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Das neue Solarmodul PREFALZ wurde speziell für neue wie auch bestehende PREFALZ Dachsysteme entwickelt. Die robusten, langlebigen Glas/Glas PV-Module – mit besonders effizienter TOPCon-Zellen-Technologie – fügen sich perfekt in die typische Doppelstehfalzoptik ein. Hochqualitativ in Österreich entwickelt und produziert: Die eigens entwickelten Modulklemmen ermöglichen eine einfache dachparallele Verlegung mit minimaler Aufbauhöhe und sorgen für ein elegantes, homogenes Erscheinungsbild.
Weitere Informationen unter www.prefa.solar
EIST DIE ZEIT REIF FÜR UTOPIA?
ine Utopie (altgr. „ou“: „nicht“ und „tópos“: „Ort“) ist eine mögliche, gewünschte oder erträumte Lebensweise, Weltanschauung respektive Gesellschaftsordnung, die sich an einem anderen Ort, in der Zukunft oder in der Fiktion entfaltet. Die Rede kann hier von einem gerechten, guten Staat, einer gerechten, guten Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur sein. Die Utopie ist verknüpft mit Fortschritt und Zivilisation, in einigen Anschauungen auch mit der kompletten Überwindung der Zivilisation. Utopien sind dabei aber nicht als unerreichbare Ideale zu verstehen, sondern als Wegweiser für innovative, nachhaltige und inklusive Ansätze, die es möglich machen, zukünftigen Generationen lebenswerte Umgebungen zu hinterlassen. In der Verschmelzung von visionärem Denken und technologischer Innovation liegt der Schlüssel, um den laufenden und kommenden Herausforderungen konstruktiv zu begegnen. Utopie ist daher nicht nur eine Lösung, sondern eine Notwendigkeit.
Die Welt steht vor immensen Herausforderungen: Klimawandel, Urbanisierung, Ressourcenverknappung und daraus erwachsende soziale Ungleichheiten und Unruhen. UTOPIA
scheint da wie ein Heilsversprechen, die Lösung für so viele Probleme, die wir uns selbst eingehandelt haben. In der aktuellen Ausgabe werfen wir einen Blick auf die Visionen und Ideen von Architektur, Design und Wissenschaft und deren Umsetzung. Wie utopisch ist Utopia noch? Sieht man sich die aus dem Wüstensand gestampfte Metropole NEOM in Saudi Arabien oder den auf einer der größten Müllhalden Amerikas entstandenen Freshkills Park in New York an, dann wohl nicht mehr sehr. Doch es werden auch kleinere Brötchen gebacken. So setzen immer mehr österreichische Städte auf das Prinzip Schwammstadt, ein Konzept, das die bisherige Stadtplanung und Standortentwicklung in Frage stellt und urbane, versiegelte Gebiete klimafit machen soll. Und auch das Konzept 2226 denkt neu: Anvisiert sind ökologisch und ökonomisch nachhaltige Gebäude, die sich selbst heizen, kühlen und lüften. Auch bei den Baustoffen und Materialien tut sich einiges. Von Solarpaneelen aus Algen über Bakterien, die Biobeton produzieren bis hin zu selbstwachsenden Möbeln. Das alles und mehr präsentieren wir Ihnen in der aktuellen 4W-Ausgabe.
Veronika Kober
INHALT
NEOM
Zukunftsweisende Utopie oder groteske Absurdität? Das Siedlungsprojekt NEOM in Saudi-Arabien löst Begeisterung und Kritik zugleich aus. Ein Blick in die Pläne.
Schwammstadt
Die Stadt, die saugt und gibt. Das in Skandinavien entwickelte Konzept Schwammstadt soll urbane Räume so schnell wie möglich zukunfts- und klimafit machen.
Prinzip 2226
Dem Hightech-Trend im Neubau wird ein kluges Zusammenspiel von Software, Hardware und Architektur entgegengesetzt. Im 2226-Haus regiert weder Mensch noch Technik.
Gemeindebau
Er ist Architekturjuwel, ein Stück Stadtgeschichte, gelebte Utopie. Aber vor allem ist der Gemeindebau das Zuhause von gut 500 000 Menschen. Eine Wiener Erfolgsstory.
Freshkills
Aus Müllhalde wird Park. In Staten Island entsteht aus New Yorks größter Müllkippe ein grünes Freizeitparadies, das dem Central Park Konkurrenz macht.
Visionen
Grüne Algenfassaden statt Beton und Glas, Bakterien, die CO2neutralen Biobeton herstellen und Dachsteine, die wie Minikraftwerke Sonnenstrom erzeugen.
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Von klassisch bis ausgefallendie Redaktion hat gewählt. Wir haben die besten, lustigsten und schönsten Bilderrahmen für Ihre Lieblingsfotos und Motive.
Es ist nicht alles Gold, was glänzt. Oder doch? Mit unseren Designlieblingen setzen Sie luxiuriöse Akzente.
Der Arbeitsplatz als Lebensraum. Warum sich eine alte Mühle und eine aufgelassene Chemiefabrik den Award für ausgezeichnete Arbeitswelten und Bürobauten sichern konnten. 46 54
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Impressum
Medieninhaber, Herausgeber und Verleger: Heise RegioConcept GmbH & Co. KG Viktoria-Weinzierl-Straße 9 4614 Marchtrenk
Tel. 01/89 50 100 office@wohnnet.at
Geschäftsführung: Martin Kargl
gut sortiert
Zeige mir deine Bücher und ich sage dir, wer du bist. Perfekt in Szene gesetzt werden Ihre Lieblinge in diesen außergewöhnlichen Bücherregalen.
CvD: Harald Gregor Schaumburger
Chefredaktion: Veronika Kober
Redaktion: Isabella Pils, Julia Pauss, Veronika Kober
Produktionsleitung & Grafik: Mario Ewald Lektorat: Dorrit Korger
Cover: Hyper/stock.adobe.com
Druck: Druckerei Berger | A-3580 Horn Erscheinungs-/Verlagsort: A-1060 Wien
materialwunder
Schön und praktisch reicht nicht mehr. Die Messlatte für die Materialien der Zukunft liegt viel höher. Für sie heißt es: Zurück in den Kreislauf! 56
grünraum
Naturnah, überraschend und ideenreich präsentiert sich der vom Callwey Verlag prämierte Garten des Jahres. Fernab von Schottergärten und getrimmtem Rasen.
ausgezeichnet
Riken Yamamoto ist der diesjährige Pritzker-Preisträger. Sein Werk steht für eine Architektur, die verbindet. Ohne Grenzen, ohne Abgrenzung.
Mit PROMOTION gekennzeichnete Artikel sind bezahlte Einschaltungen, für deren Inhalte und Aussagen der Verlag nicht haftbar zu machen ist. Abdrucke, auch auszugsweise, sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlages und des Autors gestattet. Gastautoren geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
Die Renderings, Animationen und Promoclips muten an, als seien sie einem Science-Fiction-Film entsprungen. NEOM ist ein Kollektiv aus Architekten, progressiven Entwicklern, Planern und Industrievertretern sowie sehr reichen Geldgebern, es ist der Name für eine aus dem Boden gestampfte Mega-Planstadt und die Definition für eine utopische Vision. Was wird da am Roten Meer bis 2030 entstehen?
Text: Veronika Kober
Kreative, Innovative, Zukunftsgewandte sollen noch in diesem Jahrzehnt im Nordwesten von Saudi-Arabien einen Ort zum Arbeiten und Leben bekommen. Insgesamt ist die Rede von 380.000 Arbeitsplätzen, die durch und in NEOM geschaffen werden sollen, und neun Millionen Menschen, die hier leben können. Das Projekt verspricht einen hohen Lebensstandard und beste wirtschaftliche Möglichkeiten. Das BIP von Saudi-Arabien soll dadurch um 48 Milliarden Dollar wachsen. Ein geldsicherer Nachfolger für die Post-Erdöl-Ära also?
NEOM ist ein vom saudischen Kronprinz Mohammed bin Salman kuratiertes und von der saudischen Regierung projektiertes Siedlungsprojekt, das fünf große Bauprojekte auf insgesamt
26.500 Quadratkilometern Fläche umfasst und an der Küste des Roten Meeres, nahe dem Golf von Akaba im Nordwesten des Landes, angesiedelt ist: The Line, Oxagon, Trojena, Sindalah und Aquellum sind fünf der geplanten zehn Regionen, die hier auf einer Fläche von ganz Belgien entstehen sollen.
Während die Hafen- und Industriestadt Oxagon bereits 2024 die ersten Arbeiter und künftig dort Lebenden begrüßen will, visiert die Bandstadt The Line auf ihren 170 Kilometern Länge für Ende 2026 die ersten Bewohner an. Die beiden Tourismus- und Sportressorts Sindalah, eine riesige Yachtinsel mitten im Meer,
Die achteckige Hafenstadt Oxagon versteht sich als eine Neudefinition des traditionellen Industriemodells. Ein Platz für Forschung und Innovation sowie für saubere, moderne Industrie und Produktion.
und Trojena, ein Ski- und Wandergebiet mit allem Drum und Dran in den Bergen, wollen 2026 eröffnen. Aquellum schließlich, eine subterrane, komplett digitalisierte Stadt der Zukunft scharrt noch in den Startlöchern. Geht es nach den Initiatoren, wird im Jahr 2030 etwa eine Million Menschen in NEOM leben, 2045 werden es neun Millionen sein. Mehr als 2.800 Mitarbeiter und deren Familien aus 86 Ländern leben und arbeiten bereits heute in der Wüstenstadt und ihren Regionen.
Das Ende 2017 in Riad erstmals präsentierte Projekt soll aber nicht nur Arbeits- und Wohnstätte für ganz viele Menschen
Aquellum ist die subterrane, digitalisierte Stadt der Zukunft. Die mehr oder weniger verborgene Welt soll architektonische Prinzipien aufheben und sich perfekt in die Natur integrieren. Ein Ort, an dem sich laut Plan Wohnen, Einkaufen, Freizeit und Innovation nahtlos miteinander verbinden.
werden, es wird als ein Leuchtturmprojekt für die Zukunft der Menschheit gehandelt, zumindest, wenn es um bin Salman geht: „Bei NEOM stellen wir uns einigen der dringendsten Herausforderungen der Menschheit, indem wir die klügsten Köpfe zusammenbringen, um eine nachhaltige Zukunft, wie sie in 20 bis 30 Jahren aussehen wird, neu zu definieren und schon heute zu gestalten. Wir definieren die Zukunft jetzt neu.“ Und für diese Vision hat das saudische Regime bisher bereits 500 Milliarden Dollar investiert. Nun sollen auch ausländische Investoren gewonnen werden, um das Projekt weiter zu finanzieren. Interessant, besonders für potenzielle Bürger von NEOM aus dem Westen: Die Sharia soll in der Wüsten-Planstadt nicht gelten, die Investoren sollen bei der Gestaltung des Rechtssystems von NEOM sogar Mitspracherecht erhalten.
Was bedeuten Namen & Logo
„Neo“ ist Altgriechisch für „neu“, „M“ ist der erste Buchstabe des arabischen Wortes „Mustaqbal“ – „Zukunft“.
Aquellum
Unter die Erde geht’s mit Aquellum, einem weiteren Ort in NEOM. Vorstellen kann man sich diese Region wie eine Stadt, die ins Erdinnere ragt. Umgesetzt werden soll das Ganze losgelöst von architektonischen Prinzipien und mit einem nahtlosen Übergang von Wohnen, Einkaufen, Freizeit und Natur. Die umgekehrte, subterrane und digitalisierte Stadt wird laut Plänen, die auf der Website von NEOM zu sehen sind, in ein 450 Meter hohes Bergmassiv am Golf von Akaba gebaut. Die Hightech-Stadt wird Wohnungen, Hotels, Handels- und Freizeitanlagen bieten, der Hauptplatz in mehr als 100 Metern Höhe bildet das Zentrum. Aquellum soll Heimat für Start-ups, Forschung und Technologien der Zukunft sein. Die Stadt funktioniert vertikal, laut aktuellem Werbevideo wie ein umgekehrter Wolkenkratzer, dessen Fassade nach innen und nicht nach außen zeigt. Erreicht wird sie per Schiff von einem schwimmenden Yachthafen aus, durch einen unterirdischen ver-
borgenen Kanal per Schiff. Die Stadt wird sowohl vertikal als auch horizontal begangen und erlebt, ganz oben befinden sich laut Renderings Dachgärten, die über das Meer blicken lassen.
Oxagon
Wohl der stärkste Impulsgeber für eine blühende saudi-arabische Wirtschaft im postfossilen Zeitalter ist die dritte Megastadt in NEOM – Oxagon. Der schwimmende Hafen liegt direkt am Meer und ist laut Ankündigung eine „Blaupause für fortschrittliche und saubere Industrien“. Mit insgesamt 48 Quadratkilometern Fläche wird Oxagon die größte schwimmende Fläche der Welt. Die Hafenstadt befindet sich bereits in Bau und wenn man sich die Luftaufnahmen und diversen Fotos auf der NEOM-Website und den verschiedenen Social-Media-Auftritten ansieht, scheint sie auch schon am meisten Form angenommen zu haben. Oxagon ist als riesiges Achteck angelegt, daher auch der Name, und wird südlich des Suezkanals über sieben Kilometer weit ins Rote
Meer ragen. Die Hafenstadt liegt natürlich nicht zufällig dort, immerhin handelt es sich beim Suez um einen Schifffahrtskanal, der das Mittelmeer mit dem Roten Meer verbindet und dem Wasserhandel die Schifffahrt zwischen Nordatlantik und Indischem Ozean um Afrika herum erspart. Mit der strategischen Positionierung von Oxagon sollen hier 13 Prozent des kompletten Handels zwischen Asien, USA und Europa abgewickelt werden. Oxagon wird mit 100 Prozent sauberer Energie betrieben, 70.000 Arbeitsplätze bieten und 90.000 Einwohner haben.
Trojena
Vier Saisonen von Jänner bis Dezember, Wellness, Wintersport, Seeurlaub, Abenteuerreise: Trojena soll ein weltweit einzigartiges Reiseziel werden, das Natur und Kultur verbindet und in insgesamt sechs markanten Bezirken maßgeschneiderte Erlebnisse ermöglicht, welche „reale mit virtuellen, architektonischen und technischen Innovationen verbinden“. Trojena liegt 50 Kilometer von der Küste des Golfs von Akaba entfernt und umfasst ein Gebiet von fast 60 Quadratkilometern auf einer Höhe zwischen 1.500 und 2.600 Metern. Das Ressort soll laut aktuellen Plänen 2026 fertiggestellt werden. Das stark variierende Klima der Region – im Winter fallen die Temperaturen durchwegs unter null Grad und im Sommer liegen sie regelmäßig mehr als zehn Grad über dem Rest der Region –bietet einen idealen Ort für Ski- und Abenteuersport im Freien. Die Highlights von Trojena sind ein künstlicher Süßwassersee und „The Vault“, ein gegliedertes Feriendorf, das Technologie, Unterhaltung und Gastfreundschaft miteinander verbindet und das Hauptportal zu Trojena bildet. Gewohnt wird ab 2026 in Apartments, Chalets, Villen sowie Ultra-Luxus- und Erlebnishotels, Wellness- und Familienresorts. Zusätzlich wird eine Vielzahl von Einzelhandels-, Freizeit- und Gastronomieangeboten verfügbar sein. Nachhaltigkeit, modernste Technologie und Design stehen bei Trojena im Vordergrund. Ein
Sindalah, die Luxusinsel im Roten Meer, soll Luxustouristen aus aller Welt anlocken. Das ideale Klima, ein Golfplatz, ein Yachthafen und Ultra-Premium-Hotels bilden den Rahmen dafür.
Ort voller Luxus, Abenteuer, Unterhaltung, Lebensqualität und eine Möglichkeit zur – mit Sicherheit nur für wenige leistbaren – Flucht aus dem Alltag.
Sindalah
Lockerer Insel-Chic trifft auf New-Age-Luxus. Das erste fertige Projekt von NEOM ist ein 840.000 Quadratmeter großer Spielplatz für Luxusreisende aus der ganzen Welt. Die künstlich angelegte Insel will als Tor zum Roten Meer und internationaler Knotenpunkt für die internationale Yachting-Welt fungieren. Die Nähe zu Europa und dem Mittelmeer sorgt für einen einfachen Zugang zum 86 Anlegeplätze umfassenden Yachtha-
fen und 75 zusätzlichen Offshore-Bojen für Superyachten. Ob die Besucher auf der Suche nach Dynamik, lebendiger Atmosphäre oder purem Adrenalin sind, das vielfältige Angebot soll den Luxustourismus in Saudi-Arabien nachhaltig steigern. Das Resort bietet einen Beach Club, Yachtclub, Spa- und Wellnesscenter sowie 51 luxuriöse Geschäfte – neben Luxushotels und der bereits beschriebenen großen Marina.
The Line
Smart, klimaneutral, komplett energieautark, autofrei und mit mehr Robotern als Menschen – The Line soll vollständig KIgesteuert sein, eine 500 Meter hohe, 200 Meter breite und 170
Kilometer lange Stadt, die sich mitten durch die Wüste zieht. Auf einer Gesamtfläche von 34 Quadratkilometern, mit einer durchgängigen, verglasten und mit PV-Paneelen bestückten Außenfassade versehen, wird sich die Zukunftsstadt laut den Plänen vom Golf von Akaba über das 2.500 Meter hohe Hedschas-Gebirge bis zu den im Binnenland vorzufindenden Wadis ziehen. Etwa 85 Kilometer östlich von Sharm el-Sheikh wird bereits an zwei ununterbrochenen Reihen von Wolkenkratzern gebaut, die nicht nur höher als die Skyscraper im Rest der Welt sind, sondern auch mit fliegenden Taxis und Roboterdienern erschlossen werden sollen. Laut den Plänen wird sämtliche wichtige Infrastruktur zum Arbeiten und Leben innerhalb der Gürtelstadt liegen und ohne
Probleme binnen fünf Gehminuten erreichbar sein. Von einem Ende der Stadt ans andere Ende soll es dank Hochgeschwindigkeitszug auch nicht länger als 20 Minuten dauern.
Bis 2030 sollten laut den bisherigen Plänen 1,5 Millionen Menschen in The Line leben. Nach momentanem Stand ist das aber nicht realistisch. Laut aktuellen Informationen (Stand Ende April 2024) werden bis 2030 lediglich 2,4 Kilometer der Stadt fertiggestellt sein. Dementsprechend reduziert sich auch die erwartete Einwohnerzahl bis zum Ende des Jahrzehnts drastisch, nämlich auf unter 300.000.
Die Kehrseite der Medaille
Bei all der Science-Fiction und dem Luxus, die das Jahrhundertprojekt NEOM vorerst noch mehr theoretisch als praktisch verspricht: Ganz unumstritten ist das Ganze beileibe nicht. Man darf bei all dem Internationalismus und globalen Denkansatz nämlich nicht vergessen, wo und von wem NEOM geplant, gebaut und realisiert wird.
Problem 1: Menschen- und Arbeitsrechte. Wir befinden uns mit Saudi-Arabien in einem Land, das nicht gerade bekannt ist für den Schutz bzw. die Einhaltung von humanitären Rechten. Ein paar Fakten, die nicht unter den Tisch fallen sollten: Die Pläne für den Bau der Regionen in NEOM sieht die Zwangsumsiedlung von mindestens 20.000 in der betreffenden Wüstenregion alteingesessenen Beduinen vor. Protestierende, die sich weigern, ihre Häuser zu verlassen, werden laut einer saudischen Menschenrechtsorganisation dazu gezwungen, auch von mehreren Verhaftungen ist die Rede. Laut verschiedenen Quellen wurden seit Anfang 2021 mehrere Dörfer zwangsgeräumt und alle Einwohner, die sich zur Wehr setzten, mit teils drakonischen Haftstrafen von bis zu 50 Jahren belegt. Die Rede ist auch von drei Männern, die mit Stand Oktober 2022 zum Tode verurteilt worden sind, da sie sich der Zwangsumsiedelung widersetzten und öffentlich Kritik an der Umsetzung von NEOM übten. Einer davon, Abdulrahim al-How, wurde von Regierungsvertretern getötet, nachdem er von „Staatsterror“, gesprochen hatte. Eine missbräuchliche Arbeitskultur und der Einsatz von Überwachungstechnologie, die ethische Grenzen überschreitet, sind bei diesen Berichten nur noch Draufgabe.
Problem 2: Ökologische Auswirkungen. Die viel beschworene Autarkie und Nachhaltigkeit von NEOM scheinen mehr als zweifelhaft. So werden nicht nur der immense Eingriff in die Umwelt und in die Natur angeprangert, sondern auch die Machbarkeit und vor allem Effizienz der geplanten Regionen.
Architekten, Komplexitätsforscher und Stadtplaner äußern zudem immer stärkere Zweifel, ob man in diesen Städten tatsächlich auch gut leben kann. Eine Stadt in der Wüste, die sich selbst mit Lebensmitteln, Energie und Wasser versorgt, dabei aber in der Planung völlig auf Industrie und Entsorgungskonzepte verzichtet, scheint, sagen wir, eher lebensfern. Ganz zu schweigen vom Verlust der vorhandenen Lebensräume, dem Verbrauch und der Verschmutzung von Wasserressourcen sowie dem riesigen ökologischen Fußabdruck in einer bis dahin nahezu unberührten Wüstengegend.
Problem 3: Ökonomische Machbarkeit. Neben der ökologischen gibt es auch eine ökonomische Komponente, die viele an NEOM zweifeln lassen. Trotz enormer Investitionshöhen der Projektbetreiber und einem großen Engagement internationaler Investoren kann man schwer sagen, ob und inwieweit sich NEOM und seine Regionen und Städte tatsächlich wirtschaftlichen rentieren. Nachdem The Line, Trojena, Oxagon und Co gebaut sind, müssen sie Renditen abwerfen. Ob und wie das gelingt, wird man erst sehen.
Problem 4: Geopolitische Auswirkungen. Der Nahe Osten leidet seit vielen Jahren unter großen regionalen Spannungen, in die eine Vielzahl von staatlichen, nicht staatlichen, nationalen und auch internationalen Beteiligten verwickelt ist. Die geopolitische Dynamik ist intensiv, die Situation nicht erst seit dem jüngsten Krieg in Nahost äußerst fragil. NEOM wird einen großen Impact auf die Region haben, immerhin sollen globale Wirtschafts- und Technologiezentren erschaffen werden. Diese Verflechtung von Wirtschaft, Königshaus und saudischer Führung könnte zu neuen Spannungen und verschärften Konflikten vor Ort führen, so die Sorge der Kritiker.
Problem 5: Ineffiziente Stadtplanung. The Line, das bekannteste Projekt in NEOM, ist aus städteplanerischer Sicht eine suboptimale Lösung. Nicht ohne Grund haben sich Städte in der Vergangenheit immer mehr oder weniger kreisförmig entwickelt. Obwohl die infrastrukturellen Einrichtungen in The Line nah beieinanderliegen sollen, warnen zahlreiche Experten davor, dass es für die Bewohner der Stadt nahezu unmöglich sein würde, Schulen, Arbeitsplätze oder Angehörige schnell zu erreichen. Immerhin könnten sie über die gesamte Länge der Stadt verteilt sein, und wir sprechen hier von 170 Kilometern. Fakt ist: Was in einem Kreis kurze Distanzen ermöglicht, wird in einer linienförmigen Stadt maximiert. Auf dem Reißbrett sieht The Line vielleicht spektakulär aus, in der Realität birgt die Linienstadt mehr Probleme als Vorzüge.
Nachhaltige Architektur trifft moderne Ästhetik
Ein bemerkenswertes Familienhaus in Deutschland demonstriert eindrucksvoll, wie moderne Architektur und nachhaltige Materialien harmonisch miteinander verbunden werden können. Dieses Haus besticht durch seine zeitgenössische Ästhetik und die innovative Nutzung von Kebony für Terrasse und Fassade.
Die Fassade des Hauses besteht aus Kebony Character, einem Holz, das durch seine robuste und rustikale Optik überzeugt und dem Gebäude eine natürliche, warme Ausstrahlung verleiht. Für die Terrasse wurde Kebony Clear verwendet, welches durch seine glatte und elegante Oberfläche besticht und gleichzeitig eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen Witterungseinflüsse bietet.
Diese wunderbare und ungewöhnliche Kombination von Kebony Character und Kebony Clear zeigt, wie vielseitig und anpassungsfähig nachhaltige Materialien sein können. Die Terrassenflächen laden dazu ein, die Außenbereiche in vollen Zügen zu genießen, während die Fassade dem Haus eine elegante und natürliche Optik verleiht. Das Holz, das durch
eine spezielle Behandlung besonders widerstandsfähig gegen Witterungseinflüsse und Abnutzung ist, sorgt dafür, dass die Schönheit des Hauses über viele Jahre hinweg erhalten bleibt.
Dieses Projekt setzt neue Maßstäbe in der Verbindung von Design und Nachhaltigkeit. Die Verwendung von Kebony unterstreicht das Engagement für umweltbewusstes Bauen und zeigt, dass Ästhetik und Funktionalität Hand in Hand gehen können. Durch die Kombination moderner Architektur mit hochwertigen, nachhaltigen Materialien wird ein Wohnraum geschaffen, der sowohl optisch als auch ökologisch überzeugt.
Das Haus ist ein herausragendes Beispiel dafür, wie innovative Bauweisen und Materialien die Zukunft des Wohnens gestalten können – stilvoll, langlebig und umweltfreundlich.
Drei Mal so groß wie der Central Park soll er werden: Aus New Yorks Müllkippe entsteht in Staten Island der Freshkills Park, eine idyllische Grünanlage, die auf mehreren Millionen Tonnen Müll gebaut wird. Doch ein solches Mammutprojekt benötigt Zeit, komplexe Technologie und Überzeugungsarbeit – denn vor allem die Unterstützung der Anwohner mussten sich die Projektverantwortlichen erst verdienen.
Text: Julia Pauss
Wenn man heute in Freshkills über die Wanderwege flaniert, im Moor Vögel beobachtet oder mit seiner Familie auf dem Rasen ein Picknick veranstaltet, fällt es schwer, sich vorzustellen, dass genau hier noch zu Beginn der 2000er Jahre Müllberge in der Höhe der Freiheitsstatue in den Himmel ragten. Zu ihren Hochzeiten in den 1980er Jahren nahm die Fresh Kills Deponie bis zu 26.000 Tonnen Abfall auf, pro Tag. Zwischen der Eröffnung im Jahr 1948 und der Schließung im Jahr 2001 ergibt das 150 Millionen Tonnen Müll. Darunter litt nicht nur die Natur, sondern auch die Anwohnerschaft: Fresh Kills war in Staten Island über Jahre hinweg in erster Linie aufgrund seines – vor allem im Sommer beinahe unerträglich beißenden Gestanks berüchtigt. Es war ein Ort, den man um jeden Preis mied, ein Schandfleck, nicht nur in ästhetischer, sondern auch in emotionaler Hinsicht. So diente Fresh Kills nach seiner offiziellen Schließung im März des Jahres 2001 auch als letzte Ruhestätte für den Bauschutt der Twin Towers nach den Terroranschlägen vom 11. September. 1,7 Millionen Stunden lang waren Forensiker und Polizisten in Schutzanzügen auf der Deponie tätig, um menschliche Überreste zu bergen. Ein tragisches, komplexes Erbe, das vielen New Yorkern schwer im Magen liegt und die ehemalige Deponie als ein Symbol der nationalen Trauer in die Geschichtsbücher eingehen ließ.
Die Müllkippe von New York
Einen solchen Ort in eine grüne, naturnahe Erholungsoase für Mensch und Tier zu verwandeln, ist kein Zuckerschlecken – dessen waren sich auch die Verantwortlichen bewusst. Freshkills Park ist nicht nur eine Herkulesaufgabe, die harte Arbeit, ausgeklügelte Technik, Bürokratie und Geduld erfordert, sondern auch ein Vorhaben, das vor allem in seinen Geburtsstunden bei den Anwohnern für deutliche Skepsis sorgte.
Im Gegensatz zum New Yorker Central Park, der als KultTreffpunkt in der Millionenmetropole gilt, wurde dem Freshkills Park nur wenig Begeisterung entgegengebracht. Während ein Teil der Bewohner des New Yorker Stadtteils Staten Island der Aufwertung ihrer Landschaft (und der Beseitigung des Gestanks) erleichtert entgegensahen, ließen sich andere nur schwer von der Nützlichkeit des Projekts überzeugen. Die Bedenken in Hinblick auf die Sicherheit waren vor allem zu Beginn der Arbeiten groß: Sorgen um Sickerwasser, aufsteigende Dämpfe und potenziell krebserregendes, wenn nicht sogar radioaktives Material dämpften die Begeisterung.
Und tatsächlich: Von heute auf morgen wird aus der einst größten Mülldeponie der Welt kein Freizeitparadies. Das liegt nicht nur an den baulichen Herausforderungen, sondern vor allem an den gesundheits- und umweltschädlichen Gasen und Giftstoffen, die von den 150 Millionen Tonnen Müll ausgehen – egal, ob er unter der Erde liegt, oder nicht.
Und auch das Ökosystem von Freshkills Park musste von Grund auf neu aufgebaut werden, denn der Schaden, den die Deponie für die Umwelt, die umgebende Natur und die Region hinterlassen hat, ist enorm. Bei der Eröffnung der Müllkippe in den 1940er Jahren, wurde der Bereich als wertloses Feuchtgebiet abgestempelt – tatsächlich handelte es sich aber um ein äußerst fruchtbares und nützliches Marschland, das als natürlicher Wasserfilter diente und vielen verschiedenen Pflanzen- und Tierarten eine Lebensgrundlage bot. Daher stammt im Übrigen auch der durchaus morbide anmutende Name: Fresh Kills (als Mülldeponie getrennt, als Park zusammengeschrieben) leitet sich aus dem mittelholländischen Wort „kille“ ab, das so viel wie Bach bedeutet.
Von frischem Wasser konnte in Fresh Kills allerdings lange Zeit nicht die Rede sein. Durch die massive Verschmutzung wurde die ansässige Flora und Fauna rasch verdrängt und hauptsächlich durch Schilfgras und Seemöwen ersetzt. Auch Ratten und streunende Hunde wurden von den Abfällen angezogen und entwickelten sich zusehends zum Problem für die Arbeiter auf der Deponie. In den späten 80er Jahren sorgte Fresh Kills sogar für eine Umweltkatastrophe. Bei der sogenannten „Spritzenflut“ wurde eine erhebliche Menge an medizinischem Abfall aus der Müllhalde an die Strände von Jersey Shore gespült. Die Stadt New York wurde damals mit einer Strafzahlung von über einer Million Dollar zur Kasse gebeten.
Der Central Park bekommt Konkurrenz
Die Wende kam schließlich im Jahr 2008. Aus der Fresh Kills Deponie sollte sieben Jahre nach ihrer Schließung der neue Freshkills Park werden. Ausgeschrieben wurde das Projekt als Designwettbewerb, bei dem James Corner Field Operations als Gewinner hervorging. Mit geplanten 890 Hektar Land soll das fertige Projekt dreimal so groß wie der Central Park werden und Platz für eine Vielzahl an Freizeitaktivitäten bieten. Auf verschiedenen Rad- und Wanderwegen, Reitpfaden, Sportplätzen und Kanu- beziehungsweise Kayakrouten können sich die Besucher sportlich betätigen. Auch die unidentifizierten Opfer des 11. Septembers sollen im Park angemessen gewür-
digt werden. Neben einem Denkmal wird für die letzte Ruhestätte der Twin Towers im noch geschlossenen West Mound ein eigener Bereich angelegt, der dem Gedenken und dem Erinnern dienen soll.
Für die Fertigstellung des Projekts ist das Jahr 2036 angesetzt, doch der erste Abschnitt, Schmul Park, wurde bereits im Jahr 2012 eröffnet. Im Oktober des Jahres 2023 wurde nun die erste Bauphase des nördlich gelegenen Teils, North Mound, beendet und das Gebiet für Besucher freigegeben. Abgesehen von einigen Informationstafeln ist von der Müllhalde hier nichts mehr zu erkennen und auch der Gestank, den viele New Yorker mit Freshkills assoziieren, ist längst verschwunden. Gäste können inzwischen über den malerischen Arc Path spazieren, den Aussichtsturm erklimmen und die neu angesiedelte Artenvielfalt bewundern, die sich anstatt der Seemöwen-Schwärme im Gelände angesiedelt hat. Für Mountainbiker führen getrennte Radwege durch die Anlage und wer sich von seinen sportlichen Betätigungen erholen möchte, kann dies in der energetisch autarken Comfort Station tun, wo es eine Kühlung, Toiletten und einen Zugang zu Trinkwasser gibt.
die nicht nur hochentzündlich und gesundheitsschädlich ist, sondern ebenfalls erheblich zum Treibhauseffekt beiträgt. Um dieses Problem zu lösen, wurde für Freshkills ein komplexes System entwickelt.
Im ersten Schritt musste dafür gesorgt werden, dass der Müll nicht nur versteckt, sondern sicher unter der Erde gelagert wird. Um die Emission von Gasen und Giftstoffen zu verhindern, wurde für den neuen Park daher eine komplexe Deckschicht entwickelt. Diese besteht aus verschiedenen Schichten mit unterschiedlichen Aufgaben: Zunächst wurde eine Unterschicht über den Müll gelegt, die den Abfall fixiert und das gewünschte Gefälle sichert.
DURCH EIN AUSGEKLÜGELTES
SYSTEM WERDEN SICKER-
WASSER
& DEPONIEGAS
ABGELEITET UND MITHILFE
EINER RÜCKGEWINNUNGSANLAGE WIEDERVERWERTET
Energieautonomie ist in Freshkills ein besonders wichtiges Thema: So werden sämtliche Einrichtungen auf dem Gelände durch eine Photovoltaikanlage mit grüner Sonnenenergie gespeist. Außerdem trägt der Park zur energetischen Versorgung New Yorks bei: Nach aktuellem Stand sollen bis zu 2000 Haushalte durch den Freshkills Park mit Solarstrom beliefert werden.
Müllberge stellen Entwickler vor Herausforderung
Während manche New Yorker die Umgestaltung der Müllkippe als positive Veränderung begrüßen, sehen andere der Vorstellung, über begrünte Hügel aus Abfall zu flanieren, skeptisch entgegen. Und tatsächlich sind die Sorgen um vorhandene Umweltgifte nicht unbegründet. Denn: Auch wenn sie unter saftigen Wiesen versteckt sind, zerfallen die Müllberge langsam unter der Erde. Dadurch entsteht Sickerwasser und Deponiegas, eine Mischung aus Methan und Kohlenstoffdioxid,
Anschließend musste eine Entgasungsschicht aus einem Geokomposit verlegt werden, durch die das Deponiegas abgeleitet werden kann. Darüber liegt eine hydraulische Barriere, die Regen- und Sickerwasser abfängt, den Müll vor Feuchtigkeit schützt und das Austreten von Schadstoffen verhindert. Darauf folgt eine DrainageSchicht, die den Wasserdruck auf die hydraulische Barriere reduziert und die Reibungskraft erhöht, wodurch ein Abrutschen der Abdeckung verhindert wird. Um Risse in der Barriere zu vermeiden, befindet sich über der Drainageschicht eine zusätzliche Barriereschutzschicht aus Erde, die überschüssiges Wasser abfängt. Darüber liegt schließlich eine letzte fruchtbare Erdschicht aus sandigem Lehm, die Gras, Büschen und Bäumen reichlich Nährstoffe liefert. Das dichte Netzwerk aus Wurzeln sorgt für zusätzliche Stabilität.
Im nächsten Schritt musste dafür gesorgt werden, dass die Giftstoffe, die von dem eingeschlossenen Müll unter der Erde entstehen, sicher abgeleitet werden. Denn es kann bis zu 30 Jahre dauern, bis der Abfall unter den Hügeln von Freshkills kein Deponiegas und kein Sickerwasser mehr abgibt. Um die Gefährdung zu dämmen, wird das entstehende Deponiegas in Freshkills durch ein Netzwerk aus Brunnen und Rohren unter der Erde abgeleitet und gesammelt und anschließend entweder verbrannt oder in einer Rückgewinnungsanlage vor Ort für die Nutzung in Haushalten umgewandelt. Ein zusätzlicher Sicherheitsmechanismus verhindert, dass das Gas abseits des Parks austreten kann. Ähnlich wird auch
12.000 TONNEN
HAUSMÜLL PRODUZIERT
NEW YORK CITY DURCHSCHNITTLICH PRO TAG
150 MIO. TONNEN
MÜLL WURDEN IN ÜBER 50
JAHREN AUF DER DEPONIE EINGELAGERT
890 HEKTAR
LAND SOLL DER FERTIGGESTELLTE FRESHKILLS PARK BETRAGEN
1,4 MIO DOLLAR
SIND FÜR DAS GESAMTPROJEKT EINGEPLANT
das Sickerwasser abgefangen, gesammelt und gereinigt, bevor es als sauberes Wasser zurück in die Natur geleitet wird. Dadurch können die Gasemissionen und Giftstoffe in Freshkills beinahe vollständig reduziert werden. Auch eine Gefährdung durch Strahlung ist ausgeschlossen – denn entgegen den Sorgen der Bevölkerung enthielt Fresh Kills kein radioaktives Material.
Ein teurer Hoffnungsschimmer
Die Neugeburt der Mülldeponie als Park ist kein einfaches Unterfangen – und definitiv kein günstiges. Bereits mehrere hundert Millionen Dollar hat die Stadt in das Projekt investiert, und noch ist der Park nicht vollendet. Die geschätzten Gesamtkosten belaufen sich auf 1.4 Milliarden. Und auch die jährliche Erhaltung von Freshkills schlägt laut Schätzung mit 30 bis 60 Millionen Dollar zu Buche – was allerdings noch immer weniger ist als die 74 Millionen, die der Central Park die Stadt New York jedes Jahr kostet. Bedenkt man die Größe des Parks und die Tatsache, dass er die Stadt mit Energie versorgt, ist dies vorerst keine schlechte Bilanz.
Für die Umwelt und die Gesundheit der Gäste besteht in Freshkills längst keine Gefahr mehr. Doch mit dem Image des Parks ist es ähnlich wie mit dem Ökosystem: Die Grundlage ist geschaffen, aber bis man sich von dem Schaden durch den Gestank, den Müll und die damit verbundenen Giftstoffe vollständig erholt hat, werden vermutlich noch einige Jahre vergehen müssen. Nichtsdestotrotz stellt dieses Projekt unter Beweis, dass Veränderung möglich ist - dass selbst aus den trostlosesten Orten dieser Welt etwas Positives entstehen kann.
Ein bitterer Nachgeschmack bleibt aber zweifelsohne, denn auch wenn Freshkills nicht länger als Mülldeponie dient, und die Spuren der schweren Verschmutzung Schritt für Schritt beseitigt werden bzw. verschwinden, so ist die Ursache für das alles doch nicht behoben. 12.000 Tonnen Haushaltsmüll produziert New York City jeden Tag – und da die Fresh Kills Deponie nicht länger existiert, wird dieser nun zu anderen Müllhalden außerhalb des Staates New York transportiert. Dadurch entstehen nicht nur vermehrt Treibhausgasemissionen, sondern auch jährliche Kosten in der Höhe von 300 bis 400 Millionen Dollar. Um zu verhindern, dass in der Zukunft weitere Projekte wie Freshkills nötig werden, arbeitet die Stadt New York laut der Webseite des Parks jedoch bereits aktiv an nachhaltigeren Lösungen für den Müll der Millionenmetropole.
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Extremwetterereignisse, Hitze und Trockenheit, Überflutungen.
Gerade die urbanen Gebiete spüren die Auswirkungen des Klimawandels und die Folgen von jahrzehntelanger Flächenversiegelung und Verbauung zunehmend. Ein Instrumentarium dagegen: Schwammstädte.
Text: Veronika Kober
Verschiedene Technologien und Methoden zur Realisierung von Schwammstädten werden bereits weltweit umgesetzt. In Peking wurde das Konzept offiziell in das Stadtentwicklungsprogramm aufgenommen, um die städtischen Überschwemmungen zu bekämpfen. Die Stadt verfügt über Dutzende von Projekten, von Gründächern bis hin zu speziell angelegten Parks, die als temporäre Wasserreservoirs dienen.
Einfach gesagt sind Schwammstädte Städte, die temporär Wasser speichern können, um es in Hitzeperioden wieder abzugeben und somit die Umgebungsluft, Gebäude und Böden zu kühlen. Ursprünglich in Stockholm entwickelt, zielt das Konzept darauf ab, lokale Starkregengüsse, wie sie in den letzten Jahren vermehrt auftreten, besser aufzunehmen und zu speichern, anstatt sie – so die Menge überhaupt bewältigt werden kann – ungenutzt im Kanal verschwinden zu lassen. Neben dem Prinzip der Niederschlagslenkung setzt die Schwammstadt auf Renaturierung, Entsiegelung, Weiternutzung von Regenwasser und natürliche Kühlung durch Begrünung.
Was macht eine Stadt zur Schwammstadt?
Weg von Beton und Asphalt, hin zu mehr Grün. Weniger Parkgaragen unter Innenhöfen, mehr Parks, Grünflächen und Feuchtgebiete, die zur Not auch als Überflutungsflächen dienen
sowie Hitzeinseln vermeiden. Allein die Verringerung der Anzahl harter Oberflächen und die Vergrößerung der absorbierenden Flächen, insbesondere der Grünflächen, kann einen erheblichen Beitrag zur Verringerung der Schwere und Häufigkeit von Überschwemmungsereignissen einerseits und Überhitzung andererseits leisten. Dazu effiziente Kanalisations- und Speichersysteme und die Einrichtung von Teichen und Seen, die auch einen Teil des überschüssigen Niederschlags aufnehmen können.
Während sich in Neubaugebieten die Ideen der Schwammstadt zu einem klimaverträglicheren Wassermanagement von Anfang an mitdenken und umsetzen lassen, sind die Herausforderungen bei bestehenden Innenstädten umso größer. Doch auch hier kann gehandelt werden: Zum Beispiel mit der Begrünung von Dächern und Fassaden, mit der Schaffung bepflanzter innerstädtischer Flächen oder mit der Integration von Versickerungsmulden und Rigolen. Im Idealfall wird das Regenwasser
dort aufgenommen und gespeichert, wo es fällt. Die Verdunstung reguliert dann das Mikroklima und die Außentemperaturen, was im Sommer kühlend und im Winter schützend vor Kälte wirkt.
Örtliche & bauliche Herausforderungen im Bestand
Wie bereits erwähnt, birgt die Integration des SchwammstadtKonzeptes in bestehende städtische Strukturen eine Reihe von Herausforderungen. Die alten Kanalisationssysteme sind oft nicht auf die temporäre Speicherung von Wasser ausgelegt, und (zu) viele Flächen sind bereits versiegelt. Oftmals sind dann kreative Lösungen wie die partielle Entfernung von Asphaltflächen oder die Installation von unterirdischen Speicher- und Filtrationssystemen gefragt. Zudem sind eine Sensibilisierung und aktive Einbeziehung der Stadtbevölkerung notwendig, um Akzeptanz für die teils tiefgreifenden Veränderungen im Stadtbild zu schaffen.
Erstmals großflächig in Österreich eingesetzt wurde das Schwammstadt-Prinzip in der Seestadt Aspern. Insgesamt 22.000 Quadratmeter der öffentlichen Straßen wurden hier als Schwammstadt geplant. Die Bäume sind in großzügigen Baumscheiben platziert, während sich unter den versiegelten Flächen wie Fahrbahnen, Geh- und Radwegen ein Skelettsubstrat aus groben und feinen Körnungen befindet, wo das Wasser gesammelt und gespeichert werden kann.
Erstes und wichtigstes Qualitätskriterium der Schwammstadt ist der Stadtbaum. Er ist ein wichtiges „Werkzeug“ gegen die Auswirkungen des Klimawandels und für die Vermeidung urbaner Hitzeinseln. In einer funktionierenden Schwammstadt wird die gesunde Entwicklung großkroniger Bäume ermöglicht und zugleich unterirdischer Retentionsraum für Niederschlagswässer geschaffen. Die Niederschläge werden direkt zu den Baumwurzeln geleitet. Im Idealfall wird der Baum so ohne zusätzliche manuelle Bewässerung auch über längere Trockenperioden mit Feuchtigkeit versorgt. So weit, so gut. Seine volle Kraft erreicht ein Baum aber erst nach 30 Jahren, wenn die Baumkrone und der damit in direktem Zusammenhang stehende Wurzelraum entsprechend groß sind. Und dafür braucht er Platz. Je mehr Wurzelraum zur Verfügung steht, desto größer kann seine Krone werden. In den Schwammstadt-Richtlinien sind dafür zumindest 36 m³ pro Baum vorgesehen. Im innerstädtischen Bestand ist so viel
1. VersickeRung:
Die Fähigkeit des Bodens, Wasser aufzunehmen, wird durch die Schaffung von Grünflächen, Parks, Gärten und anderen permeablen Flächen verbessert. Dadurch wird verhindert, dass Regenwasser schnell abfließt und stattdessen in den Boden eindringt, wo es natürlich gefiltert und gespeichert werden kann.
Die Schwammstadt basiert auf mehreren Schlüsselstrategien, die dazu beitragen, Wasserzyklen in urbanen Umgebungen zu optimieren:
2. SpeicherUng:
Zusätzliche Wasserspeicher, wie z. B. künstlich angelegte Teiche, Regenwassersammelbehälter oder unterirdische Reservoirs, sammeln Überschusswasser, das bei Bedarf für die Bewässerung oder andere Zwecke genutzt werden kann.
3. ReinigunG:
Bevor das Wasser in Flüsse oder Seen zurückgeführt oder für die Bewässerung wiederverwendet wird, durchläuft es natürliche oder künstliche Filtrationsprozesse, um Schadstoffe zu entfernen und die Wasserqualität zu verbessern.
4. WiederveRwendung:
Das gesammelte Regenwasser wird für unterschiedliche Zwecke genutzt, einschließlich Bewässerung, Haushaltsgebrauch oder zur Auffüllung des Grundwasserspiegels, womit eine effiziente Nutzung der Wasserressourcen gewährleistet wird.
Raum pro Baum aber ganz oft nicht vorhanden. Der Baumbestand in unseren Städten und Gemeinden weist daher sehr oft viel zu kleine Baumscheiben auf, es wird ungeeignetes Substrat eingesetzt, der Boden ist zu stark verdichtet und zu allem Überfluss ist das Straßenwasser schadstoffbelastet. Natürliches, gesundes und effizientes Wachstum ist in diesem Setting nicht möglich. Die Bäume bleiben schon nach wenigen Jahren in ihrer Entwicklung stecken, brauchen viel mehr Pflege als von der Natur vorgesehen und sterben nach spätestens 20, 25 Jahren ab. Deshalb werden in der Schwammstadt die Baumscheiben an der Oberfläche bewusst kleiner gehalten, indem den Bäumen das für ein gesundes Wachstum nötige Wasser und Luft einfach unterirdisch zur Verfügung gestellt werden. So kommt es zu keiner Flächenkonkurrenz im öffentlichen Raum und der Stadtbaum als solcher hat größere Überlebenschancen.
Im Sonnwendviertel im 10. Wiener Gemeindebezirk werden Schwammstadt-Prinzipien wie durchlässige Straßenpflasterungen und die Anlage von Dachgärten konsequent umgesetzt, um Regenwasser zu sammeln und natürlich zu filtern. Diese Maßnahmen helfen dabei, die Kanalisation zu entlasten und die Hitzeinselwirkung in der Stadt zu reduzieren.
Planung & Bau von neuen Schwammstädten
Die Schwammstadt ist nicht ein auf dem Reißbrett entstandenes starres Konzept, sondern immer ein Konglomerat aus lokalspezifischen Maßnahmen, die idealerweise mit den regional verfügbaren Materialien realisiert und an den Straßenraum, die Gelände- und Untergrundverhältnisse, den Wasserhaushalt sowie die lokalklimatischen Verhältnisse angepasst werden. Die Planung umfasst den Unterbau, die Bepflanzung und die Oberflächengestaltung.
Der Unterbau: Der Wurzelraum von Bäumen kann, ohne Schäden zu verursachen, unter befestigten Flächen (Gehwege, Parkplätze, Straßen) liegen. Dafür muss der Straßenunterbau eine geeignete Struktur aufweisen, die sowohl den technischen Anforderungen des Straßenbaus als auch den biologischen Ansprüchen von Bäumen gerecht wird. Zusätzlicher positiver Effekt ist die Schaffung von Retentionsraum für Niederschlags-
Projekt Grauwasser
Österreichs erste implementierte Anlage zur innovativen Grauwasserverwertung im Rahmen einer Wiener Altbau-Sanierung geht in Betrieb. Das Gründerzeithaus in der Kauergasse 2 fungiert ab sofort als Leuchtturm-Projekt, das auch für interessierte Personen als Anschauungsobjekt zur Verfügung steht.
Das Projekt „Kauergasse 2“ ist Teil des durch den Klima- und Energiefonds im Rahmen einer SmartCity-Initiative in Kooperation mit dem Klimaschutzministerium geförderten Forschungsprojektes. Es ist das inzwischen dritte Gründerzeithaus in Wien, das nach dem Standard EnerPHit thermisch saniert wurde, einem Standard für die Sanierung von Altbauten auf Passivhausniveau.
Gebäudedaten:
• Baujahr: 1895
• EnerPHit-Sanierung: 2023
• Bruttogrundfläche 4.232m2
Die Sanierung des 1895 errichteten Gebäudes in der Kauergasse 2 wurde im April finalisiert. Es besteht aus 31 Wohnungen und vier Betriebseinheiten im Erdgeschoß. In dem Gebäude wurde eine Dach- und Fassadenbegrünung implementiert und es kommt eine sogenannte Grauwasseranlage zum Einsatz: Aus wenig verschmutztem Abwasser wird Wärme für Warmwasser gewonnen und für WC-Spülungen und Bewässerung wiederaufbereitet sowie zur Raumkühlung genutzt. Zusätzlich wurde ein Dachgeschossaufbau in Holzbauweise umgesetzt sowie eine PV-Anlage mit 17 kWp installiert. Die Energieversorgung des gesamten Gebäudes wurde von dezentralen Gasthermen auf Fernwärme-Versorgung umgestellt. Das Projekt zeigt sehr gut, wie die Herausforderungen Dekarbonisierung und Senkung des Energieverbrauchs umsetzbar sind. Nicht nur, dass mit dem Projekt „Kauergasse 2“ die wirtschaftliche Machbarkeit und die sozial verträgliche Finanzierbarkeit der Maßnahmen einer derartigen Sanierung demonstriert werden konnten, zeigt die umfassende Sanierung auch auf, wie Begrünungsmaßnahmen das Mikroklima verbessern und wie durch lokal hergestellte Energie mittels PV-Anlage und Grauwasserverwertungsanlage der Energiebedarf maßgeblich gesenkt werden kann.
• HWB (PHPP): 24,2kWh/(m2.a)
• PER, PHPP (erneuerbar): 59,9kWh/(m2.a)
• Dachbegrünung: 125m2
• Begrünung Fassade: 78m2
• Photovoltaik: 17kWp
• Raus aus Gas
Mission
„Klimaneutrale Stadt“
Ausschreibung 2024: Technologien & Innovationen für die klimaneutrale Stadt
Für Einreichungen geöffnet bis: 26.09.2024, 12:00 Einen Leitfaden zur Ausschreibung und einen Link zur Einreichung gibt es hier:
wässer, was das Kanalsystem entlastet und die Bäume auch in Trockenperioden versorgt.
Raum für Wurzeln: An jenen Stellen, wo verstärktes Wurzelwachstum erwünscht ist, wird Grobschlag eingefüllt, eine spezielle Art grober Splitt mit einer engen Korngrößenverteilung, und verdichtet. Dieses „Fundament“ leitet die Belastungen, etwa vom Verkehr, in den Untergrund ab. In die größeren Hohlräume des Grobschlags wird ein Feinsubstrat aus mineralischen und organischen Bestandteilen eingebracht, welches für die Versorgung der Bäume zuständig ist. Was entsteht, ist ein durchwurzelbares Porensystem: Die groben Poren ermöglichen es der Luft und dem Wasser, in den Boden zu gelangen und sich dort zu verteilen, die feinen Poren halten das Wasser gegen die Schwerkraft und stellen den Pflanzen die nötige Feuchtigkeit zur Verfügung. Die Wurzeln von Stadtbäumen können so langfristig gut versorgt werden. Pro Baum sollte ein durchwurzelbares Volumen von mindestens 36 m³, besser mehr, gewährleistet werden.
Je mehr Platz den Wurzeln eingeräumt wird, desto größer ist aber die Gefahr, dass die Oberflächen-Infrastruktur beschädigt wird. Wurzeln gehen immer den Weg des geringsten Widerstandes. Aufgebrochene Straßenbeläge oder eingewachsene, undichte Leitungen sind das Ergebnis, wenn die Wurzeln eines Baumes nicht genügend Raum mit durchwurzelbarem Substrat finden und sich eben selbst Platz machen müssen. Da viele Einbauten in einem locker gelagerten Sand- oder Splittbett liegen, wachsen Wurzeln gerne auch dort entlang. Findet der Baum jedoch ausreichend Raum mit durchwurzelbarem Substrat, so sinkt die Wahrscheinlichkeit für beschädigte Infrastruktur maßgeblich.
mungen reduziert und die Gefahr von Schäden an Infrastruktur und Gebäuden minimiert. Das gesammelte Regenwasser kann als Grauwasser für Toilettenspülungen und Reinigungszwecke oder zur Bewäserung von Grünflächen genutzt werden. Damit müssen keine mitunter weit entfernten Quellen für die Wasserversorgung angezapft werden, um die Grundwasserreserven aufzufüllen.
Versickerung und Bewässerung: Bei der Zuleitung von belasteten Wässern von Fahrbahnen und Parkplätzen kann es erforderlich sein, das Wasser vor der Einleitung in den Untergrund zuerst in Grünmulden oder Versickerungsbeeten über sogenannte „Bodenfilter“, das sind durchlässige und bewachsene Böden, zu reinigen.
Vorteile einer Schwammstadt
Das Prinzip hat viele positive Folgen für urbane Gebiete: Durch die erhöhte Wasseraufnahmefähigkeit reduziert sich das Überschwemmungsrisiko. Die natürliche Filtration des Oberflächenwassers trägt zu einer verbesserten Wasserqualität bei. Die Flächen, die das Regenwasser lokal aufnehmen und speichern, entlasten die Kanalisation, was Überschwem-
Aktuelle Schwammstadt-Realisierungen
In Österreich gibt es mehrere Städte, die bereits Maßnahmen in Richtung Schwammstadt umsetzen, um effizienter mit Niederschlag umzugehen, die Versickerungsfähigkeit zu erhöhen und die natürliche Wasserretention in städtischen Gebieten zu verbessern. Hier ein paar aktuelle Beispiele neben der Seestadt Aspern und dem Sonnwendviertel in Wien.
Am Johann-Nepomuk-Vogl-Platz in Wien Währing wird das Regenwasser von der Oberfläche und von den Dächern der umgebenden Marktstände in den Wurzelraum der Bäume geleitet und dort gespeichert. Die Bäume auf dem Platz können sich so aus dem gespeicherten Regenwasser selbst versorgen, insbesondere während der immer heißeren Sommertage. Ein weiteres Projekt wird aktuell mit Betonpflastersteinen am Elisabeth-Sundt-Platz im Stadtentwicklungsgebiet Neues Landgut in Wien-Favoriten umgesetzt.
Die Smart City Graz ist ein klimaaktiver Modellstadtteil, in dem innovative Lösungen für eine nachhaltige Stadtentwicklung getestet und umgesetzt werden. Dazu gehören unter anderem Begrünungsprojekte, die Förderung von permeablen Oberflächen und die Schaffung von Wasserretentionsflächen. Diese Maßnahmen sollen laut Stadtregierung helfen, die Auswirkungen des Klimawandels abzumildern und die Lebensqualität in städtischen Gebieten zu verbessern.
In Attnang-Puchheim, der Ort gilt mittlerweile als „erste Schwammstadt“ Oberösterreichs, wurden im Zentrum an mehreren prominenten Stellen zahlreiche Bäume gesetzt. Im Zuge der Arbeiten wurden größere Pflanzgruben als üblich ausgehoben und mit einer Mischung aus Schotter und Baumsubstrat gefüllt, in denen Bäume besonders gut wurzeln können. Der wesentliche Vorteil liegt darin, dass die Schotter-SubstratMischung enorme Wassermengen aufnehmen kann – sich quasi vollsaugt. Auch deshalb, weil Oberflächenwasser über ein Rohr direkt eingeleitet wird. Bei Starkregen wird auf diese Weise viel Wasser gebunden, das in Trockenperioden dann den Bäumen zur Verfügung steht.
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CO -neutraler Beton & Biozement
Dass die Betonindustrie ein Problem hat, wenn es um ihren ökologischen Fußabdruck geht, ist wohl unbestritten. Dass sie daran etwas ändern möchte, aber auch. Zahlreiche Forscherteams, Wissenschaftler und Techniker arbeiten hart daran, CO2-neutrale Alternativen und mögliche Ersatzmaterialien bzw. -techniken zu entwickeln, die Beton und vor allem seine Herstellung umweltfreundlicher und zukunftsfähiger machen. So haben wir in dieser Rubrik zum Beispiel schon darüber berichtet, wie Wissenschaftler daran forschen, Wüstensand geeignet für die Zementherstellung zu machen.
Heute schauen wir uns die Arbeit von ein paar US-Forschern der University of Colorado und ihrer Firma Prometheus Materials an, die sich am Photosynthese-Prinzip von Muscheln und Algen orientieren, die seit jeher völlig CO 2neutral, lediglich mit der Hilfe von Wasser, Luft und Sonne, ökologische Baustoffe herstellen. Die Forscher haben auf Basis dessen ein Verfahren entwickelt, bei dem man mithilfe von Mikroalgen und Bakterien Biobeton herstellt. Für Beton essenziell ist die Zugabe von Zement, ein Gemisch aus Kalk-
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stein und Ton, das vermahlen, getrocknet und dann gebrannt wird. Die Herstellung von Zement ist das größte Problem der Betonindustrie und verantwortlich für knapp 8 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen. Bindet man nun, wie bei Prometheus Materials, Bakterien in die Herstellung mit ein, binden diese das entstehende CO 2, und was entsteht ist Biobeton.
Fassaden aus Algen
Geht es nach dem im Jahr 2018 als Start-up gegründeten mexikanischen Climate-Tech-Unternehmen Greenfluidics werden wir in Zukunft keine Beton- und Glasfassaden mehr sehen, sondern mit grünen Solarpaneelen verkleidete Gebäudefronten, ja ganze Algenhäuser. In den biologischen Solarpaneelen wachsen Mikroalgen, die mithilfe von Sonnenlicht wachsen und CO2 binden, welches sie zu reinem Sauerstoff umwandeln. Das Algenwasser speichert die entstehende Wärme und dient im Sommer als Klimaanlage. Die Algenpaneele müssen lediglich regelmäßig bewässert werden und gen Süden gerichtet sein. Denn: Und das ist das zurzeit noch große Manko an der Sache, Algen brauchen viel Licht und Sonne zum Wachsen. Je mehr Sonne, desto schneller wachsen sie und desto mehr CO2 binden sie, das geht bis zum doppelten ihres eigenen Gewichtes. Der Energieertrag an trüben oder regnerischen Tagen ist hingegen quasi null. Die Forscher von Greenfluidics haben aber auch dafür einen Lösungsansatz. Und zwar versetzen sie das Algenwasser mit speziellen Nanofluiden. Das sind winzige Kohlenstoff-Partikel, die die Wärmeleitfähigkeit und damit in weiterer Folge auch die erzeugte Strommenge erhöhen.
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Wenn das Dach Energie erzeugt
Die PREFALZ-Solarlösung von PREFA ist eine innovative Kombination aus PV-Modulen und einer speziellen Unterkonstruktion, passend für die Dachbahnen aus der Produktlinie. Das besonders widerstandsfähige System trotzt allen Umwelteinflüssen. Die eigens konzipierten Glas-/Glas-PV-Module sind langlebig und halten hohen mechanischen Belastungen stand, sei es durch Hagel, Sturm oder Schneelast. In Sachen Effizienz kann sich dieses System sehen lassen. Mit einer um 10 Prozent höheren Leistung im Vergleich zur herkömmlichen PERC-Zelle setzen die TOPConZellen einen neuen Standard. Sie wandeln mehr Sonnenlicht in Strom um, selbst bei diffusen Lichtverhältnissen, was insgesamt zu einem höheren Ertrag führt. Die erzeugte Energie kann direkt genutzt, ins Netz eingespeist oder gespeichert werden.
Die Solarmodule PREFALZ sind in Schwarz erhältlich und werden passend mit den speziell entwickelten, schwarz eloxierten Modulklemmen ausgeliefert. Mit diesen werden die Solarmodule PREFALZ direkt auf den Stehfälzen befestigt, es braucht daher keine Durchdringung der Dacheindeckung durch Schrauben und andere Bauteile.
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Vor gut zehn Jahren stellten Baumschlager Eberle Architekten einen Gebäudestandard vor, in dem ein altbekanntes Material und altbewährte architektonische Maßnahmen hochmoderne Haustechnik ausspielen.
Wärmepumpe, Klimaanlage und mechanische Wohnraumlüftung sucht man im 2226-Gebäude vergeblich, es heizt, kühlt und belüftet sich selbst. Wir haben einen Blick auf das Gegenmodell zum Hightechhaus geworfen.
Text: Isabella Pils
Bauen soll, ja muss klimaschonender werden. Vom Ziegelproduzenten bis zum Baumaschinenhersteller versucht sich so gut wie jeder in der Branche an klimarettenden Technologien. Vielen gilt der technische Fortschritt gar als der Heilsbringer. Doch Technik allein wird die unzähligen klimarelevanten Probleme, die im Zusammenhang mit dem Bauen stehen, nicht lösen. Geht es nach dem österreichischen Architektenbüro Baumschlager Eberle, braucht es sie überhaupt nur bedingt. In ihren 2226-Gebäuden gibt es keine Technik, besser gesagt keinerlei konventionelle Haustechnik. Ersetzt wird sie durch hohe Speichermasse, klug proportionierte Fenster- und Wandflächen, die einen optimalen Tageslichteinfall zulassen, große Raumhöhen- und Raumtiefen, naturbelassene Materialien sowie durch eine exakt berechnete Steuerung der Energieströme im Gebäude. Anders gesagt: Heizung, Kühlung und Lüftung werden nicht wie heute üblich an Hightechgeräte ausgelagert, die Aufgaben werden an die Architektur rückdelegiert. Die intelligente Technik steckt quasi im Bau selbst, in seinen Wänden und Decken, im Grundriss, in der Kalkputzfassade.
Für das Heizen macht sich das 2226-Gebäude alles im Gebäudeinneren zunutze, was konstant Wärme abgibt. Und davon gibt es genug: Kühlschrank, Computer, Kopierer, Kaffeemaschine und was sonst noch an Elektrogeräten im Haus vorhanden ist sowie Decken-, Wand- und Steh-
leuchten und die Personen, die sich im Gebäude aufhalten. Denn auch sie heizen mit der körpereigenen Wärmeabstrahlung das Gebäude mit. Diese liegt pro Kopf bei durchschnittlich 80 Watt – genauso viel wie Beleuchtung und Elektrogeräte abgeben. An Wärmequellen mangelt es also nicht. Um die Temperatur in den Innenräumen aber auch stabil zu halten, setzt man ganz unspektakulär auf einen alten Bekannten, den Ziegelstein. Die massiven zweischaligen Außenwände speichern die im Haus entstehende Wärme und geben sie zeitverzögert wieder an die Innenräume ab. Im Sommer hingegen erhitzt sich das Mauerwerk nur sehr langsam, wodurch es in den Innenräumen länger kühl bleibt. Wärmedämmung gibt es keine. „Der Ziegel funktioniert wie eine natürliche Klimaanlage“, erklärt Johann Marchner, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich. Der Ziegelhersteller arbeitete für das 2226-Gebäude eng mit Baumschlager Eberle Architekten zusammen. Zum Einsatz kommen hochdämmende Ziegelsteine mit hoher Druckbelastung und hohem U-Wert.
Software ersetzt Hardware
Die Gebäudemasse als Wärmespeicher ist das eine, die andere wichtige Gebäudekomponente des Konzepts, das eigentliche Herzstück, ist das intelligente Steuerungssystem 2226 Operating System. Ihm liegen umfangreiche bauphysikalische Simulationen und aufwendig berechnete Optimierungsalgorithmen zugrunde, welche nicht lineare und komplexe Probleme lösen können. Die sich selbst optimierende Software reguliert die natürlich vorhandenen Energieströme im Gebäude, wertet die Daten zu Temperatur, CO2-Level und Luftfeuchtigkeit in Echtzeit aus und kontrolliert so konstant die Raumbedingungen. Zum Beispiel sorgen motorisierte
Dank einer Raumhöhe von 3,40 Metern und bodentiefen Fenstern verteilt sich viel Tageslicht gleichmäßig in den Büroräumen des 2226-Gebäudes in Lustenau. Ergänzt wird die Lichtlösung mit dezenten Lichtleisten, deren extrem schlanke Bauform die Architektur des Gebäudes unterstreicht.
Lüftungsflügel das ganze Jahr über für Frischluft. Sie öffnen und schließen sich, je nachdem, ob die definierten Grenzwerte im Raum überstiegen oder unterschritten werden. Optimalerweise liegt die Raumtemperatur dann konstant zwischen angenehmen 22 bis 26 Grad Celsius. Die Zahlenkombination 2226 im Namen des Konzepts kommt also nicht von ungefähr, sie ist Programm. Vorausgesetzt, der Mensch macht dem ausgeklügelten System keinen Strich durch die Rechnung – die Sensoren des Klimasystems lassen sich nämlich über die kleinen in die Putzwände eingelassenen Touchscreens übersteuern und die Lüftungsflügel können auch individuell von Hand bedient werden. Über Stunden gekippte Fenster im Winter gibt’s im 2226-Gebäude aber nicht, die Software übernimmt dort, wo der Mensch fehleranfällig ist. „Sie müssen sich das Haus wie einen Baum vorstellen, es atmet selbst und reagiert auf das, was drinnen und draußen passiert“, erklärt Architekt Dietmar Eberle das Prinzip der Bauweise.
Das erste 2226-Wohnhaus in Dornbirn hat ein Untergeschoß aus Beton, der oberirdische Baukörper ist eine Ziegelkonstruktion mit grau melierter Kalkputzfassade. Die massiven Außenwände sorgen für Wohlfühlklima im Innenraum, der mineralische Putz für die Diffusion nach draußen.
Königsdisziplin Wohnungsbau
Der viel beachtete Prototyp der 2226-Bauweise ist der 2013 errichtete Firmensitz von Baumschlager Eberle, der seit nunmehr zehn Jahren ohne technische Installationen für Heizung, Kühlung und Lüftung auskommt. Dem knapp 2.500 Quadratmeter großen Multifunktionsgebäude, das neben weiteren Büros auch eine Cafeteria und eine Galerie beherbergt, folgten ein Therapiezentrum in Lingenau in Vorarlberg und das Haus Emmenweid im schweizerischen Emmen. Seit 2020 beschränkt sich das Konzept nicht mehr nur auf Gewerbeprojekte. In Dornbirn realisierten Baumschlager Eberle mit dem „Haus 2226 Graf“ das erste größere Wohngebäude in der 2226-Bauweise. Dabei wurde das Konzept nicht eins zu eins auf das neue Wohngebäude übertragen – das ein oder andere Detail musste auf die abweichenden Nutzungsanforderungen angepasst werden. Wie auch seine Vorgänger wurde der Mehrgeschoßer mit acht Wohneinheiten ohne konventionelle Heizung, Kühlung und Lüftung geplant. Für die Temperaturstabilität des Gebäudes sorgen ein statisches und ein isolierendes Ziegelmauerwerk, beide jeweils 38 Zentimeter dick. Die damit fast 80 Zentimeter dicken Außenwände garantieren eine hohe Speicherfähigkeit. Anders als die Bürokomplexe in Lustenau oder Emmen wurden Wohnräume trotzdem mit Infrarot-Heizflächen ausgestattet. Laut Architekt Eberle eine Art Notfallsystem, falls es doch einmal zu kalt wird. Die nötig gewordene Zusatzheizung ist dem Umstand geschuldet, dass sich in einem Wohngebäude einfach weniger Menschen gleichzeitig aufhalten und so auch der Energieeintrag niedriger ausfällt als in tagsüber vollen Büros. Der Strom für die Infrarotpaneele kommt von der PV-Anlage auf dem Dach, mit der auch der Warmwasserbedarf in den Wohneinheiten abgedeckt wird. Ganz ohne moderne Haustechnik geht’s dann wohl doch nicht, aber warum sollte es auch? Sonnenkollektoren auf dem Dach, die PV-Anlage an der Fassade, die mechanische Lüftungsanlage im Abstellraum, die Wärmepumpe im Keller – das energieeffiziente Haus von heute ist voller Haustechnik. Ihr Einsatz wird in Österreich nicht nur finanziell vom Staat stark gefördert, sondern teils sogar zur Bedingung gemacht, damit der Neubau überhaupt als förderwürdig eingestuft wird. Warum also auf die neueste Technik verzichten? Stephan Marending vom Büro Baumschlager Eberle Zürich gibt in einem Vortrag für „Heinze Architektour“ zu bedenken, dass die zunehmende Technisierung der Gebäude durchaus zu Problemen führe. Die Haustechnik sei teuer, wartungsintensiv und werde immer komplexer, Komfort und Wohlbefinden der Bewohner stiegen aber nicht im gleichen Ausmaß. Das 2226-Prinzip will es genau andersherum: mehr Komfort mit weniger technischem Aufwand. Geht es nach Baumschlager Eberle Architekten, ist das Haus der Zukunft also nicht frei von Technik, sie wird nur sparsamer eingesetzt, um so den Aufwand für Planung, Beschaffung und Wartung gegen null zu senken und Energieverbrauch und Betriebskosten so niedrig wie möglich zu halten. Die Zahlen zum
Bürogebäude in Lustenau können sich sehen lassen: Im Vergleich zum Standardgebäude waren die Bau- und Investitionskosten um 25 Prozent niedriger, im Betrieb verbraucht es 68 Prozent weniger Energie.
Das alles darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Energieeffizienz allein aus dem 2226-Gebäude noch lang kein Vorzeige-Ökohaus macht. Die Klimaziele verlangen neuen Gebäude um einiges mehr ab, sie müssen suffizient sein, also graue Energie so weit wie möglich reduzieren, und auch nach ihrem Lebensende Klima und Umwelt nicht belasten. Häuser aus Ziegel leisten das Stand heute nur bedingt. Ziegel werden aus fossilen Brennstoffen energieintensiv hergestellt und nur zu einem geringen Teil in den Kreislauf zurückgeführt. Aktuell werden ungefähr 15 bis 30 Prozent wiederverwendet. Für die 2226-Bauweise griff man dennoch zum Ziegel. Architekt Dietmar Eberle über die Materialwahl: „Ziegel hat sich in mehrfacher Hinsicht bewährt, er verbindet die statischen Eigenschaften mit den Qualitäten der Wärmedämmung. Das älteste Fertigteilprodukt der Welt ist diffusionsoffen, sodass aufwendige Dampfbremsen vermieden werden können. Außerdem ist Ziegel aus handwerklicher Sicht beliebt, weil er problemlos verbaut werden kann. Das ist besonders wichtig in Bezug auf die Recyclingfähigkeit von Gebäuden.“ Verbundwerkstoffe kommen bei den Gebäuden nach dem Prinzip 2226 keine zum Einsatz, die verwendeten Materialien können im Fall eines Abbruchs also für neue Bauten wiederverwendet werden. Die Lebenszykluskosten für das Bürohaus Lustenau sind um rund die Hälfte niedriger als in einem vergleichbaren Standardgebäude, weil die Haustechnik weder gewartet noch nach einer durchschnittlichen Halbwertszeit von zehn bis 15 Jahren ersetzt werden muss.
Mit, aber noch nicht in Masse gebaut
Angelegt ist die Lebensdauer der 2226-Gebäude auf 200 Jahre. Bis das Erstprojekt von Baumschlager Eberle dieses stattliche Alter erreicht, dauert es also noch eine Weile. 2023 wurde es zehn Jahre alt. Der große Durchbruch wollte der 2226-Bauweise bislang noch nicht so recht gelingen, jetzt soll es aber so weit sein. Sie sei „mittlerweile ausgereift und massentauglich“, so Axel Meier, Geschäftsführer der 2226 GmbH, die die Bauvorhaben nach dem innovativen Prinzip betreut und das intelligente Steuerungssystem vertreibt. Aktuell befinden sich mehrere Gebäude nach dem 2226-Prinzip in Bau oder in der Planungsphase. Noch 2024 fertiggestellt werden soll das Projekt Robin, ein Workspace bestehend aus drei Lowtechhäusern in der Seestadt Aspern in Wien. In Zürich entsteht gerade ein Büro-, Gewerbe- und Laborkomplex mit einer Fläche von 18.000 Quadratmetern – das bislang größte Projekt in der 2226-Bauweise. Bei Pilotprojekten wie diesen soll es nicht bleiben, in naher Zukunft hofft man, Stadtentwicklungsprojekte umsetzen zu können. Aber auch sie sind nur ein Etappenziel. Verwirklicht wäre die Vision mit einer Stadt aus den Technik-Asketen.
Teuflisch gut
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UTOPIE GEMEINDEBAU
Was in Paris die cités in den banlieues, in Berlin die Plattenbausiedlungen und in London die council flats, sind in Wien die Gemeindebauten. Anders als ihre Pendants in Europa macht der Wiener Sozialbau positive Schlagzeilen. Vieles scheint hier besser zu gelingen. Ist das hiesige Wohnmodell der Königsweg zur Lösung der europaweiten Wohnungskrise?
Text: Isabella Pils
Jahr für Jahr reisen Millionen von Menschen aus aller Welt nach Wien. Schönbrunn, Hofburg und Belvedere sind echte Besuchermagneten, diverse internationale Rankings, die Wien jedes Jahr aufs Neue in den Top Ten der lebenswertesten Städte sehen, wecken die Neugier auf das Wiener Lebensgefühl. Unter die kultur- und erlebnishungrigen Touristen mischen sich aber auch Menschen, die es weder auf das eine noch auf das andere abgesehen haben. So wie Tom Copley. Er ist Vizebürgermeister von London und für den Wohnbau in der Neun -Millionen-Metropole zuständig. Gemeinsam mit seiner österreichischen Kollegin Wohnbaustadträtin und Vizebürgermeisterin Kathrin Gaál besichtigte er im März 2024 den Reumannhof, einen seit 1926 bestehenden Gemeindebau, das Quartier Wolfganggasse und das Sonnwendviertel, zwei neuere Wohnbauprojekte der Stadt. Warum? Copley möchte sich von Wien etwas abschauen. Denn in seiner Heimatstadt kracht es im Gebälk. Eine der reichsten Städte der Welt steckt in einer tiefen Krise, es gibt zu wenig Wohnraum, die Wartelisten für Sozialwohnungen werden
immer länger, die Obdachlosenzahlen steigen seit Jahren. Seit 2018 versucht man mit einer Wohnraumstrategie den Bestand aufzubauen, den man einst verscherbelte. Bis heute spüren die Briten die Folgen des 1980 von der Regierung Thatcher erwirkten Right-to-Buy-Gesetzes, auf dessen Grundlage Hunderttausende Wohnungen im Land privatisiert wurden. Ihre Mieten sind heute mehr als doppelt so hoch wie jene im Sozialbau. Eine Situation, in die sich nicht nur die Briten hineinmanövriert haben. Regelmäßig pilgern Politiker und Fachexperten in die Bundeshauptstadt, um vom Wiener Modell zu lernen. Besonderes Interesse zeigten laut der Stadt Wien deutsche Großstädte. Denn auch in Berlin, Köln und München nagt man an wohnungspolitischen Fehlern der Vergangenheit.
Kein Geschäft mit dem Wohnen Was hat Wien anders gemacht? Um das herauszufinden, lohnt der Blick gut 100 Jahre zurück: Um 1920 ist die Stadt vom Krieg gezeichnet, kaum anderswo in Europa ist die Wohnsituation so angespannt wie hier. Viele der knapp zwei Millionen Einwohner sind obdachlos, wer ein Dach
über dem Kopf hat, haust in einer selbst gebauten Hütte in den illegalen „Bretteldörfern“ am Stadtrand oder in einer winzigen Bassenawohnung ohne Toilette und Wasseranschluss. Bis zu zehn Personen teilen sich 22 bis 28 Quadratmeter, viele finanzieren die hohe Miete, indem sie ihr Bett für einige Stunden an Bettgeher untervermieten. Die slumartigen Zustände sind Nährboden für Tuberkulose, man bezeichnet sie gar als „Wiener Krankheit“. Als die Sozialdemokraten 1919 die Wahl gewinnen, wird versucht, der menschenunwürdigen Situation Herr zu werden. Richtig groß ausrollen kann die neue Stadt-
regierung den kommunalen Wohnbau aber erst mit der Abtrennung von Niederösterreich 1922. Als eigenes Bundesland hat Wien jetzt die Steuerhoheit. Unter Bürgermeister Jakob Reumann – Namensgeber des zuvor erwähnten Reumannhofs im 5. Bezirk – wird eine zweckgebundene Wohnbausteuer beschlossen, mit der das ambitionierte Wohnbauprogramm finanziert wird. Sie betrifft alle Immobilien, ist aber so gestaffelt, dass die teuersten 0,5 Prozent 44,5 Prozent der Erträge einbringen. Zusätzlich wird der Luxuskonsum der Wohlhabenden besteuert. Geld, das für das Gemeinwohl aufgewendet wird.
Licht, Luft, Sonne: Der Gemeindebau NEU knüpft an das Motto, nach dem das Rote Wien vor 100 Jahren seine Superblocks errichtete, an. Ein 400 Meter langes Gartendeck verbindet den neuen Zubau des Karlheinz-Hora-Hofs im 2. Bezirk mit dem bestehenden Gemeindebau aus den 70erJahren. Von hier aus gelangen die Bewohner direkt zur Donau, die markanten Balkone geben den Blick zur Donau frei.
Die Fassade des Gemeindebau NEU in der Seestadt erstrahlt in Anlehnung an die historischen Bauten in einem Rotton. Anders als einst das Rote Wien, das die Wohnungen an der normativen Kernfamilie ausrichtete, experimentiert die Stadt heute mit neuen Wohnformen, offenen Grundrissen und flexibel abtrennbaren Raumzonen.
Mit der Umverteilung schiebt man der Gewinnmaximierung auf Kosten der vielen einen Riegel vor und weist den privaten Immobilienmarkt in seine Schranken.
Eine Stadt in der Stadt
Die Stadt beginnt zu bauen. Anfangs ist noch nicht klar, in welcher Form. Obwohl es im Roten Wien prominente Fürsprecher für Gartenstädte nach britischem Vorbild gibt und unter dem Chefarchitekten des
städtischen Siedlungsamts Adolf Loos auch Siedlungen errichtet werden, setzen sich letztlich die „Superblocks“ durch. Die Stadtregierung will in kurzer Zeit so viel Wohnungen wie möglich aus dem Boden stampfen. Leistbar und besser als die Bassenawohnungen, hell, mit Wasseranschluss, WC und guter Verkehrsanbindung. Wichtiger Bestandteil der Gemeindebauten sind die integrierten Sozialeinrichtungen wie Kindergärten, Mütterberatungsstellen, Bibliotheken und Arztpraxen sowie kollektiv nutzbare Zentralwaschhäuser, Veranstaltungsräume und Werkstätten.
Gebaut wird in erster Linie dort, wo es billig ist. Dabei spielen der Stadt die niedrigen Grundstückspreise in die Hände, die sie mit ihrer progressiven Besteuerung von
Die Fassaden der Gemeindebauten erzählen heute noch in großen Lettern von ihrer Geburtsstunde und ihrem Errichter. Namensgeber vieler Gemeindebauten sind Politiker, Künstler und Wissenschaftler.
Immobilienbesitz erwirkt. Sie kauft viel wertvollen Baugrund und wird innerhalb von nur zwei Jahren zum größten Grundbesitzer in Wien. Viele Gemeindebauten entstehen in Baulücken und auf Restflächen entlang des Gürtels, die der Bau der Stadtbahn um 1900 hinterlassen hatte. Hier, auf der „Ringstraße des Proletariats“, befinden sich besonders prachtvolle Gemeindebauten, darunter auch der Reumannhof. Auch nach Ende des Zweiten Weltkriegs, als das Wohnbauprogramm wieder aufgenommen wird, wird mehr nachverdichtet als anderswo. Deshalb findet sich heute die Mehrheit der 1800 Wohnanlagen nicht am Rand der Stadt wie in Paris oder Berlin, sondern in allen
Bezirken. Selbst in den feinen Innenstadtgegenden stehen sie ganz selbstverständlich zwischen noblen Gründerzeithäusern, wenn auch in viel geringerer Zahl als in den ehemaligen Arbeiterbezirken wie Favoriten, Meidling oder Floridsdorf. Der Opposition, Christlichsoziale und Rechte, sind die „roten Wohnburgen“ von Anfang an ein Dorn im Auge. Als 1926 bis 1930 der heute wohl bekannteste Gemeindebau im bürgerlichen Döbling errichtet wird, der Karl-Marx-Hof, starten die politischen Gegner eine regelrechte Hetzkampagne. Der über ein Kilometer lange Gebäudekomplex mit seinen monumentalen Fahnentürmen sei zu militärischen Zwecken als Verteidigungsanlage konzipiert, er
sei schlecht gebaut, gar einsturzgefährdet –alles nicht mehr als politische Propaganda, um das gigantische Wohnbauprogramm in Misskredit zu bringen. Auch die sozialdemokratische Stadtregierung geht ihrerseits politisch motiviert vor: Um ihre Wählerschaft auch in bürgerliche Bezirke zu bringen, werden die Gemeindebauten gezielt über die ganze Stadt verteilt, jeder Gemeindebau bekommt zudem ein Parteilokal.
Revolution konservativ verpackt
Trotz Gegenwind sollte das sozialreformatorische Experiment gelingen. Als die Ära des Roten Wien mit dem Bürgerkrieg 1934 sein gewaltsames Ende findet, hinterlässt sie neben vielen anderen sozialpolitischen Errungenschaften über 60.000 Wohnungen – und ein bis heute bedeutendes architektonisches Erbe. Ästhetisch und baulich unterscheiden sich die Wohnanlagen in der Stadt naturgemäß stark voneinander, schließlich wird seit nahezu 100 Jahren gebaut. Im Vergleich zu den Gemeindebauten der Nachkriegszeit erkennt man die historischen Gebäude auf den ersten Blick. Die 1965 in Fertigteilbauweise errichtete Großfeldsiedlung etwa – mit 5516 Wohnungen der größte Gemeindebau –hat mit den Superblocks des Roten Wien kaum etwas gemein. Obwohl die Großwohnanlagen der 1920er und 1930er mit ihren detailverliebten Fassadenverzierungen, großen Statuen, markanten Torbögen und symmetrischen Innenhöfen optisch rein gar nichts mit monotonem Sozialbau zu tun haben, kann es passieren, dass man geradewegs an ihnen vorbeiläuft. So perfekt integrieren sie sich in das städtische Gefüge, überbrücken ganze Straßen wie der Rabenhof im 3. Bezirk oder öffnen sich auf allen Seiten zur Stadt hin wie der Sandleitenhof im 16. Bezirk. Unter den Architekten finden sich viele Schüler Otto
Klimafreundlich: Holzbeton
ISO SPAN Holzbetonsteine leisten einen aktiven Beitrag zum umweltschonenden Bauen der Zukunft. Für eine innovative und unkomplizierte Bauweise von Niedrigenergie- und Passivhäusern sind die Steine mit integrierter Holzfaserdämmung bestens geeignet.
Die Themen Ressourcenschonung, Gesundheitsschutz, ein ausgeglichenes Raumklima sowie die langfristige Erhaltbarkeit von Gebäuden sind enorm wichtig für die Auswahl der richtigen Produkte. Die Öko-Pur und Öko-Expert Elemente aus Holzspanbeton mit bis zu 70% H olzanteil im Mauerwerk von ISO SPAN übernehmen neben ihrer tragenden Funktion als Innen- und Außenwand auch Schall- und Wärmeschutz. Außerdem sind die Elemente erdbebensicher und überzeugen mit einem Feuerwiderstand von REI 180.
Minderung des CO2-Ausstoßes
Mit dem hohen Anteil an Holz erfüllen die Produkte von ISO SPAN eine wichtige Aufgabe im Spektrum des nachhaltigen Bauens. Eine wissenschaftliche Untersuchung belegt, dass die Verwendung von ISO SPAN Holzbetonsteinen einen aktiven Beitrag zur Minderung des CO2-Ausstoßes beitragen kann. Die Holzbetonsteine entziehen der Umwelt, durch das in den Holzspänen in Form von Kohlenstoff gespeicherte CO2, ein wirksames Treibhausgas. Dabei ist das der Umwelt entzogene Kohlendioxid wesentlich größer, als die bei der Produktion dieser Baustoffe freigesetzte Menge.
Recycling von Wänden aus Holzbeton
Abbruchmaterial aus Holzbetonmauerwerken kann unkompliziert wiederverwertet werden. Eine Deponierung des Abbruchmaterials mit Holzspanbeton ist nicht erforderlich. Ein weiterer Beitrag zum umweltfreundlichen und nachhaltigen Bauen ist das Rücknahmesystem von Baustellenabschnitten. Anfallende Reste von Produkten, welche notwendigerweise auf der Baustelle zugeschnitten werden müssen, werden schon während der Bauphase in geeigneten Behältern gesammelt und ins Erzeugerwerk retour genommen. In der Folge werden diese recycelt und dem Produktionsprozess zugeführt. So können Ressourcen geschont, Deponien entlastet und für die Bauherren Kosten eingespart werden.
ISO SPAN hat für die gesamte Produktpalette Umweltproduktdeklarationen (EPD) vorliegen.
Wagners, die nach seiner großstädtischen und monumentalen Bauweise planen. Mit ihren barocken Grundrissen, die an Schlösser und Festungen erinnern, werden die Gemeindebauten von vielen Seiten als unmodern und rückwärtsgewandt kritisiert. „Wenn man etwas Radikales vorhat, ist es nicht unklug, sich nach außen so konservativ wie möglich zu geben“, erklärt die Architekturhistorikerin Eve Blau, Autorin des Standardwerks zum Gemeindebau im Roten Wien, die für die damalige Zeit konservativen Fassaden.
Wohin geht die Reise?
Heute gibt es an die 220.000 Gemeindewohnungen, verwaltet vom städtischen Unternehmen Wiener Wohnen. Rechnet man die 200.000 Gemeinnützigen dazu, gehört der Stadt gut ein Drittel des Wohnungsbestandes. Wien ist damit der größte Immobilienbesitzer Europas. Anders als Berlin oder London hat man seinen kommunalen Wohnungsbestand nie aus der Hand gegeben. Während man in Berlin mit überschaubarem Erfolg versucht, dem privaten Wohnungsmarkt mit verschärftem Mieterschutz, Enteignung und Förderprogrammen für den Sozialbau etwas entgegenzusetzen, entwickelt Wien sein Modell weiter. Bauträger, die zu 100 Prozent der Stadt Wien gehören, errichten jährlich 4000 bis 7000 Sozialwohnungen. Nach einem Baustopp zwischen 2004 und 2016, mit dem man auf die stagnierenden Bevölkerungszahlen reagierte und sich auf den gemeinnützigen Wohnungsbau fokussierte, werden seit einigen Jahren auch wieder Gemeindebauten errichtet. Mit dem Barbara-Prammer-Hof wurde 2019 der erste Gemeindebau der neuesten Generation fertiggestellt. Mittlerweile gibt es zehn solcher neuen Bauprojekte, die an die Grundidee des Roten Wien
anknüpfen, leistbaren Wohnraum und gute Lebensbedingungen zu schaffen. Die Rahmenbedingungen sind heute freilich andere. Das Bauen wird immer teurer, die öffentliche Hand konkurriert mit privaten Wohnbaugesellschaften um das wenige noch verfügbare Bauland – und zieht dabei oft den Kürzeren. Seit einiger Zeit gibt es deshalb die Widmungskategorie „Geförderter Wohnbau“, die Baugrund für leistbares Wohnen reserviert. Gebaut wird mittlerweile vor allem am Stadtrand wie in der Seestadt Aspern. Wo es geht, setzt man auf bodenschonende Nachverdichtung und Dachgeschoßausbauten. So entstanden auf einer ehemaligen Parkfläche in der Dr.-Natterer-Gasse im 2. Bezirk zuletzt 118 neue Gemeindebauwohnungen, in Simmering wird bis 2026 ein Gemeindebau NEU mit 52 Wohnungen auf einer Gewerberuine eines früheren Supermarktes errichtet. Wien will nicht nur europaweites Vorbild beim Wohnen sein, es hat sich zur „Klimamusterstadt“ ernannt und sich bis 2040 weitreichende Umwelt- und Klimaziele gesetzt. Für den Gemeindebau NEU bedeutet das: ressourcenschonende, energieeffiziente Bauweise und klimafreundliche Heizung. Ganz anders die Lage im Bestand: Zehntausende Gemeindebauwohnungen in der Stadt sind sanierungsbedürftig, müssen auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Die erste Totalsanierung in der Deutschordenstraße im 14. Bezirk ist gerade erst im Gange. Will die Stadt ihre Klimaziele bis 2040 erreichen, muss sie mehrere Gänge zulegen.
Wiener Mietenparadies?
Vergangenes Jahr veröffentliche das New York Times Magazine eine viel beachtete Reportage über das Wiener Wohnmodell. Ihr Titel: „Imagine a renters’ utopia“.
Wie so oft bestimmt der Standpunkt die Perspektive. Viele Mieter würden in den Lobgesang der US-Journalistin Francesca Mari, die für ihre Reportage zusammen mit einer Fachexperten-Gruppe aus New York nach Wien gereist ist, wohl eher nicht einstimmen. Denn auch im Gemeindebau wurden die Mieten erhöht (bevor 2024 ein Mietpreisstopp beschlossen wurde), auch hier gibt es lange Wartelisten, auch hier machen soziale Probleme nicht vor der Haustür halt. Die Verteilung der Gemeindewohnungen ist teils ungerecht, der Zugang nicht so inklusiv wie gern behauptet. Wer etwa nicht zwei Jahre Hauptwohnsitz in Wien nachweisen kann, hat keinen Anspruch. Dass Wohnungen innerhalb der Familie weitergegeben werden können, ist nur einer der Gründe, warum sich die rot regierte Stadt immer wieder Klientelpolitik vorwerfen lassen muss. Dennoch spricht mehr für das Wohnmodell als dagegen: Ein überwältigender Teil der Bevölkerung profitiert vom Wiener Konzept, das leistbares Wohnen als Menschenrecht begreift. Sage und schreibe die Hälfte der zwei Millionen Einwohner lebt aktuell im Gemeindebau oder geförderten Wohnbau. Eine wohnpolitische Errungenschaft, an die man sich in Wien gewöhnt hat, die selbstverständlich geworden ist, andere Städte aber sehnsuchtsvoll nach Wien blicken lässt. Als europäisches Best-Practice-Beispiel wird das Wiener Wohnmodell von der OECD anderen Ländern und Städten empfohlen. Unwahrscheinlich, dass sich das organisch gewachsene Netz aus Gemeindebauten auf andere Städte umlegen lässt, aber als Ideengeber taugt das Modell Gemeindebau allemal. Die nächsten Besucher, eine hochrangige Delegation aus dem deutschen Bundesland Baden-Württemberg, haben sich bei Wohnbaustadträtin Katrin Gaál schon angekündigt.
Goldenes Brunchdate
Schmeckt der morgentliche Toast besser, wenn er aus einem goldenen Toaster kommt? Vermutlich nicht. Aber schön sieht das gute Stück von Smeg trotzdem aus! Mit extra breiten Toastschlitzen und Aufbackfunktion für Brötchen eignet er sich perfekt für den nächsten Brunch!
Toaster Metallic von Smeg € 199,00
Zeit ist Gold
Eine Ode an den Surrealismus: Die Wanduhr Big Drop Gold von KARE sieht aus, als wäre sie einem Bild von Salvador Dalí entsprungen. Aber keine Sorge: Natürlich zeigt das handgefertigte Meisterwerk aus Kunststein trotzdem verlässlich die Uhrzeit an.
Big Drop Gold von KARE Austria € 899,00
Ein goldiges Lächeln
Morgenstund‘ hat Gold im Mund – ganz besonders, wenn Sie im Badezimmer von dem fröhlichen Happy Hook Wandhaken begrüßt werden. Egal ob für Handtücher, Bekleidung oder Taschen – dieses freundliche Kerlchen ist stets mit einem strahlenden Lächeln für Sie zur Stelle. Happy Hook Wandhaken von Fritz Hansen € 199,00
Wussten Sie, dass das Büro ursprünglich ein Schreibtisch war? Zu Zeiten König Ludwigs XIV. wurde der Raum „Büro“ nach dem in ihm stehenden Möbel „Bureau plat“ benannt. Das aus Edelholzfurnier, vergoldeten Bronzebeschlägen und Leder gefertigte Möbel war eine Luxusausführung des alten Ess- und Handwerkstisches. Aus dem Büro wurden im Laufe der Zeit „Workspaces“, aus Schreibstuben wurden Arbeitswelten, die heute mitunter hohen Ansprüchen genügen müssen.
est Workspaces ist ein seit dem Jahr 2020 stattfi ndender, internationaler Architektur-Award für intelligente Arbeitswelten. Der Wettbewerb widmet sich Projekten, die ebendiese Ansprüche besonders beeindruckend und zeitgemäß realisieren. Der Callwey Verlag versammelt gemeinsam mit seinen Partnern Baumeister, Office Roxx und Office Dealzz die besten von einer unabhängigen Expertenjury beurteilten Arbeitswelten und Bürobauten und vernetzt Entscheider, Planer sowie Hersteller miteinander. Ziel ist es, der Branche eine breite Plattform zu bieten. Innenarchitektur, Interior Design, Projektentwicklung, Bauträger und Auftraggeber bekommen im Rahmen der Ausschreibung die Möglichkeit, ihre gelungenen Projekte einzureichen, sich dem Urteil der unabhängigen
Fachjury zu stellen und ein umfangreiches Medienpaket zu gewinnen.
Was macht einen „Best Workspace“ aus?
Um den Vergleich mit den vorausgegangenen Wettbewerben zu ermöglichen, gab es in der aktuellen Bewertung keine Änderung im Kriterienkatalog. So wurden die Workspace-Interiors nach den Qualitäten Flexibilität, Kollaboration, Kommunikation, Konzentration und Wohlbefinden geprüft. Die Hochbauprojekte des Typs Bürobau in gewerblicher oder Mischnutzung wurden nach Innovationsfaktor, Zeitgemäßheit, Gestaltung und Dialog mit dem Umfeld beurteilt. Insgesamt wurden bei der Ausschreibung für „Best Workspaces 2024“ 50 Auszeichnungen ermittelt, von denen wiederum fünf eine Anerkennung erhielten und
zwei Projekte mit dem ersten Preis als „Best Workspaces“ prämiert wurden. Was die eingereichten Projekte gemein haben, ist die klare Bestrebung, das Arbeitsleben zu verbessern und aus Arbeitswelten Lebenswelten zu kreieren. Allen geht es bei ihren Planungen und Konzepten auch darum, sich vom Drive der zunehmenden Digitalisierung das Engagement für „gute Räume“ nicht aus der Hand nehmen zu lassen, wie Andreas K. Vetter, Professor im Studiengang Innenarchitektur an der TH
OWL in Detmold, in seinem Vorwort in der neuesten Ausgabe der Publikation „Best Workspaces 2024“ bemerkt. Und weiter: „Zweifelsohne trägt die ökonomisch sicher ebenso notwendige wie hilfreiche Digitalisierung der Arbeitswelt auch Probleme in sich, die man im Sinne der Arbeitspsychologie und einer sensiblen Mitarbeiterorientierung nicht außer Acht lassen darf…“ Das ganze Vorwort und alle ausgezeichneten Projekte sowie zahlreiche innovative Produktlösungen finden Sie in unserem Buchtipp am Ende dieses Beitrags. Schauen wir uns nun die beiden Siegerprojekte genauer an:
Der Dialog zwischen Anbau und Bestand wird durch die großflächige gläserne Öffnung in dem alten Bestandsgebäude sowie durch mutige farbliche Kontraste zwischen Dunkelgrau und Gold akzentuiert.
Das Foyer im Erdgeschoß ziert eine goldene Rolltreppe. Daneben der goldene Empfang und ein farbenfrohes Lounge-Ambiente.
Hageloft Osnabrück: Goldene Erlebniswelt
Das Hageloft residiert als neuer Osnabrücker Firmensitz der MUUUH! Group in einer aufgelassenen Chemiefabrik – ein denkmalgeschützter, multifunktionaler Komplex, der durch das Münsteraner Architekturbüro KRESINGS in eine neue Gestalt gebracht wurde. Dunkler Klinker trifft goldfarbene Bleche, eine auf 10 x 13 Meter verglaste Ostfassade bietet Einblick in die Themenwelten der Firma. Unzählige Details tragen zum außergewöhnlichen Erscheinungsbild dieses ausgezeichneten Gebäudes bei: dem Original nachempfundene, rekonstruierte Ziegelsteine, farbig lackierte eiserne Treppen, in Handarbeit freigelegtes und gekalktes Innenmauerwerk und noch viel mehr.
Auf mehr als 6.120 Quadratmetern Gesamtfl äche, vier Arbeitsebenen und 2.897 Quadratmetern Bürofläche für die vier Unternehmens-Units der Firma arbeiten hier rund 300 Angestellte, aufgeteilt auf die loftartigen Arbeitsflächen der langen Riegel, in denen sich abgeschirmte Zonen mit Open Spaces kombinieren. Der kurze Schenkel des L-förmigen
„Dank der extrem angenehmen Zusammenarbeit mit Kilian Kresing und seinem Team ist das Gebäude genau so geworden, wie wir es uns vorgestellt haben. Die Arbeitgebermarke MUUUH! ist dadurch more sexy geworden, zieht Talente an und motiviert die Mitarbeiter, gemeinsam an den besten Lösungen für unsere Kunden zu arbeiten.“
JENS BOHRMANN
Grundrisses bietet für Büro- und Kommunikationsaufgaben Räume in unterschiedlichen Settings. Sie erreicht man über das Foyer, in dem die Leitfarbe Gold den Empfangstresen ebenso wie die unerwartete Rolltreppe signalhaft anzeigt. Diese zugleich mutige wie energetische Ästhetik wird harmonisch begleitet durch das weitere Interieur – darunter auch eine Disco im Siebzigerjahre-Style, die etwa für Kundenworkshops und Events genutzt werden kann. Ruhige Blautöne und Feng-Shui-Qualität sind eine Etage höher zu finden, in einem skandinavisch-minimalistischen Bereich, der sich als Café auf das Kopenhagener SAS-Hotel bezieht. Noch ein Stockwerk
„Die Grundlage jeglicher Entwurfsgedanken ist der Umgang mit dem bestehenden Gebäude, das in den Siebzigerjahren als Schaffensort für Kreativität entstand. Ursprünglich für eine Druckerei entworfen, verkörpert es heute eine solide Basis mit durchdachten Strukturen und faszinierenden architektonischen Details. Durch eine geschickte Neugliederung soll seine Funktionalität gestärkt und ergänzt werden.“
KILIAN KRESING
Die Gliederung in drei Bereiche – Kommunikation, Fokus und Soziales – unterstreicht die wesentlichen Zonen, die Wissensarbeiter heute zu einem erfolgreichen, kreativen Arbeiten benötigen. Im Bild links einer der abgeschlossenen Räume, die skandinavisch auftretende Lounge im SAS-Stil.
darüber wird es modernistisch, orientiert am Kanzlerbungalow von Sep Ruf – insgesamt ein Raumprogramm, auf das sich Mitarbeiter und Gäste gerne einlassen. Das seitlich liegende ursprüngliche Pförtnerhaus bietet jetzt den Platz für einen Besprechungsraum. Auf ihm sitzt eine als Goldbox auftretende Multifunktionshalle – mit gefedertem Boden für echten Hallensport ebenso wie für Firmenveranstaltungen geeignet. Eine goldene Brücke führt zum ersten Stockwerk des Hauptgebäudes, in die „Bar Centrale“ mit ihrem Sechzigerjahre-Flair – stilecht, humorvoll und atmosphärisch. Auszug aus dem
Juryurteil: „Ein spannendes Projekt, das industriellen Charme mit Sinn für mutige, konsequent zeitgemäße Gestaltung vereint. Erkennbar ging es in der Gestaltungsstrategie darum, den industriellen Charakter der erhaltenswerten Gebäude in der Grundstruktur zu bewahren, gleichzeitig aber auch eine zeitgemäße, inspirierende und markante Arbeitsatmosphäre zu generieren. Das ist heute wichtiger denn je, denn gute Arbeitswelten – und gute Corporate Architecture – generieren ihre eigenen Narrative. Diese haben die Architekten nicht zuletzt dadurch geschaffen, dass sie einen Dialog zwischen Anbau und Bestand entstehen lassen.“
Licht und Lavendel in der alten Druckerei
Alte Städte sind auf eine besondere Weise dicht, laut, intensiv und persönlich. Manches hat sich in den heutigen Citys davon noch erhalten, das meiste wurde mit der Zeit verändert und
neu geschaffen. Dort, wo man noch auf einen Bestand zurückgreifen kann, der wie diese aus den 1970er-Jahren stammende Druckerei in München über eine eigene Geschichte und typologische Identität verfügt, lassen sich spannende Impulse nutzen.
Das Architekturbüro INpuls schuf hier auf 1.191 Quadratmetern eine Bürolandschaft auf zwei Ebenen. Die obere Etage erhält nicht nur Tageslicht über die großen Seitenfenster, sondern auch durch einen Lichthof. Dieser wurde zum Tatami-belegten Entspannungszentrum geformt, wobei die klug verteilten Leittöne des Farbkonzepts im Fokus stehen: Licht reflektierendes Weiß für die Wände, ein heller Naturton für Möbel und Kissen sowie saftig-grüne Pflanzen in den Räumlichkeiten. Deren Grün erscheint punktuell auch im Mobiliar und in den geschickt eingesetzten Leuchten. Das visuelle Highlight ist jedoch ein sanfter Lilaton, der sich in den lavendelfarbenen Projekträumen und an den Stützen sowie Unterzügen durch das gesamte Gebäude zieht. Dieser bringt nicht nur Farbe in die Workspaces, sondern dient auch als Referenz auf die purpurfarbenen Fensterrahmen.
Die 120 Angestellten agieren in einem durchdachten Raumprogramm, gegliedert in drei Bereiche: Die Kommunikationszone besteht aus einem gelungenen Zusammenspiel aus Besprechungs- und Projekträumen. Der Besprechungsraum wird durch grüne Elemente akzentuiert, die eine Verbindung zur Natur räumlich interpretieren. Die lavendelfarbenen Projekträume hingegen sollen eine beruhigende und inspirierende Atmosphäre schaffen, die durch ihre flexible Möblierung
auch genügend Raum für kreative Gedanken und Konzeptentwicklungen lässt.
Die sich im Grundriss auf sechs Positionen verteilenden und offen angelegten Fokuszonen bestehen aus klassischen Arbeitsplätzen, vom Großraum mittels Stahltrennelementen sinnvoll separiert. Der soziale Bereich im Erdgeschoß möchte einerseits durch Speis und Trank stärken und dank bequemem und flexibel nutzbarem Mobiliar entspannend, andererseits aber auch aktiv pulsierend wirken. Er kann zusätzlich für interne und externe Veranstaltungen oder als Bühne eingesetzt werden. Transparente Wandungen erlauben einen ortsbildenden Blick in die Werkstätten. Auszug aus dem Juryurteil: „INpuls hat das Bestandsgebäude aus den Siebzigerjahren behutsam in einen fortschrittlichen, anregenden Raum verwandelt, in dem es möglich ist, offen und abteilungsübergreifend zu arbeiten und gemeinsam innovative Ideen zu entwickeln. Überzeugend sind hier vor allem die dezente Farbgestaltung und der sparsame Einsatz von Materialien, die eine ruhige, klar gegliederte und damit stimulierende Arbeitsatmosphäre schaffen, ohne aufdringlich und überladen zu wirken – ein großes Problem vieler moderner Arbeitswelten, die gerade entstehen.“
Der nächste Award wartet schon
Noch bis zum 8. August 2024 können Büroprojekte für den Best Workspaces 2025 eingereicht werden. Alle Details zur Teilnahme finden Sie unter: award.bestworkspaces.com
BEST WORKSPACES
Das Buch präsentiert herausragende Büroprojekte aus dem DACH-Raum, ausgewählt von einer Fachjury. Die ausführlichen Gebäudeporträts mit 400 Fotos, Planmaterial und Interviews bilden eine unverzichtbare Inspirationsquelle für Architekten und Bauleute.
Best Workspaces 2024 Alexander Gutzmer, Andreas K. Vetter Callwey Verlag 376 Seiten
ISBN: 978-3-7667-2687-2
Kreuz und quer
Wie bei einem Mikado-Spiel sind die Holzlatten in diesem Regal scheinbar wild durcheinander angeordnet. Doch hinter dem Chaos steckt ein ausgeklügeltes System: Mikado bietet verschiedenste Abstellflächen für Bücher und anderes in jeder Größe.
Mikado Large aus Natur Eiche von Compagnie
€ 879,40
Bücher im Spotlight
Cambridge von It’s About Romi vereint den klassischen Bücherstapel mit einer Stehlampe. Inspiriert von dem Design großer englischer Bibliotheken, bringt dieser Stehleuchten-Bücherregal-Hybrid britischen Charme ins Wohnzimmer – und spendet beim Lesen zusätzlich Licht.
Stehleuchte Cambridge von It’s About Romi, Naturholz und Metall, in Schwarz und Weiß erhältlich € 399,00
Eine Frage der DNA
Inspiriert von einer Doppelhelix windet sich das von Studio Dainelli entworfene Bücherregal DNA um sich selbst. Die Stahlkonstruktion ist mit 13 festen Einlageböden versehen, die den Büchern Halt geben. Vollständig befüllt sieht es aus, als würden die spiralförmigen Bücherstapel frei im Raum stehen.
DNA von Cattelan, lackierter Stahl, in verschiedenen Farben erhältlich ab € 864,82
Gegen die Schwerkraft
Das Bücherregal Drop des japanischen Designers Nendo vereint schlichte Formen mit einem humorvollen Twist: Das oberste Fach wirkt, als würde es jeden Moment der Schwerkraft zum Opfer fallen. Das ist nicht nur ein echter Hingucker, sondern eröffnet kreativen Stauraum für Bücher.
Drop von Cappellini, schwarzes Metall € 2.957,99
Die Designerin Anastasiya Koshcheeva aus Berlin vereint für ihren Loungesessel „Sibirjak“ altes sibirisches Handwerk mit dem „Kunststoff des Mittelalters“, Birkenrinde. Das in Vergessenheit geratene Naturmaterial überzeugt mit einer samtig-weichen Oberfläche und ist flexibel, reißfest, feuchtigkeitsabweisend und antibakteriell. Eine Wiederentdeckung mit Zukunftspotenzial! Neben Möbeln und Alltagsgegenständen werden bereits auch Bodenbeläge aus Birkenrinde am Markt angeboten.
Wachsende Stühle, selbstreparierende Arbeitsplatten oder ein Tisch, der sich von ganz allein aufbaut? Klingt nach Science-Fiction, könnte uns aber in Zukunft ins Haus stehen. Welche Materialien dahinterstecken und welche spannenden Design-Innovationen es im Möbel- und Einrichtungsbereich sonst gibt – wir haben uns umgesehen.
Text: Isabella Pils
as haben Fischschuppen, Bananenpflanzen und der Speichel von Hornissen gemeinsam? Sie sind alle Bestandteile neuester Materialentwicklungen, die das Möbeldesign und die Inneneinrichtung in Zukunft verändern könnten. Nicht nur das. Aktuelle Innovationen im Materialbereich wollen unser Verhältnis zu Materialien ganz grundlegend verändern. Sie sollen nicht mehr als Wegwerfprodukt verstanden werden, sondern als wertvolle Ressource, die in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Dabei geht es nicht allein darum, den technischen Kreislauf zu schließen, also bereits vorhandene Produkte und Materialien so lange wie möglich wiederzuver-
wenden, aufzuarbeiten, zu reparieren und zu recyceln. Besonders viel Potenzial steckt im biologischen Kreislauf. Materialforscher weltweit arbeiten an biozirkulären Materialien, die von Bakterien, Pilzen und anderen Mikroorganismen auf natürliche Weise recycelt und somit wieder zu Futter für die Natur werden. Die Möbel- und Inneneinrichtungsbranche könnte von solchen biozirkulären Werkstoffen enorm profitieren, zum einen, weil sich die Materialeffizienz steigern und die Umweltauswirkungen von Produkten deutlich reduzieren lassen, zum anderen, weil sich auch neue Möglichkeiten im Hinblick auf das Design ergeben.
Neue Materialien und Technologien haben schon immer neue Möbelde-
signs hervorgebracht. Man denke nur an den Kaffeehaus-Stuhl aus Bugholz von Michael Thonet, dem dank eines neu entwickelten Verfahrens ab den 1850er-Jahren viele weitere Möbelstücke aus gebogenem Holz folgten, oder auch an die Kunststoff-Ikonen gut hundert Jahre später. Darunter etwa das erste Möbelstück aus Polyurethan, der Freischwinger von Verner Panton aus dem Jahr 1967. Mit dem ersten 3D-Drucker wurde 1987 eine revolutionäre Technologie vorgestellt, die heute aus vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken ist, sei es Medizin, Produktdesign oder Baubranche. Mittlerweile ist
der 3D-Druck sogar Treiber für neue Materialinnovationen. Die typischerweise für die 3D-Druckverfahren eingesetzten Materialien, allen voran Kunststoffe, sollen durch umweltverträglichere Alternativen ersetzt werden. Um die 3D-gedruckten Objekte kreislauffähig zu machen, forscht etwa das Fraunhofer IPA seit 2023 an einem biologisch abbaubaren Holzklebstoff aus dem Speichel von Hornissen oder der Seide von Köcherfliegenlarven. Zusammen mit Holzresten sollen dann im 3D-Drucker Naturstoffkomposit-Produkte entstehen, die für die verschiedensten Branchen interessant sein könnten.
KI statt Designer?
Dieser Pilz auf der Wand ist gewollt: Die Wandpaneele vom italienischen Hersteller Mogu bestehen neben recycelten Textilresten aus dem weichen schaumstoffähnlichen Myzel. Pilzmyzel ist ein echtes Wundermaterial und wird uns wohl in Zukunft nicht nur an der Wand begegnen. Viele Start-ups arbeiten derzeit an myzelbasierten Produkten und Baustoffen.
Mit seinen biologisch abbaubaren Wohnaccessoires aus dem 3D-Drucker bereits am Markt ist das österreichische Unternehmen JK3D. Die Vasen, Sockel und Beistelltischchen bestehen aus biobasierten Polymeren, die industriell kompostiert werden können. Die Produktion erfolgt mit dem 3D-Drucker nahezu abfall- und emissionsfrei, im Labor in Los Angeles oder im Studio in Wien, die beide mit erneuerbarer Energie betrieben werden. Inspiriert von den Lamellen von Pilzen, werden die Wohnaccessoires digital mithilfe eines Algorithmus designt. Damit ist Lamella von JK3D ein Beispiel dafür, dass neben dem 3D-Druck auch die Digitalisierung neue Designs und Materialien hervorbringt. Mit der Weiterentwicklung der künstlichen Intelligenz haben sich ganz neue Möglichkeiten aufgetan. Bereits 2019 präsentierte der französische Designer Philippe Starck auf der Mailänder Möbelmesse ein Stuhlmodell, das eine künstliche Intelligenz nach seinen Vorgaben entworfen hat. Zwei davon lauteten: möglichst wenig Material und maximale Stabilität. Zwei Jahre, mehrere Stuhlvarianten sowie viele Material- und Körperanalysen später entstand ein schlanker, organisch wirkender Sessel aus 100 Prozent recyceltem Kunststoff aus Produktionsabfällen. Der A.I.-Stuhl war das erste Designobjekt seiner Art, mittlerweile gibt es beim italienischen Möbelhersteller Kartell, mit dem Philippe Starck zusammenarbeitet, eine ganze A.I.-Serie mit Hockern, Konsolen und Loungesesseln.
Pflanzen statt Plastik
Blickt man sich auf den aktuellen Möbel- und Einrichtungsmessen um, findet man Kunststoff und Kunststoffverbindungen noch und nöcher. Plastik
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VORHANGSTANGEN & VORHANGSCHIENEN Räume neu erleben |
ist nicht per se schlecht. Es hat in vielen Anwendungsbereichen seine Berechtigung und wird diese auch in Zukunft haben. Angesichts zugemüllter Meere, übervoller Deponien, ausgebeuteter Ökosysteme und eines überhitzten Planeten – die Herstellung von Kunststoff setzt allein in Deutschland jährlich 33 Millionen Tonnen CO2 frei – braucht es aber einen anderen Umgang mit dem Material. Kunststoffrecycling ist sinnvoll, setzt jedoch voraus, dass kein weiteres Material untrennbar mit dem Plastik verbunden ist. Mit neuen, besseren Recyclingmethoden und hochwertigen Ausgangsstoffen wird daran gearbeitet, den Kunststoffkreislauf zu schließen. Stand heute ist das Material aber trotz thermischer und werkstofflicher Verwertung in erster Linie Abfall, der für immer in der Umwelt verbleibt.
Ein radikalerer Ansatz ist, komplett auf Plastik zu verzichten. Weltweit arbeiten Designer, Ingenieure und Materialforscher an plastikfreien Lösungen, die geschlossene Kreisläufe ermöglichen. Mit „Bananatex“ entwickelte das Schweizer Unternehmen QESTION ein auch für die Möbelindustrie vielversprechendes Material, das in den biologischen Kreislauf rückgeführt werden kann. Als Rohstoff dient Abacá, eine Bananenpflanzenart, die in Permakultur auf den Philippinen wächst. Sie hat besonders lange und reißfeste Fasern, aus denen ein robustes Gewebe hergestellt werden kann. Mit einem Naturwachs beschichtet, steht das fertige Endprodukt hochfesten synthetischen Textilien um nichts nach. Im Produktsortiment von QESTION finden sich aktuell vor allem Taschen und Rucksäcke, Bananatex könnte aber in Zukunft auch Polstermöbel und Sofas einkleiden.
Abfall wird zur Ressource
Viele der neuen biozirkulären Materialien stammen aus dem Meer. Start-ups stellen zum Beispiel Schaumstoff für Sitzmöbel sowie Furniere her, die zur Gänze aus Algen bestehen, oder bieten Lederalternativen aus Fischhaut. Das Unternehmen SCALE wurde mit Platten und Fliesen aus Fischschuppen bekannt, ein Abfallprodukt der Lebensmittelproduktion. Die Fischschuppen enthalten eine thermo-plastische Substanz, aus der ein Material, Scalite, mit einer fast gesteinsartigen Optik und Haptik gewonnen werden kann. Es ist ein zu 100 Prozent
Möbel von morgen: zirkulär & biobasiert
kreislauffähiges Material, mit dem zum Beispiel MDF oder andere Werkstoffe, die mit Kunststoff vermischt sind, ersetzt werden können. Das Start-up brachte das Scalite zur Marktreife und wollte es unter anderem verstärkt in der Innenarchitektur einsetzen, musste aber 2023 schließen. Nicht alle Materialinnovationen, so hoch ihr zukunftsveränderndes Potenzial auch sein mag, können sich etablieren.
Smarte Materialien
Wenn auch bei Weitem noch nicht so ausgereift wie Scalite, sind auch für eine
Materialinnovation der ETH Zürich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten denkbar. Die dortigen Materialforscher lassen aus einer 3D-gedruckten Oberfläche Pilze wachsen, mit dem Ziel, biologisch abbaubare Produkte herstellen zu können. Das entstehende Netzwerk von Pilzfäden, Mycelium genannt, ist anpassungsfähig, reinigt sich selbst und repariert sogar seine beschädigten Teile – ein Material, das lebt und mit seiner glatten, flexiblen und dennoch widerstandsfähigen Beschichtung menschlicher Haut oder Leder ähnelt. Fast lebendig muten auch 4D-Objekte an, die aus der Weiterentwicklung des 3D-Druckverfahrens entstanden sind. Sie verändern ihre Form, wenn sie bestimmten Umwelteinflüssen ausgesetzt sind, zum Beispiel Wärme, Wasser oder Licht, können aber dank ihres Formgedächtnisses auch wieder ihre ursprüngliche Gestalt annehmen. Laut Designer und Informatiker Syklar Tibbits, der das Verfahren im von ihm gegründeten Self-Assembly-Lab am MIT entwickelte, könnten sich so Möbel konstruieren lassen, die sich selbst zusammensetzen. Konkret hieße das, dass sich zum Beispiel ein 4D-gedruckte Platte bei Wasserkontakt in einen Stuhl verwandelt. 4D befindet sich noch in der Entwicklung, erste Möbel-Prototypen wurden aber bereits präsentiert: In Zusammenarbeit mit Biesse und Wood-Skin entwarf das Self-Assembly-Lab einen kleinen Tisch, bestehend aus 3D-gedruckten Holzfaserplatten und vorgespannten Textilien. Der Tisch kann flach versandt werden und springt dank der Flexibilität der Textilien an seinem Bestimmungsort in seine vorgesehene Form.
Möbel, die wachsen
Auf eine ganz andere Weise in Form gebracht werden die Möbel des britischen Unternehmens Full Grown. Sie werden
Twilight: Sicht- & Blendschutz zum Wohlfühlen
Für einen Sonnenschutz vor dem Fenster ist es wichtig, ausreichend Tageslicht in die Räume zu lassen, um das Wohlbefinden zu fördern, während gleichzeitig ein optimaler Wärmeschutz gewährleistet sein muss. Mit Twilight beweist SATTLER, wie dies mit modernem Sicht- und Blendschutz funktioniert, ohne auf natürliches Licht verzichten zu müssen.
Anwendbar sowohl im Innen- als auch im Außenbereich, garantiert die Kollektion Twilight optimalen Sicht- und Hitzeschutz. Dank der harmonischen Durchsicht sorgt der Sonnenschutz für ausreichend Tageslicht in den jeweiligen Räumen. Die hohen Reflexionswerte der Gewebe beeinflussen das Raumklima positiv und Energiekosten werden gesenkt.
Diese Qualität besteht aus zwei Linien: Twilight Pearl und Twilight Comfort. Während Twilight PEARL schwer entflammbar (B-s2,d0) ist, was sie vor allem für gewerbliche Anforderungen bzw. öffentliche Bauten empfiehlt, besticht Twilight COMFORT mit seiner textilen Oberfläche. Dank der unterschiedlichen Öffnungsfaktoren von 1,9 bei PEARL und 4 bei COMFORT und der auf das Gesamtsortiment abgestimmten
Farbrange, lassen sich diese Gewebe innerhalb eines Projekts perfekt mit den nicht transparenten Stoffen von ELEMENTS oder LUMERA kombinieren.
Beide Kollektionslinien sind zu 100% PVC-frei und somit geruchsneutral, was sie auch für den Einsatz im Innenbereich geeignet macht. Ob für variable Volants, Seilzugmarkisen oder ZIP-Anlagen, die vielseitige Verarbeitbarkeit bietet sie für die unterschiedlichsten Anwendungen an.
Mit einer einzigartigen Komposition der Farben werden durch die Kompetenz unseres Designteams und deren Trendforschungen die Funktion des Sicht- und Blendschutzes und eine optisch stylische Lösung für Ihre Bedürfnisse miteinander kombiniert.
Mehr auf: suntex.sattler.com
Von der Natur zu Material- und Designlösungen inspiriert: Bei JK3D kommen pflanzenbasierte Polymere aus dem 3D-Drucker. Wie auch bei natürlich Gewachsenem gleicht keines der 3D-Objekte dem anderen. Die nach oben und unten hin verschmelzenden Wellen der Lamella-Series sind bei jedem der Wohnaccessoires einzigartig.
weder in einer Produktionshalle Stück für Stück zusammengesetzt, noch entstehen sie Schicht für Schicht im Drucker. Sie wachsen am Feld, komplett natürlich in Permakultur, entlang von vorgefertigten Rahmen. Je nach Form entstehen so über die Zeit Stühle, Tische oder Lampen. Bis so ein Möbelstück ausgewachsen ist, dauert es naturgemäß recht lange. Ein Stuhl aus Weide braucht vier bis fünf Jahre, einer aus Eiche neun Jahre oder mehr. Nach der Ernte muss er ein weiteres Jahr trocknen, bevor schließlich gehobelt und geschliffen wird. Die Full-Grown-Möbel haben bislang vor allem in Ausstellungen und Museen für Furore gesorgt, weniger als massentauglicher Alltagsgegenstand. Als umweltverträgliches Produktionsverfahren, das die Möbelherstellung völlig neu denkt, bietet es dennoch Lösungsansätze für die anstehende Ressourcenwende.
Die Zukunft ist zirkulär
Es wird noch eine Zeit dauern, bis die gesamte Industrie ihre Produkte so konzipiert, dass sie Teil einer umfassenden Kreislaufwirtschaft werden können. Neben Materialinnovationen wird entscheidend sein, bereits in der Designphase den Lebensweg eines Möbelstücks, von der Rohstoffgewinnung über die Herstellung bis zur Entsorgung, mitzudenken. Denn bis zu 80 Prozent der Umweltauswirkungen eines Produktes entstehen bereits zu diesem Zeitpunkt. Die EU hat die Weichen dafür gestellt. Mit dem „Circular Economy Action Plan“, dem „Right to Repair“ und mit der erst kürzlich beschlossenen Öko-Design-Verordnung erhöht sie den Druck auf Unternehmen, sich endlich wegzubewegen von der linearen „Take-Make-Waste“-Wirtschaft hin zu einem zirkulären System.
Der Garten des Jahres ist einer, wie er im Buche steht. Landschaftsarchitektin Christina Schnelting hat eine Naturoase geschaffen, die auf einfühlsame Art mit der Umgebung verschmilzt, Teil einer sensiblen Landschaft ist und zum berührbaren, erlebbaren Ort für die ganze Familie wird.
Im Osten die Feuchtwiesen an der Aa, davor eine weich geschwungene Rasenfläche, die den Übergang in den 1,5 Meter höher gelegenen Garten bildet. Die unterschiedlich tiefen Rasenstufen schaffen eine fast „versteckte“ Verbindung zwischen Scheune und Wohnhaus. Das zur Sandkiste umfunktionierte alte Boot erinnert an den Starkregen im Jahr 2016, als die Wiese unter Wasser stand.
Kies, mal grau, mal unnatürlich schneeweiß, mal aber auch blau, pink oder grün, geschüttet in Pflasterfelder. Steinerne Skulpturen, vom unvermeidbaren Buddha über den Löwenkopf bis zur römischen Büste, auf steinernen Pfaden. Einige Gabione, die den Holzzaun als Begrenzung ersetzen. Und – aber nur, wenn es ganz leicht geht – findet sich noch irgendwo ein Fleckerl getrimmter Rasen, eine Trockenstaude im (Überraschung!) Steinbeet oder die allseits geliebte Thuje, die so wirklich gar keinem heimischen Insekt den passenden Lebensraum bietet. Schottergärten, wer kennt sie nicht.
Die deutschen Bundesländer Baden-Württemberg, Hamburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie Schleswig-Holstein haben sie bereits verboten. Wer sich dort dennoch einen neuen Schottergarten anlegt, muss mit einem Bußgeld rechnen. Eine derartige Regelung gibt es in Österreich (noch) nicht.
Gärten, die den Namen verdienen
Wie erholsam, erfüllend und angenehm sind da die Bilder des Gartens, den wir Ihnen im Folgenden zeigen wollen. Bereits zum neunten Mal hat der Callwey Verlag 2024 den Wettbewerb „Gärten des Jahres“ ausgerichtet und die schönsten Privatgärten im deutschsprachigen Raum ausgezeichnet. Innovative Konzepte sowie kreative Umsetzungen, die keine Wünsche offenlassen, – hier zeigt sich eindrucksvoll, was alles im Bereich des privaten Gartens möglich ist. Den ersten Preis erhielt das Planungsbüro Naturwohnraum mit “Stege an den Feuchtwiesen” in Nordrhein-Westfalen. Werfen wir einen Blick in den schönsten Garten 2024.
Eine atmosphärisch dichte, naturnahe Gartenanlage
Das verwilderte Grundstück mit einem zu Beginn des letzten Jahrhunderts errichteten Verwaltungsgebäude für die ehemalige Schlossmühle sowie mehreren Nebengebäuden an der Bocholter Aa bot für die Gestalter ein großes naturräumliches und geschichtliches Potenzial. Mit viel Einfühlungsvermögen, zurückhaltend und gestalterisch sicher, wurde das Areal in eine atmosphärisch dichte, naturnahe und ästhetisch anspruchsvolle Gartenanlage verwandelt.
„In Harmonie leben – mit und in der Natur – ein gelungenes Gestaltungskonzept sollte mit seiner Umgebung harmonieren und vorhandene Strukturen in Form von Landschaft und Architektur integrieren.“
Christina Schnelting
Die große Schattenterrasse unter den alten Buchen setzt am nordöstlichen Ende des Gartens einen Schwerpunkt mit Blick auf die Feuchtwiesen und zurück zum Haus. Sie liegt an dem zentralen Erschließungsweg, der vom Haus kommt und den langen Steg kreuzt. Klassische Gestaltungsprinzipien bilden so die Grundstruktur für eine aktuelle Interpretation des naturnahen Gartens. Mit Hecken werden klare Grenzen zwischen „innen und außen“ gezogen. Die Öffnung des Gartens nach Osten und Westen sowie die Schließung mit Hecken nach Süden und Norden inszenieren geschickt die Bezüge zwischen innerem Garten und umgebender Landschaft. Nur der Wirtschaftsgarten
liegt funktional konsequent außerhalb des „Ziergartens“. Die Schaukel, ein Sandkasten, eine Feuerschale und eine Hängematte werden räumlich so integriert, dass sie den natürlichen Charakter des Gartens nicht stören.
Materialien in Synergie
Naturstein, Pflasterklinker, Einfassungen aus Holz und Cortenstahl unterstreichen den sich in die Umgebung einfügenden Charakter der Gartenanlage. Die Nähe zum Wasser wird durch die sorgfältig komponierte Pflanzung von Stauden und Gräsern hervorgehoben. Insektenschutz und Winterhärte sowie der regionale Bezug aller Pflanzen und eingesetzten Materialien waren dabei bestimmend. Der Anspruch „In Harmonie leben – mit und in der Natur“, verbunden mit dem Wunsch, „Ruhe und Natürlichkeit“ im Garten erleben zu können, wurde mit dieser Anlage überzeugend verwirklicht.
Region und Garten verschmelzen
Der Garten und das Haus mit Scheune und kleinem Backhaus liegen im Münsterland, unweit der niederländischen Grenze am Entstehungsort der Bocholter Aa. Beweidete Wiesen und artenreiche Feuchtwiesen grenzen an das Grundstück, liegen aber deutlich niedriger. „Das 1911 erbaute Holzständerhaus war einst das Verwaltungsgebäude der nahen Schlossmühle auf der anderen Flussseite, daher zeigt der alte Baumbestand noch heute Parallelen zum Schlosspark“, erzählt Christina Schnelting, Planerin und Besitzerin des prämierten Gartens. Von Anfang an begreift sie die alten Bäume, darunter eine 120 Jahre alte Blutbuche nahe am Haus, als Geschenk. So erhält jeder dieser Baumveteranen in ihrem Konzept seine besondere Rolle und ist integraler Bestandteil der Gestaltung. Allerdings gleicht das Grundstück zu Baubeginn einem Wald aus hohen Fichten und Kirschlorbeer, die zunächst weichen müssen. „Durch die Lage am Fluss und den geschichtlichen Hintergrund des Hauses war es wichtig, die Aspekte Wasser und Feuchtwiesen in das Konzept zu integrieren. Da Holz und Wasser gut harmonieren, war die Idee der Stege, die durch Staudenbeete führen, schnell geboren“, erklärt die junge Landschaftsarchitektin. Statt organischer Formgebung entschied sie sich für klare Linien, um der naturnahen, „wilden“ Bepflanzung einen starken Kontrast entgegenzusetzen. So geben der 45 Meter lange Steg sowie die Wege und Beete mit ihrer Linearität der ungezügelten Welt der Stauden und Gräser einen wohltuenden Rahmen.
Raumaufteilung bricht mit Konventionen
Der Steg und die „schwebende“ Holzterrasse stellen eine Verbindung zwischen Garten und Feuchtwiese her. Der Blick wird in Richtung Feuchtwiese gelenkt und ein Übergang vom Garten in die ursprüngliche Natur entsteht. Daraus ergibt sich eine Raumaufteilung, die mit der üblichen Gliederung in Rasenfläche, Terrasse, Kinderspielbereich etc. bricht und einzelne Elemente wie Schaukel, Feuerschale, Hängematte und Sandkasten unauffällig integriert. Die ruhige Atmosphäre des Gartens geht nicht verloren, wozu auch die regionalen Materialien beitragen, die mit den Gebäuden harmonieren: Herdecker Ruhrsandstein für den Hauptweg, die Trittplatten und Beeteinfassungen sowie Stadtlohner Riemchen für die Terrasse, übrigens ein Abfallprodukt aus der Tonproduktion in der Region. Holzdeck und Steg sind aus naturbelassenem Lärchenholz. Passend zum Thema Wasser ist auch die Bepflanzung am Steg mit Blutweiderich oder dem eindrucksvollen, bis zu zwei Meter hohen Wasserdost gewählt. Beide Arten lieben einen feuchten Standort und sind sehr gute Insektenweiden. In den weiter oben liegenden Beeten zwischen Blutbuche und Wildblumenwiese dominiert der Wiesencharakter mit zahlreichen Gräsern und Stauden wie Kratzdistel, Natternkopf oder Teufelsabbiss. Die insektenfreundlichen Stauden sind so gruppiert, dass sie mit den eingestreuten Gräsern den natürlichen Charakter des Gartens prägen. In Richtung Scheune fangen Rasenstufen aus Cortenstahl in unregelmäßigen Tiefen den Höhenunterschied zwischen Feuchtwiese, Garten und angrenzender Holzscheune ab. „Am Ende der Stufenanlage liegt ein altes Holzboot, das als Sandkasten genutzt wird. Nach einem Starkregen im Jahr 2016 stand die ganze Wiese unter Wasser und der heutige „Grüne Hafen“ soll daran erinnern“, erzählt Christina Schnelting. Und welcher Spielplatz könnte wohl besser zu dieser vom Fluss und seiner Ökologie geprägten Landschaft passen?
Garten des Jahres
Das Buch zeigt eine beeindruckende Vielfalt unterschiedlichster Privatgärten anhand von über 400 Farbabbildungen und Gartenplänen. Detaillierte Angaben zu Besonderheiten des Grundstücks, des Konzepts, der verwendeten Materialien und der Auswahl der Pflanzen runden die 50 Gartenporträts ab.
Gärten des Jahres 2024
Konstanze Neubauer, Nico Wissing Callwey Verlag
376 Seiten
ISBN:978-3-7667-2679-7
Die Bibliothek von Tianjin wurde im Jahr 2012 fertiggestellt und bietet auf 55.000 Quadratmetern Grundfläche Platz für fünf Millionen Bücher. Das Gebäude besteht aus Wandträgern in einem Raster von 20,4 x 20,4 Metern, in Schichten versetzt. Mit den Zwischengeschoßen wirkt es so, als würde das Gebäude aus sich kreuzenden Schichten bestehen.
ARCHITEKTUR, DIE VERBINDET
Riken Yamamoto ist bekannt für seine vorwiegend in Japan und dem asiatischen Raum realisierten Projekte. Der heurige Pritzker-Preisträger steht für ein starkes Engagement für Gemeinschaft und soziale Verantwortung. Neben großen Namen wie Tadao Ando (1995), Toyo Ito (2013) und Shigeru Ban (2014) ist der 78-jährige Yamamoto die neunte Person aus Japan, die mit dem renommierten Preis geehrt wird.
Text: Veronika Kober
1945 in Peking geboren, zog Riken Yamamoto nach dem Zweiten Weltkrieg nach Yokohama in Japan. Von seinem Vater weiß der Architekt wenig, er starb, als Yamamoto fünf Jahre alt war. In Japan lebte Yamamoto mit seiner Mutter in einem Haus, in dem sich vorne ihre Apotheke und hinten die Wohnräume befanden. In Interviews erklärte der japanische Architekt schon öfter, dass die Tatsache, dass er an einem Ort aufwuchs, an dem er sich täglich mit dem Zusammenspiel von öffentlichem und privatem Raum auseinandersetzen musste, ihn und seine Arbeiten nachhaltig geprägt habe: „Die Schwelle war auf der einen Seite für die Familie und auf der anderen Seite für die Gemeinschaft. Ich saß dazwischen.“
Verschwimmende Grenzen und Abgrenzungen
In der Entscheidungsbegründung der achtköpfigen Expertenjury findet sich die Folge aus ebendieser Erfahrung wieder:
„Ob Privathäuser oder öffentliche Infrastruktur, Schulen oder Feuerwachen, Rathäuser oder Museen, die gemeinsame und gesellige Dimension ist in Yamamotos Bauten immer präsent.“ Dabei schreibe er keine Aktivitäten vor, sondern ermögliche es den Menschen, mit Eleganz, Normalität, Poesie und Freude ihr eigenes Leben zu gestalten. Er habe den Werkzeugkasten der Architektur sowohl in die Vergangenheit als auch in die Zukunft erweitert, um mit jeweils unterschiedlichen Maßstäben Antworten auf die Herausforderungen der gebauten Umwelt und des Miteinanders zu finden. „Einer der wichtigsten Aspekte im Hinblick auf die Zukunft der Städte besteht darin, durch Architektur Bedingungen zu schaffen, die es den Menschen ermöglichen, zusammenzukommen und zu interagieren“, erklärt etwa der Juryvorsitzende Alejandro Aravena, selbst Pritzker-Preisträger. „Indem er die Grenze zwischen öffentlich und privat geschickt verschwimmen lässt, trägt
DIE STADT IST IM GRUNDE EIN ORT, AN DEM MAN VERWEILT
Yamamoto über das jeweilige Briefing hinaus positiv dazu bei, Gemeinschaft entstehen zu lassen.“
Seit jeher und bis heute ist Yamamoto vor allem im asiatischen Raum tätig.1971 beendete Yamamoto sein Architekturstudium an der Universität der Künste in Tokio. Zwei Jahre später gründete er sein Büro Riken Yamamoto & Field Shop, das heute Niederlassungen in Yokohama, Zürich und Peking betreibt. Zu seinen bedeutendsten Werken zählen der Wohnkomplex Hotakubo Housing (1991) in Kumamoto, Japan, der 110 Wohneinheiten um eine zentrale Grünfläche gruppiert, das Yokosuka Museum of Art (2006), ein mit Glas verkleidetes Gebäude mit einem serpentinenförmigen Eingang und unterirdischen Galerien, um den Blick auf die Bucht von Tokio zu bewahren, sowie die Tianjin Library (2012) in China, ein Großprojekt mit einem rasterförmigen Grundriss und unterschiedlich großen Lesesälen für eine Sammlung von fünf Millionen Büchern. Ein bemerkenswertes europäisches Werk des Architekten ist The Circle
Nach fünfjähriger Bauzeit wurde
The Circle am Züricher Airport im November 2020 eröffnet. Im Inneren verbirgt sich ein einzigartiger Ort der Begegnung mit öffentlichen Gassen und Plätzen. Der 80.000 Quadratmeter große Park sorgt für einen Ort der Begegnung und Erholung.
Eines von Yamamotos bekanntesten Projekten ist das Yokosuka Museum of Art, dessen gewundener Eingangsbereich an die Topographie der umliegenden Bucht und Berge erinnert. Der größte Teil der Ausstellungsräume liegt unter der Erde, oberirdisch können die Besucher einen ungestörten Blick auf die Landschaft genießen.
am Flughafen Zürich (2020), ein modernes Flughafenquartier mit Restaurants, Bars, Einkaufsmöglichkeiten und CoworkingSpaces in unmittelbarer Nähe des Terminals.
Von 2018 bis 2022 diente der Pritzker-Preisträger als Präsident der Nagoya Zokei University of Art and Design und entwarf gegen Ende seiner Amtszeit ein neues Gebäude für die Studienprogramme der Universität in Nagoya, etwa zwei Autostunden von Kioto entfernt. Das neue Campusgebäude überspannt mit seiner gitterartigen Fassade einen Bahnhof, der das Gelände teilt, und fungiert selbst als eine Art Brücke. Derzeit arbeitet Yamamoto an seinem ersten Projekt in Taiwan, dem 29.000 Quadratmeter großen Taoyuan Museum of Art, das eine Hochbahn in Taoyuan flankiert.
Interaktion & Beziehungen in und durch Architektur „Die heutigen architektonischen Ansätze basieren auf Privatsphäre und lassen die Notwendigkeit gesellschaftlicher Beziehungen außer Acht“, sagt Riken Yamamoto in einer Erklärung. „Dabei können wir doch auch die Freiheit aller Einzelnen respektieren und gleichzeitig in einem architektonischen Kontext
als Gemeinschaft zusammenleben, was die Harmonie über Kulturen und Lebensbereiche hinweg fördert.“ Der Architekt bringt diese Philosophie in den verschiedensten Aspekten seiner Projekte zum Ausdruck: Gebäude mit gemeinsam nutzbaren Terrassen, öffentlich zugängliche Innenhöfe oder auch Räumlichkeiten, die Außenstehenden normalerweise verschlossen bleiben würden. Yamamotos Konzept für die Feuerwache Hiroshima Nishi (2000) in der Präfektur Hiroshima beispielsweise umfasst einen transparenten Kubus, dessen Fassade eine jalousieartige Glasstruktur prägt, sowie eine frei zugängliche Besucherterrasse und eine Ausstellungslobby. Dies bietet der Öffentlichkeit die Möglichkeit, die Arbeit der örtlichen Feuerwehr in ihrer Wache kennenzulernen und mehr über sie zu erfahren.
„Die Stadt ist im Grunde ein Ort, an dem man verweilt“, sagte Riken Yamamoto einmal. „Wenn dem so ist, welche Mittel stehen uns dann zur Verfügung, um die Stadt in einen bewohnbaren Ort zu verwandeln?“ Die in mehr als fünf Jahrzehnten entstandenen Werke des renommierten Architekten zielten stets darauf ab, diese Frage zu beantworten.
Die Nagoya Zokei University hat auf 20.917 m2 vier oberirdische und ein unterirdisches Stockwerk. Die „art street“ in der Mitte des Gebäudes bietet Studenten und Mitarbeitern einen Bereich, in dem sie ihre handgefertigten oder entworfenen Produkte verkaufen und ausstellen können, und schafft für die örtliche Gemeinschaft einen halböffentlichen Raum.
Yamamoto praktiziert und wohnt bis heute in Yokohama und unterrichtet dort mit einer Gastprofessur an der Kanagawa University. Er blickt auf eine lange akademische Karriere zurück, war unter anderem Gastprofessor an der Tokyo University of the Arts, an der Nihon University, Graduate School of Engineering, an der Yokohama National University und war Präsident der Nagoya Zokei University of Art and Design.
Andreas Jäger Klimaexperte
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