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Fertighaus & Architekten
by wohnnet
Individuelle Fertighausplanung Was der Architekt sagt ?
Niemand anders als Architekten waren es, die die ersten Fertighäuser entwickelten. Man wollte die Möglichkeit der Vorfertigung nutzen, um Bauzeit zu sparen. Es folgten Jahre, in denen Fertigbauten in Architektenkreisen eher verpönt waren. Inzwischen gibt es fast keinen Anbieter mehr, der nicht auf individuelle Architektenplanung setzt. In Kooperation mit dem ÖFV
Das Fertighaus ist angekommen, in den Köpfen Bauwilliger, die neben den Vorteilen dieser Bauweise auch auf eine passende und individuelle Optik nicht verzichten wollen. Und, wie es scheint, auch in den Köpfen der Architekten. Nahezu alle Fertighausunternehmen bieten ihren Kunden inzwischen neben den gewohnten Typenhäusern heute ganz selbstverständlich auch die Möglichkeit, sich mit einem Architekten zusammenzusetzen und die künftigen vier Wände von Keller bis Dach individuell und persönlich durchzuplanen.
Der Vorteil: Die Bauherren bleiben im geschützten Rahmen des Unternehmens, mit allen garantierten Leistungen und Absicherungen, und haben trotzdem am Ende ihr ganz persönliches Traumhaus.
Im folgenden Interview beleuchten wir gemeinsam mit dem niederösterreichischen
Architekten Josef Kiraly, der sich Zeit seines
Schaffens mit zukunftsfähigen Gebäudelösungen wie Sonnenhaus, Nullenergiehaus und Passivhaus beschäftigte, das Verhältnis der Architektur zum Fertighaus.
FHK: Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Fertighaus und Baumeister- bzw. Architektenhaus?
Josef Kiraly: Beim Fertighaus werden zertifizierte Bauteilkonstruktionen unter kontrollierter Qualität in einer Werkhalle vorgefertigt und in kurzer Bauzeit auf der Baustelle luftdicht und wärmebrückenfrei montiert. Die Tragkonstruktion ist weitgehend aus Holz – einem CO2-neutralen Baustoff. Das Fertighaus kann eventuell wieder abgebaut bzw. recycliert werden. Bei späteren Zu- und Umbauten entsteht weniger Schutt und Staub. Dazu kommen die kürzere Bauzeit und raschere Nutzung, was speziell bei der Finanzierung keine unerhebliche Rolle spielt.
Beim vom Generalunternehmer realisierten Baumeisterhaus erfolgt die Fertigung unter freiem Himmel direkt vor Ort – jahreszeitlich- und wetterabhängig. Die Termineinhaltung und Handwerkerkoordination sind oft risikobehaftet und ungesichert. Die „graue Energie“ (Herstellungsenergie, Anm.) liegt weit höher als bei Fertighaus-Holzkonstruktionen. Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die große Belastung für die Nachbarschaft und Umgebung durch Baulärm, Staub, Abfall, Verkehr und Abgase. Wird sehr rasch gebaut, werden die nötigen Austrocknungszeiten oft in einem problematischen Ausmaß reduziert, was zu Feuchteschäden – oft erst Jahre später – führen kann.
Das Architektenhaus schließlich steht für ein Höchstmaß an individueller Gestaltung und Design. Architektur optimiert im Idealfall auf Gelände, Erschließung, Gebäudeorientierung, Bauweise und Budget. Das heißt, es wird mit mit örtlicher Bauaufsicht, Qualitäts- und Kostenkontrolle, alles aus einer Hand, gebaut. Der Architekt ist nicht weniger als der Treuhänder des Bauherrn.
FHK: Welche Aufgaben übernimmt ein Architekt bei der Planung und Realisierung eines Fertighauses? Differieren diese Tätigkeitsbereiche zur herkömmlichen Architekturarbeit?
JK: Der Architekt ist wie schon erwähnt der Treuhänder des Bauherrn. Diese Aufgabe ist meiner Meinung nach eine große Herausforderung. Es geht nicht nur darum, die Erwartungshaltung des Bauherrn zu erfüllen, sondern sie zu übertreffen. Dazu braucht es gegenseitiges Vertrauen, fachliche Kompetenz und die Bereitschaft, auch einmal etwas Neues zu wagen. Nur so entsteht gute Architektur. Nach abgeschlossener Baugenehmigung ist die Ausführungsart dann ein weiterer Schritt. Nicht jede Fertighausfirma ist so flexibel und bereit, nach den Wünschen des Architekten zu bauen. Hier sind Teamwork und oftmals ein Kompromiss erforderlich, sowie die Bereitschaft eines Auftragnehmers, neuen Herausforderungen gegenüber offen zu sein. Diese Innovation von außen kann dabei für den Auftragnehmer von Vorteil sein.
FHK: Stoßen Sie als Architekt an Grenzen bei der Planung von Fertighäusern?
JK: Generell nicht, sofern man nicht in die dekonstruktive Architektur wechselt.
FHK: Gibt es einen ultimativen Grundriss für Sie? Gibt es Standarddetails, die Sie einsetzen, weil sie einfach immer gut funktionieren?
JK: Ultimativ ist die Ausrichtung auf die Südseite zur Tagesbelichtung, zur Sonne hin. Das heißt große Transparenz zum Garten, auch in Form von Fixverglasungen. Wir sprechen hier von mehr als nur einer optischen Erweiterung des Wohnraums. Eine natürliche Belichtung der Innenräume ist Lebensenergie und wichtig für unsere Serotoninproduktion.
FHK: Wie schätzen Sie den Stellenwert des Fertighauses am österreichischen Markt ein? Hat sich die Situation in den letzten Jahren verändert?
JK: Der Preis bestimmt den Markt. Veränderungen in Richtung Fertighaus ergeben sich nicht nur durch die Notwendigkeit baugrundsparender und verdichtender Bauweisen. Dazu kommt die stark steigende Tendenz zu hohen Baugrundpreisen, speziell in Westösterreich.
FHK: Spürt Ihre Zunft das Fertighaus als Konkurrenz? Oder gibt es hier vielmehr Synergien in den letzten Jahren?
JK: Das Fertighaus sollte nicht isoliert auf das Modell Einfamilienhaus betrachtet werden. Gerade der zunehmende Trend zur Vorfertigung beim mehrgeschoßigen Wohnungs- und Bürobau, den kommunalen Gebäuden wie Kindergärten, Schulen oder Altenwohnbau sowie der Ingenieurholzbau bergen großes Entwicklungspotenzial.
FHK: Wann haben Sie Ihr erstes Fertighaus geplant?
JK: Das war schon Anfang der 1980er-Jahre mit der sehr innovativen Fertighausfirma Brauchl. Es war ein Österreichhaus für die Sportler der Nordischen WM 1985 in Seefeld. Dieses Sonnenhaus wurde danach demontiert und stand jahrelang als Musterhaus am Wiener Messegelände, bevor es ein zweites Mal demontiert wurde und an einen privaten Käufer ging.
FHK: Haben Sie in den letzten Jahren Ihrer Tätigkeit eine Zunahme der Nachfrage nach individueller bzw. Architektenplanung am FH-Sektor festgestellt?
JK: Ja, gerade in Tirol – meinem Hauptwirkungsbereich. Der Holzcluster proHolz und viele Zimmereibetriebe und Fertighausfirmen konnten sich hier lokal etablieren und präsentieren sich zeitgemäß innovativ und modern.
FHK: Was sind die Vorteile einer Zusammenarbeit mit einem Architekten gegenüber der herkömmlichen Musterhausadaption?
JK: Der Architekt ist von seiner Ausbildung und Erfahrung her auf einer ganz anderen
Josef Kiraly Der Niederösterreicher hat schon vor etwa 35 Jahren sein erstes Fertighaus geplant und damit Weitblick bewiesen für etwas, das heute in der Zunft der Architekten einen wichtigen und anerkannten Arbeitsbereich einnimmt. Schiene unterwegs. Hier gilt es – neben bereits Gesagtem –, ganzheitliche Kriterien des Planens, das Wohlbefinden und das Entfalten für die Zukunft einer Familie zu berücksichtigen. Alle fünf Sinne des Menschen wollen angeregt und komfortabel eingebunden sein. Individualität im Bau ist auch die Visitenkarte vieler Bauherren, die damit ihr Selbstwertgefühl manifestieren.
FHK: Sie waren einer der ersten Architekten in Österreich, der sich dem Fertighaus geöffnet hat. Nun – im Rückblick – würden Sie sagen, die Jüngeren sind diesem Thema gegenüber inzwischen offener?
JK: Das ist eine schwierige Frage. Ich jedenfalls würde es heute als Jungarchitekt genauso wieder herausfordern und ausprobieren.
FHK: Vielen Dank für das Gespräch!