WonHwaDo Journal 01/2013

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Nr. 01/ 2013, Ausgabe 58 In dieser Ausgabe: ● Der Tempel der tausend Spiegel ● Geht mutig voran! ● Drachenmädchen

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Aus dem Inhalt dieser Ausgabe Editorial Der Tempel der tausend Spiegel Geht mutig voran! Filmtipp: Drachenmädchen

Liebe Leserinnen und Leser, 2 2 3 8

Zum Titelbild Hadan-Chagi - Hyojoo Song Herausgeber WonHwaDo Deutschland Am Eichwinkel 30 04279 Leipzig Telefon: 0177 8385393 Telefax: 03222 245 491 3 E-Mail: Lutz@wohwado.de Redaktionsleitung Lutz Winter

Seit nunmehr 16 Jahren gibt es unser WonHwaDo Journal und es ist an der Zeit ein Resümee zu ziehen. Im Jahr 1997 erschien die erste Ausgabe unseres Journals, anfänglich noch unter dem Namen „WonHwaDo Live“. Der Druck der jeweiligen Ausgabe erfolgte am heimischen PC und Drucker und verbrauchte riesige Mengen an Tinte. Schon mit der Ausgabe 03/1997 wandelte sich der Name in „Martial Live“ da nunmehr nicht nur ausschliesslich WonHwaDo-Themen, sondern auch Ernährungstipps, Buch- und Filmrezensionen u.v.m. zum Inhalt gehörten. Mit der Jahrtausendwende erfolgte eine einschneidende Veränderung im Namen - „WonHwaDo News“, und auch die Produktion erfolgte nunmehr im Copy-Shop. Aber auch hier war noch nicht das Ende der sprichwörtlichen Fahnenstange erreicht. Ab der Ausgabe 01/2006 erfolgt die Herstellung unseres Magazins nunmehr im Digitaldruck-Verfahren und auch der heutige Name „WonHwaDo Journal“ hielt Einzug. Abschliessend möchte ich im Namen des Journal-Teams, allen, die Textoder Bildbeiträge beigesteuert haben, Dankeschön sagen. Ohne Hilfe und Interesse von vielen Seiten wäre das Heft nicht zu realisieren. Viel Spass beim Lesen wünscht

Lutz Winter Beiträge Redaltionsleitung Jörn Lühmann, polyband Medien GmbH, Redaktion Digitale Druckvorbereitung Lutz Winter Druck Osiris-Druck Leipzig Die in den einzelnen Beiträgen veröffentlichten Meinungen der Autoren stimmen nicht in jedem Fall mit den Auffasssungen der Redaktion bzw. des Herausgebers überein. Werfen Sie das WonHwaDo-Journal nach dem Lesen nicht gleich weg! Empfehlen Sie das Magazin Freunden und Bekannten. Danach erst gehört es ins Altpapier.

Der Tempel der tausend Spiegel

Es gab in Indien den Tempel der tausend Spiegel. Er lag hoch oben auf einem Berg und sein Anblick war gewaltig. Eines Tages kam ein Hund und erklomm den Berg. Er stieg die Stufen des Tempels hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel. Als er in den Saal der tausend Spiegel kam, sah er tausend Hunde. Er bekam Angst, sträubte das Nackenfell, klemmte den Schwanz zwischen die Beine, knurrte furchtbar und fletschte die Zähne. Und tausend Hunde sträubten das Nackenfell, klemmten die Schwänze zwischen die Beine, knurrten furchtbar und fletschten die Zähne. Voller Panik rannte der Hund aus dem Tempel und glaubte von nun an, dass die ganze Welt aus knurrenden, gefährlichen und bedrohlichen Hunden bestehe. Einige Zeit später kam ein anderer Hund, der den Berg erklomm. Auch er stieg die Stufen hinauf und betrat den Tempel der tausend Spiegel. Als er in den Saal mit den tausend Spiegeln kam, sah auch er tausend andere Hunde. Er aber freute sich. Er wedelte mit dem Schwanz, sprang fröhlich hin und her und forderte die Hunde zum Spielen auf. Dieser Hund verliess den Tempel mit der Überzeugung, dass die ganze Welt aus netten, freundlichen Hunden bestehe, die ihm wohlgesonnen sind. Autor: unbekannt (Eine Geschichte aus Indien) 2


„Geht mutig voran! Wir treffen uns auf dem Raben- Wie im vergangenen Jahr möchten wir auch diesmal im Sportpark an unserer Form im WonHwaDo feilen. Die berg.“ erste Einheit ist für Freitagabend angesetzt und schon das zeigt, dass die Gruppe ein starkes Pensum vor sich WonHwaDo-Trainingslager hat. Innerhalb dieses Wochenendes sollen insgesamt Rabenberg, 14.-16.12.2012 ca. 14 Stunden Training bewältigt werden. Das ist nichts für Anfänger oder Pulverschneeliebhaber. Hier geht’s ans Eingemachte. Im Vordergrund stehen natürlich Körper- und Erbauungsübungen. Ohne die geistige Kraft des Willens und das entsprechende Kämpfernaturell, ist das Unternehmen Rabenberg zum Scheitern verurteilt. Doch niemand innerhalb unserer Gruppe zeigt auch nur Anzeichen von Unlust oder Demotivation. Im Gegenteil. Schon die erste Einheit am Freitag, von 20:30-22:00Uhr hat es mit gymnastischen Drills im hunderter Wiederholungspack gänzlich in sich. Bis zur letzten Minute des Trainings wird konzentriert gearbeitet und geschuftet. 3 Sets á 100 Wiederholungen werden erfolgreich absolviert.

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„Doch bläst des Krieges Wetter euch ins Ohr, Dann ahmt den Tiger nach in seinem Tun: Spannt eure Sehnen, ruft das Blut herbei, Entstellt die liebliche Natur mit Wut, Dann leiht dem Auge einen Schreckensblick.“ (aus: Shakespeares Heinrich V.)

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Training ist immer auch Herausforderung, aber Trainingslager stellt einen Sonderfall dieser Kategorie dar. Innerhalb kürzester Zeit soll so viel wie möglich geschafft werden. In unserem Fall brechen Steffi, Dana, Nicole, Lucas, Oliver, Christian, Marcus und ich, Jörn, am Freitag Abend gegen 17:00Uhr auf, ins Erzgebirge, auf den Rabenberg.

Der Weg zurück zur Unterkunft erfolgt barfuß durch den Schnee und wird Symbol für unsere Zeit auf dem Rabenberg, sich durch äussere Umstände oder innerliche Befindlichkeiten nicht unterkriegen zu lassen. So begeben wir uns Schritt für Schritt und Übungsstunde um Übungsstunde aus der Komfortzone in die Welt der Müdigkeit, des Schmerzes und der Überlastung.

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Dieser Weg ist selbst gewählt und verspricht dabei kein Spaziergang zu werden. WonHwaDo-Krieger sind keine Schönwettersportler oder Freizeitkämpfer. Das Leben ist kein schön gewundener Waldweg im Frühling bei Sonnenschein sondern hält immer Überraschungen für uns parat. Unser Leben beschenkt uns reich mit täglichen Herausforderungen, die Entscheidungen verlangen und uns dadurch helfen, unsere Persönlichkeit zu formen. Ein Trainingslager ist nur ein kleiner Ausschnitt, eine Episode, aber die Regeln sind die Gleichen. „Stell Dich den Herausforderungen und scheue nicht die Anstrengung, die dafür notwendig ist, Deinen Geist zu stärken!“ Wir, im WonHwaDo, nutzen unsere körperlichen Übungen, um den Geist zu erreichen. Dabei kann Jeder und Jede die eigenen Ziele für sich formulieren und daran arbeiten. Am Ende folgen wir den Gedanken von Grandmaster Han, der WonHwaDo als Weg verstand, Charakter und innere Form zu entwickeln. Und so wie wir die Grundformen des WonHwaDo üben, feilen wir ständig an unserer geistigen Kraft. Und das scheint zu funktionieren. Dieses Trainingslager ist ein vortreffliches Beispiel dafür. Selbst wenn das Training noch so hart ist, die Ruhezeiten immer kürzer scheinen und Herausforderungen immer grösser werden, arbeiten alle harmonisch miteinander. Die Atmosphäre ist ohne Ausnahme immer hervorragend und jeder und jede Einzelne spürt die Verantwortung für das Gelingen des Unternehmens. So findet die Gruppe schnell den notwendigen Rhythmus, um das Pensum zu halten.

Beispiel von der Harmonie innerhalb der Gruppe, die sich bis zuletzt hielt.

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Das nächste Training beginnt am Samstagmorgen 06:00Uhr. Es schneit und der Wind bläst stark. Wir kämpfen uns mit Hadan und Sangdan durch das Schneegestöber. Ziel der morgendlichen Erbauungsübungen ist die Herstellung der notwendigen Leistungsbereitschaft für den Tag. Es erwarten uns 4x5min Workouts mit Partner. Dabei versucht jedes Paar in 5min so viele gültige Wiederholungen zu schaffen wie möglich. Die erreichten Wiederholungszahlen der einzelnen Paare sind beeindruckend und zeugen von enormem Leistungswillen und Motivation. Wieder einmal bin ich begeistert vom Spirit in der Gruppe. Die letzte Übung, welche das Tragen des Partners auf dem Rücken verlangt, bringt Oliver aus der Bahn. Sein Rücken beginnt zu schmerzen und er muss fürs Erste, widerwillig, aussetzen. Die Enttäuschung steht ihm ins Gesicht geschrieben, da auch er hierher gekommen ist, um sein Bestes zu geben.

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Der erste Trainingstag endet mit einer Geburtstagsrunde, die Steffi spendiert. Eine weitere hervorragende Möglichkeit, die angebrochenen Energiespeicher wieder aufzufüllen. Wie gut die Gruppe funktioniert, kann man auch am Beispiel von Steffis Kuchen deutlich machen. Steffis Kuchen enthielt keine tierischen Bestandteile, so dass auch Christian als Veganer zulangen konnte. Und der schmeckte obendrein noch so gut, dass alle etwas davon hatten. Das ist nur ein kleines

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Für die erste Matteneinheit betreten wir den uns schon bekannten Tanzsaal, der eine tolle Trainingsatmosphäre liefert und bauen die Matten, natürlich mittels unverzichtbarer Erwärmungsübungen auf. So schwitzen wir an, bevor wir das eigentliche Training überhaupt beginnen. Das Üben von Applikationen der Hu-MionFormen steht auf dem Plan. Ich freue mich, dass sich das Training interaktiv gestaltet und viele Fragen den Verlauf der Einheit beeinflussen. Marcus ist sehr wissbegierig und will soviel wie möglich für seine Schüler in Hagen mitnehmen. Er setzt immer wieder gerne neue Impulse und steht immer vorbereitet mit neuen Fragen auf der Matte. Leider hat er zu diesem Zeitpunkt mit seiner Gesundheit zu kämpfen und versucht sich tapfer durch die Einheit zu bringen. Oliver verbringt einen Grossteil der Zeit auf dem Pezziball, um seinen Rücken zu therapieren. Aber es lohnt sich, denn er steht bald wieder übungsbereit vor seinem Partner.

Wie jede Einheit beginnt und endet auch diese Morgenübung mit einer Schneeballschlacht. Das Wetter ist phantastisch, obwohl es zu tauen beginnt. Aus dem Schnee ins Wasser. Die Schwimmeinheit von 07:00-08:00Uhr steht auf dem Plan und wir müssen uns ranhalten, um nicht zu spät zu sein. 10 Bahnen einschwimmen bevor die Staffeln beginnen. Partnerweise stehen wir uns am Beckenrand gegenüber und ein Partner beginnt mit einer von 10 Bahnen. Nach Anschlag springt der Partner rein und absolviert seine Runde und so weiter. Nicole als Partnerin zu haben erweist sich als äusserste Herausforderung, da Sie nicht nur über einen guten Schwimmstil sondern auch über eine ausgezeichnete Kondition verfügt. Nach den 10 Bahnen hängen meine Arme wie kaputte Fahrradschläuche von meinen Schultern herab. Doch es folgt noch die allseits beliebte Tauchstaffel. Beim Tauchen geht es natürlich um Kondition, aber auch um die Willenskraft, trotz Ermüdung und Sauerstoffbedarf seinen Körper durch den Geist kontrollieren zu können. Ich halte diese Art des Üben's für eine Bereicherung des Trainings. Wir versuchen paarweise mit so wenig wie möglich Tauchgängen 10 Bahnen zu tauchen. Dort wo Du auftauchst, beginnt Dein Partner einen neuen Tauchgang. Abgerundet wird das Ganze noch mit Partnerzugsprints, wobei ein Partner eine Bahn gezogen wird. Nach 10 Bahnen und einem entspannten Ausschwimmen ist auch diese Trainingseinheit absolviert und wir freuen uns auf das Frühstück. Die Mahlzeiten könnten an sich schon ein Kapitel füllen. Das liegt allerdings auch daran, dass beispielsweise Dana immer ein gutes Gesprächsthema an den Tisch bringt und so die Gruppe in ein interessantes Gedankenkonstrukt verwebt. Die Mahlzeiten erscheinen auf dem Rabenberg immer wie eine selbstauferlegte Mast vorm Schlachten. Ich kann mich nicht zügeln und gehe an keinem Angebot des reichhaltigen Buffets vorbei. Ich haue mir erst den Teller, dann die Plauze voll, so dass ich sicher sein kann, auf der Matte auf die ein oder andere wendige Situation verzichten zu müssen.

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Steffi übernimmt mit Ihrer exzellenten Fotoausrüstung die Fotodokumentation des Trainingslagers und geht ab und an auf Safari für einen guten Blickfang. Ich denke ihr ist es ausgezeichnet gelungen, die gute Übungsatmosphäre einzufangen, die uns das ganze Training auf dem Rabenberg begleitete. Nach dem Mittag steht Marcus Hapkido-Einheit auf dem Plan. Hier ergibt sich ein interessant aufgearbeiteter Blick über den Tellerrand. Für mich wird wesentlich, dass es Marcus gelingt sich in einer Stilart sicher zu bewegen, die ursprünglich nicht seine Spielwiese ist. Wir finden uns alle in Bewegungen wieder, die zwar an WonHwaDo-Bewegungen erinnern, aber dennoch Elemente beinhalten, die wir erst üben müssen, um sie einigermassen gut umzusetzen. Mich begeistern diese Ideen und hätte gerne noch ein wenig mehr damit zugebracht. Marcus konnte uns einen wunderbaren Überblick darüber vermitteln, womit er sich in Hagen, außer dem WonHwaDo-Training noch beschäftigt. Für mich persönlich ergibt sich ein weiterer schöner Aspekt dieser Lehrstunde. Ich stehe auf der Schülerseite und das ist ein verdammt gutes Gefühl,

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vor allem, wenn man von qualifizierten Kräften unterrichtet wird. Ich bin schon voller Erwartung auf die Einheit von Steffi, die am Sonntag geplant ist.

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Nach einem wieder einmal zu reichlichen Abendbrot machen wir uns bereit für ein abschließendes Mattentraining im Sinne des Frei- und Bodenkampfes. Hier zeigen sich Oliver und Christian von Ihrer enorm starken Seite. 3 Minuten kämpfen haben es in sich, zumal der Körper ohnehin schon stark vorbelastet ist. Selten habe ich ein solch hartes Training in den Knochen gespürt und die Freikampfrunden, sowohl Stand als auch Boden, fordern meine ganzes Durchhaltevermögen. Trotzdem macht es einen Heidenspaß und wir beenden Abbildung 10 das Training ohne größere Verletzungen, wofür ich, vor Da uns wieder einmal die Ruderer das Territorium strei- allem bei dieser Intensität, sehr dankbar bin. tig machen und im Tanzsaal ihre Ergometer-Sessions abhalten wollen, nutzen wir die Pause dankbar für eine kleine Wanderung auf den Rabenberg. Im Prinzip handelt es sich um eine Prozession des Einseifens, wobei wir auf zirka 3,5 Kilometer Wegstrecke jeden aus der Gruppe mindestens 4mal mit dem Kopf in den Schnee stecken. Manche von uns auch öfter als 4 mal. Das Schneeballzielschießen entschied … ach naja ist auch nicht so wichtig, aber Jörn trifft einfach hervorragend. Jedenfalls habe ich die Schneemütze vom Pfosten gebügelt. Den Wettbewerb im Schneeengeln habe ich allerdings verloren. Steffi und Dana haben das besser drauf. Abbildung 12 Was für eine vollendete Abwechslung zum Training auf der Matte. Stattdessen wandern wir in freier Natur bei Nach einem Trainingstag wie diesem stellt sich nicht schönstem Winterwetter und atmen die frische Luft. So die Frage, ob man noch ein Stück weiter hätte gehen können sich Körper, Geist und Seel erholen und neue können. Allen ist anzumerken, dass sie eine Grenze Kräfte sammeln für den folgenden recht intensiven überschritten haben, dass sie ihr eigenes LeistungsTrainingsteil. potential neu definieren können und sie nun wissen, Wieder auf der Matte (hier ist die Luft auch wunder- wie weit sie wirklich gehen können. Schon zu diesem bar), werfen wir was das Zeug hält und erarbeiten öko- Zeitpunkt steht für mich fest, dass dieses Trainingslanomische Bewegungsabfolgen durch ständiges ger etwas Besonderes darstellt. Jeder scheint ein eigeWiederholen und Drillen von immer gleichen Bewe- nes Ziel zu verfolgen, aber den Weg dahin gehen sie gungen, jedoch mit unterschiedlichen Partnern. Das gemeinsam und gehen ihn mit Leidenschaft. Niemals Training beschließen wir mit einer „Japanischen Run- hört man ein Murren oder ein Maulen. Es kommen de“. keine Zweifel auf und Jeder ist um den Anderen bemüht. Für mich bedeutet es, dass wir gemeinsam den Weg der Harmonie miteinander beschreiten.

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nen und sich aufs Neue zu beweisen. Der Sonntag beginnt, nach kurzer Nacht, mit einem morgendlichen Sportsgruß an den Körper. Nennen wir es Snowfield Crossing. Ein weites Feld unter einer ca. 60cm hohen Schneedecke. Wir kämpfen uns durch den Schnee und vollführen Sprawls auf Kommando. Eine geile Einheit. Natur und Bewegung. Besser geht’s nicht. Am besten ist die reine Luft mit welcher wir unsere Städterlunge füllen. Die Mitarbeiter des Sportparks sprechen uns an und fragen uns, ob wir die Bekloppten sind, die zu unchristlicher Zeit durch's Unterholz jagen und eigenartige Dinge im Schnee veranstalten? In Wirklichkeit beneidet man uns, weil wir die Freiheit des Augenblickes erkennen und zu nutzen wissen.

Irgendwie wird der Geist frei unter solch besonderen Umständen. Ich fühle mich wie auf Reset und gehe mit diesem Gefühl in unsere trainingstagabschließende Meditation. Wir wandern dazu gegen 23:00Uhr durch den verschneiten Wald und suchen uns jeder ein Fleckchen für die Meditation. Der Wind weht hoch oben durch die Wipfel der Bäume, die sich durch seine Kraft ihrer Laste des Schnees entledigen. So hört man innerhalb des ansonsten sehr ruhigen Waldes das laute Geräusch des fallenden Schnees. Mir erscheint es magisch und ich geniesse diesen Augenblick der Ruhe im Sturm. So, denke ich, muss ein Krieger sein. Einerseits Ruhe, Einklang und Mitte im Inneren - doch brüllende Leidenschaft und Tobsucht nach außen hin, dem Feind entgegentretend. Andererseits glühende Leidenschaft und Temperament im Inneren und nach außen hin die Ruhe selbst. Kaltblütig - Nichts und Alles erwartend. Die Meditation unter den Bäumen zeigt mir aber auch die Schwierigkeit im Hier und Jetzt zu sein. Sich auf das Wesentliche konzentrieren zu können und wirklich einen festen Standpunkt zu entwickeln. So gern ich auf der Matte übe, dass Training des Geistes sollte immer an erster Stelle stehen. Bevor wir ins Dojang gehen, verneigen wir uns und formulieren unser Ziel für den Trainingstag oder die Übungsstunde. Wenn wir das Dojang nach dem Üben verlassen, verbeugen wir uns wieder und reflektieren, ob wir das Ziel erreicht haben oder nicht. Am Abend im Wald, im tiefen Schnee stehend und den Trainingstag in den Knochen, konnte ich mich verbeugen mit der Erkenntnis, alles gegeben und nichts zurückgehalten zu haben. Trotz schlichter Unterkunft ergab sich dennoch später am Abend ein geselliges Beisammensein, wobei die Gruppenstärke gegen 24:00Uhr oder gar noch später schrumpfte. Lukas und Dana genossen nach dem Abendessen die Möglichkeit der Saunanutzung. Selbst die 67 nackten Ruderathleten konnten die beiden nicht davor abschrecken, sich in der Sauna zu rekreieren. Lukas, der bis hierhin wunderbar durchhielt und immer aktiv seinen Beitrag beisteuerte, erreichte nun seine Grenze. Er traf die kluge und auch mutige Entscheidung sein Bett zu konsultieren, da er wusste, dass es morgen wieder ein harter Tag werden würde. Mich persönlich beeindruckt sein Durchhaltevermögen, welches er auch schon in Korea an den Tag legte. Auch dafür erhielt er während unseres Aufenthaltes auf dem Rabenberg eine höhere Graduierung. Die hat er sich wirklich verdient. An dieser Stelle muss darauf hingewiesen werden, dass die Gruppe die Entscheidung des Einzelnen respektiert und trägt. Ein weiterer Grund dafür, sich innerhalb der Gruppe so wohlzufühlen. Jeder Tag bietet wieder eine neue Möglichkeit, neue Erfahrungen zu sammeln, neue Erkenntnisse zu gewin-

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Fortsetzung in der nächsten Ausgabe!

Text: Jörn Lühmann, Kampfkunstschule Karitakan Abbildungsverzeichnis: Abb. 1 http://images.chinahighlights.com/travelguide1/ culture/chinesezodiacsigns/tiger.jpg Abb. 2-5 Archiv Stephanie Butze Abb. 6-8 Archiv Jörn Lühmann Abb. 9-12 Archiv Stephanie Butze Abb. 13 Archiv Jörn Lühmann

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