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Interview Pascal Sander
sondern mir die Wahl offengelassen“ Pascal Sander
PASCAL SANDER GIBT EINBLICK IN DEN ALLTAG EINES ORTHOPÄDISCHEN SCHUHTECHNIKERS UND ERZÄHLT, WIE SICH SEIN BERUF MIT SEINER LEIDENSCHAFT, DEM SCHIFAHREN, VERBINDEN LÄSST.
Pascal Sander | Schuhhaus Sander | Geboren am 1.12.88 | Beruf: orthopädischer Schuhtechniker
Wie bist du zu deiner Lehre gekommen?
Ich wollte nach der Matura ein Praktikum bei HEAD machen, am liebsten wäre ich mit dem Techniker-Bus mit auf die Weltcup-Rennen gefahren. Da ich immer wieder in unserem Betrieb mitgearbeitet hatte, kannte ich mich mit Schischuhen sehr gut aus. Ich wollte eigentlich etwas im Sportbereich machen, eine Lehre als orthopädischer Schuhtechniker oder Schuhmacher hatte ich damals noch überhaupt nicht im Plan. Ein Bekannter hat mich dann auf diese Idee gebracht, denn im Bereich der Schischuhanpassung hatte ich ja bereits Erfahrung und da war der orthopädische Schuhtechniker als zweites Standbein ideal. So kann ich meinen Beruf gut mit meiner Leidenschaft, dem Schifahren, verbinden. Was gibt es Besseres?
Du hast deine Lehre im Tirol gemacht?
Ja, dort gab es einen Betrieb, der neben dem orthopädischen auch Schischuhe anpasst und da war es naheliegend, in diesen Betrieb zu gehen. Ich wollte auch von Anfang an in einen Betrieb, der innovative Systeme für die Einlagen verwendet. Meine Berufsschule war angeschlossen an ein Reha-Zentrum, da haben wir viele Arbeitsunfälle mitbetreut. Das heißt, die waren dort auf Reha und haben innerhalb dieser Zeit von uns einen Schuh oder eine Einlage angepasst bekommen, das ist gerade auch als Begleitung für die Therapie sehr wichtig.
Du kommst ja selbst aus einer Schuhmacher-Familie. Dein Vater ist Experte auf dem Gebiet der Schischuhanpassung. Inwieweit hat das deine Entscheidung beeinflusst?
Natürlich hatte ich die Chance im elterlichen Betrieb mitzuarbeiten beziehungsweise diesen zu übernehmen immer im Hinterkopf. Aber meine Eltern haben mich nie in diese Richtung gedrängt, sondern mir die Wahl offengelassen. Wichtig war ihnen aber, dass ich Matura mache.
Wie sieht dein Alltag aus?
Sehr abwechslungsreich. Ich habe einerseits meine klassischen Orthopädie-Termine, da kommen Kunden meist schon mit einer Diagnose beziehungsweise Verschreibung vom Arzt und ich setze diese in Form einer Einlage beziehungsweise eines Maßschuhes um. Oft geht es hier um Beinlängen-Differenzen, die ausgeglichen werden müssen. Da wir aber in einer Tourismusregion sind, haben wir auch sehr viele Kunden, die spontan vorbeikommen, weil sie Probleme mit ihrem Schischuh oder Ähnlichem haben.
Wenn Personen zu uns kommen, die noch nicht beim Arzt waren, schaue ich wo genau das Problem liegt und versuche eine Lösung dafür zu finden. Das ist immer sehr spannend, da es so viele verschiedene Möglichkeiten gibt. Denn jeder Mensch ist anders und empfindet Dinge anders – was dem einen hilft, ist für den anderen keine Lösung. Das Schöne ist, dass ich mein Wissen aus der orthopädischen Schuhtechnik auch auf den Sportbereich anwenden kann und umgekehrt. Oft entstehen daraus unkonventionelle Lösungen, die aber für den Kunden ideal sind.
Was gefällt dir an deinem Job am besten?
Die vielen Richtungen, in die man sich spezialisieren kann. Für mich ist die Kombination aus orthopädischer Schuhtechnik und der Anpassung von Schischuhen beziehungsweise anderen Sportschuhen ideal. Da kann ich auch sehr viel präventiv arbeiten, damit es gar nicht erst zu größeren Problemen kommt. Aber es besteht auch die Möglichkeit, an ein Rehazentrum zu gehen und dort als Schuhmacher zu arbeiten. Dann arbeitet man eng mit Medizinern, Physiotherapeuten und Orthopäden zusammen. Oder man spezialisiert sich auf Laufanalysen. Schon alleine die Welt der Einlagen ist so groß und bietet sehr viele Spezialisierungen an, wie etwa sensomotorische Einlagen.
Beim Schuhe machen kommt dann auch noch der kreative Aspekt hinzu, da muss man sich vorab überlegen, welches Design man möchte, welche Farben, etc.
Wie war dein Werdegang?
Ich habe zunächst Matura gemacht und dann meine Lehre begonnen. Danach wollte ich eigentlich studieren gehen, entweder Biomechanik oder Trainingsgerätebau. Das hätte mich sehr interessiert. Um die Monate bis zum Studienbeginn zu überbrücken, habe ich einen meiner Berufsschullehrer gefragt, ob er mich eventuell für diese Zeit beschäftigen könnte. Der hatte zufällig gerade Bedarf. Wir hatten schon in der Schule ein recht gutes Verhältnis, daher habe ich mit ihm auch offen darüber geredet, dass ich mir mit dem Studium nicht so ganz sicher war. Er hat mir dann vorgeschlagen, dass ich bei ihm den Meister machen könnte und das Angebot habe ich angenommen. Nach dem Abschluss bin ich im Frühjahr 2020 wieder zurück nach Vorarlberg gekommen und arbeite seither in unserem Familienbetrieb. Als Meister darf ich nun auch selbst Lehrlinge ausbilden und ich bin immer auf der Suche nach neuen Talenten.

Pascal Sander mit seinem Vater Richard Sander
Wie hast du deine Lehrzeit empfunden? Wie war für dich die Schulzeit?
Mir hat die Schule sehr gut gefallen, weil es mir die Möglichkeit gegeben hat auch einmal etwas länger über Probleme beziehungsweise Problemfälle zu diskutieren. Diese Zeit hat man während dem Arbeiten einfach nicht. Klar, man fragt kurz nach, wie man was machen soll und warum man was so macht wie man es macht, aber oft bleibt keine Zeit, um das ausführlich zu besprechen. Denn es gibt oft viele Wege, wie man Problemstellungen lösen kann und der gegenseitige Austausch hierzu hat mir auch am Meisterkurs sehr gut gefallen.
Was rätst du Jugendlichen bei der Entscheidung für Lehre oder Schule?
Ich war früher immer der Meinung, dass ich auch studieren gehen muss und auch einen universitären Abschluss haben muss. Aber inzwischen denke ich mir, es gehen so viele studieren und es gibt so viele Studiengänge, die übervoll sind, da ist auch nicht gesagt, dass man dann eine Garantie für eine Arbeitsstelle und ein gutes Einkommen hat. Erfolgreich kann ich genauso auch mit einem Lehrberuf sein. Ich denke, wir müssen weg von dieser Denkweise, dass man nur mit Studium erfolgreich sein kann, denn das ist nicht richtig.