Sicher, klimaschonend, bezahlbar – Ein Energiekonzept fßr Deutschland
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Inhalt 10 Eckpfeiler für ein zukunftsfähiges Energiekonzept
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Klimaschutz bis 2050 – Mythen entzaubern und Antworten geben, die Zukunft haben.
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Mythos: „Kernkraft ist die Brücke in eine CO2-freie Zukunft.“
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Mythos: „Ohne Kohle und Kernenergie geht in Deutschland das Licht aus.“
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Leitplanken für ein deutsches Energiekonzept
„Modell Deutschland“ und das „WWF-Energiekonzept“ Fakten zu Kernenergie und erneuerbaren Energien Fakten zu Infrastruktur und Versorgungssicherheit
Mythos: „Die erneuerbaren Energien machen den Strom teuer.“
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Mythos: „Klimaschutz schadet der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.“
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Vier auf einen Streich.
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Fakten zu Energiepreisen
Fakten zu Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsmärkten
Die Argumente für ein zukunftsfähiges Energiekonzept im Überblick.
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10 Eckpfeiler für ein zukunftsfähiges Energiekonzept Aus Sicht des WWF Deutschland sind folgende Leitplanken für ein deutsches Energiekonzept bis 2050 zentral:
1. Ambitionierte Ziele zur Reduktion der Treibhausgasemissionen festlegen. 2. Ambitionierte Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz formulieren. 3. Ausbauziele für erneuerbare Energien in allen Sektoren bestimmen. 4. Am Ausstieg aus der Kernenergie festhalten. 5. Robuste Annahmen bei den Energiepreisen vornehmen. 6. Knappe Ressourcen sorgfältig planen. 7. Benötigte Infrastruktur heute entwerfen. 8. Realistische Zeitpläne für die Umbaumaßnahmen erarbeiten. 9. Schlüsselinnovationen für alle Industriezweige identifizieren. 10. Vorteile der Klimaschutzpolitik gesamtwirtschaftlich bewerten. Wie sich der WWF die wichtigsten Leitplanken für ein deutsches Energiekonzept vorstellt, lesen Sie ausführlich auf Seite 5.
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Klimaschutz bis 2050 – Mythen entzaubern … Die internationale Staatengemeinschaft, so auch Deutschland, steht vor großen Herausforderungen. Parallel zur Bewältigung der weltweiten Wirtschaftskrise müssen wir einer weiteren globalen Krise rechtzeitig begegnen: dem Klimawandel. Nur wenn wir es schaffen, ihn zu begrenzen, können wir einen lebendigen Planeten und letztlich die Grundlagen unseres Wohlstandes bewahren. Deshalb müssen wir jetzt beginnen, unsere Wirtschaft auf Produktionsweisen und Dienstleistungen ohne Treibhausgasausstoß umzustellen. Eine solche Transformation erfordert jedoch Mut zur Veränderung. Mut von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Doch Umgestaltungen bedeuten nicht per se Unsicherheit, sondern bringen vielfach mehr Sicherheit. CO2-freies Wirtschaften bedeutet, Chancen zu ergreifen, um für die Zukunft gewappnet zu sein. Darum wird es jetzt gehen: Wählen zwischen einer sicheren Zukunft oder der wachsenden Bedrohung durch den Klimawandel.
Diese Broschüre wird zeigen, dass viele Argumente, die derzeit große Aufmerksamkeit erhalten, bei näherer Betrachtung nicht belastbar sind und dazu beitragen, Angst zu schüren. Angst vor Veränderung. Angst vor Fortschritt. Der WWF nimmt diese Argumente unter die Lupe. Es hat sich gezeigt, dass vielfach wahre Mythen geschaffen wurden, die dazu beitragen sollen, einen Status Quo zu zementieren, der erst zur jetzigen, bedrohlichen Klimasituation geführt hat. Der WWF ist davon überzeugt, dass ein Paradigmenwechsel in der Wirtschaft nötig und möglich ist. Nur mit einer Veränderung unserer Wirtschaftsweise werden wir unseren Lebensstandard auch weiterhin sichern, die drohenden Auswirkungen des Klimawandels beschränken und künftig zusätzliche Arbeitsplätze schaffen.
Drei Fragen an Regine Günther, Leiterin Energie- und Klimapolitik beim WWF Deutschland, zu den Herausforderungen für das Energiekonzept.
Können Sie erklären, warum wir schon in den kommenden Jahren handeln müssen, um die Klimaerwärmung zu begrenzen?
Dafür sind drei Gründe entscheidend: Erstens brauchen wir für viele zukünftige Emissionsreduktionen eine völlig neue Infrastruktur. Wir müssen jetzt unter anderem in intelligente Stromnetze und -speicher für Wind- und Solarenergie investieren. Nur so stehen diese in zehn, fünfzehn Jahren ausreichend zur Verfügung. Für diese Investitionen und Innovationen brauchen wir genügend Vorlauf. Zweitens dürfen wir uns den Weg in eine klimafreundliche Zukunft nicht verbauen. Wenn wir heute die falschen Investitionsentscheidungen treffen und zum Beispiel neue Kohlekraftwerke bauen, würden diese aufgrund der hohen Kosten lange Jahre genutzt. Diese würden dann zu lange zu viele Treibhausgase ausstoßen. Drittens ist das Klimasystem träge. Das heißt, dass sich die negativen Auswirkungen hoher Emissionen von heute erst viele Jahre später zeigen.
Wie schätzen Sie die bisherigen Schritte der Regierung zu einem langfristigen Energiekonzept ein?
Leider sehen wir derzeit in der in Auftrag gegebenen Studie der Bundesregierung keine vielversprechenden Ansätze für das Energiekonzept. Wichtige Leitplanken für die Etablierung einer kohlen4
stoffarmen Wirtschaftsweise fehlen. Es sind keine klaren Ziele für den Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz erkennbar. Es fehlen Vorschläge, wie die Infrastruktur für die Stromoder Wärmeversorgung in den kommenden Jahren umgebaut wird. Die benötigten Innovationen werden nicht oder nur unzureichend benannt. Derzeit scheint es, als ob die Laufzeitverlängerung für die deutschen Kernkraftwerke das Kernstück des Energiekonzepts sei. Dies kann jedoch nicht der dringend benötigte Zukunftsplan 2050 für eine nachhaltige Energieversorgung sein. Einziger Lichtblick ist das langfristige Minderungsziel von 85 Prozent Treibhausgasen, die bis 2050 gegenüber 1990 eingespart werden sollen.
Was sind aus Sicht des WWF die wichtigsten Inhalte für das Energiekonzept?
Am wichtigsten sind Ziele und damit einhergehende belastbare Politiken und Maßnahmen. Um die Klimaerwärmung zu begrenzen, müssen die Industrieländer ihren Treibhausgasausstoß bis 2050 um 95 Prozent vermindern. Dafür müssen wir unseren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energiequellen beziehen, und die Industrie muss weitgehend CO2-frei arbeiten. Diese Ziele müssen im Energiekonzept festgeschrieben werden. Ebenso müssen Ansätze entwickelt werden, wie die Ziele für die verschiedenen Wirtschaftsbereiche – Stromerzeugung, Verkehr, Industrie usw. – erreicht werden können. Das schafft Planungssicherheit für deutsche Unternehmen und gewährleistet die Energie- und Klimasicherheit der Bürger.
… und Antworten geben, die Zukunft haben. Wie können wir den Treibhausgasausstoß um 95 Prozent bis 2050 senken? Wie bauen wir die Wirtschaft um, ohne ihr zu schaden? Wie sehen dann unsere Lebensgewohnheiten aus? Welche Politik ist dafür nötig?
„Modell Deutschland“ – Der Wegweiser in eine kohlenstoffarme Wirtschaft
Die WWF-Studie „Modell Deutschland – Klimaschutz bis 2050. Vom Ziel her denken“, erstellt von der prognos AG und dem ÖkoInstitut, gibt Antworten auf diese Fragen. Mit ihr existiert erstmals ein durchgerechneter Politikentwurf für den Klimaschutz bis zum Jahr 2050. Er beschreibt den Wandel hin zu einer kohlenstofffreien Wirtschaft. Gleichzeitig zeigt die Studie, dass dieser Systemwechsel machbar und bezahlbar ist. Die Mehrkosten für eine 95-prozentige Emissionsreduktion sind überschaubar. Sie liegen bei durchschnittlich 0,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Die wichtigsten Eckpunkte für ein ambitioniertes deutsches Klima- und Energiepaket bis zum Jahr 2050 sind: • Stützung der Rolle der erneuerbaren Energien: Sie könnten bis zum Jahr 2050 100 Prozent der Stromerzeugung ausmachen. Für eine umfassende Nutzung der erneuerbaren Energien müssen intelligente Stromnetze geschaffen, Speicherkapazitäten massiv ausgebaut sowie neue Marktregeln eingeführt werden. • Die Energieeffizienz muss massiv gesteigert werden. Dazu müssen sowohl Industrieprozesse, der Neubau und Umbau von Gebäuden als auch die Produktion von Geräten deutlich energieeffizienter erfolgen. Die Stromnachfrage kann mittelfristig um ein Drittel gesenkt werden. • Die deutsche Industrie kann mit Investitionen in CO2-arme Techniken, Prozesse, Werkstoffe und Produkte um bis zu 20 Prozent wachsen. Bei gleichzeitig sinkendem Energiebedarf um etwa die Hälfte bleibt sie zukunftsfähig im Wettbewerb. • Der Verkehr wird effizienter: Bis zum Jahr 2050 können zu etwa 80 Prozent Hybridund Elektroautos auf deutschen Straßen unterwegs sein. Die Effizienz des gesamten Fahrzeugparks muss um 60 Prozent erhöht werden. Der Güter-, Flug- und Schiffsverkehr wird auf Biokraftstoffe umgestellt.
WWF-Energiekonzept – 10 Eckpfeiler für eine CO2-freie Zukunft
Der WWF hat ein Energiekonzept erarbeitet, das ausgehend vom Ziel – minus 95 Prozent Treibhausgase bis 2050 – die wichtigsten energie- und klimapolitischen Weichenstellungen für Deutschland formuliert.
1. Ziele zur Treibhausgasreduktion festlegen
Um die globale Temperaturerwärmung unter 2° C halten zu können, müssen die globalen Emissionen bis 2050 um 80 Prozent sinken. Für Industrieländer bedeutet dies eine Reduktion aller Treibhausgase bis 2020 um mindestens 40 Prozent, bis 2030 um 60, bis 2040 um 80 und bis 2050 um 95 Prozent gegenüber 1990.
2. Ambitionierte Ziele zur Steigerung der Energieeffizienz
Für alle Sektoren ist eine massive Ausweitung der Energieeffizienz notwendig. Für jeden Sektor muss ein Energieeffizienz-Ziel transparent formuliert werden.
3. Ausbauziele für erneuerbare Energien in allen Sektoren
Nur mit klaren Ausbauzielen für alle erneuerbaren Energien kann der Umbau der Energiewirtschaft gelingen. Bis 2050 sollen die Stromversorgung und der Verkehrssektor vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt sein.
4. Keine Laufzeitverlängerung für Kernkraftwerke
Die Laufzeitverlängerung der bestehenden Kernkraftwerke blockiert den benötigten Umbau der Energiewirtschaft und den Wettbewerb. Das Energiekonzept muss mindestens ein Szenario mit Zielerreichung ohne Laufzeitverlängerung enthalten.
5. Robuste Annahmen bei den Energiepreisen
Unrealistisch niedrige Annahmen bei den Energiepreisen führen dazu, dass die Kosten für Klimaschutz überschätzt und die Erträge für die Volkswirtschaft unterschätzt werden. Die Energiepreise sollten sich an den aktuellsten Prognosen orientieren.
6. Bewusstes Ressourcenmanagement
Die Notwendigkeit eines sorgfältigen Umgangs mit knappen Ressourcen wie mit Biomasse und mit CO2-Lagerstätten für die unterschiedlichen Anwendungsfelder muss ausreichend berücksichtigt und reflektiert werden.
7. Identifikation der Umbaumaßnahmen der benötigten Infrastruktur
Das Energiekonzept muss klar ausweisen, welche Umbaumaßnahmen an der heutigen Energieinfrastruktur durchgeführt werden müssen, um Versorgungssicherheit und Klimaschutz zu gewährleisten.
8. Klare Aussagen zur zeitlichen Einordnung der verschiedenen Umbaumaßnahmen
Für Bereiche mit hoher Kapitalbindung, langer Lebensdauer bzw. langen Vorlaufzeiten müssen Zeitfenster identifiziert und bei der Investition berücksichtigt werden.
9. Identifikation der Innovationserfordernisse
Das Energiekonzept muss Schlüsselinnovationen in den verschiedenen Sektoren identifizieren und für diese klare „Roadmaps“ aufzeigen.
10. Gesamtwirtschaftliche Bewertung
Die industriepolitischen Vorteile einer frühzeitigen und ambitionierten Klimaschutzpolitik müssen für die gesamtwirtschaftliche Bewertung berücksichtigt werden.
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Klimaschützer? „Mit dem Ausbau der erneuerbaren Energien müssen Kernkraftwerke nicht nur herunter geregelt, sondern zeitweise abgeschaltet werden. Zu solcher Betriebsweise taugen Kernkraftwerke nicht. Denn wenn sie abgeschaltet werden, dürfen sie nur nach längerem Stillstand und langsam wieder angefahren werden. Damit wird ihr Betrieb in Zukunft unpraktikabel.“ Prof. Dr. Klaus Traube, ehem. Manager von Interatom, heute: Vizepräsident Bundesverband Kraft-Wärme-Kopplung e.V.
Mythos: „Kernkraft ist die Brücke in eine CO2-freie Zukunft.“ Mythos 1:
Die Fakten:
Mythos 2:
Die Fakten:
Mythos 3:
Die Fakten:
„Eine Verlängerung der Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke ist gut fürs Klima.“
„Kernkraft ist billig.“
„Für den internationalen Klimaschutz ist Kernenergie notwendig. Deshalb muss sie ausgebaut werden.“
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Eine Laufzeitverlängerung bringt keine Zugewinne für den Klimaschutz, denn es werden nicht mehr CO2-Emissionen eingespart als im EU-Emissionshandel vereinbart.
Kernkraft ist nur für die Energieversorger billig, weil die Erzeugungskosten niedrig sind. Die Verbraucher zahlen Strompreise, die sich nach dem Börsenpreis richten.
Die Kernenergie hat global gesehen einen geringen Anteil an der Energieversorgung. Dementsprechend ist ihr Potenzial zur CO2-Minderung sehr niedrig.
Mythos 1
Der Pfad zur CO2-Reduktion im Energiesektor ist durch die Bestimmungen zum europäischen Emissionshandel vorgeschrieben. Ein längerer Betrieb der deutschen Kernkraftwerke würde keine zusätzlichen Emissionsminderungen erbringen. Im Gegenteil: Durch eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke wäre der Anreiz für Investitionen und Innovationen in Energieeffizienz oder auch die Speicherung von CO2 im Untergrund gering. Weitere Emissionsminderungen würden verlangsamt oder fänden gar nicht statt. Es besteht also die Gefahr, dass die Infrastruktur und die Innovationen, die mittelfristig für die Zukunft mit erneuerbaren Energien benötigt werden, ausbleiben. Da die Stromerzeugung in den bereits amortisierten Meilern für die Betreiber besonders attraktiv ist, würden zudem Investitionen in erneuerbare Energien hinausgezögert bzw. ganz abgesagt.
Präsident des Bundeskartellamtes Ulf Böge bereits öffentlich gewarnt. Auch ein Gutachten der Universität Leipzig im Auftrag einer Stadtwerkegemeinschaft bestätigt, dass es bei einem längeren Betrieb der Kernkraftwerke zu Wettbewerbsverzerrungen zugunsten von E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall käme. Die Stadtwerke sehen ihre Investitionen in neue Erzeugungskapazitäten und erneuerbare Energien dadurch gefährdet. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hat errechnet, dass für die Kernkraft seit ihrer Nutzung (1950 bis 2008) in Deutschland Steuergelder in Höhe von 165 Mrd. Euro aufgewendet wurden. Den Löwenanteil davon stellen Finanzhilfen und Steuervergünstigungen. In den nächsten Jahrzehnten werden voraussichtlich weitere 92,5 Mrd. Euro anfallen, so die Prognose. Mit in die Betrachtung einbezogen wurden dabei die Kosten, die
WWF-Fazit für das deutsche Energiekonzept:
Eine Laufzeitverlängerung bringt in Deutschland nichts für den Klimaschutz und blockiert zudem den Wettbewerb zu Gunsten der vier großen Stromunternehmen. Wenn wir den kompletten Umbau des Energiesystems hin zu 100 Prozent erneuerbaren Energien und mehr Wettbewerb wollen, müssen wir jetzt am Kernenergieausstieg aus dem Jahr 2002 festhalten.
Mythos 2
Die derzeit relativ niedrigen Erzeugungskosten des aus Kernkraft produzierten Stroms kommen nur den Erzeugern in Form höherer Gewinne, nicht aber den Verbrauchern zugute. Denn der Strompreis entsteht aus der Relation von Angebot und Nachfrage an der Strombörse. Dabei gibt das jeweils zur Deckung der letzten nachgefragten Kilowattstunde benötigte „Grenzkraftwerk“ den Ausschlag für die Höhe des Preises (sogenanntes MeritOrder-Prinzip). Alle Erzeugungsformen enthalten diesen Preis, unabhängig von ihren tatsächlichen Kosten. Die Großhandelsstrompreise würden durch eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke nicht sinken können, da nicht die Kernkraftwerke diesen Preis setzen. Das zeigt auch der Vergleich mit Frankreich, wo der Strompreis trotz 85 Prozent Kernenergie-Anteils an der Stromerzeugung nicht niedriger liegt als in Deutschland mit einem Anteil von 23 Prozent. Da die deutschen Kernkraftwerke nahezu alle bereits vollständig abgeschrieben sind, würden sich bei einer Laufzeitverlängerung die Zusatzgewinne der vier großen Energieversorger täglich auf eine Million Euro pro Kraftwerk belaufen. Da bei der Stromerzeugung noch immer vier Anbieter knapp drei Viertel der Stromkapazitäten bereitstellen, würden diese durch die Milliarden-Zusatzgewinne weiter begünstigt. Davor hat der ehemalige
längerfristig durch die Stromerzeugung aus radioaktivem Material entstehen, wie die Beseitigung des nuklearen Abfalls in Endlagern. Dazu kommt, dass bisher die Betreiber von Kernkraftwerken nur sehr beschränkt für Schäden aufkommen müssen, die durch eventuelle Unfälle entstehen.
Mythos 3
Global gesehen ist der Beitrag der Kernenergie zur Energieversorgung nur gering: Sie deckt nur rund 15 Prozent des globalen Strombedarfs und sechs Prozent des Energiebedarfs ab. Um eine weltweite CO2-Minderung von nur zehn Prozent zu erreichen, müssten die Kernkraftwerkskapazitäten nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur (IEA) bis 2050 verdreifacht werden (auf rund 1.400 Kernkraftwerke). Das würde bedeuten, dass ab sofort mehr als 35 Kernkraftwerke pro Jahr errichtet werden müssten. Hierfür stehen aber die industriellen Voraussetzungen nicht einmal in Ansätzen zur Verfügung. Zudem müssen wir schnell zu signifikanten CO2-Minderungen kommen. Das ist mit Energieeinsparungen und erneuerbaren Energien am besten machbar. So war für das Erreichen des deutschen Kyoto-Ziels, einer Minderung der Treibhausgasemissionen um 21 Prozent bis 2012 gegenüber 1990, der Ausbau der erneuerbaren Energien und die Steigerung der Energieeffizienz wichtig.
Fakten zu Kernenergie und erneuerbaren Energien – 7
Grüne Infrastruktur! „Viele Studien weisen darauf hin, dass 2050 ein auf 100 Prozent erneuerbaren Energien basierendes System möglich ist. Der Entwicklung einer ‚nachhaltigen Infrastruktur‘ als Grundlage einer nachhaltigen Wirtschaftsentwicklung kommt eine entscheidende Bedeutung zu. Dabei geht es nicht nur um ‚reaktive Netze‘ (smart grids), sondern auch um die regulatorische und institutionelle Ausgestaltung, Organisations- und Finanzierungsmodelle.“ Prof. Dr. Christian von Hirschhausen, TU Berlin, Fachgebiet Wirtschafts- und Infrastrukturpolitik.
Mythos: „Ohne Kohle und Kernenergie geht in Deutschland das Licht aus.“
Mythos 1:
Die Fakten:
Mythos 2:
Die Fakten:
Mythos 3:
Die Fakten:
Die Stromnachfrage steigt bzw. bleibt in Zukunft gleich.
Die erneuerbaren Energien können Kern- und Kohlekraftwerke nicht ersetzen, weil sie so schnell nicht zur Verfügung stehen.
Erneuerbare Energien schaffen es nicht, die Grundlast zu sichern – dafür brauchen wir Kohle- und Kernkraftwerke.
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Studien im Auftrag der Industrie zeigen: Der Stromverbrauch kann massiv sinken, wenn die Politik die Weichen in Richtung Energieeffizienz stellt.
Die erneuerbaren Energien können bis 2050 so schnell ausgebaut werden, dass sie den Strombedarf in Deutschland zu 100 Prozent decken.
Herkömmliche Grundlastkraftwerke werden überflüssig. Die Diversifikation der erneuerbaren Energieerzeugung kann die Energieversorgung sichern.
Mythos 1
Ohne eine drastische Reduktion des Stromverbrauchs werden wir die notwendigen Einsparungen bei den Treibhausgasen nicht erreichen können. Viele Studien zeigen, dass dies möglich ist, wenn jetzt gehandelt wird. Der Ersatz ineffizienter Haushaltsgeräte oder von Nachtspeicherheizungen, die Minimierung der Stand-by-Verluste und die Effizienzsteigerung bei Beleuchtung im Haushalt sind notwendige Maßnahmen. Aber auch in Industrie und Gewerbe ist das Einsparpotenzial groß. Im Bereich der Industriemotoren beispielsweise könnten effizientere Motoren und die Optimierung der Systeme nach Schätzungen des Verbands der Elektrotechnik Elektronik Informationstechnik e.V. (VDE) Stromeinsparungen von bis zu 60 Prozent nach sich ziehen. Dies würde eine Reduzierung der CO2-Emissionen beim heutigen Strommix um 40 Millionen Tonnen bedeuten.
Mythos 2
Das Ausbautempo der erneuerbaren Energien hat bisher jede Prognose übertroffen. Schon heute werden mehr als 16 Prozent des Stroms regenerativ erzeugt. Bis 2050 könnte die Stromversorgung vollständig auf erneuerbare Energien umgestellt sein. Zu diesem Ergebnis kommen übereinstimmend eine Reihe von Studien wie die von McKinsey (Roadmap 2050), PricewaterhouseCoopers (100 % renewable electricity), die Stellungnahme des Sachverständigenrats für Umweltfragen (100 % erneuerbare Stromversorgung bis 2050) oder die WWF-Studie „Modell Deutschland“. Neben dem verstärkten Einsatz der erneuerbaren Energien sind dabei in allen Szenarien vier Elemente wichtig: die Steigerung der Energieeffizienz, massive Energieeinsparungen, der starke Ausbau von Speichern sowie Investitionen in neue, intelligente Übertragungsnetze. Der Umbau muss heute durch eine entschiedene Politik beginnen.
Mythos 3
Bis vor kurzer Zeit war die „Stromlandschaft“ noch klar konturiert. Grundlastkraftwerke auf Basis von Kernkraft und Braunkohle
deckten den Bedarf rund um die Uhr. Steinkohleanlagen sorgten für die Sicherung der Mittellast. Spitzenlastkraftwerke, in der Regel auf Erdgasbasis oder Pumpspeicher-Wasserkraftanlagen, traten in Aktion, um die Extremnachfrage zu sichern. Mit dem Ausbau der Regenerativstromerzeugung ändert sich das Bild: Regenerativstrom ist nicht mehr die Ergänzung zur traditionellen Stromerzeugung, sondern dominiert sie durch den Einspeisevorrang ins Netz mehr und mehr. Dieser Paradigmenwechsel hat Auswirkungen auf die Führung des konventionellen Kraftwerksparks. Das Konzept der „Grundlastfähigkeit“ wird im Energiesystem der Zukunft keine Rolle mehr spielen. Es wird lediglich darum gehen, die Stromnachfrage zu jedem Zeitpunkt mit einem adäquaten Mix aus zunehmend erneuerbaren Energien zu decken. Schon heute übertrifft die installierte Windkraftleistung in Deutschland die der Kernkraftwerke. Bei guten Windbedingungen könnte Windstrom die gesamte Nachfrage decken. Die neue, erforderliche Flexibilität kann von den ehemaligen „Grundlastkraftwerken“ nicht erbracht werden. Da sie auf Dauerbetrieb ausgelegt sind, lassen sie sich nur begrenzt flexibel an- und abfahren. Benötigt werden in der Zukunft nicht mehr große Mengen an Grundlast, sondern flexible Kraftwerke für die Mittel- und Spitzenlast. Das Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik (IWES) hat bundesweit modellhaft 36 regenerative Erzeugungsanlagen zusammengeschaltet, um die Umsetzung in die Praxis zu demonstrieren. Durch die Verknüpfung von erneuerbaren Energiequellen wie Biomasse und Wasserkraft mit den stark fluktuierenden, sich aber zum Teil gegenseitig wieder ausgleichenden Quellen Wind und Sonne wird die Versorgungssicherheit garantiert. Dem Ausbau der Netze – beispielsweise der Errichtung eines Verbunds der in der Nordsee geplanten Offshore-Windparks – und der Speicher kommt für die Versorgungssicherheit wesentliche Bedeutung zu.
WWF-Fazit für das deutsche Energiekonzept: Die erneuerbaren Energien können die Stromversorgung in Deutschland klimaverträglich, sicher und risikolos leisten und müssen deshalb schnell auf 100 Prozent ausgebaut werden.
Exkurs: Mythos „Stromlücke“
Seit die Deutsche Energie-Agentur GmbH (dena) 2008 ihre Studie zur Entwicklung der Stromerzeugung vorgelegt hat, taucht das Bild der „Stromlücke“ immer wieder in den Schlagzeilen auf. Nicht erst das Umweltbundesamt hat in einer Studie nachgewiesen, dass es keine Stromlücke geben wird. Dies bestätigt auch die WWF-Studie „Modell Deutschland“. In der dena-Studie wurde unter anderem der Strombedarf über- sowie Energieeinsparun-
gen unterschätzt. Im Studienszenario wurden die bestehenden konventionellen fossilen Kraftwerke nicht nach Marktgeschehen vom Netz genommen, sondern sehr strikt nach einer fest definierten Laufzeit. Zudem lassen sich momentan an den Strommärkten für zukünftige Stromlieferungen keine künftigen Preissteigerungen ablesen. Dies wäre allerdings der Fall, sollte eine Stromlücke existieren oder bevorstehen.
Fakten zu Infrastruktur und Versorgungssicherheit – 9
Billige Energie? „Wenn die Preise uns vorgaukeln, die Natur sei unendlich, rennen der technische Fortschritt und die Zivilisation in den Abgrund. Das kann 100 Jahre gut gehen. Aber wenn wir am Abgrund stehen, ist das Rücksteuern unendlich viel schmerzhafter, als heute sanft umzusteuern.“ Prof. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker, Ko-Präsident, UNEP Resource Panel. Quelle: Berliner Zeitung, 8. Mai 2010.
Mythos: „Die erneuerbaren Energien machen den Strom teuer.“ Mythos 1:
Die Fakten:
Mythos 2:
Die Fakten:
Mythos 3:
Die Fakten:
„Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist zu teuer.“
„Das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) lässt die Strompreise ansteigen.“
„Strom aus Kohle und Kernkraft ist und bleibt billig.“
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Die erneuerbaren Energien werden zwar heute noch finanziell gefördert, sie sparen aber auch Milliarden für Importe fossiler Energieträger wie Erdöl und Erdgas.
Der Betrag, den die Verbraucher für die Förderung der erneuerbaren Energien über das EEG zahlen, macht nur einen minimalen Anteil am Strompreis aus.
Fossile Brennstoffe sind in den vergangenen Jahren auf dem Weltmarkt tendenziell immer teurer geworden, was für die Verbraucher steigende Strom- und Gaspreise bedeutete.
EEG-Anteil für die Privatkunden Es greift zu kurz, nur die Kosnur mit wenigen Prozent zu Buche ten für den Ausbau der erneuschlägt (siehe Grafik). Umsatzsteuer 20 erbaren Energien zu betrachten. Die zunehmende Nutzung der Mythos 3 Stromsteuer Konzessionsabgabe unbeschränkt verfügbaren erJahrzehntelang wurde der Stein15 Erneuerbare-Energien-Gesetz neuerbaren Energiequellen spart kohlebergbau in Deutschland mit Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz teure Importe fossiler EnergieMilliarden an Steuergeldern sub10 Erzeugung, Transport, Vertrieb träger wie Öl, Kohle und Gas. ventioniert. Erst 2018 ist damit endgültig Schluss. Derzeit wird Die Preise letzterer sind durch 5 weltweit steigende Nachfrader größte Teil der in Deutschland ge in den vergangenen Jahren verfeuerten Steinkohle importiert. 0 stark angestiegen. Alle ProgAuch ihr Preis steigt, ebenso wie 2000 2002 2004 2005 2006 2007 2008 Quelle: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (BMU). 2009. nosen gehen für die Zukunft der Uranpreis. So hat das Bundesvon weiter steigenden Preisen amt für Wirtschaft und Ausfuhraus. Das Bundesumweltministerium beziffert die Kostenerspar- kontrolle (BAFA) für die Import-Steinkohle für 2007 einen Preisannis durch vermiedene Energierohstoffimporte allein für 2008 auf stieg von 95,5 Prozent gegenüber 1999 ermittelt. 6,6 Mrd. Euro. Dazu kommen die durch den Einsatz regenerativer Energieträger vermiedenen externen Kosten, wie unter anderem Nicht von ungefähr haben daher RWE und Vattenfall großes InUmweltbelastungen. Für das Jahr 2008 errechnete das BMU hier- teresse an der weiteren Nutzung der deutschen Braunkohle. Aber für weitere vier Milliarden Euro. Würden beispielsweise die Folge- auch dieser Kohlestrom wird in Zukunft teurer, da über die CO2schäden durch Luftschadstoffe mit in den Strompreis einbezogen, Zertifikate, die die Kraftwerksbetreiber ab 2013 im Rahmen des so wäre Kohlestrom um mehrere Cent pro Kilowattstunde teurer. europäischen Emissionshandels ersteigern müssen, ein Preis für die Zusätzlich bringen die erneuerbaren Energien positive volkswirt- Verschmutzung der Atmosphäre gezahlt werden muss (CO2-Preis). schaftliche Effekte unter anderem durch Arbeitsplätze: Mehr als Die Kosten dafür geben die Stromversorger an die Verbraucher 300.000 sind bereits in Deutschland entstanden. weiter. Selbst als die Zertifikate noch kostenlos waren, wurden sie „eingepreist“. Groß war die Empörung über die „windfall profits“, Die Entwicklung der erneuerbaren Energien in den letzten 20 Jah- die die Unternehmen dadurch realisiert haben. Das Öko-Institut ren hat gezeigt, dass die Förderung eine frühzeitige Markteinfüh- beziffert deren Zusatzgewinne im Zeitraum zwischen 2008 und rung ermöglichte und die Kosten massiv gesenkt hat. Angereizt 2012 auf rund 35,5 Mrd. Euro. wird dies zudem durch die Degression der Einspeisevergütung. Größere Produktionszahlen, die zu so genannten „Skaleneffekten“ Darüber hinaus entstehen Kosten u. a. für Gesundheitsschäden oder führen, und technische Weiterentwicklung machen die erneuerba- Luftverunreinigung, die nicht von den Energieversorgern, sondern ren Energien langfristig immer konkurrenzfähiger. der Gesellschaft getragen werden.
Mythos 1
Kostenanteile für eine Kilowattstunde (kWh) Strom für Haushaltskunden in Deutschland
WWF-Fazit für das deutsche Energiekonzept:
Die Technik wird durch ständige Weiterentwicklung immer billiger. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, müssen bis 2030 mehr als 35 Prozent des Primärenergiebedarfs von erneuerbaren Energien gedeckt werden. Mythos 2
Bei den Preisen muss unterschieden werden zwischen dem Börsenpreis für Strom und dem Preis für die Endkunden. Der Anteil am Strompreis, den die Verbraucher für die erneuerbaren Energien zahlen, ist gering: In den vergangenen Jahren waren es jeweils etwa ein Cent pro Kilowattstunde. Nach Prognose der Übertragungsnetzbetreiber wird dieser Betrag im kommenden Jahr mit der wachsenden Zahl von Erneuerbaren-Energie-Anlagen auf zwei Cent pro Kilowattstunde ansteigen. Großhandel und Vertrieb, Steuern und Abgaben sowie die Netzentgelte machen den Löwenanteil des Strompreises aus, während der
Auch die Kernenergie wurde – als Folge der Ölkrise – seit den siebziger Jahren hoch subventioniert. Darüber hinaus sind im Preis die sogenannten „externen Kosten“ der Produktion von Kernenergie nicht eingerechnet: unter anderem die Gewährleistung der Sicherheit von Transporten mit nuklearem Abfall und die Endlagerung. Wie teuer dies die Bürger zu stehen kommt, hat sich zuletzt an den maroden Endlagern Morsleben und Asse gezeigt. Zudem haften die Betreiber von Kernkraftwerken bei einem möglichen nuklearen Unfall de facto nur beschränkt. Eventuelle Folgekosten eines solchen Unfalls sind nicht über die Betreiber versichert. Vielmehr muss dafür, unabhängig von der finanziellen Größenordnung, die Allgemeinheit aufkommen.
Fakten zu Energiepreisen – 11
Exportweltmeister! „Bis 2020 wird sich der globale Umsatz der Umweltindustrien auf 3.100 Mrd. Euro mehr als verdoppeln. Deutschland hat eine gute Ausgangsbasis, um von dem globalen Wachstum überdurchschnittlich zu profitieren.“ Dr. Torsten Henzelmann, Partner Roland Berger Strategy Consultants. Quelle: Presseinformation zum GreenTech-Atlas 2.0, 7. Mai 2009.
Mythos: „Klimaschutz schadet der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie.“ Mythos 1:
Die Fakten:
Mythos 2:
Die Fakten:
Mythos 3:
Die Fakten:
„Klimaschutz führt zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Industrie.“
„Klimaschädliche Industrien werden ins Ausland abwandern.“
„Zu viel Klimaschutz führt zur Deindustrialisierung Deutschlands.“
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Die Unternehmen profitieren vom Klimaschutz. Deutschland ist in diesen Märkten durch Innovation, Qualität und Kompetenz Weltmarktführer.
Dies ist nicht zu erwarten. Nicht alle energieintensiven Industrien stehen im internationalen Wettbewerb. Nur denjenigen, denen nachweislich große Wettbewerbsprobleme entstehen, sollten Nachteile ausgeglichen werden.
Rohstoffe werden knapper. Daher muss Deutschland auf ressourcenschonende Technologien setzen und die Politik den Unternehmen Innovationsanreize setzen.
Mythos 1
Deutschland ist bislang im Klimaschutz vorangegangen und profitiert davon. Die Vorreiterrolle hat die technische Entwicklung vorangetrieben und der Clean-Tech-Branche beachtliche Exporterfolge ermöglicht. Die deutschen Windanlagenbauer z. B. waren laut Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) die einzige Branche, die 2009 im von der Wirtschaftskrise stark gebeutelten Anlagenbau eine positive Entwicklung vorwies. 80 Prozent Exportanteil und eine Wertschöpfung am Weltmarkt von rund 30 Prozent verweisen auf den Stellenwert der Branche. In der Technik des Carbon Capture and Storage (CCS), die nach Meinung vieler Experten zukünftig eine wichtige Rolle bei der Speicherung von CO2 aus Industrieprozessen oder der Verbrennung von Biomasse zur Extrahierung von CO2 aus der Atmosphäre spielen muss, hinkt Deutschland der internationalen Entwicklung hinterher. In Deutschland wird oft angeführt, dass in China jede zweite Woche ein neues Kohlekraftwerk ans Netz gehe. Die andere, klimafreundliche Seite geht dabei unter. China hat einen Wettbewerb um die energieeffizienteste Volkswirtschaft eröffnet. Der laufende FünfJahres-Plan sieht eine Effizienzsteigerung um 20 Prozent pro BIPEinheit vor. Gleichzeitig baut China erneuerbare Energien massiv aus: 2009 gingen rund 13.000 Megawatt Windkraftleistung in Betrieb – weltweit ein Spitzenwert. Das Land hat schon heute mehr Unternehmen in der Solarbranche als die übrige Welt zusammen und exportiert rund 50 Prozent seiner Solarzellenproduktion. Der Vorsprung eines „First Mover“, den Deutschland noch für sich reklamieren kann, muss nicht dauerhaft sein. Das Pew Center aus den USA beobachtet einen Wettkampf um die Führungsposition bei Nutzung und Produktion erneuerbarer Energien zwischen China, Deutschland und den USA. Das zeigt, dass hierzulande politische Rahmenbedingungen gesetzt werden müssen, die es den privatwirtschaftlichen Unternehmen ermöglichen, weiterhin erfolgreich global zu konkurrieren.
Mythos 2
Eine Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes von 2008 belegt, dass nur ein sehr geringer Anteil der Industrie negative Auswirkungen auf den internationalen Märkten wegen CO2-Emissionskosten befürchten müsste. Von den deutschen energieintensiven Branchen, die von hohen CO2-Kosten betroffen sind, stehen nur fünf im internationalen Wettbewerb: Eisen und Stahl, Düngemittel, Papier, Aluminium und Teile von Chemie (siehe Grafik). Für diese sollten Kompensationen erbracht werden. Energieintensive Branchen wie die Zementindustrie jedoch haben ihren Absatzmarkt im Inland und hätten keinerlei Vorteile durch eine Verlagerung der Produktion. Im Gegenteil: Faktoren wie Distanz zum Absatzmarkt, logistische Anbindung, Qualifikation der Arbeitnehmer oder die Kosten einer Verlagerung können so negativ zu Buche schlagen, dass eine Abwanderung für das jeweilige Unternehmen sogar kontraproduktiv wäre. Augenblicklich werden aber bei weitem zu viele Industrien mit zu hohen Vergünstigungen bedacht. Dies ist klimaschädlich.
Mythos 3
Klimaschutz bedeutet Wirtschaften ohne CO2-Ausstoß, nicht aber Deindustrialisierung. In diesem Umgestaltungsprozess entstehen neue Industriezweige, andere verschwinden. Deutschland konkurriert in einem Weltmarkt, der immer energieeffizienter wirtschaftet. Falsch verstandene „Schutzräume“ für die deutsche Industrie bremsen Innovationen in Effizienz und erneuerbare Energien. Die deutsche Autoindustrie beispielsweise läuft dem Weltmarkt bei Elektromobilität und Fahrzeugeffizienz hinterher, weil die Politik mit falschen Anreizen die heimische Industrie vor zu großen Klimaschutzauflagen schützen wollte. Die schnelle Entwicklung und Einführung von energieeffizienten und CO2-armen Produkten und Prozessen hilft der Industrie, Kosten zu senken und die Wettbewerbsposition zu verbessern. Die Politik muss verhindern, dass Unternehmen aufgrund kostenloser oder zu hoher Zuteilung von Emissionsrechten Zusatzgewinne abschöpfen können. Gleichzeitig müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die Unternehmen weiterhin einen Anreiz zu CO2-Minderung und nachhaltigem Wirtschaften insgesamt geben.
WWF-Fazit für das deutsche Energiekonzept: Es ist wichtig, die deutsche Industrie fit für die Zukunft zu machen – mit Anreizen zu einer Technologieführerschaft in kohlenstoffarmen Technologien.
Handelsintensität deutscher Branchen und ihre potenzielle Belastung durch den Emissionshandel 70 %
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Handelsintensität mit Nicht-EU-Ländern Anteil der direkten CO2-Kosten an der Wertschöpfung Anteil der indirekten CO2-Kosten an der Wertschöpfung Branchen mit hohen direkten und indirekten CO2-Kosten und gleichzeitig starkem internationalen Wettbewerb
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Quelle: Öko-Institut. V. Graichen et al. 2008.
Fakten zu Wettbewerbsfähigkeit und Zukunftsmärkten – 13
Vier auf einen Streich. Die Argumente für ein zukunftsfähiges Energiekonzept im Überblick. Der Klimawandel ist eine Bedrohung, die wir jetzt noch begrenzen können. Dies gelingt, wenn Politik und Wirtschaft gemeinsam Lösungen zur Änderung unserer Wirtschaftsweise entwickeln. Dem Kurswechsel hin zum kohlenstofffreien Wirtschaften stehen etablierte Interessen gegenüber. Sich mit ihren Argumenten auseinanderzusetzen und Lösungen für ein klimafreundliches Wirtschaften anzubieten, ist eine Stärke des WWF. Auf der folgenden Seite haben wir die wichtigsten Argumente aus dieser Broschüre zusammengestellt. Weitere Informationen zum WWF-Energiekonzept, zur Studie „Modell Deutschland“ und den Lösungsansätzen des WWF für die deutsche und internationale Klimapolitik finden Sie online unter www.wwf.de/klima.
Für Rückfragen zu allen Themen in dieser Broschüre stehen Ihnen beim WWF zur Verfügung:
Regine Günther Leiterin Energie- und Klimapolitik Telefon: +49 (0) 30 308742-18 E-Mail: regine.guenther@wwf.de Thomas Duveau Referent Erneuerbare Energien und Infrastruktur Telefon: +49 (0) 30 308742-36 E-Mail: thomas.duveau@wwf.de
Der WWF ist eine der größten unabhängigen Naturschutzorganisationen der Welt. Das globale Netzwerk des WWF ist in mehr als 100 Ländern aktiv. Weltweit unterstützen uns rund fünf Millionen Förderer. Der WWF will der weltweiten Naturzerstörung Einhalt gebieten und eine Zukunft gestalten, in der Mensch und Natur in Harmonie leben. Deshalb müssen wir gemeinsam: • die biologische Vielfalt der Erde bewahren, • erneuerbare Ressourcen naturverträglich nutzen und • die Umweltverschmutzung verringern und verschwenderischen Konsum eindämmen. 14
Mythos: „Eine Verlängerung der Laufzeiten der Kernkraftwerke ist gut fürs Klima.“
Mythos: „Die Stromnachfrage steigt bzw. bleibt in Zukunft gleich.“
Mythos: „Kernkraft ist billig.“
Mythos: „Die erneuerbaren Energien können den Strombedarf nicht decken.“
Fakten: Eine Laufzeitverlängerung der Kernkraftwerke bringt keine zusätzlichen CO2-Einsparungen. Denn es werden nicht mehr Emissionen eingespart als im EU-Emissionshandel vereinbart. Vielmehr blockiert die Verlängerung den Ausbau der erneuerbaren Energien und die Bemühungen um Energieeffizienz. Fakten: Der Preis für Strom bildet sich an der Strombörse. Deshalb kommen die relativ niedrigen Erzeugungskosten bei Strom aus Kernkraft nur den Energieversorgern, nicht aber den Verbrauchern zugute. Was oft vergessen wird: Für die Kernenergie wurden seit ihrer Nutzung (1950-2008) in Deutschland Steuergelder in Höhe von 165 Mrd. Euro aufgewendet.
Mythos: „Für den internationalen Klimaschutz ist die Kernenergie notwendig.“
Fakten: Global gesehen ist der Beitrag der Kernenergie zum Klimaschutz nicht signifikant: Sie deckt nur rund 15 Prozent des globalen Strombedarfs ab. Wichtig für das Erreichen des deutschen Kyoto-Ziels von minus 21 Prozent (bis 2012 gegenüber 1990) war vor allem der Ausbau der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz.
Mythos: „Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist zu teuer.“
Fakten: Die erneuerbaren Energien werden finanziell gefördert. Sie sparen aber auch Geld. Denn es müssen entsprechend weniger fossile Energieträger wie Öl und Gas importiert werden. Das waren laut BMU allein 2008 rund 6,6 Mrd. Euro. Durch die Vermeidung von Umweltbelastungen wie den Ausstoß von Luftschadstoffen gibt es weitere Kostenersparnisse.
Mythos: „Das EEG lässt die Strompreise ansteigen.“
Fakten: Werden Industrieprozesse und Elektrogeräte effizienter, kann der Stromverbrauch bis 2050 bis zu einem Drittel sinken. Dafür muss die Politik jetzt die Weichen stellen. Sie muss Verbrauchsstandards für effiziente Geräte definieren, in die Verbesserung der Energieproduktivität investieren und Märkte für Energieeffizienz schaffen.
Fakten: Die erneuerbaren Energien können bis 2050 den Strombedarf in Deutschland zu 100 Prozent decken. Zahlreiche Studien belegen dies (McKinsey, PWC, Sachverständigenrat für Umweltfragen, WWF). Blieben die Kernkraftwerke länger am Netz, würde der notwendige Ausbau der erneuerbaren Energien behindert.
Mythos: „Nur Strom aus Kohle und Kernkraft kann die Grundlast sichern – die erneuerbaren Energien schaffen dies nicht.“
Fakten: Eine breite Aufstellung der erneuerbaren Energieerzeugung kann zu jedem Zeitpunkt die Nachfrage decken. Schon heute übertrifft die installierte Windkraftleistung die der Kernkraftwerke. Investitionen müssen jetzt in Energiespeicher und intelligente Stromnetze getätigt werden. Damit wird das Konzept der „Grundlast“ hinfällig.
Mythos: „Klimaschutz führt zu Wettbewerbsnachteilen für die deutsche Industrie.“
Fakten: Die deutsche Wirtschaft profitiert (bislang) von ihrer Vorreiterrolle im Klimaschutz. So waren bspw. die deutschen Windanlagenbauer die einzige Branche im Anlagenbau, die 2009 trotz Wirtschaftskrise Zugewinne machen konnte. Es gilt jetzt, diese wirtschaftlichen Vorteile gegenüber Wettbewerbern, z. B. aus den USA und China, zu sichern.
Mythos: „Klimaschädliche Industrien werden ins Ausland abwandern.“
Fakten: Der Betrag, den die Verbraucher für die Förderung der erneuerbaren Energien über das EEG zahlen, macht nur einen minimalen Anteil am Strompreis aus. 2009 war es etwa ein Cent pro kWh. Wesentliche Preisbestandteile sind dagegen Steuern und Abgaben sowie die Netzentgelte.
Fakten: Energieintensive Branchen, wie z. B. der Zementsektor, haben ihren Absatzmarkt in Deutschland. Eine Verlagerung der Produktion in ein Land mit niedrigeren Umweltstandards würde für diese Industrien höhere Transportkosten und ggf. schlechtere Standortbedingungen bedeuten. Eine Abwanderung wäre unter diesen Umständen nicht sinnvoll.
Mythos: „Strom aus Kohle und Kernkraft ist und bleibt billig.“
Mythos: „Zu viel Klimaschutz führt zur Deindustrialisierung Deutschlands.“
Fakten: Fossile Brennstoffe sind in den vergangenen Jahren auf dem Weltmarkt stetig teurer geworden. Darüber hinaus gibt es erhebliche externe Folgekosten aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe (Luftverunreinigung, Gesundheitsschäden). Hohe Kosten entstehen auch bei der Kernkraft, u. a. für die Sicherheit von Transporten mit nuklearem Abfall und die Endlagerung.
Fakten: Nicht alle energieintensiven Industriezweige in Deutschland sind tatsächlich dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Wo nachweisbar Nachteile entstehen, sollte ein Ausgleich entrichtet werden. Allerdings müssen Unternehmen auch Innovationsanreize gesetzt werden, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den energieeffizienten Märkten der Zukunft zu behaupten.
MYTHEN UND FAKTEN ZU
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Infrastruktur und Versorgungssicherheit
Kernkraft und erneuerbaren Energien
MYTHEN UND FAKTEN ZU
Wettbewerbsf채higkeit und Zukunftsm채rkten
MYTHEN UND FAKTEN ZU
Energiepreisen