchen eine Einkommen- und Unternehmensteuerreform mit Steuersätzen, die im globalen Wettbewerb mithalten können, also um die 25 Prozent. Und: Der Solidaritätszuschlag gehört für alle abgeschafft. Andere Staaten beneiden uns um unsere starke Industrie und erfolgreichen Familienunternehmen. Das dürfen wir jetzt nicht aufs Spiel setzen. Wir müssen die Betriebe entlasten, damit sie nach Corona wieder auf die Beine kommen und in die Zukunft investieren können.

Deutschland muss ehrgeizige Klimaziele erreichen� Was empfehlen Sie der Ampel-Koalition?

Wir unterstützen einen einheitlichen CO2-Preis und werben gleichzeitig dafür, die EEG-Umlage zu streichen und die Stromsteuer sowie die Energiekosten zu senken. Unsere Energiepreise sind die höchsten in ganz Europa. Wir vertrauen in der Klimapolitik auf die Unternehmen, auf unsere guten Ingenieure und auf den Markt. Verbote, zu denen de facto auch überhöhte Preise und Quoten gehören, helfen niemandem. Die Politik sollte die Wirtschaft auch mal technologieoffen machen lassen. Insgesamt müssen wir sehr aufpassen, dass unsere Klimapolitik nicht zur Deindustrialisierung führt, anstatt zur Dekarbonisierung.

Für wie wichtig halten Sie das Thema Digitalisierung für Deutschland?

Hier müssen wir endlich wirklich vorankommen! Angefangen mit dem flächendeckenden Breitbandausbau. Nur dann können wir von Industrie 4.0, künstlicher Intelligenz oder autonomem Fahren profitieren. Enormen Aufholbedarf hat Deutschland auch beim Thema digitale Verwaltung. Gleichzeitig müssen wir unser Wettbewerbsrecht an das digitale Zeitalter anpassen.

Friedrich Merz hat angekündigt, die CDU müsse die soziale Frage neu stellen und beantworten� Teilen Sie diese Ansicht?

Das halte ich für überfällig. Die Soziale Marktwirtschaft basiert auf der christlichen Sozial- und Leistungsethik. Der Überbietungswettbewerb bei den Sozialleistungen nach dem Prinzip „Gießkanne“ durch die Große Koalition hat dazu beigetragen, dass die Union ihre Wirtschafts- und Sozialkompetenz verloren hat. Es gilt der bewährte Grundsatz von Ludwig Erhard: „Sozial ist, was Arbeit schafft“. Deshalb muss die Union sich darauf konzentrieren, eine Zukunftsvision für den Industriestandort Deutschland zu entwickeln, die das Aufstiegsversprechen in den Mittelpunkt rückt. Dies ist entscheidend, um jungen Menschen eine Perspektive zu geben und auch eine wichtige Grundlage für unseren gesellschaftlichen Zusammenhalt.

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