Marie-France rafael
Pierre huyghe Âťon siteÂŤ
Atelierbesuch
Wolff
W
verlag
Marie-France Rafael
Pierre Huyghe »on site«
Atelierbesuch
Copyright © 2012 Wolff Verlag, Berlin, Unter den Linden 40 Lektorat: Ines Paliege, Andrea Vogel Übersetzung Interview: Till Bardoux, Horst Kløver, Marie-France Rafael Gestaltung: Fine Heininger Druck und Bindung: FORMAT Publishing GmbH Jena
Gesetzt in der Minion Pro und Trebuchet Printed in Germany ISBN: 978-3-941461-10-9
Dank: Maren Butte, Jennifer Cohen, Melissa Dubbin, Juliette Fayard, Frédéric Jaeger, Horst Kløver, Gregor Stemmrich, Edgard Rafael, Maria Manuela Rafael, Brittany Reilly, Jörn Schafaff, Christophe Wiesner (Galerie Esther Schipper, Berlin) und Pierre Huyghe
Vorwort Interviews haben die angenehme Eigenschaft, komplexe Sachverhalte gelassen zur Sprache zu bringen. Der Interviewte ist nicht herausgefordert, seine Aussagen zu beweisen oder intellektuell bis ins Letzte aufzuschlüsseln. Umso mehr kann die Weise des Sagens in den Vordergrund treten, eine Diktion und eine Dringlichkeit, mit der Gesichtspunkte in die Diskussion eingeführt werden, die erkennen lassen, wie der Interviewte an ihn gestellte Fragen zu solchen in Beziehung setzt, die ihn nicht etwa in der Situation des Interviews erstmals beschäftigen. Aussagen und Weise des Sagens beziehen sich auf Zusammenhänge, die sowohl den Anlass zu dem Interview gaben als auch den Interviewten als eine Person erkennen lassen, die in sie involviert ist. Bei Künstlerinterviews handelt es sich in der Regel um Zusammenhänge, die Aufschluss über die Werkproduktion geben können. Im vorliegenden Interview von Marie-France Rafael mit Pierre Huyghe macht der Künstler jedoch deutlich, dass er den Werkbegriff für problematisch hält, was zugleich einschließt, dass er seine künstlerische Praxis nicht als Werkproduktion verstanden wissen möchte. Doch hat Pierre Huyghe keine Bedenken, die Begriffe des Materials und des Werkzeugs zu verwenden – Begriffe, die aufs Engste mit traditionellen Vorstellungen von Werkproduktion zusammenhängen. Den traditionellen Vorstellungsrahmen sprengt er dennoch in seiner Erklärung: »Zum Rohstoff wird in der Tat die Kultur«. Was er als Werkzeug bezeichnet, ist auf diesen Rohstoff bezogen und dazu angetan, Eingriffsmöglichkeiten und Situationen zu schaffen, die herkömmliche Vorstellungen von einem Kunstwerk »deregulieren«. Den Begriff der Deregulierung setzt Pierre Huyghe dem der Dekonstruktion entgegen. Es geht ihm nicht darum, den Werkbegriff zu »dekonstruieren«, sondern darum, »anderes zu produzieren«. Dekonstruktion impliziert eine konstante Abhängigkeit vom »Objekt der Missbilligung«.
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Maßnahmen der Deregulierung dagegen sind in der Lage, die regulierende Kraft und Funktion kulturell eingeschliffener Erfahrungs- und Vorstellungsweisen zu suspendieren, um einen verschobenen Blickwinkel zu konstituieren, der den »Rohstoff« Kultur auf eine selbst kulturell bestimmte Weise voraussetzt und sichtbar macht. Solches Sichtbar-machen ist kein Enthüllen, kein Bewahrheiten, weil es vielmehr nur den tatsächlichen oder möglichen Umgang mit den eigenen Voraussetzungen in einen Fokus rückt. Das hat auch nichts mit einer sprichwörtlichen »Erweiterung des Kunstbegriffs« zu tun, die immer werkzentriert gedacht wird, selbst wenn sie werkauflösend erscheint, sondern geht von einer Weite aus, die dem Kunstbegriff kulturell zugewiesen werden kann, um die Bestimmungen des Materials (und der Materie), des Werkzeugs und der Produktion um ein leeres Zentrum herum in Szene zu setzen, in dem der ›Betrachter‹ sich disponibel selbst vermuten kann. Prof. Dr. Gregor Stemmrich
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Einleitung Pierre Huyghe geht in die Knie und nimmt mit dem Auge Maß. Er ist on site in der von Bäumen umgrenzten Kompostanlage der Karlsaue von
Kassel. Hier ist der Ort seiner Arbeit für die dOCUMENTA (13). Vor ihm streckt sich die Steinskulptur einer liegenden Nackten aus, deren Kopf ein Bienenstock bildet. Huyghe ist mit einer Schere bewaffnet und ritzt auf den Waben eine Linie ein, an der entlang ein Imker den Bienenstock zuschneiden soll. Die Bienen haben den Stock zu schnell ausgebaut – jetzt muss der Kopf der Skulptur bis zur Eröffnung der documenta in wenigen Tagen wieder in eine ovale Form gebracht werden. Die Frauenskulptur markiert den Mittelpunkt der Arbeit Untilled (2011 – 2012), deren Titel man mit unbebaut oder auch unkultiviert übersetzen kann. Man könnte auch irrtümlich Untitled lesen, einen in der zeitgenössischen Kunst häufig verwendeten Titel. Doch der Begriff untilled umspielt Huyghes Konzept geschickt: Der Künstler hat in monatelanger Arbeit die Kompostanlage zu einem Garten umgebaut, sie für die Kunst urbar gemacht. In diesem Sinn ist Huyghe auf der Site, die er im Augenblick seiner künstlerischen Aktivitäten schafft. Sie ist während der Entstehungsdauer des Werkes sowohl Atelier des Künstlers, als auch Ausstellungsort. Auffällig wird an diesem Punkt, dass die institutionellen Konventionen und ihre Begrifflichkeiten nicht mehr greifen. Pierre Huyghe selbst merkt an, dass es ihm zunehmend schwer fällt, Begriffe wie Werk oder Ausstellung zu verwenden. In Untilled wohnt man einer Deregulierung dieser Begriffe und der damit verbundenen Herangehensweisen bei – hier erfahren die Begriffe keine simple Aufhebung, sondern verlieren ihre Trennschärfe. Mit seinen Arbeiten steckt Pierre Huyghe die Grenzen der zeitgenössischen Kunst neu ab. Er ist als Reisender zwischen den heterogenen Zonen der menschlichen und kulturellen Geschichte immer auf der Suche nach neuen Formsprachen. Dabei sind seine Werke keinem einzelnen
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Interview Marie-France Rafael: Wir könnten damit beginnen, über den Betrachter zu sprechen und den Platz, den Sie ihm innerhalb einer Galerie, eines Museums oder eines Ausstellungsraumes zuweisen?
Pierre Huyghe: Kein Szenario drängt sich der Person, die ich nicht als Zuschauer begreife, direkt aufdrängt. Es gibt Bedingungen der Begegnung. Die Ideen, die Erwartungen und die vorgefassten Verhaltensweisen sind genau das, was ich zu deregulieren versuche. Eine solche Begegnung ist eine Abweichung.
Wie denken Sie Zeit, wie denken Sie Zeitlichkeit? Eine Ausstellung zum Beispiel ist begrenzt, doch zugleich setzt sie sich außerhalb des Rahmens der Galerie oder des Museums fort. Die Ausstellung hört auf, aber etwas daraus setzt sich fort und
geht manchmal seinem Erscheinen voraus. Die Dinge existieren für uns außerhalb ihrer ausstellung und setzen ihre ausstellung fort. Diese Wort Ausstellung muss neu definiert werden. Etwas entwickelt sich in der Zeit und im Laufe dieser Entwicklung erscheint etwas an einem Ort und kann auch wieder verschwinden. Etwas sickert in die Realität ein. Es gibt ein Zögern, Aufblinken, Pulsieren, einen Rhythmus, eine Welle, Vitalität. Es ist da und nicht da, es verändert sich fortwährend, wächst weiter. Eine Idee entwickelt sich in Etappen. Es fällt mir schwer, Worte wie „Werk“ zu verwenden. Diese Worte muss man deregulieren, weil sie eine bestimmte Herangehensweise oder Existenzweise einer Sache mit sich bringen.
Wenn man über Ihre Arbeiten schreibt, stellt man fest, dass der Begriff Werk dafür nicht mehr adäquat ist. Es gibt, wie Sie sagten, etliche Etappen des Werkes und eine gewisse Fragmentierung im Schaffensprozess.
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Medium verhaftet, sondern umfassen sowohl Film, Skulptur und Architektur als auch Oper und lebende Organismen. Es ist Huyghes künstlerischem Schaffensprozess eigen, dass er eine Welt heraufbeschwört, in der Fiktion und Realität untrennbar werden – so auch in Untilled: Betritt man das Gelände der Kompostanlage, offenbart sich ein Garten. Tiefe Spuren eines Traktors in der Erde zeugen von vorheriger menschlicher Präsenz. Verstärkt wird dieser Eindruck durch die in einer Ecke des Gartens aufgestapelten Betonplatten. Um sie herum befinden sich weitere Erdhaufen, zu Hügeln aufgestapelte Pflastersteine und aufgebrochene Asphaltplatten. Diesen Teil des Gartens nennt Huyghe die City. Hier liegt auch eine umgekippte, fast zwei Meter lange Betonbank, deren Oberseite mit roter Farbe bestrichen ist. Es handelt sich um eine Arbeit von Dominique Gonzalez-Foerster, welche die Künstlerin als Teil ihres Projekts Park: A Plan for Escape auf der Documenta 11 2002, präsentierte. Solche Marker (wie Huyghe sie bezeichnet), die aus verschiedenen Zeiten der Geschichte stammen, sind über die ganze Anlage von Untilled verteilt. Die Skulptur der ausgestreckten Frau ist die Replik eines Werkes des Bildhauers Max Weber aus den 1930er Jahren. Eine der 7000 Eichen, die von Joseph Beuys 1982 für die documenta 7 gepflanzt wurden, liegt an einem der zwei Eingänge des Gartens, wie von einem Sturm dem Boden entrissen und umgekippt. Diese soziale Plastik und insbesondere das damit verbundene Konzept eines erweiterten Kunstbegriffes von Beuys, nimmt Huyghe reflexiv in seine Arbeit auf. So hat Huyghe am Fuß der Eiche einen Ameisenhaufen angesiedelt, der einen Prozess der Myrmekochorie in Gang setzt, bei dem die Ameisen die Samen der Pflanzen des Gartens verbreiten. Gleichzeitig bestäuben die Bienen vom Kopf der Skulptur die Pflanzen, welche vornehmlich nach dem Effekt ausgesucht wurden, den sie auf menschliche Organe ausüben: medizinisch, aphrodisierend oder auch bewusstseinsverändernd. Wandert man mit diesem Wissen durch den Garten, so bewegt man sich auf einer Art Landkarte des menschlichen Organismus. Das Zusammenspiel all dieser Elemente an einem Ort, ihrer kultur- und kunstgeschichtlichen Bezüge, und der
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Erweiterung des Körpers, sowohl im konkreten als auch metaphorischen Sinn, veranlasst Huyghe, von einer Heterotopie zu sprechen. Denn in der Tat schafft Untilled einen komplexen Raum, der andere reale wie auch fiktive Räume und Orte evoziert. In diesem Sinn fügt sich auch eine auf dem Gelände anwesende männliche Person, begleitet von zwei Hunden der Podenco-Rasse, perfekt ins Bild ein. Ihre genaue Aufgabe ist nicht definiert, sie scheint für den Garten und die Pflanzen wie auch für die Tiere verantwortlich zu sein, jedoch ohne einer spezifischen Tätigkeit oder Aufgabe nachzugehen. Vielmehr scheint diese Person, wie alles im Garten, einem Kontinuum des Seins verschrieben. Auch die beiden Hunde haben keine Funktion, sie bewachen das Gelände nicht. Der weiße, ausgewachsene Podenco, dessen rechtes Bein Magenta eingefärbt ist und der den bezeichnenden Namen Human trägt, erinnert mehr an ein Fabelwesen aus einer fernen Zeit und einem unbekannten Ort. Mit Untilled schafft Huyghe einen Reflexionsraum, auf den das Leben unmittelbar einwirkt und einen Zugang zum Imaginären erlaubt. Denn alles in Untilled ist dem Prozess des Werdens verhaftet: Die Pflanzen werden blühen und gedeihen, der Hundewelpe wachsen, die Kaulquappen in einer Zisterne schlüpfen. Aber alles in diesem Garten ist natürlich auch endlich. So trifft Huyghes Ökosystem aufs Genaueste eines der erklärten Hauptthemen der dOCUMENTA (13): Zusammenbruch und Wiederaufbau. Untilled ist in diesem Sinn kein geschlossenes Objekt, sondern Ausgangspunkt für potenzielle Situationen, in denen die ästhetische Erfahrung von Kunst und Natur selbst zum Sujet wird. Das Interview mit Pierre Huyghe, das 2011 am Rande seiner Ausstellung Influants in der Galerie Esther Schipper in Berlin stattfand, zeichnet ein vielseitiges Bild seines Denkens und seiner künstlerischen Praxis. Im Gespräch berichtet er über frühere und aktuelle Projekte und von seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Format der Ausstellung – einer Reise, die ihn zur Auseinandersetzung mit lebenden Organismen führte, zuletzt in seinem Garten auf der dOCUMENTA (13). Marie-France Rafael
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Interview Marie-France Rafael: Beginnen wir damit, über den Betrachter zu sprechen und den Platz, den Sie ihm innerhalb einer Galerie, eines Museums oder eines Ausstellungsraumes zuweisen? Pierre Huyghe: Kein Szenario drängt sich der Person, die ich übri-
gens nicht als Zuschauer begreife, direkt auf. Es gibt Bedingungen der Begegnung. Die Ideen, die Erwartungen und die vorgefassten Verhaltensweisen sind genau das, was ich zu deregulieren versuche. Eine Begegnung soll eine Abweichung sein.
Wie denken Sie Zeit, wie denken Sie Zeitlichkeit? Eine Ausstellung zum Beispiel ist begrenzt, doch zugleich setzt sie sich außerhalb des Rahmens der Galerie oder des Museums fort.
Eine Ausstellung endet, aber etwas daraus setzt sich fort und geht manchmal seinem Erscheinen auch voraus. Die Dinge existieren für uns außerhalb ihrer Ausstellung und setzen ihre Ausstellung fort. Das Wort Ausstellung muss neu definiert werden. Etwas entwickelt sich in der Zeit; im Laufe dieser Entwicklung erscheint etwas an einem Ort und kann auch wieder verschwinden. Es sickert in die Realität ein. Es gibt ein Zögern, Aufblinken, Pulsieren, einen Rhythmus, eine Welle, Vitalität. Etwas ist da und nicht da, es verändert sich fortwährend, wächst weiter. Eine Idee entwickelt sich in Etappen. Es fällt mir auch schwer, das Wort Werk zu verwenden. Solche Worte muss man deregulieren, weil sie bestimmte Herangehensweisen an die Existenz einer Sache bestimmen wollen.
Ihre Arbeiten entwickeln sich in Etappen und man stellt auch eine gewisse Fragmentierung im Schaffensprozess fest. Wie würden Sie für
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A Journey That Wasn‘t (2006) oder für The Host and The Cloud (20092010) diese Arbeitsetappen beschreiben? Es ist wichtig, dass bestimmte Konstruktionen von Bestand sind,
dass es Dinge gibt, die in die Geschichte eingehen. Zugleich können diese stets neu verhandelt werden. Sie leben weiter und können dabei verändert werden. Ich mag die Idee, auf Dinge zurückkommen zu können. Ich verstehe, dass sich etwas auf permanente Weise im Licht festsetzen kann, aber ich mag es auch, dass etwas anderes ein unterirdisches Leben führen und verwandelt wieder erscheinen kann. L‘Expédition scintillante – A Musical (2002) war die Ankündigung von A Journey That Wasn‘t. Es handelt sich um Entstehungsetappen, also das Prozesshafte einer Idee, das in meiner Arbeit oft wiederkehrt. Die Antarktis und der Pinguin sind einzigartig und fern. Man muss eine Wegstrecke zurücklegen. Auf dem Rückweg kann man die Intuition verlieren – sie hat sich verwandelt und soll sich in einer Form kristallisieren. Die Erfindung liegt vielleicht in der Übersetzungsweise, der Kristallisation – es bildet sich etwas heraus. Zugleich kann eine Sache unwiederbringlich verlorengehen – diesen Prozess präsentiere ich. Für A Journey That Wasn‘t haben Sie eine Reise unternommen. Wussten Sie in dem Moment, als Sie aufgebrochen sind, bereits, dass Sie einen Film machen würden und dass diese Reise im Central Park zur Aufführung käme? Ich wusste, dass sie eine opernähnliche Form annehmen würde, wie in L’Expédition scintillante angekündigt; beziehungsweise eine äquiva-
lente Erfahrung. Es stand für mich nicht fest, einen Film zu drehen und ich war mir sicher, dass eine Ausstellung nichts Abschließendes haben sollte, sondern nur eine Etappe ist. So waren in der Ausstellung L‘Expédition scintillante keine Spuren zu sehen, sondern etwas im Rang einer Spekulation, eine Reihe von Hypothesen. Sie beruhte auf der Idee eines Prozesses, sie
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war in sich selbst ein Prozess: In der letzten Etage gab es eine Bühne für eine Vorstellung; es war die schwarze Eisbahn, die man im Central Park wiederentdeckt. Wie kann man etwas präsentieren, das noch nicht stattgefunden hat, wie schafft man eine Präsentation im Vorfeld des Ereignisses? Auf dem Weg durch die Ausstellung fand man in der letzten Etage ein Libretto für eine Oper in drei Akten. Jeder Akt entsprach einer der Etagen, quasi einer Landschaft, die man gerade durchlaufen hatte. Die Ausstellung selbst durchquerte die Ausstellung. Es handelt sich also um eine Ausstellung, die vergeht und dabei Realität produziert; eine Verlagerung, die Reise einer Gruppe von Künstlern.
Und wussten Sie in diesem Zirkel, diesem unendlichen Kreislauf bereits, wie Sie diese Reise in die Antarktis und die Oper im Central Park präsentieren würden? Die Dinge bilden sich unterwegs, Unfällen und dem Kontext folgend. Nach L’Expédition scintillante gab es die Verlagerung einer rea-
len kollektiven Erfahrung in ein Anderswo. Ich hatte die Idee, dass diese Verlagerung die Form einer Oper annehmen würde und orientierte mich an diesem Kontext, übernahm die Sprache des Musicals. Doch der Inhalt war noch in der Entstehung begriffen: Eine Oper ohne Stoff, eine Geschichte ohne uns. Ich war mir nicht sicher, einen Film über diese Verlagerung in die Antarktis zu drehen. Es ging mir eher um die Verschiebungen zwischen einer Erfahrung und ihrer Präsentation. Den Film bilden weder ausschließlich die Aufnahmen der Expedition, noch die von den Ereignissen im Central Park – er präsentiert die Äquivalenz. An dieser Stelle kann man von einer Topologie sprechen. Bei einer solchen Operation geht nichts verloren. Aber wie kann man die reine Repräsentation vermeiden? Wie entkommt eine vorgefundene oder bewusst erzeugte Situation ihrer Aufnahme oder ihrer Spur? Wie verlagert man
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Pierre Huyghe untilled, 2011-2012 Ausstellungsansicht dOCUMENTA (13) Foto: MarieFrance Rafael
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Pierre Huyghe bei der Arbeit auf der dOCUMENTA (13) Foto: Marie France Rafael
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Pierre Huyghe bei der Arbeit auf der dOCUMENTA (13) Foto: Marie France Rafael 3
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Pierre Huyghe Untilled, 2011-2012 Ausstellungsansicht dOCUMENTA (13) Foto: Marie-France Rafael 4
Pierre Huyghe untilled, 2011-2012 Ausstellungsansicht dOCUMENTA (13) Foto: Marie-France Rafael
Film still © Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris
Pierre Huyghe l’expédition scintillante, Act 1, untitled (ice boat, weather score, offshore radio),
Ausstellungsansicht l’expédition scintillante – A Musical, Kunst-
Pierre Huyghe A Journey that wasn‘t, 200
© Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris Foto: Danny Bright 9
Pierre Huyghe
haus Bregenz, 2002 © Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris Foto: Markus Tretter, Kunsthaus Bregenz
© Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris Foto: Danny Bright
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A Journey that wasn‘t, 200
Pierre Huyghe i Do Not own 4‘33“, Fiction Ne
M’appartient Pas
Ausstellungsansicht Celebration Park, Musée d’Art Moderne de la Ville de Paris, 2006 © Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris Foto: Florian Kleinefenn 11
Pierre Huyghe Untilled, 2011-2012 Ausstellungsansicht dOCUMENTA (13) © Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris; Esther Schipper, Berlin. Foto: Nils Klinger 12
Pierre Huyghe The Host and The Cloud, 2009-2010
© Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery,
New York / Paris Foto: Pierre Huyghe 13
Pierre Huyghe The Host and The Cloud, 2009-2010
Film still. © Pierre Huyghe und Marian Goodman Gallery, New York / Paris 14
Ansicht von Pierre Huyghes Atelier in New York Foto: MarieFrance Rafael 15
Pierre Huyghe Untilled, 2011-2012 Ausstellungsansicht dOCUMENTA (13) Foto: MarieFrance Rafael
Wolff
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verlag
Marie-France Rafael: Atelierbesuch Pierre Huyghe Pierre Huyghe steckt die Grenzen der zeitgenössischen Kunst neu ab. Er ist als Reisender zwischen den heterogenen Zonen der menschlichen und kulturellen Geschichte immer auf der Suche nach neuen Formsprachen. Seine Werke führen den Betrachter in eine Welt, in der Fiktion und Realität untrennbar werden. Dieser Atelierbesuch blickt auf sein Verständnis des Werks als Ausgangspunkt für eine ästhetische Erfahrung, die selbst zum Sujet wird. Ein ausführliches Gespräch mit Pierre Huyghe entwirft anhand früherer und aktueller Projekte ein vielseitiges Bild seines Denkens und seiner künstlerischen Praxis. Im Interview berichtet der Künstler en détail von seiner langjährigen Beschäftigung mit dem Format der Ausstellung – einer Reise, die ihn zur Auseinandersetzung mit lebenden Organismen führte, zuletzt in einen Garten, den er mit »Untilled« (2012) auf der dOCUMENTA (13) geschaffen hat.
ISBN 978-3-941461-10-9
9 783941 461109