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Interview: Arch. Oliver Sterl

Die Zukunft des Fertighauses

FHK: Wie schätzen Sie den Stellenwert des Fertighauses am österreichischen Markt ein? Wie war die Entwicklung in den letzten Jahren?

Oliver Sterl studierte an den Technischen Universitäten von Graz und Wien Architektur. Seit 2005 ist er Partner und Geschäftsleiter von RLP Rüdiger Lainer + Partner. Ergänzend zu seiner Arbeit im Büro kommt noch eine intensive Vortragstätigkeit und Teil nahme an zahl reichen Jurys im In- und Ausland. Interview: Sophia Elisabeth Gruber

Oliver Sterl: Der Fertighausmarkt ist geprägt von Ein- und Zweifamilienhäusern. Im Jahr 2019 entfi elen 95 Prozent der Produktion auf dieses Segment. Lediglich 5 Prozent der errichteten Objekte waren großvolumige Bauten. Hier sehe ich eine große Chance für die Zukunft der Industrie, vermehrt in den großvolumigen Objektbau vorzudringen.

FHK: Gibt es für Sie den ultimativen Grundriss? Gibt es Details, die Sie immer einsetzen, weil sie einfach funktionieren?

OS: Die Idee des ultimativen Grundrisses ist so alt wie das Bauen selbst. Jede Planung stellt eine ideelle Annäherung an dieses Konzept dar. Doch weder aus dem antiken Dreiklang „Firmitas, Utilitas und Venustas“ noch aus Louis Sullivans Prinzipien „Form Follows Function“ noch aus irgendeinem anderen theoretischen Konzept ist bisher der ultimative universell gültige Grundriss oder das perfekte überall einsetzbare Gebäude erwachsen. Und das ist gut so! Nutzungen, Bedürfnisse, Zielsetzungen, rechtliche Vor gaben und nicht zuletzt die persönliche Erfahrung sind einem stetigen Wandel unterlegen. In diesem Spannungsfeld und unter Bezug nahme auf den Genius Loci bekommt jeder Entwurf seine eigenständige Ausprägung. Die entwickelte Lösung ist ein Prototyp, optimiert für die spezifi schen Bindungen und Bedingungen. Wenn man so will, ein „prototypisch ultimativer Grundriss“. Anders stellt sich die Situation bei Bausystemen und Details dar. Diese ändern sich natürlich ebenfalls im Laufe der Zeit, jedoch sind sie umso effi zienter, je standardi-

DI Oliver Sterl Der Architekt und Hochbauspezialist arbeitet im großvolumigen Objektbau bereits mit der Fertighausindustrie zusammen und möchte diese Symbiose in Zukunft noch weiter vertiefen.

sierter, geprüfter und erprobter sie sind. Hier versuchen wir aus der Fülle des Vorhandenen die optimierte Lösung zu fi nden.

FHK: Spüren Sie eine starke Konkurrenz im Fertighaussektor?

OS: Unser Büro ist vor allem im Bereich des großvolumigen Objektbaus tätig. Hier arbeiten wir schon jetzt mit der Fertighausindustrie zusammen und haben vor, diese Zusammenarbeit künftig noch zu vertiefen.

FHK: Inwiefern unterscheidet sich die architektonische Arbeit an einem Fertighaus von der an einem konventionellen Haus?

OS: Die modulare Bauweise, also das Bauen mit vorgefertigten Elementen beziehungsweise vollständig vorgefertigten Raumboxen, ist schon länger Bestandteil unseres Planungsalltags. Die meisten von uns geplanten Gebäude bestehen aus einem Mix von „konventionell“ vor Ort errichteten Elementen und Fertigteilen. Unser 84 Meter hohes Holzhochhaus in der Seestadt Aspern besteht zum Beispiel im Wesentlichen aus einem vor Ort gefertigten Stiegenhauskern und einer angedockten Holzfertigteilstruktur, die aus nur vier seriell eingesetzten Elementen besteht.

FHK: Was ist bei der Planung eines Mehrparteienhauses in Fertigbauweise zu beachten? Im Hinblick auf Mehrgenerationenhaus beziehungsweise Vermietung?

OS: Einen wesentlichen Faktor im großvolumigen Objektbau stellt die Nutzungsnachhaltigkeit eines Gebäudes dar. Diese wird durch seine typologische Intelligenz defi niert, also die Fähigkeit, im Lebenszyklus mit einfachen Maßnahmen unterschiedliche Nutzungen aufzunehmen. Dieses Planungsthema ist unabhängig von der Bauweise, ob konventionell oder vorgefertigt.

FHK: Was sind die wichtigsten Vor und Nachteile eines Fertighauses? HoHo Wien

OS: Die modulare Bauweise ist, wenn sie fachgerecht errichtet wird, genauso langlebig wie ein „klassisches“ vor Ort errichtetes Gebäude. Wesentlich dabei ist, dass die Fugen und das Fügen der vorgefertigten Bauteile bauphysikalisch, vor allem hinsichtlich der Kondensatthematik, fehlerfrei ausgeführt werden. Das Thema Nachhaltigkeit ist diff erenziert zu betrachten. Eine reine Vorfertigung von modularen Bauteilen reicht noch nicht aus, um ein Gebäude nachhaltig zu machen.

FHK: Vielen Dank für das Gespräch! 75 % Holz, 84 Meter Höhe, 24 Stockwerke, 800 Holzstützen, 16.000 m² cross laminated timber, heimische Fichte – in 75 Minuten nachgewachsen. Das HoHo Wien in der Seestadt Aspern in Wien zeigt, dass Holz als nach haltige Alternative in der Stadt bzw. im urbanen Raum als Baustoff auch im Hochhausbau ernst genommen und ökonomisch, wirtschaftlich und ökologisch effi zient eingesetzt werden kann.

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