Magazin KULTURELLE BILDUNG Nr. 14 // Partizipation

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KULTURELLE BILDUNG REFLEXIONEN. ARGUMENTE. IMPULSE

PARTIZIPATION N R . 14 / / / D OP P E L A U S G A BE 2016 / / / 4 E U R O / / /


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>>> INHALT 03 _ EDITORIAL HINEIN_DENKEN 04 _ /// (Wie) Macht Kulturelle Bildung die Gesellschaft jugendgerecht(er)? >> Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung

07 _ /// Beteiligungskultur im Alltag verankern >> Im Gespräch mit Heiner Keupp 09 _ /// Wie ernst meinen wir Partizipation? Kulturelle Bildung im Kontext Flucht >> Max Fuchs 11 _ /// Partizipation – Sperrgut im Zusammenspiel von Zivilgesellschaft, Förderpolitik und Governance >> Roland Roth KENNEN_LERNEN 14 _ /// Strukturen überdenken, Rahmenbedingungen ändern, Horizonte erweitern – Erfahrungen der Münchner Stadtbibliothek >> Raphaela Müller 16 _ /// Sich der Machtfrage stellen – Beteiligungsformate in der spielmobilen Arbeit >> Stefan Melulis 18 _ /// Immer „mit“ statt „über“? Über das Recht auf Nichtbeteiligung >> Jan Siebenbrock und Olaf Herzog 20 _ /// „Wir bauen einen Möglichkeitsraum“ – Die mu:v-Initiative der Jeunesses Musicales Deutschland (JMD) >> Christoph Schaller 22 _ /// Schule ist (mit)gestaltbar – Die Generationen-Werkstatt Flingern-Süd >> Jörg-Thomas Alvermann 24 _ /// „Den Trichter umdrehen“ – Partizipation an der Hulda-Pankok-Gesamtschule >> Monika Nordhausen, Alexandra Haußmann und Johannes Braun

26 _ /// „Die Manns und wir“ – Jugendliche kuratieren im Lübecker Buddenbrookhaus >> Birgit Mandel und Ann Luise Kynast

28 _ /// Scouts – Entwicklungshelfer/innen im Theater für junges Publikum >> Anna Eitzeroth 30 _ /// Unterwegs im Bücheruniversum – Von der Jugendjury zu den Literanauten >> Doris Breitmoser 32 _ /// #wiedennwennderkopfraucht – Literarische Dokumentation der Tagung >> Clara Antonie Ludwig 34 _ /// Weltgestalter/in werden – Beteiligung und freiwilliges Engagement >> Kirsten Mengewein 36 _ /// „Was bringen wir jetzt auf die Bühne?“ Von Höhen und Tiefen des „eigenen Projekts“ >> Im Gespräch mit Dirk Neugebauer

38 _ /// Tür auf – Tür zu. Erfahrungen einer künstlerischen Intervention >> Im Gespräch mit der Künstler/innen-Gruppe „I can be your translator“

TIEFER_BLICKEN 41 _ /// „Jenseits von Richtig und Falsch liegt ein Ort. Dort treffen wir uns.“ >> Im Gespräch mit Irmgard Merkt, Nina Stoffers und Anja Schütze über Diversität und Diversitätsbewusstsein in der Kulturellen Bildung

44_ /// …immer auf Augenhöhe?! Perspektiven und Stolpersteine auf dem Weg zu einer partizipativen kulturellen Jugendbildung >> Renato Liermann 48 _ /// Partizipation international – Länderübergreifende Erfahrungen mit einem sperrigen Begriff >> Odile Bourgeois

50 _ /// Zum Zusammenhang politischer und Kultureller Bildung >> Thomas Krüger 52 _ /// Partizipation klingt langweilig >> Anja Schütze 54 _ /// Positionieren, Einbringen, Aktivieren – Partizipation Jugendlicher in digital-vernetzten Welten >> Christian Helbig und Angela Tillmann 56 _ /// Wirkungsvoll mitwirken – Partizipation im Musikverein lernen >> Matthias Laurisch im Gespräch mit Maila von Haussen

58 _ /// Erarbeitung einer partizipativen Grundhaltung – Ein Weiterbildungsformat der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen >> Helmut Seidenbusch 60 _ NACH_SCHAUEN & HIN_GEHEN 63 _ IMPRESSUM


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EDITORIAL

PARTIZIPATIONSVERSPRECHEN AUF DEM PRÜFSTAND Partizipation scheint inzwischen in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens zu einem Allheilmittel gegen soziale Defizite geworden zu sein. Auch und vor allem in den Künsten und in der Kulturellen Bildung ist Partizipation mittlerweile ein bewährtes Mittel zur Senkung von Zugangsbarrieren und eine Methode, soziale Teilhabe zu gewähren. Doch Partizipation ist mehr als nur ein methodischer Zugang. Partizipation ist ein grundlegendes politisches Prinzip für eine demokratische Gesellschaft. Daher ist die Frage nach der Realisierung des Rechtes auf Partizipation eine zentrale gesellschaftspolitische Frage. Partizipation – soziale wie politische – ist Voraussetzung und zugleich Potenzial gelingender kultureller Bildungspraxis. Kulturelle Bildung bietet mit vielfältigen Ansätzen und unterschiedlichen Methoden der künstlerischen Auseinandersetzung zahlreiche Möglichkeiten der Mitwirkung. Partizipation verspricht den Individuen Gleichheit und Selbstbestimmung, doch die pädagogische und künstlerische Praxis der Kulturellen Bildung erlaubt die Gleichheit aller Beteiligten nur bedingt. Denn die Frage nach der gleichberechtigten Mitbestimmung ist untrennbar mit der Frage nach der Selbstbestimmung des Individuums verbunden. Wenn die Selbstorganisation einer Gruppe gelingen soll, dann muss jedes einzelne Individuum in der Gruppe auch Normen und Regeln akzeptieren. Die Möglichkeit zur Selbstbestimmung wird durch diese Normen nicht nur allen gleichermaßen gewährt, sondern gleichzeitig auch von der Möglichkeit der Selbstbestimmung der jeweils anderen begrenzt. Partizipation ist demnach ein dialektischer Prozess von Selbst- und Fremdbestimmung und die Erfahrung des Sichbestimmen-Lassens liegt der Selbstbestimmung zugrunde. Umso wichtiger ist es, dass diese Verhältnisse in den künstlerischen Arbeitsprozessen der Kulturellen Bildung transparent ausgehandelt werden können und Machtverhältnisse sowie andere Abhängigkeiten offengelegt werden. Wir müssen uns in der Praxis der Kulturellen Bildung kritisch mit den eigenen Arbeitsweisen auseinandersetzen und ihre Wirksamkeit hinsichtlich des Rechts auf Partizipation von Kindern und Jugendlichen überprüfen und weiterentwickeln. Das Selbstverständnis der Erwachsenen für ihre Rolle im Prozess und ihr Bewusstsein für den möglichst transparenten Umgang mit der Macht, die sich mit ihren Funktionen verbindet, ist entscheidend für die Entfaltung selbstbestimmter kultureller Aktivitäten von Kindern und Jugendlichen. Im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wird gegenwärtig an der „Jugendstrategie 2015–2018“ gearbeitet: für die Gestaltung einer jugendgerechten Gesellschaft, in der Jugendliche umfassend mitbestimmen und mitgestalten. Es geht um konkrete Maßnahmen, die erforderlich sind, um unsere Gesellschaft jugendgerechter zu machen. Mit der bundesweiten Fachtagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“ am 13. und 14. November 2015 in Berlin hat die BKJ einen bedeutenden Beitrag zur kritischen Reflexion der Potenziale Kultureller Bildung in diesem Prozess geleistet. Mit Denkwerkstätten und einem wissenschaftlichen Symposium haben wir den Prozess der inhaltlichen Vorbereitung partizipativ gestaltet und auch die Tagung selbst bot mit beteiligungsorientierten Formaten Gelegenheit zur aktiven Mitgestaltung. Die Fachtagung war eine Kooperation der BKJ mit der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb und fand in Zusammenarbeit mit der Landesvereinigung Kulturelle Jugendbildung (LKJ) Berlin statt – Wir danken unseren Partnern für die konstruktive und produktive Zusammenarbeit. Und wir bedanken uns bei den Autorinnen und Autoren dieses Magazins, die mit ihren unterschiedlichen Perspektiven auf das Thema Denkanstöße für die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen künstlerischen oder kulturpädagogischen Praxis der Partizipation in der Kulturellen Bildung geben.

Prof. Dr. Gerd Taube Vorsitzender der BKJ


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(WIE) MACHT KULTURELLE BILDUNG DIE GESELLSCHAFT JUGENDGERECHT(ER)? BUNDESVEREINIGUNG KULTURELLE KINDER- UND JUGENDBILDUNG

Die im Folgenden vorgestellten Beobachtungen, Thesen und Fragestellungen sind im Laufe eines Diskussionsprozesses in Vorbereitung der Tagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“ (November 2015) entstanden: In mehreren „Denkwerkstätten“ und einem Symposium diskutierten Fachkräfte, Künstler/innen, Pädagog/innen, Jugendliche und Wissenschaftler/innen Dimensionen und Fallstricke des Themas, formulierten Thesen und Fragen – vor dem Hintergrund der vielfältigen Angebots- und Praxisformen in der kulturellen Bildungsarbeit sowie mit Blick auf das politische Selbstverständnis der Akteure der Kulturellen Bildung. 1. Partizipation – (k)eine Frage von Recht und Macht Das Recht auf Partizipation ist ein Menschenrecht. Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene haben ein Recht auf Beteiligung und Mitgestaltung.1 „Partizipation“ bezeichnet einen Prozess, bei dem sich ein Subjekt in soziale, kulturelle, ökonomische und politische Gestaltungsprozesse aktiv einmischt. Partizipation ist also eine Tätigkeit. Sie hat zur Voraussetzung, dass Erwachsene Macht abgeben und Entscheidungsräume für junge Menschen öffnen. Die Idee und der Anspruch auf Partizipation fordern also Strukturen, Bildungsverantwortliche und individuelle Akteure heraus, von ihrer machtvollen Position zurückzutreten. >> Wie unterstützt die Praxis der Kulturellen Bildung dies? Inwiefern gibt wer Macht ab – oder auch nicht? >> Sind wir als erwachsene Fachkräfte, Künstler/innen bzw. Entscheidungsträger/innen im Feld der Kulturellen Bildung bereit, Macht mit jungen Menschen zu teilen und Entscheidungskompetenzen an Kinder und Jugendliche abzugeben? >> Was brauchen Kinder und Jugendliche, um als selbstbestimmte Subjekte Entscheidungen zu treffen, zu wählen und ihre Lebenswelt sowie die Gesellschaft wirksam mitzubestimmen? 2. Politik und Pädagogik – ein Beziehungsproblem? Partizipation ist in der Jugendarbeit und insbesondere im Praxisfeld der Kulturellen Bildung eine vermeintliche Selbstverständlichkeit – Kulturarbeit ist doch per se partizipativ, so scheint es. Doch je nach Kontext und Akteur unterscheidet sich erheblich, was genau darunter verstanden wird. Partizipation ist also ein diffuser Begriff. Darüber hinaus meint er in Hinsicht auf Kulturelle Bildung zweierlei: zum einen Beteiligung im künstlerischen Prozess als partizipativer Erfahrungsund Erprobungsraum, zum anderen politische Partizipation

mittels künstlerischer/kultureller Ausdrucksformen beziehungsweise Interventionen. >> Wo verorten wir Partizipation zwischen pädagogischer Methode und politischem Anspruch? >> Was ist für Partizipationsqualität entscheidend: das Konzept, der Prozess, die Strukturen, die Erfahrungen der Subjekte oder die Wirkungen? >> Worin besteht die Verbindung des politischen Prinzips Partizipation und einer subjektorientierten (Kultur-)Pädagogik? Ist Pädagogik dem politischen Prinzip Partizipation nachgeordnet? >> Wie kann die Praxis Kultureller Bildung die Wahrnehmung für gesellschaftliche Fragen schärfen und selbstbewusstes Eingreifen befördern? >> Welche Kompetenzen erfordert Partizipation auf „beiden Seiten“? 3. Kann Kunst Partizipation? Das Ästhetische gilt als wichtiges Erprobungs- und Lernfeld, um sich ein Bild von sich und der Welt zu machen. In einer ästhetischen Praxis entdeckt und entwickelt man eigene Potenziale zur Gestaltung. Man erlebt aber auch die Widerständigkeit von Materialien und Menschen in diesen Gestaltungsprozessen. Eine ästhetische Praxis ist insofern ein geeignetes Lern- und Erprobungsfeld von Partizipation, als die schon klassischen Gedanken der Handlungsentlastung und des Spielerischen gute Voraussetzungen dafür sind, sich in der Partizipation zu erproben und einzuüben. Es gibt aber auch Reibungsflächen, beispielsweise den Zusammenhang von künstlerischer Qualität und Beteiligungsqualität. Für manche ein Widerspruch, für andere ein untrennbarer Zusammenhang. >> Braucht es nicht auch Dirigenten, Regisseure, Tonangebende? Können künstlerische Entscheidungen basisdemokratisch getroffen werden? Oder ist das alles zu ein fach? >> Was lernen junge Menschen speziell in kulturellen oder künstlerischen Angeboten oder Prozessen für ihre eigene Lebensgestaltung, sodass sie mehr Möglichkeiten haben, aktiv mitzugestalten und beteiligt zu sein? >> Inwiefern stellen ästhetische und künstlerische Praxis eine spezifische Partizipationspraxis dar? Welche Funktion kommt ästhetischer und künstlerischer Praxis in Bezug auf die Realisierung des politischen Prinzips Partizipation zu?

1 Dies ist unter anderem in der UN-Kinderrechtskonvention, im Bürgerlichen Gesetzbuch, im Baugesetz, im Kinder- und Jugendhilfegesetz sowie in einzelnen Ländergesetzen verbindlich verbrieft.


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4. Große Hoffnungen und falsche Versprechen Wir2 versprechen in Kulturprojekten umfassende Mitgestaltungsmöglichkeiten. Wir haben den Anspruch, dass Kinder und Jugendliche sich ihre Lebenswelt mittels der Künste und des Spiels erschließen und sie mit künstlerischen Ausdrucksformen mitgestalten können. Wenn dieser Partizipationsanspruch nun auf die (ungleiche) soziale Wirklichkeit trifft, in der es auch mit der umfassenden und gerechten Teilhabe an kultureller Bildungspraxis nicht zum Besten steht, müssen wir uns fragen: >> Welche Konsequenzen ergeben sich aus einer mehrdimensionalen Realität von gesellschaftlicher Teilhabe (sozial, kulturell, ökonomisch, politisch) für die Realisierung von Partizipation? >> Versprechen wir in der kulturellen Bildungspraxis nicht etwas, was für manche fast zynisch wirken muss angesichts ihrer Lebenswirklichkeit? >> Inwiefern kann die Praxis Kultureller Bildung zu einer wirksamen Beteiligung von Kindern und Jugendlichen angesichts sozialer, kultureller und ökonomischer Realitäten beitragen? 5. Partizipation, der falsche Freund Partizipation als Methode garantiert keineswegs wirksame (gesellschaftliche) Mitgestaltung. Im Gegenteil: Partizipative Methoden lassen sich missbrauchen, um Beteiligung vorzutäuschen und damit auch Machtverhältnisse zu verschleiern.

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Gemeint sind Akteure und Verantwortliche im Feld der Kulturellen Bildung.

Während die Menschen auf einer „Partizipationsspielwiese“ abgelenkt sind, werden woanders Entscheidungen getroffen – ohne Beteiligung derer, auf die sich diese Entscheidungen auswirken. In diesem Sinne kann durchaus auch kulturelle Bildungspraxis zum „Partizipations-Bluff“ benutzt werden. >> Ist uns diese Problematik bewusst und haben wir Strategien, um einen Partizipations-Bluff zu verhindern? Wenn ja, welche? >> In welcher Rolle sehen wir uns als Akteure Kultureller Bildung angesichts der Problematik? >> Woran können wir ernst gemeinte Partizipationspraxis von Pseudobeteiligung unterscheiden? Was sind Kriterien und Qualitätsmerkmale „echter“ partizipativer Praxis und Prozesse? 6. Von Mitmachzwang und Widerstand Abgrenzung von Gesellschaft und ihren Prozessen und Spielregeln sowie ihre kritische Infragestellung sind für die Identitätsentwicklung unverzichtbar und ein wesentliches Merkmal des Aufwachsens. Das Recht auf Partizipation umfasst auch das Recht, nicht zu partizipieren. Es gibt jedoch gelegentlich einen Partizipationszwang, der dann das Gegenteil von Freiheit ist: zum Beispiel ein sozialer Druck zur Beteiligung an eigentlich nicht gewollten Aktivitäten. Partizipation hat also auch dann mit Selbstbestimmung zu tun, wenn es darum geht, sich einer Mitwirkung zu verweigern.


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>> Inwiefern lässt das Prinzip Partizipation eine Anerkennung von Individuen als gleichberechtigte Subjekte zu, wenn diese nicht partizipieren wollen? >> Wie lässt sich das Recht auf Nichtbeteiligung in der kulturellen Bildungspraxis, in einem künstlerischen Prozess realisieren? >> Welche Steuerungsfunktion ist mit Partizipation verbunden? 7. Ausgrenzung hat viele Gesichter Jedes Kind und jede/r Jugendliche, unabhängig von unterschiedlichen individuellen Merkmalen und den damit verbundenen machtwirksamen Zuschreibungen, hat das gleiche Recht auf Beteiligung. Es liegt in unserer fachlichen Verantwortung, kulturelle Bildungsangebote so zu konzipieren und umzusetzen, dass alle mit ihren individuellen Möglichkeiten Zugang zu Partizipationsprozessen haben. Die Methoden dürfen nicht zur Ausgrenzung beitragen. >> Setzt die Realisierung von Partizipation die Anerkennung einer sozial und kulturell geteilten Definition von Normalität voraus? Wie verhält sich das Prinzip Partizipation zu Verschiedenheit und zur Begrenzung beispielsweise ästhetischer Positionen? >> Inwiefern bedingen sich Zugehörigkeit zu einem sozialen und kulturellen Ganzen und die Möglichkeit zur Partizipation?

>> Wie können wir mit Kultureller Bildung dafür sorgen, dass Menschen mit den unterschiedlichsten Perspektiven sichtbar und hörbar werden und sich in unserer Gesellschaft anerkannt und zugehörig fühlen? >> Wie gehen wir mit stillen Stimmen um oder mit Perspektiven, die ungewöhnlich scheinen und in einer Mehrheitsdemokratie leicht unter den Tisch fallen? Können künstlerische Ausdrucksformen, die Widersprüchen und Vielschichtigkeiten vielleicht besser gerecht werden können, hier neue Wege eröffnen? 8. Partizipation zum Schnäppchenpreis? Wer einmal versucht hat, einen vorher weniger beteiligungsorientierten Prozess partizipativer zu gestalten, merkt schnell: Dies erfordert mehr Zeit, Aufwand und entsprechend auch Ressourcen. Beteiligungsprozesse kosten nicht nur Zeit und Geld, sie brauchen auch Engagement, Durchhaltevermögen und Risikobereitschaft. Wichtig ist Ergebnisoffenheit: Das Konzept und die Ziele müssen Raum für ausreichend Offenheit im Beteiligungsprozess lassen, auch im Hinblick auf die Ergebnisse. >> Sind wir bereit, Zeit und Mittel zu investieren? >> Eignet sich die gegenwärtige Förderpraxis im Feld der Kulturellen Bildung für wirklich umfassend partizipative Projekte (Output- und Ergebnisorientierung vs. Ergebnisof fenheit)? Wenn nein, inwiefern sollte sie modifiziert werden?


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BETEILIGUNGSKULTUR IM ALLTAG VERANKERN IM GESPRÄCH MIT HEINER KEUPP ÜBER PARTIZIPATION ALS VORAUSSETZUNG FÜR SELBSTBESTIMMUNG UND FREIHEIT

In Ihrem Vortrag auf der Tagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“ beschreiben Sie Partizipation im Sinne einer Verwirklichungschance für gelingendes Leben. Können Sie uns das näher erläutern? Warum ist Partizipation wichtig? Welche Bedeutung hat sie für das Subjekt und für die Gesellschaft? Partizipation hat in unterschiedlichen Diskursen einen bedeutsamen Stellenwert: >> Im politischen Diskurs wird Partizipation als Voraussetzung für demokratische Bürgergesellschaften gesehen. >> Im pädagogischen Diskurs wird Partizipation verstanden als Voraussetzung für Selbstorganisation von Jugendlichen (beispielsweise für Gruppenprozesse), als Bildungsressource und als ein Gegenpol zu einer Untertanenerziehung. >> Im modernisierungstheoretischen Diskurs wird Partizipation als Voraussetzung für einen gelingenden Umgang mit gesellschaftlichen Veränderungen gesehen, die durch traditionelle Lösungsmodelle nicht bewältigt werden können. >> Im sozialpsychologischen Diskurs wird Partizipation verstanden als Grundlage für Empowerment-Prozesse, als Element im Entstehen eines Selbstwirksamkeitsgefühls und als personale Kompetenz im Bewältigungshandeln von Belastungen. Partizipation ist aus dieser Perspektive eine zentrale Voraussetzung für produktive Projekte der Identitätsarbeit in einer spätmodernen Gesellschaft. Diese zeichnet sich dadurch aus, dass es keine dauerhaften und stabilen Bezugspunkte für die individuelle Lebensführung gibt. Identitätsarbeit kann heute nicht als Übernahme von traditionellen kulturellen Entwurfsschablonen gelingen, sondern erfordert einen aktiven Prozess identitärer Passungsarbeit. Daraus folgt, dass Partizipation nicht nur als eine „Schönwetterkür“ angesehen werden darf, sondern als eine unabdingbare „Verwirklichungschance“ für gelingendes Leben.

Was bedeutet dies konkret für die (pädagogische) Praxis beziehungsweise die Praxis der (kulturellen) Kinder- und Jugendbildung? Was sind Voraussetzungen und Bedingungen für gelingende Partizipation? Wenn Bildung als Dienstleistungssektor definiert wird, der fertige Bildungspakete oder Module abliefert, die die Heranwachsenden als Konsument/innen oder Nutzer/innen verstehen, haben eingebaute Partizipationselemente eher einen Alibicharakter. Auch Mitwirkungsmöglichkeiten, die auf einzelne Bereiche oder Events beschränkt sind, erfüllen nicht den Partizipationsanspruch. Es muss vielmehr eine in den Alltag einer Institution verankerte Beteiligungskultur geben, die mehrere Optionen eröffnet und Diskurse der Konsensfindung und Konfliktbearbeitung ermöglicht. Am sinnvollsten ist ein

gemeinsamer Herstellungsprozess des institutionellen Gefüges, also der Zielfindung und der regelmäßigen Überprüfung der Ziele, der Regeln der Interaktionen und von Grenzüberschreitungen. Letztlich muss man immer auch die Möglichkeit des Machtmissbrauchs und von Grenzverletzungen einbeziehen, auf die mit einem klar geregelten Beschwerdemanagement und der Schaffung einer unabhängigen Ombudsstelle reagiert werden kann. Viele Angebote der Kulturellen Bildung werden von Vereinen in freier Trägerschaft durchgeführt. Diese klagen zunehmend darüber, dass sie für die Übernahme von Vereinsfunktionen keinen Nachwuchs finden. Es sollte daher auch darüber nachgedacht werden, ob Jugendliche nicht frühzeitig in die Vereinsverantwortung einbezogen werden könnten, beispielsweise durch Juniorvorstandschaften. Das kann aber nur funktionieren, wenn die in der Vorstandsarbeit meist dominierende Gründergeneration wirklich bereit ist, Verantwortung zu teilen, und den Jugendlichen etwas zutraut. Viele Vereine – und das gilt nicht nur für den Kulturbereich – neigen zu rituellen Verfestigungen und Strukturkonservatismus, der es jüngeren Generationen schwer macht, sich aktiv einzubringen. Wie ist es um die Verwirklichung des Anspruchs auf Partizipation in der Gesellschaft im Allgemeinen und in der Jugendbildung im Speziellen bestellt? Ich sehe eine große Diskrepanz zwischen den programmatischen Verlautbarungen (nicht zuletzt auch der zuständigen politischen Gremien), den unablässigen fachlichen Forderungen und der institutionellen Wirklichkeit. Seit dem 8. Kinderund Jugendbericht und dem Inkrafttreten des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (1990) hat das Thema Partizipation einen verbindlichen Status. So heißt es im fünften Paragraf des Sozialgesetzbuches, dass Kinder und Jugendliche „entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen“ sind (SGB VIII, § 5). Wenn es um Werbung für das Freiwillige Soziale Jahr geht, übertreffen sich die Ministerinnen in dem, was jungen Menschen an Gestaltungschancen versprochen wird. So schreibt die Bundesfamilienministerin Kristina Schröder in der Einleitung der Broschüre „Für mich und für andere“ (2010): „Jugendfreiwilligendienste haben darüber hinaus auch eine wichtige gesellschaftliche Bedeutung. Sie tragen zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bei, indem sie jungen Erwachsenen die Chance geben, ihre Stärken und Interessen im Sinne des Gemeinwohls zu nutzen. Viele erleben hier zum ersten Mal, wie bereichernd und erfüllend es sein kann, sich gemeinsam mit anderen zu engagieren.“ In der neuesten Werbebroschüre des Bundesfamilienministeriums für die Bundesfreiwilligendienste „Zeit, das Richtige zu tun“ (2014) gibt es zudem ein ganzes Kapitel


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„Partizipation in den Freiwilligendiensten“. Es wird herausgestellt, welchen persönlichen Gewinn junge Menschen durch Mitgestaltung erzielen können, und es wird ihnen versichert, dass die Einsatzstellen auf ihr Mitwirkungsengagement setzen. Die Kinder- und Jugendberichte liefern seit dem 8. Bericht regelmäßig eindrucksvolle fachliche Begründungen für die Notwendigkeit partizipativer Erfahrungen. Exemplarisch sei der 13. Kinder- und Jugendbericht zitiert: „Empowerment bietet eine Perspektive, die sich vor allem auf die Handlungsziele und -bedingungen für Professionelle in der sozialen Arbeit und im Gesundheitssystem bezieht. Richtig verstanden schafft sie Handlungsräume für die Akteure, die durch aktive Beteiligung an der Gestaltung ihrer Lebensbedingungen Selbstwirksamkeitserfahrungen machen können. Empowerment und Partizipation verweisen aufeinander: Empowerment fokussiert auf die professionelle Ermöglichung von Bedingungen der aktiven Beteiligung, die den Akteuren Erfahrungen der Handlungsmächtigkeit verschaffen können.“ Der 14. und damit noch aktuelle Kinder- und Jugendbericht betont in seiner Liste zentraler Dimensionen des Wohlbefindens von Kindern in der frühen, mittleren und späten Kindheitsphase „Partizipation und Selbstbestimmung“, stellt dann aber auch kritisch fest: „Ein grundlegendes Problem [sei] […] deren Mangel in öffentlichen Institutionen, in denen Kinder immer früher und immer länger ihre Zeit verbringen.“ Die realen Mitwirkungsmöglichkeiten in Schulen und Hochschulen sind in den letzten Jahren durch eine Überfrachtung an vorgefertigten Wissenspaketen, die in immer engeren Zeitfenstern abgearbeitet werden müssen, reduziert worden. Diese Belastung nimmt den Heranwachsenden Zeit für Eigenaktivitäten und nicht verpflichtendes Engagement. Der Rückgang jugendlichen Engagements, der empirisch nachgewiesen ist, liefert hier ein SOS-Signal.

Wodurch entstehen Handlungs- und Widerstandsfähigkeit? Handlungsbefähigung ist ein Konzept, das erklärt, welche Fähigkeiten Menschen benötigen, 1. um in schwierigen Situationen diese als zu bewältigende Herausforderung definieren zu können; 2. um Herausforderungen eher selbstbewusst, eher mit Neugier und Lust und eher optimistisch angehen zu können; 3. um ihre vorhandenen Fähigkeiten und Ressourcen auch tatsächlich (und möglichst effizient) nutzen zu können; 4. um auch neue Ressourcen für sich (leichter) erschließen zu können; 5. um Ambivalenzen und Diskontinuitäten positiv leben zu können. Die Entwicklungs- und Sozialpsychologie kann zeigen, dass für den Erwerb von Handlungs- und Widerstandsfähigkeit neben wichtigen Bedingungen wie dem Erwerb sozialer, kognitiver, emotionaler Kompetenzen, von Bindungs- und Beziehungsfähigkeit, von Empathie und Achtsamkeit sowie Selbstvertrauen vor allem die Erfahrungen wichtig sind, die eigene Lebenswelt und damit auch die eigenen Lebensperspektiven mitzugestalten. Das ist nicht nur eine wichtige zivilgesellschaftliche Ressource, sondern Bedingung für eine gelingende Lebensbewältigung. Heiner Keupp ist emeritierter Professor für Sozial- und Gemeindepsychologie der Universität München und derzeit Gastprofessor an der Universität Bozen. Er war Vorsitzender der Kommission für den 13. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung und ist aktuell Mitglied der vom Bundestag beschlossenen Kommission zur Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs. Seine Arbeitsinteressen beziehen sich unter anderem auf soziale Netzwerke, Jugendforschung, individuelle und kollektive Identitäten in der Reflexiven Moderne, bürgerschaftliches Engagement und Missbrauch in pädagogischen und kirchlichen Institutionen.

Dieses Interview führte Laura Mattick von der BKJ.


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WIE ERNST MEINEN WIR PARTIZIPATION? KULTURELLE BILDUNG IM KONTEXT FLUCHT MAX FUCHS

„Partizipation“ gehört wie etwa „Demokratie“, „Kultur“ oder „Bildung“ zu den positiv besetzten Begriffen in unserer Sprache. Es dürfte keinen Menschen geben – und schon gar keinen Politiker –, der öffentlich eine Kritik an diesen Begriffen äußert. Dies ist zunächst einmal ein gutes Zeichen, denn in unserer ersten Demokratie auf deutschem Boden, der Weimarer Republik, war dies ganz anders. Es gab viele Intellektuelle und Künstler/innen, die sich lautstark gegen die demokratische Republik ausgesprochen hatten. Dass dies heute entschieden anders ist, kann als Erfolg im Hinblick auf die Entwicklung eines demokratischen Bewusstseins verstanden werden. Auch in der Pädagogik ist Partizipation ein anerkanntes Handlungsprinzip, und dies sowohl aus lerntheoretischmethodischen Gründen als auch aus Gründen des Selbstverständnisses einer demokratischen Pädagogik. Pädagogik und Politik sind zwar nicht dasselbe, aber sie sind zwei Seiten derselben Medaille. Im Folgenden soll der Schwerpunkt auf die politische Dimension des Partizipationsbegriffs gelegt werden. Das Problem mit solchen positiv besetzten Begriffen wie dem der Partizipation besteht darin, dass sie viele Menschen für die unterschiedlichsten Anliegen verwenden. Man weiß nie genau, wie ernst sie gemeint sind, wenn es zur Praxisanwendung kommt. Vor diesem Hintergrund ist die aktuelle Situation geflüchteter Menschen nicht bloß entsetzlich für diejenigen, die ihre Heimat verlassen mussten. Es zeigt sich dabei auch, wie ernst wir es mit unserer demokratischen Grundordnung und dem dahinterstehenden System humanistischer Werte meinen. Die aktuellen Veränderungen führen zu derart entgegengesetzten Meinungen in der Bevölkerung, die – wie an den Ergebnissen der letzten Landtagswahlen zu erkennen ist – auch erhebliche politische Auswirkungen haben: Ein nicht zu vernachlässigender Teil unserer Bevölkerung unterstützt die Bundeskanzlerin definitiv nicht mehr in ihrem Anliegen, das „Flüchtlingsproblem“ zugunsten der betroffenen Menschen zu lösen. Ihr Rückhalt in der Bevölkerung ist im Gegensatz zu sehr hohen Zustimmungsraten in früheren Zeiten auf unter 50 Prozent geschrumpft. Es handelt sich dabei gerade nicht um Menschen in prekären Verhältnissen. Es sind überwiegend die gutsituierten und etablierten Menschen aus der Mittelschicht, die der Kanzlerin ihre Zustimmung verweigern: Sie wollen definitiv keine Partizipation der Geflüchteten an Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Um die Bedeutung dieses Prozesses richtig bewerten zu können, muss an einige Fakten erinnert werden. So gibt es etliche verbindliche Rechtsgrundlagen, deren Anwendung eigentlich dazu führen müsste, geflüchteten Personen das Recht auf eine neue Heimat zu gewähren. Auf der Ebene der Menschenrechte existiert eine ganze Reihe von Konventionen und Pakten, die dieses Menschenrecht festlegen und die geltendes Recht in Deutschland sind. Der Kernbegriff ist Teilhabe – die man wieder in kulturelle, soziale, politische und ökonomische Teilhabe ausdifferenzieren kann. Man muss sehen, dass keine dieser Teilhabeformen auch nur annähernd für Geflüchtete in Deutschland und noch weniger an den sich zunehmend abschottenden Grenzen europäischer Länder realisiert wird. Man bedenke dabei, dass Menschenrechte für alle Menschen gelten und nicht bloß für die Bürger des jeweiligen Landes. Auch das Grundgesetz und die Verfassungen der einzelnen Länder lassen einen Ausschluss von Geflüchteten nicht zu. Dasselbe gilt für die einzelnen Fachgesetze, wie etwa die Schulgesetze oder das Kinder- und Jugendhilfegesetz, in denen die Rechte auf Bildung und Versorgung für alle Kinder und Jugendlichen in Deutschland – und bewusst nicht nur für deutsche Kinder – garantiert werden. Der jeweilige Status der Kinder und Jugendlichen ist hierbei völlig gleichgültig. Nun ist Politik etwas völlig anderes als Moral, doch nehmen viele Menschen und vor allen Dingen Politikerinnen und Politiker für sich in Anspruch, moralisch auf der Basis eines humanistischen Wertesystems zu handeln. Man muss nur einen Blick auf die Bilder von Idomeni (oder auch auf einige Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland) werfen, um zu sehen, dass ein eklatanter Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit herrscht. Spätestens seit der Abwehrhaltung einzelner Mitgliedstaaten der Europäischen Union, überhaupt geflüchtete Menschen aufzunehmen und zu versorgen, sollte sich jede Rede darüber verbieten, dass es sich bei Europa und speziell bei der Europäischen Union um eine Wertegemeinschaft handele, wenn man unter Werten nur humanistische Werte versteht. Die „Flüchtlingsproblematik“ hat also neben der existenziellen Bedeutung für die betroffenen Menschen die Qualität eines Prüfsteins dafür, wie ernst die politische Rhetorik und unser eigenes individuelles Wertesystem gemeint sind.


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Wie gehen nun die Träger Kultureller Bildung mit der Problematik um? Ein nur oberflächlicher Blick zeigt bereits, dass es starke Interessen und viele Initiativen gibt, mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen zusammenzuarbeiten. Zahlreiche Fachverbände haben hierzu bereits entsprechende Resolutionen und Positionspapiere veröffentlicht. Dieses Engagement gehört zu jenem Teil der Bevölkerung, der mit großem persönlichen Einsatz bei der Bewältigung des Problems helfen will. Der Anteil der ehrenamtlichen Tätigkeit in diesem Feld ist so groß, dass die Lage insbesondere in Deutschland noch sehr viel dramatischer wäre, wenn es diese nicht gäbe. Es gibt allerdings die ersten kritischen Stimmen, die darauf hinweisen, dass man das aktuelle Problem nicht alleine auf der Grundlage von ehrenamtlicher Tätigkeit lösen kann, sondern dass erhebliche Mittel erforderlich sind und neue Strukturen geschaffen werden müssen – wofür die staatliche Ebene die Verantwortung trägt. Neben dem Einsatz in der Praxis braucht man daher das zivilgesellschaftliche politische Engagement, das Druck auf staatliche Instanzen ausübt, damit strukturelle und finanzielle Lösungen gefunden werden. Bei einem Lob für die Kanzlerin für ihre Aussage „Wir schaffen das!“ muss hierbei auch kritisch gesehen werden, dass aus Sicht der Bundesregierung zunächst einmal die Last ausschließlich auf die kommunale und Länderebene verlagert wurde. Insbesondere der Bundesfinanzminister hatte in der ersten Zeit alle zusätzlichen Ausgaben, die die Aussage der Kanzlerin auf der Bundesebene materiell unterstützt hätten, abgelehnt. Eine kulturpädagogische Arbeit mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen ist ausgesprochen sinnvoll. Viele nachgewiesene Wirkungen einer solchen Arbeit, wie die Erfahrung von Selbstwirksamkeit, Anerkennung und Wertschätzung, sind gerade vor dem Hintergrund traumatischer Fluchterfahrungen ausgesprochen notwendig. Es ist jedoch Vorsicht angebracht,

denn möglicherweise ist über eine pädagogische Arbeit hinaus auch eine therapeutische Betreuung notwendig. Diese kann im Rahmen von Kulturprojekten nicht (per se) geleistet werden. Ich weise an dieser Stelle darauf hin, weil es durchaus eine Neigung zur Überschätzung der eigenen Wirksamkeit gibt: Pädagogik ist nicht dasselbe wie Therapie. Bei dem Vergleich politischer Strategien im Umgang mit gesellschaftlichen Problemlagen hat man im Gegensatz zu anderen Ländern in Deutschland außerdem eine starke Neigung dazu zu versuchen, politische Probleme mit pädagogischen Mitteln zu lösen. Probleme werden dadurch natürlich nicht beseitigt, sondern lediglich „outgesourct“. Das bedeutet definitiv keinen Verzicht auf gute kulturpädagogische Praxisangebote, es bedeutet allerdings, die Grenzen der Pädagogik zu beachten. Was bedeuten diese Überlegungen nunmehr für das Konzept der Partizipation? Wie eingangs beschrieben, gehört Partizipation zu den sympathischen Begriffen. Die Gefahr besteht allerdings darin, dass man nur eine Art „Schönwetter-Partizipation“ im Auge hat. Gerade weil aber in der Partizipation die Substanz unseres demokratischen Gemeinwesens gesehen werden kann und weil andererseits Partizipation in der Tat das Grundkonzept einer jeglichen demokratischen pädagogischen Arbeit sein sollte, sind Situationen wichtig, in denen die Ernsthaftigkeit eines solchen Konzeptes überprüft werden kann. Als Zwischenergebnis kann bislang festgehalten werden, dass man auf der Ebene der Pädagogik die Ernsthaftigkeit durch eine entsprechende Praxis belegt. Im Hinblick auf den politischen Umgang mit dieser Problematik kann man allerdings erhebliche Zweifel formulieren. Max Fuchs ist Erziehungs- und Kulturwissenschaftler und hat als aktuelle Forschungsschwerpunkte kulturelle Schulentwicklung und die Konstitution von Subjektivität durch Kunst. Er ist Ehrenvorsitzender der BKJ und lehrt an den Universitäten Basel und Essen Allgemeine Erziehungswissenschaft sowie Kunst- und Kulturtheorie.


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PARTIZIPATION – SPERRGUT IM ZUSAMMENSPIEL VON ZIVILGESELLSCHAFT, FÖRDERPOLITIK UND GOVERNANCE ROLAND ROTH

Partizipation, Macht und Recht Es kann keine Rede davon sein, dass die Partizipationsrechte von jungen Menschen in Deutschland rechtlich gut verankert sind. Deutschland hat zwar die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen (KRK) unterzeichnet und vor einigen Jahren auch zentrale Vorbehalte zurückgenommen, beispielsweise zu Flüchtlingskindern. Trotz ihrer zentralen Funktion im Dreiklang von „protection, provision and participation“ in der Kinderrechtskonvention ist die Umsetzung von Partizipation(srechten) jedoch äußerst unzulänglich. Kinderrechte fehlen noch immer in der Verfassung, dafür hat der Tierschutz Verfassungsrang erhalten (Art. 20a Grundgesetz). Der Hinweis, Kinder und Jugendliche seien immer mitgedacht, wenn von „Jeder/m“ bzw. „jeder/m Deutschen“ die Rede ist, ist grob irreführend – so bleiben politische Bürgerrechte in der Regel an Volljährigkeit und Staatsangehörigkeit gebunden. Stattdessen ist das Grundgesetz von einer familialistischen Grundhaltung geprägt, die Kindern wenig eigenständige Rechte zubilligt (vgl. Art. 6 GG). Familialismus ist auch eine der wichtigen Bastionen gegen eigene (politische) Rechte von jungen Menschen – so ist die KRK in den deutschen Familiengerichten nicht angekommen. In der Familienzentrierung liegt auch ein zentraler Grund, weshalb die USA als eines der letzten Länder neben Somalia nicht der KRK beigetreten sind. Wie sehr sich der Familialismus auch in der aktuellen Regierung fortsetzt, zeigt ein Blick auf die Kinderrechtsseite des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend („Kinder-Ministerium“). Auf der Startseite wird das Recht auf Partizipation (Art. 12 KRK) nicht einmal erwähnt. Lange Zeit war Schleswig-Holstein das einzige Bundesland, das seinen Kommunen Kinder- und Jugendbeteiligung zur Pflicht gemacht hat, vor einigen Jahren hat Hamburg nachgezogen und jüngst ist Baden-Württemberg dazugekommen. Selbst in Schleswig-Holstein geht man davon aus, dass maximal 20 bis 30 Prozent der Kommunen dieser Pflichtaufgabe nachkommen. Aktuell gibt es höchstens ein Dutzend „Child Friendly Cities“ in Deutschland – ein bereits in den 1990er Jahren entwickeltes Konzept nachhaltiger Kinder- und Jugendbeteiligung zur Verwirklichung der KRK auf kommunaler Ebene. Die anhaltenden Auseinandersetzungen um die Absenkung des Wahlalters (auf 16 beziehungsweise 14 Jahre), die bisher nur in einigen Bundesländern erfolgreich waren, machen deutlich, wie weit die Bundesrepublik davon entfernt ist, den Bürgerstatus von Kindern und Jugendlichen anzuerkennen – obwohl einschlägige Studien zeigen, dass bereits Grundschüler/innen über die nötige politische und moralische Urteilskraft verfügen.

Rechtliche Garantien für eine verlässliche und wirksame Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an den sie betreffenden öffentlichen Angelegenheiten sind kaum vorhanden oder auf einzelne Bereiche beschränkt (wie etwa im Achten Sozialgesetzbuch, früher Kinder- und Jugendhilfegesetz) und werden durch ein notorisches Vollzugsdefizit ausgehöhlt. Als Fazit lässt sich festhalten: In Sachen Partizipation von Kindern und Jugendlichen bewegen wir uns – gemessen an den mit der Kinderrechtskonvention gesetzten Normen – im Zustand eines permanenten Rechtsbruchs beziehungsweise Vollzugsdefizits. Geringe Partizipationserfahrungen und eingeschränkte Qualität von Partizipationsprozessen Empirische Studien zeigen, dass zwei Drittel aller Kinder heute in Deutschland in Verhandlungsfamilien aufwachsen. Sie lernen Beteiligung und Gehörtwerden in der Familie. Aber nur etwas mehr als 10 Prozent der jungen Menschen machen später die Erfahrung, in zentralen Lebensbereichen wie Kitas, Schulen und Gemeinden etwas (mit)bestimmen zu können. Es gibt also gerade in den sie unmittelbar betreffenden Institutionen kaum relevante, als sinnvoll erfahrene Partizipationsgelegenheiten. Dies gilt selbst für die große Zahl von mehreren Tausend Stiftungen, die sich der Förderung von Kindern und Jugendlichen widmen, ohne ihnen verbindliche Formen der Mitsprache etwa in Form von Kinder- und Jugendbeiräten einzurichten. Insgesamt gilt nach wie vor die Diagnose des Bundesjugendkuratoriums zur Kinder- und Jugendbeteiligung vom Juni 2009: „Zu selten, zu wenig, ohne Wirkung“. Vielmehr dominieren Rhetorik, Symbolik, Projektitis und Spielwiesen – von einem weit verbreiteten „Mitmachzwang“ oder gar einem „Albtraum Partizipation“ kann also keine Rede sein. Es muss sich um einen Phantomschmerz handeln. Dies gilt übrigens auch für die Partizipationserfahrungen von Erwachsenen. Es herrscht kein Mangel an Qualitätskatalogen für gute und gelungene, das heißt nicht zuletzt wirksame Partizipation. Erinnert sei an die einfache Parole der Kinderrechtsbewegung: „Nichts für uns ohne uns!“ Dies gilt auch für die dazu notwendigen Formate und Beispiele guter Praxis (Schülerhaushalte, Jugendfonds etc.). Weitgehende Einigkeit besteht auch darüber, dass sich die üblichen Partizipationsleitern mit dem Ideal der Selbstbestimmung und Selbstorganisation an der Spitze im Alltag als wenig hilfreich herausstellen, weil Selbstbestimmung und Selbstorganisation äußerst voraussetzungsvoll sind. In der Regel fehlt es dazu an den nötigen Ressourcen und Freiräumen sowie der Unterstützung durch Gleichaltrige oder Erwachsene.


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Gerade Fonds und Budgets können – wie zum Beispiel Bremer Stadtteilerfahrungen zeigen – erheblich dazu beitragen, dass beteiligungsferne Jugendliche „ihr Ding“ machen können und dabei selbstverständlich auch zu künstlerischen Ausdrucksformen greifen, in denen beispielsweise Jugendliche mit und ohne Migrationshintergrund ihre Diskriminierungserfahrungen thematisieren. Widerstände thematisieren Warum kommt die Kinder- und Jugendbeteiligung trotz aller rhetorischen Beschwörungen im Alltag so wenig voran? An den Kindern und Jugendlichen liegt es jedenfalls nicht. Folgende „Verdächtige“ sind ins Visier zu nehmen: >> Erwachsene, die in ihrem „Adultismus“ jungen Menschen nichts oder wenig zutrauen. Hinzu kommt ein ambivalentes Jugendbild („unsere Zukunft“, aber gleichzeitig „gefährlich“) bis hin zum „Childism“, der Kinder letztlich verachtet und geringschätzt (Gewalt, Missbrauch etc.). >> Der schon erwähnte Familialismus: Eltern entscheiden für ihre Kinder. Die Vorstellung, zu viel Partizipation beschädige die Elternrechte. >> Professionalismus: Es gibt in Erziehungsberufen eine Tradition, die besonders in der DDR stark war, die Eltern als Laien geringschätzt und Kinder als formbares „Material“ versteht und behandelt. Dass es auch ganz anders geht, hat zum Beispiel die bayerische Gemeinde Weyarn gezeigt. Hier konnten Kinder ihre neue Schule selbst planen und haben dabei ganz andere Prioritäten gesetzt (Licht, Wasser, Begegnungsräume), als sie sonst für Schulgebäude üblich sind. Sie konnten somit die Schule als ihren zentralen Lebensort gestalten. Die oft beschworene „neue“ Professionalität, die auf Beteiligung und Selbsttätigkeit (Empowerment) des „Klientels“ setzt, ist eine Rarität geblieben – nicht zuletzt, weil institutionelle Strukturen dem entgegenstehen. >> Elitismus: Er ist besonders häufig im künstlerischen Feld anzutreffen, auf dem oft die ungebremste Selbstverwirklichung die widerständigen Einzelnen inklusive ihrer Leiden an der Gesellschaft als solitäres Ideal feiert. Beteiligen bedeutet noch immer für viele, in dieser Selbstverwirklichung gebremst zu werden und letztlich nur Mittelmäßiges hervorbringen zu können. Dies führt notwendig zur Geringschätzung von Beteiligung nach dem Motto „Jeder Depp soll immer überall mitmachen“. Leitbild „vielfältige Demokratie“ Statt weiter an Beteiligungsleitern zu basteln, wäre es auch für die Partizipationsdebatte von Kindern und Jugendlichen hilfreich, eine Tendenz zur Kenntnis zu nehmen, die als Entwicklung hin zu einer „vielfältigen Demokratie“ beschrieben werden kann. Demokratische Beteiligung vollzieht sich heute (freilich mit unterschiedlichem Gewicht und in verschiedenen Zusammenhängen) in fünf Formen: >> Repräsentative Demokratie: das heißt durch Wahlen, in Parteien und Verbänden. Kinder und Jugendliche haben daran nur eingeschränkt Anteil (Wahlalter), aber es gibt zahlreiche Formate (Jugendverbände, Kinder- und Jugend-

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ringe, Jugendhilfeausschüsse etc.), die auf diese Praxis bezogen sind. Direkte Demokratie: An Abstimmungen wie Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden können Kinder und Jugendliche nur eingeschränkt teilnehmen, auch wenn es zentral um ihre Interessen geht (siehe den Hamburger Schulentscheid). Aber es gibt zahlreiche erfolgreiche Formate der Jugendbeteiligung, die direkt-demokratische Elemente enthalten (Schülerhaushalte, Jugendfonds, Youth Banks etc.). Dialogorientierte Beteiligung: Dieses Feld kommt meist ausschließlich in den Blick, wenn es um die Partizipation von Kindern und Jugendlichen geht. Sie werden aufgefordert, eigene Vorschläge für bestimmte Verfahren und Projekte zu machen (Klassiker: Gestaltung eines Kinderspielplatzes). Ob diese Praxis als wirksam erfahren wird, hängt nicht zuletzt von der Bereitschaft der Entscheidenden ab, diese Vorschläge zu berücksichtigen. Artikel 12 der Kinderrechtskonvention enthält die Norm, dass (auch) unter Achtzehnjährige grundsätzlich in all ihren Lebensbereichen gehört werden müssen. Initiativen, Protest und soziale Bewegungen sind für Kinder und Jugendliche stets ein Mittel, um ihre Agenda, ihre Perspektiven in politischen Feldern geltend zu machen, aus denen sie ausgegrenzt sind – von Initiativen gegen den Zeitstress von G8 an Gymnasien und BolognaStudiengängen an den Hochschulen bis zur starken Ju gendbeteiligung an zentralen Themen der neuen sozialen Bewegungen (wie Frieden, Geschlechterverhältnisse, Ökologie, Nachhaltigkeit, Klima). Bürgerschaftliches Engagement: Selbermachen und „im Kleinen etwas gestalten“ erfreut sich bei Kindern und Jugendlichen großer Beliebtheit. Die jüngsten Willkommensinitiativen für Flüchtlinge, an denen sich auch viele junge Menschen beteiligt haben, bieten dafür ein eindrucksvolles Beispiel.

Wer über die geringe Attraktivität von Parteimitgliedschaften klagt, sollte zur Kenntnis nehmen, dass sich heute Beteiligung wesentlich in anderen Formen vollzieht, die vielleicht besser in die Lebenswirklichkeit (nicht nur) junger Menschen passen. Eine Fixierung der Partizipationsdebatte auf dialogorientierte Beteiligungsangebote „von oben“ wird der vielfältigen Realität der Beteiligungsinitiativen von jungen Menschen jedenfalls nicht gerecht und vergibt wichtige Handlungsoptionen. Roland Roth lehrte Politikwissenschaft am Fachbereich Sozial- und Gesundheitswesen an der Hochschule Magdeburg-Stendal (1993-2014) und war als Research Fellow an der University of California in Santa Cruz (UCSC) und am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB) sowie als Gastprofessor an der Universität Wien tätig. Er war sachverständiges Mitglied in der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestags „Zukunft des Bürgerschaftlichen Engagements“ und ist in verschiedenen wissenschaftlichen Beiräten von Stiftungen zu den Themen Kinder- und Jugendbeteiligung, Demokratieentwicklung, Integration und Rechtsextremismus tätig. Zudem zählt er zu den Mitbegründern von „DESI – Institut für Demokratische Entwicklung und Soziale Integration“.

Diese Überlegungen zu Partizipation beruhen auf Roland Roths Beitrag zur Tagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“.


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STRUKTUREN ÜBERDENKEN, RAHMENBEDINGUNGEN ÄNDERN, HORIZONTE ERWEITERN ERFAHRUNGEN DER MÜNCHNER STADTBIBLIOTHEK RAPHAELA MÜLLER

Im Dezember 2012 wurde in der Münchner Stadtbibliothek „update. jung & erwachsen“ eröffnet – ein Programmangebot für junge Menschen ab 16 Jahren, das vor allem eins machen soll und darf: alles anders. Zielsetzung und Programmschwerpunkt sind unter anderem Mitgestaltung durch die Zielgruppe, Flexibilität der Projektplanung und Schaffung von Anreizen zur gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Partizipation. Eine große Herausforderung in der praktischen Umsetzung. Wie partizipativ sind öffentliche Bibliotheken? Betrachtet man den Partizipationsbegriff im Sinne einer Teilnahme an Kulturangeboten, sind Bibliotheken im Ausleihbetrieb breit aufgestellt. Sie stellen einen niedrigschwelligen Zugang zu Kultur und Wissen her und bieten in Großstädten ein flächendeckendes Netz an Räumlichkeiten und Medienangeboten. Natürlich sind aber auch Bibliotheken darum bemüht, ihre Reichweite zu verbessern und ihre Zielgruppen zu erweitern. Betrachtet man jedoch die Teilnahme an Veranstaltungen und Vermittlungsangeboten, müssen moderne Strategien entwickelt werden. Hier stellt sich die Frage: Hängt das Interesse an einer Teilnahme an Veranstaltungen in Kultureinrichtungen direkt damit zusammen, inwieweit man selbst diese Angebote mitgestalten kann? In der Münchner Stadtbibliothek kann man sich Medien wünschen, die man im Bestand vermisst. Diese Wünsche werden im hohen Maße erfüllt. Aber ist das schon Mitgestaltung? Bibliotheken verstehen es vielmehr als Standard-Dienstleistung. Die Herausforderungen einer „kulturellen Partizipation“ liegen eher in der Konzeption von Projekten, Workshops und Veranstaltungen sowie in der Möglichkeit, eigene Themen und Interessen einzubringen – gerade durch junge Menschen. Also Konzepte zu entwickeln, die den Menschen in der Stadt erlauben, die Kultur aktiv mitzugestalten. Strukturen überdenken und Kontrolle abgeben Der Begriff Partizipation wird im Programm von „update. jung & erwachsen“ demnach weiter gefasst. Wir setzen auf Mitge-

staltung und Mitbestimmung bei Veranstaltungen und Projekten von Anfang an. Das heißt nicht, jungen Leuten wahllos die Organisation und Themenfindung zu überlassen. Vielmehr bedeutet Partizipation für uns, Strukturen zu überdenken, neue Rahmenbedingungen zu schaffen, Möglichkeiten neu zu definieren und gemeinsam Horizonte zu erweitern. Dies stellt hohe Anforderungen an Organisation, Projektleitung und Aufgabenverteilung. Kreative Prozesse dürfen nicht behindert werden. Außerdem sollte es schon während der Projektentwicklung Raum für Änderungen und flexible Gestaltung geben. Gerade in öffentlich geförderten Strukturen stößt man hier immer wieder auf Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Fördermittelanträge lassen oft kaum Spielraum für Kreativität, alles muss vor Beginn detailliert geplant und kalkuliert werden. Auch das Loslassen und Aufgeben „altbewährter“ Strukturen sowie die Abgabe der Kontrolle über Kulturangebote ist immer wieder Diskussionsthema – vor allem wenn es darum geht, Jugendliche entscheiden zu lassen. Bisherige Vorgehensweisen aufzugeben oder anzupassen, die in eigener Vorstellung sehr gut funktioniert haben, ist oft mit der Erkenntnis (und auch mit der Angst) verbunden, etwas bei sich selbst verändern zu müssen. Einfach mal machen lassen „update. jung & erwachsen“ versucht, diese Grenzen zu überwinden, Ängste zu nehmen und einen Dialog herzustellen. Junge Menschen haben die Möglichkeit, ihre Ideen einzubringen und umzusetzen. Ein Beispiel ist die Kooperation von „update“ mit der StadtschülerInnenvertretung (SSV) München. Seit mittlerweile drei Jahren gestalten die Schüler/innen gemeinsam mit „update“ ihre Jahreskonferenz. Die Bibliothek stellt hierbei die Räume zur Verfügung. In regelmäßigen Info-Treffen werden zudem Rahmenbedingungen kommuniziert, Ideen ausgetauscht und Hilfestellungen gegeben. Die Erarbeitung des inhaltlichen Schwerpunkts sowie die Durchführung und Organisation der Konferenz liegen jedoch bei den Schüler/innen.


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Ein weiteres gelungenes Beispiel für Partizipationsmöglichkeiten der Zielgruppe von Anfang an war „Giesing erleben und gestalten“ – ein Projekt, in dem 13- bis 17-Jährige zusammen mit freiberuflichen Graffitikünstlern eine Unterführung des Münchner Stadtteils Giesing bunt gestalteten. Diese Gestaltung eines öffentlichen Ortes machte Abstimmungsprozesse mit Referaten und Institutionen der Stadt unverzichtbar. Die Teilnehmer/innen mussten sich mit städtischen Vorgaben und bürokratischen Strukturen beschäftigen und machten die Erfahrung: Man muss wissen, wie die Stadt funktioniert, dann ist es möglich, dort etwas zu verändern. In den Projekten werden junge Erwachsene ernst genommen, sie lernen Abläufe zu verstehen und Möglichkeiten der Mitgestaltung und Veränderung kennen. „update“ soll aber nicht nur in sich partizipativ sein, sondern nachhaltig zur gesellschaftlichen Mitgestaltung anregen. Die Bibliothek wird zu einem Ort, an dem kritische Meinungsbildung gestärkt wird und alle Themen in allen Medienarten Platz finden. Denn auch wenn einige Inhalte und Themen der Projekte auf den ersten Blick keine „klassischen Bibliotheksthemen“ zu sein scheinen, sind im Verständnis von „update. jung & erwachsen“ alle kulturellen, gesellschaftlichen und politischen Themen, die die Welt und die junge Zielgruppe beschäftigen, bibliotheksrelevant.

Partizipation heißt auch Kooperation Der Partizipationsgedanke der Münchner Stadtbibliothek richtet sich neben der traditionellen Zielgruppe auch an freie Träger, Freiberufler/innen, Kunst- und Kulturschaffende. Sie sollen die Möglichkeit haben, beispielsweise in Form von fairer Bezahlung, auf öffentliche Kulturmittel zuzugreifen und die Räumlichkeiten der Bibliothek zu nutzen. „update“ geht einerseits direkt auf Menschen, Vereine und Interessensgruppen zu, man kann die Bibliothek aber auch direkt anfragen – Ideen sind immer willkommen. Gemeinsam wird entschieden, ob und wie es zu einer Umsetzung kommen kann, und es wird überlegt, welche Akteure man zusätzlich mit einbinden könnte. Die Basis des Partizipationskonzepts ist also die Kooperation mit interessierten Akteuren der Stadtgesellschaft. Das Programmangebot „update. jung & erwachsen“ ist somit Vermittler und Initiator einer Vernetzung innerhalb und mit der Zielgruppe, die selbst wiederum Grundlage für ein vielseitiges und dynamisches Programm ist. Raphaela Müller leitet das Programmangebot „update. jung & erwachsen“ in der Münchner Stadtbibliothek. Neben der Auswahl der Medien für die junge Zielgruppe ist sie vor allem für die Programm- und Veranstaltungsarbeit zuständig. Dabei stehen für sie die Vermittlung von Medienkompetenz sowie die kulturelle, gesellschaftliche und politische Partizipation im Vordergrund.

Dieser Artikel ist in ähnlicher Form im KM Magazin des Kulturmanagement Network (Ausgabe 03/2016: „TeilHabe“) erschienen.


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SICH DER MACHTFRAGE STELLEN BETEILIGUNGSFORMATE IN DER SPIELMOBILEN ARBEIT STEFAN MELULIS

Partizipation ist ein unverzichtbarer Bestandteil der Kinderund Jugend(kultur)arbeit. Artikel 12 und 13 der UN-Kinderrechtskonvention verpflichten die Vertragsstaaten, dem Kind das Recht auf freie Meinungsäußerung sowie eine angemessene und seinem Alter und seiner Reife entsprechende Berücksichtigung seiner Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten zuzusichern. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz verpflichtet die Kinder- und Jugendarbeit, ihre Angebote an den Interessen der Kinder und Jugendlichen zu orientieren und sie von ihnen mitbestimmen und mitgestalten zu lassen (SGB VIII, § 11). Wie in kaum einer anderen Institution von Erziehung und Bildung fordern auch die strukturellen Bedingungen dieses Arbeitsfeldes die Kinder und Jugendlichen zur demokratischen Beteiligung an der Entscheidung und Gestaltung der gemeinsamen Aktivitäten heraus. Eine starke Orientierung an den Interessen der Teilnehmenden ist schon durch das Prinzip der Freiwilligkeit der Teilnahme geboten, denn anderenfalls bleiben die Kinder weg. Damit ist die Aufgabe gesetzt, nicht jedoch die Form. In der (fach-)öffentlichen Diskussion steht die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen an Politik, Stadtplanungsprozessen und Spielraumgestaltung im Vordergrund. Daraus resultierende Beteiligungsformen sind häufig Kinderund Jugendparlamente mit Delegierten, die demokratisch legitimiert sind und die Interessen ihrer Wähler/innen vertreten. Deutlich aktionsorientierter sind viele Spielmobile, von denen nun drei sehr unterschiedliche Teilansätze stellvertretend dargestellt werden sollen. Das Beteiligungsmobil vom Spielmobil Rote Rübe in Kassel baut auf Kinder und Jugendliche als Expert/innen für ihre Lebenswelt. Es ist unter anderem ausgestattet mit Modellbaumaterialen, Stellwänden, Sitzgelegenheiten und Tischen, Diktiergeräten und Mikrofonen für Interviews und Kameras für Streifzüge. Die Beteiligungsarbeit kann in Form von Mitmachbaustellen praktisch erweitert werden. Gemeinsam mit Kindern und Jugendlichen erkunden und bewerten die Mitarbeitenden bestehende Spielräume, Schulhöfe, Treffpunkte und Wohngebiete beziehungsweise Ortsteile. Sie entwickeln neue Ideen für deren Gestaltung, überprüfen diese auf ihre Umsetzbarkeit, bauen Modelle und bilden Prioritätenlisten. Die Ergebnisse der Beteiligungsprozesse bilden eine wichtige Planungsgrundlage. Im Verlauf der Projekte arbeitet das Spielmobil mit verschiedenen Methoden wie Forschungs-/Fotostreifzug, Bewegungslandkarte, Videointerview, Spielbaustelle, Modellbau, Zukunftswerkstatt, Hitlistenbildung, Planungsprüfung oder Entscheidungskreis. Gemeinsamer Nenner ist die Handlungsorientierung sowie das

direkte Interesse der Kinder am Planungsgegenstand. Außerdem muss die zeitnahe Umsetzung der (als realistisch bewerteten) Ergebnisse gegeben sein. Damit erarbeitete Ideen auch eine Chance auf Umsetzung haben, arbeitet das Beteiligungsmobil eng mit dem kommunalen Kinder- und Jugendbüro zusammen, das sich wiederum mit den relevanten Planungsämtern abstimmt. Im Auftrag des Jugendamtes führt die Rote Rübe seit 1996 kontinuierlich Beteiligungsprojekte durch. Einen anderen Ansatz verfolgte die Spiellandschaft Stadt in München mit dem Modellprojekt Spielen – Leben – Lernen in Waldperlach. Dort wurde ein leer stehendes ehemaliges Feuerwehrhaus temporär in einen Spiel- und Begegnungsraum für alle Generationen verwandelt. Eigentlich hätte die sogenannte Garage schon 2007 abgerissen werden sollen. Mit vereinten Kräften konnte mit der Stadt München eine Frist bis Herbst 2011 vereinbart werden. Von 2009 bis 2011 wurde die Garage als Spiel-, Lern- und Veranstaltungsort für Kinder, Familien und engagierte Bürgerinnen und Bürger im Stadtteil genutzt. Gartengestaltung und gemeinsames Kochen, Murmelbahn und Wasserbaustelle, Vernissagen und Kinderkino, Garagenflohmärkte und mehr brachten Jung und Alt zusammen. Das Ergebnis aus zwei Jahren großen ehrenamtlichen Engagements: Vereine, Initiativen und Einzelpersonen aus dem Stadtteil haben gemeinsam mit den Fachleuten 94 Aktionstage organisiert und über 10.000 Besucherinnen und Besucher angelockt. Im Hinblick auf Partizipation ist hier zweierlei bemerkenswert: Kinderinteressen wurden mit ihnen zusammen in einem generationenübergreifenden Ansatz eingebunden und vertreten. Darüber hinaus gelang es, den Sozialraum für Kinder anzueignen, ihn mehr als zwei Jahre zu bewahren und im Anschluss mit weiteren Kooperationspartnern zumindest dauerhafte Spiel- und Freizeitangebote in einem Netzwerk „Spielen im Stadtteil“ im direkten Umfeld zu erhalten. Das Spielmobil der RUHRWERKSTATT in Oberhausen wiederum durchleuchtet seinen Alltag konsequent auf (Mit-) Bestimmungsrechte der Kinder, um ihnen nicht nur Partizipationsmöglichkeiten anzubieten, sondern diese auch als verbindliches Recht zu sichern. So dürfen Kinder nicht nur das Abschlussspiel auswählen – die Erwachsenen haben auch nicht das Recht, das von den Kindern ausgewählte Spiel abzulehnen. Was sich zunächst belanglos anhört, bekommt durchaus Brisanz, wenn das Bestimmungsrecht der Kinder möglicherweise die Auswahl der Spielmaterialien, geltende Regeln oder gar Öffnungszeiten und Personalauswahl umfasst. Das Team muss hierzu klären, welche konkreten


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Entscheidungsrechte die Kinder haben sollen, und sich die Machtfrage stellen: Wie viel Entscheidungsmacht wollen und dürfen wir abgeben? Was ist verhandelbar? Angesprochen sind hier auch Themen wie Aufsichtspflicht und pädagogisches Konzept. Unterschiedliche Partizipationsstufen zwischen Fremdbestimmung, Vorstufen der Partizipation wie Information, Anhörung und Einbeziehung bis zur „echten“ Partizipation wie Mitbestimmung und Entscheidungsmacht werden für zahlreiche Felder festgelegt. Entscheidungsmacht haben die Kinder auch über die Themen der Wochenangebote, mitbestimmen dürfen sie etwa über die Anschaffung und den Einsatz von Materialien, einbezogen sind sie in die Abstimmung geltender Regeln und angehört werden sie vor der Einstellung neuen Personals an einem Probetag. 9. Selbstorganisation

Geht über Parizipation hinaus

8. Entscheidungsmacht 7. Teilweise Entscheidungskompetenz

Parizipation

Stefan Melulis ist in der RUHRWERKSTATT Oberhausen zuständig für die Arbeit mit Kindern und Familien. Dazu gehören das Spielmobil, ein Bauspielplatz, ein Familienzentrum sowie ambulante Jugend- und Familienhilfen. Er ist ehrenamtlicher Vorstand der Bundesarbeitsgemeinschaft der mobilen spielkulturellen Projekte (BAG Spielmobile).

6. Mitbestimmung

5. Einbeziehung 4. Anhörung

spräche, spielerisch eingeführte und gestaltete Abstimmungs- und Gesprächsrunden, Meinungsbilder durch Standogramme, Priorisierung mit Kleben von Punkten und eine Internetplattform zur Abstimmung über Standorte für einige Wochen. Tägliche Kinderfragebögen mit Smiley-Skala und offenen Fragen werden bis zum folgenden Einsatz am Standort ausgewertet und Ergebnisse berücksichtigt. Alle diese Formen der Beteiligung von Kindern an sie betreffenden Dingen sind handlungsorientierte Lernfelder. Kinder lernen, ihre Interessen zu äußern, zu vertreten und auszuhandeln. Jüngere Kinder können möglicherweise ihre Interessen noch nicht so gut vertreten, wachsen aber an den ihnen angebotenen Möglichkeiten. Dennoch haben Fachkräfte gut darauf zu achten, Settings so zu wählen, dass unterschiedliche Alters-, Geschlechts- und Interessengruppen sich auf ihre Weise einbringen können. Das gilt unter anderem auch im Hinblick auf Sprach- beziehungsweise Artikulationskompetenz und Partizipationserfahrung.

Vorstufen der Parizipation

3. Information 2. Anweisung Nicht-Parizipation

1. Instrumentalisierung

Stufenmodell (Wright/Block/v. Unger 2010)

Eine wichtige Aufgabe ist die kontinuierliche Kommunikation, denn ohne Transparenz kennen Kinder ihre Rechte nicht. Ferner gilt es, kreativ mit kindgerechten Formen der Mitbestimmungsmöglichkeiten zu experimentieren. Das Spielmobil „Dicker Brummer“ nutzt unter anderem Tür- und Angelge-

LITERATUR Wright, Michael T./Block, Martina/von Unger, Hella (2010): Partizipation in der Zusammenarbeit zwischen Zielgruppe, Projekt und Geldgeber. In: Wright, Michael T. (Hrsg.): Partizipative Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung und Prävention. Bern.

WEITERE INFORMATIONEN www.spielmobile.de www.RoteRuebe.de www.spiellandschaft.de www.ruhrwerkstatt.de


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IMMER „MIT“ STATT „ÜBER“? ÜBER DAS RECHT AUF NICHTBETEILIGUNG JAN SIEBENBROCK UND OLAF HERZOG

Widersprüchlichkeiten und Radikalität sind in unterschiedlichen Ausprägungen Bestandteile fast aller Jugendbewegungen. In kaum einer Szene werden diese Kennzeichen jedoch so offensichtlich wie in der Ultra-Bewegung der Fußballfans. Über ein Jahr Recherche in einer der kontroversesten und ständig größer werdenden Jugendbewegungen hat die Theatermafia mit „Bock auf Randale!? – Ultra ein Leben lang“ im Juli 2014 auf die Bühne gebracht. Der Weg dorthin stellte jedoch eine große Herausforderung dar. Großes Interesse zu Anfang Zu Beginn des Projekts stand die Idee, einer oft stigmatisierten Gruppe eine künstlerische Plattform zu geben, um selbst Stellung zu beziehen. Durch Theaterarbeit mit Mitgliedern der Ultra-Szene sollte die Möglichkeit zur selbstbestimmten Außendarstellung gegeben und ein Zugang geschaffen werden, der sonst nicht möglich ist. Bei Kontaktaufnahme mit Vertreter/innen der Ultra-Szene, die sich in dem Jugendzentrum, in dem auch die Theatermafia angesiedelt ist, regelmäßig zum Gestalten von Transparenten trafen, war die Reaktion zunächst erstaunlich positiv. Es bestand durchaus Interesse, die Geschichte der eigenen Ultra-Gruppierung als Theaterstück zu inszenieren. Es folgten Einladungen an geheime Orte, um sich mit der Gruppe zu treffen und mit ihnen zu überlegen, wie eine gemeinsame Theaterarbeit aussehen könnte. Während in einer kleinen Gruppe bereits konkrete Ideen erarbeitet wurden, wuchs im Hintergrund der Unmut gegenüber einer solchen Öffnung nach außen. Eine endgültige Entscheidung über die Fortführung des Projektes wurde jedoch immer weiter hinausgezögert. Nachdem das Projekt ein halbes Jahr

in der Schwebe hing, kam es zu der Entscheidung, es nicht mehr unter direkter (Bühnen-)Beteiligung der Mitglieder aus der Ultra-Szene durchzuführen. Abbruch und Neuausrichtung Interne Probleme und die Befürchtung der Ultra-Gruppe, dass Interna an die Öffentlichkeit gelangen, waren ausschlaggebende Punkte für eine Neuausrichtung des Projektes. Um der angespannten Situation entgegenzuwirken, sollte nicht mehr die Geschichte dieser konkreten Gruppe als Basis einer Inszenierung genommen, sondern eine fiktive Ultra-Gruppierung erfunden werden, um anhand dieser szenentypische Probleme zu diskutieren. Kritiker/innen innerhalb der UltraGruppe wurden so besänftigt. Und Befürworter/innen des Projektes konnten sich nun wieder für eine Mitarbeit öffnen und im weiteren Prozess beratend Proben besuchen oder sich anderweitig für das Projekt engagieren. Künstlerische Reflexion des Entstehungsprozesses Gemeinsam mit den fünf Teilnehmenden, die sich aus szenenahen Jugendlichen und bereits erfahrenen Theaterspieler/innen aus dem Jugendzentrum zusammensetzte, wurde die Recherche vertieft. Zehn Kernthemen der Ultra-Bewegung wurden festgelegt, die in der Inszenierung eine Rolle spielen sollten. Die Teilnehmenden besuchten Spiele und Treffen der Ultras und führten Interviews mit Mitgliedern der Ultra-Bewegung. In den Dynamiken, Beweggründen und Widersprüchlichkeiten innerhalb der Szene, aber auch innerhalb einzelner Gruppen wurden Parallelen zu den Gruppenstrukturen von Friedrich Schillers „Die Räuber“ entdeckt. Dieser Anknüp-


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fungspunkt wurde als Spielangebot genutzt und mit Erfahrungen und Wissen bezüglich der Ultra-Szene gefüllt. Die dramaturgische Rahmung für die daraus entstandenen Szenen erschloss sich aus dem bis dahin durchlaufenen Prozess des Projekts: Eine Ultra-Gruppierung, die mit sich kämpft, inwieweit sie sich einem Publikum öffnen soll oder nicht. So wurden die Höhen und Tiefen, von der Kontaktaufnahme über die gemeinsame Arbeit bis hin zur künstlerischen Aufarbeitung der sehr kontroversen Thematik, in die Inszenierung einbezogen. Das Stück regte Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zu einem konstruktiven Austausch über die Ultra-Szene an. Nach jeder Vorstellung blieb jeweils über die Hälfte des Publikums, von Ultras über Vereinsfunktionäre bis hin zu Polizist/innen, im Saal und nutzte das Angebot, sich in einer Diskussionsrunde über das Stück und die Ultra-Kultur auszutauschen. Es gab zahlreiche Rückmeldungen von Zuschauer/innen, dass sie das Stück zum Nachdenken angeregt habe. Auch lokalen Medien bezogen sich vermehrt darauf. In der Diskussion um den Umgang mit Ultras beziehen sich noch heute Leser/innen-Briefe auf dieses Stück. Distanzierung von direkter Beteiligung als Chance Für uns lässt sich festhalten, dass selten zuvor der Prozess unseres eigenen Arbeitens so zum Thema der Inszenierung wurde. Die Thematik und die ursprüngliche Zielgruppe stellten uns vor große Herausforderungen, da die Szene sich sehr kritisch gegenüber externen Beobachtern verhält. Ein anfängliches Interesse an einer Mitgestaltung (beispielsweise der eigenen Außenwirkung) kann im Laufe des Prozesses in Ablehnung umschlagen und so können gut gemeinte Beteili-

gungsformate scheitern. Das Meistern solcher Situationen erfordert einen vorsichtigen und sensiblen Umgang mit der Gruppe – in diesem Fall ein sehr langwieriger und anstrengender Prozess. Eine distanzierte und vielseitige Betrachtung der Szene konnte uns erst in dem Moment gelingen, als wir uns von der Idee, mit einer festen Ultra-Gruppe zu arbeiten, lösten beziehungsweise lösen mussten. Insofern war der Schritt, von einer direkten Beteiligung der Mitglieder der Ultra-Szene abzusehen, in der Mitte des Prozesses rückblickend besonders wichtig. Nur so konnte ein facettenreiches und vielschichtiges Theaterstück über diese Jugendkultur zustande kommen. Jan Siebenbrock ist Doktorand für Pädagogik an der FAU Erlangen-Nürnberg und seit Jahren als freiberuflicher Theaterpädagoge tätig. Er hat an der HS Osnabrück den Bachelor in der Theaterpädagogik absolviert und an der FAU Erlangen-Nürnberg den Master im Fach Theaterpädagogik abgeschlossen. Olaf Herzog ist Künstlerischer Leiter der Theatermafia aus Münster. Daneben ist er seit Jahren als freiberuflicher Theaterpädagoge in unterschiedlichen Projekten tätig. Ein weiteres Standbein seiner Arbeit ist das gewaltpräventive Arbeiten mit Jugendlichen. Er ist staatlich anerkannter Erzieher und studierter Theaterpädagoge BA.

Dieser Artikel ist in ähnlicher Form in der Fach- und Verbandszeitschrift „Spiel&Bühne“ des Bundes Deutscher Amateurtheater (Ausgabe 1/2015, „THEATER FÜR ALLE“) erschienen.

DIE THEATERMAFIA Die Theatermafia ist das Jugendtheaterlabel des ]pg[ Jugendzentrums der Evangelischen Erlöserkirchengemeinde aus Münster und bewegt sich mit ihren Arbeiten im Spannungsfeld zwischen Kultur und Pädagogik.

WEITERE INFORMATIONEN www.theatermafia.de


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„WIR BAUEN EINEN MÖGLICHKEITSRAUM“ DIE MU:V-INITIATIVE DER JEUNESSES MUSICALES DEUTSCHLAND (JMD) CHRISTOPH SCHALLER

Die Initiative und das mu:v-Camp „Wie müsste die Jeunesses Musicales Deutschland als Verband aussehen, was müsste sie tun und anbieten, damit ihr Mitglieder werdet?“ Dies war 2007 die Ausgangsfrage des Präsidiums an interessierte junge Kursteilnehmer/innen – die Gründung der mu:v-Initiative die Antwort der Zielgruppe. Nach Vorstellungen der mu:v-Pioniere sollte eine Wandlung des Verbands von einem Verein für junge Menschen zu einem Verein für und von junge/n Menschen geschehen. Schnell entstand das Konzept für das mu:v-Camp, das seit 2010 alle zwei Jahre – eigenverantwortlich von jungen Organisator/innen gestemmt – stattfindet. In zahlreichen Workshops und Kursangeboten probieren sich hier musikinteressierte Jugendliche unter dem Motto „Musik verbindet!“ fünf Tage lang durch sämtliche Musikgenres, ob Anfänger oder Young Professional ist hierbei egal. Auf dem Programm stehen in diesem Jahr unter anderem Themen wie A Cappella, Songwriting, Filmmusik, Salonorchester, Poetry Slam und Musikjournalismus sowie Workshops zu Bühnenpräsenz, Rap, Website-Bauen, Kulturmarketing und vielem mehr.

mu:v-Treffen: Tür zum Partizipationsraum Der Erneuerungsdrang der mu:v-Initiative endete jedoch nicht damit, ein neues, attraktives Format wie das mu:v-Camp zu schaffen. Das Camp setzt zwar mit seinem bewusst niedrigschwelligen und breit gefächerten Ansatz einen kraftvollen Kontrapunkt zum bis dahin eher spitzenlastigen MeisterkursImage der JMD. Es ist jedoch nur ein Beispiel für das eigentliche Anliegen: einen Partizipationsraum zu öffnen, der die Möglichkeit bietet, kulturelles Leben mitzugestalten. Und zwar nicht nur in der Teilnehmendenrolle, sondern in einer aktiven Position als Macherin oder Macher, in der man einen Teil der JMD zum eigenen Experimentierfeld und sich selbst zum Teil der JMD macht. Um weitere Mitgestaltungsmöglichkeiten aufzuzeigen, treffen sich zweimal jährlich die Mitglieder der mu:v-Initiative in offener Runde, zu der alle eingeladen sind, die Interesse haben, genau diesen Partizipationsraum zu betreten. Neben der Besetzung des Organisationsteams des mu:v-Camps, in das aus diesem Kreis alle zwei Jahre vier Neulinge an die Seite von vier erfahrenen Macherinnen und Machern nachrücken, sollen die mu:v-Treffen auch Brutstät-


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te neuer Projektideen sein. Als eine Art Partizipationsbörse sollen sie aufzeigen, an welchen Stellen der vielfältigen JMDAktivitäten Mitarbeit gefragt ist. Neben der Arbeit im Camp oder auf den Treffen der Initiative arbeiten mu:v-ler unter anderem für die Junge Oper Schloss Weikersheim, den International Chamber Music Campus, sie fahren außerdem für die JMD zu Kongressen des Weltdachverbandes Jeunesses Musicales International oder zur Frankfurter Musikmesse. Neue Projekte werden konzipiert, ausprobiert, zu groß gedacht, kleiner gemacht und auch wieder eingestellt. Die unterschiedlichsten Arbeitsgruppen werden regelmäßig von mu:vlern unterwandert, so auch das höchste Verbandsgremium, das Präsidium. Aktuell sind zwei der ordentlichen Präsidiumsposten sowie der Platz des Hospitanten des JMD-Präsidiums von jungen Ehrenamtlichen besetzt, die den Verband zunächst durch die mu:v-Initiative in seiner ganzen Breite kennenlernten und ihn nun gesamtstrategisch mitgestalten. Gelebte Partizipation heißt voneinander lernen Die heute fast zehnjährige Geschichte der mu:v-Initiative war in erster Linie eine Geschichte gegenseitigen Lernens. Neben Fertigkeiten in Organisation und Koordination der Ausgaben des mu:v-Camps lernten und lernen die jungen Ehrenamtlichen vor allem viel darüber, was es heißt, wirklich zu partizipieren: Man braucht einen langen Atem. Partizipation heißt beispielsweise, über einen Zeitraum von vier Jahren an zwei Camps mitzuarbeiten oder neue Projektideen einzubringen und bis zur Umsetzung Jahre später dranzubleiben und möglicherweise auch das Scheitern dieser Idee mitzuverfolgen. Es kann auch bedeuten, in AGs und Gremien mitzuwirken und die komplexen Prozesse der Veränderung in einem bundesweit organisierten, relativ abstrakten Gebilde wie der JMD zu

begleiten. Welche Form der Partizipation die jungen Ehrenamtlichen auch wählen, im Vergleich zu einem Klick im Netz – der heute immer mehr als Inbegriff eines Mitmachens im Sinne des „Ich war (zumindest digital behauptet) dabei“, „Ich hab meine Meinung geäußert/Stellung bezogen“ an die Stelle der konkreten Mitgestaltung tritt – sind diese Zeitspannen und die Notwendigkeit physischer Präsenz, die das Abstraktum JMD mit Leben füllt, für viele junge Menschen vielleicht nicht mehr zeitgemäß. Hinzu kommen Fragen der längerfristigen Planung. Wer kann zwischen Schule, Ausbildung oder Studium schon sagen, was er/sie in vier Jahren machen und wie viel Zeit er/sie für ehrenamtliches Engagement haben wird? So hat auch die JMD viel darüber gelernt, was man jungen Ehrenamtlichen zutrauen und zumuten darf, was man erwarten kann und was nicht, und was eigentlich das Ziel junger Partizipation sein sollte: Geht es hierbei um eine eigenständige, junge, partizipative Initiative oder die Durchdringung des Gesamtverbandes mit jungen, aktiven Mitgliedern? Wohlüberlegt will vor allem auch sein, wie groß der Möglichkeitsraum sein soll, den man jungem Engagement öffnet. Welche Orientierungshilfen, etwa in Form von hauptamtlicher Betreuung, werden installiert und welche Wege versperrt, damit die große kreative Freiheit nicht zur lähmenden und frustrierenden Last wird? Die Feinjustierung dieser Parameter ist bei der JMD und ihrer mu:v-Initiative längst nicht abgeschlossen. Mit Sicherheit liefert das nächste mu:v-Camp im Juli jedoch wieder neue Impulse. Christoph Schaller studiert Musikwissenschaft und Philosophie in Berlin. Seit 2010 ist er Mitglied der mu:v-Initiative der Jeunesses Musicales Deutschland, 2013 wurde er ins Präsidium der JMD gewählt. Sein Schwerpunkt liegt dabei auf der Weiterentwicklung der partizipativen Jugendinitiative.


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SCHULE IST (MIT)GESTALTBAR DIE GENERATIONEN-WERKSTATT FLINGERN-SÜD JÖRG-THOMAS ALVERMANN

Um ein Haar hätten wir am MIXED UP Wettbewerb 2015 gar nicht teilgenommen. Während des Ausfüllens des Bewerbungsformulars gerieten wir beim Einordnen unseres Projekts in die „richtige“ Kategorie ins Grübeln. „Ländlicher Raum“ kam als innerstädtisches Projekt nicht infrage, die GenerationenWerkstatt ist leider noch kein „Dauerbrenner“, aber auch kein „Start Up“ mehr, blieben die Kategorien „NRW“ oder „Partizipation“. „NRW“ erschien uns sehr formal und so entschieden wir uns für „Partizipation“. Die Entscheidung fiel uns jedoch nicht leicht. Seit Jahren hat der Begriff Partizipation Hochkonjunktur und wird inflationär und zunehmend diffus verwendet. Unter dem Etikett Partizipation wird alles Mögliche gehandelt: Bürgerbeteiligung ohne Folgen, moderierte Verfahren, in denen es darum geht, „Zustimmung einzuholen oder Einwände klein zu arbeiten“ (Knopp 2014, S. 40), oder die Mitwirkung bei marginalen Entscheidungen in einem Rahmen, der längst feststeht. Gerade bei politischen Prozessen auf kommunaler Ebene haben wir erfahren, dass Vorsicht geboten ist, wenn uns Bürger/innen Partizipation versprochen wird. Selbstbestimmtes künstlerisches Handeln als Ausgangspunkt Bei der Entwicklung der Generationen-Werkstatt stand die Idee Partizipation für die Kinder inhaltlich zunächst nicht im Vordergrund. Bei einer Reihe von organisatorischen, finanziellen und politischen Herausforderungen im Zuge der Einrichtung der Generationen-Werkstatt stießen wir an die Grenzen der eigenen Möglichkeit zur Partizipation in der Schule. Mitwirkung und Mitgestaltung von außerschulischen Partnern aus dem Kulturbereich in der Schule und bei der Schulentwicklung sind in Schulen eigentlich nicht vorgesehen. Um unser Vorhaben, den Kindern in der Ganztagsgrundschule das Handeln als Künstler/innen – also freies, selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Arbeiten – zu ermöglichen, war ein Eingriff in Zeit- und Beteiligungsstrukturen jedoch unverzichtbar. Zu diesem Arbeiten gehören die „Selbstbeauftragung“ durch eigene Ideen und Motive, Arbeitsprozesse, die lange offengehalten werden, um Neues oder Überraschendes zu finden, und die einen unbestimmten Ausgang haben, der Ausdruck im sinnlichen Material, Veränderung der ursprünglichen Pläne durch Veränderung der Wahrnehmung im Arbeitsprozess sowie Dialog, Spiel und Experiment (Alvermann 2014, S. 314). Basis für dieses Handeln als Künstler/in ist die freie Entscheidung für oder auch gegen die Arbeit. Ein Konzept, das der geregelten Routine einer Ganztagsschule mit festen 90-minütigen AGs, die mindestens für ein Schulhalbjahr verbindlich gewählt und besucht werden müssen, widerspricht. Entgegen diesem starren System sollten den Kindern offene Angebote gemacht werden, an deren Entwick-

lung und Ausgestaltung sie so konsequent wie möglich beteiligt werden. In der Katholischen Grundschule Mettmanner Straße fanden sich glücklicherweise ein Schulleiter, ein Kollegium und Erzieher/innen, die sich auf dieses Konzept eingelassen haben. Freies Arbeiten in Atelier und Werkstatt In der Schule wurde zunächst ein selten genutzter Bereich als Künstler/innen-Atelier eingerichtet. Aus den Ideen und Wünschen der Kinder entstanden in weiteren Räumen zusätzlich eine Holz- und Forscherwerkstatt. In Atelier- und Werkstatträumen sind vielfältige Materialien und Werkzeuge vorhanden. Im Sinne einer vorbereitenden Umgebung ist alles gut sichtbar, ordentlich sortiert, beschriftet und für alle Benutzer/innen frei zugänglich. Das Atelier ist an drei Nachmittagen für zwei Zeitstunden für Kinder aller Jahrgangsstufen geöffnet. Die Kinder können in der unterrichtsfreien Zeit für zwei Minuten kommen, um fertige Kunstwerke abzuholen, sie können aber auch für zwei Stunden in der Werkstatt bleiben, um neue Werke zu schaffen. Sie entscheiden nicht nur selbstständig, wann sie kommen und wieder gehen, es steht ihnen zudem frei, mit welchem Material sie in der Werkstatt arbeiten und was sie mit ihren Werken hinterher anstellen. Manche Kinder kommen auch einfach nur zu Besuch, um Freunde zu treffen. In Atelier und Werkstatt findet ausdrücklich keine Fragmentierung in einzelne Disziplinen statt. Die Übergänge von freier Kunst, Werken und Forschen sind offen und fließend. Hierbei wird darauf geachtet, Werkzeuge und Materialien anzubieten, mit denen die Kinder altersentsprechend arbeiten können. Alle Mitarbeiter/innen der GenerationenWerkstatt haben sich in Fortbildungen auf eine gemeinsame Methodik im Sinne der Konstruktivistischen Didaktik nach Kersten Reich verständigt. Man arbeitet „lernerzentriert“, „beziehungsorientiert“, Lernen wird „an Handlungen objektiviert“ und „im Team subjektiviert“ (Reich 2005, S. 6). Das Arrangement und die didaktischen Methoden werden vom Team regelmäßig reflektiert und weiterentwickelt. Multiprofessionelles Team und Partner im Stadtteil Großflächige Malereien, filigrane Keramiken, Stühle, Tische, Raketen, selbst gemachte Eiscreme oder Seifenkisten: um die Kinder bei der Umsetzung ihrer unterschiedlichen und eigenwilligen Ideen und Projekte zu unterstützen, hat sich ein multiprofessionelles Team aus Künstler/innen und Menschen im Ruhestand gebildet, das eng in der Werkstatt zusammenarbeitet. Zunehmend wird der Stadtteil als Ort des Lernens und der Gestaltung mitgenutzt. Zur Umsetzung und Weiterentwicklung der Werkstätten ist im Stadtteil ein hetero-


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genes Netzwerk entstanden, das vom Verein Keywork-Soziale Plastik im Quartier und dem zentrum plus der Diakonie Düsseldorf getragen wird. Nur so konnte das Projekt die notwendige Stabilität gewinnen. Der Keywork-Verein vertritt die Künstler/innen und das Projekt in der Schule und in Zukunft auch gegenüber der Schulverwaltung. Er konnte große Spendensummen generieren und so die nötige Einrichtung und Ausstattung der Werkstätten gewährleisten. Das zentrum plus bringt die nötige Expertise in der Netzwerkarbeit mit Senior/innen im Stadtteil ein und finanziert die Fortbildungen für das gesamte Team. In der Zusammenarbeit mit der Schule machen es mehrere Personalwechsel bei der Schulleitung und bei den Erzieher/innen im Ganztag nötig, den gewonnenen Freiraum der Kinder immer wieder neu zu begründen und zu verteidigen. Neben der Öffnung der Schule in den Stadtteil ist daher eine bessere Vernetzung und Kooperation mit dem Lehrer/innenkollegium ein wichtiges Ziel für die Zukunft. (Mit-)Gestaltung des Schulalltags Die Kinder der Schule nutzen die Generationen-Werkstatt selbstverständlich und selbstbewusst. Die Werkstatt gibt ihnen die Möglichkeit, einen Teil ihres Schulalltags selbst zu gestalten, und überlässt ihnen dabei die Wahl, sich zu beteiligen oder auch nicht. In diesem Sinne ist Partizipation, wenn auch ursprünglich nicht vorrangig intendiert, ein wesentliches Merkmal der Generationen-Werkstatt. Wichtiger Faktor ist hierbei, dass die Ideen der Kinder ernst genommen werden, auch wenn sie manchmal „den Rahmen sprengen“. Dass dann auch die Rahmenbedingungen in der Schule zum Teil (mit-)gestaltbar sind, ist eine wichtige Erfahrung für die Kinder. Das Bewusstsein, dass Schule gestaltet werden kann, ist in der gesamten Schulgemeinschaft leider oft schwach entwickelt.

Hier gilt es auch für die erwachsenen Mitarbeiter/innen, sich für Partizipation im Schulalltag starkzumachen. Eine stärkere Kultur der Einmischung, Beteiligung und Mitgestaltung in der Schule wäre für alle Beteiligten sehr fruchtbar und eine Übung in politischer Partizipation. Jörg-Thomas Alvermann ist bildender Künstler und arbeitet an Projekten im Sinne der Sozialen Plastik nach Joseph Beuys. Schwerpunkte sind dabei aktuell Kulturelle Bildung und urbanes Lernen.

LITERATUR Knopp, Reinhold (2014): „Mehr Partizipation wagen. Die besondere Bedeutung von Partizipation im Keywork-Konzept“. In: Knopp, Reinhold/Nell, Karin (Hrsg.): Keywork4 – ein Konzept zur Förderung von Partizipation und Selbstorganisation in der Kultur-, Sozial- und Bildungsarbeit. Bielefeld, S. 39 f. Alvermann, Jörg-Thomas (2014): „Baustelle Zukunft – Generationenwerkstatt in Schule und Quartier“. In: Knopp, Reinhold/Nell, Karin (Hrsg.): Keywork4 – ein Konzept zur Förderung von Partizipation und Selbstorganisation in der Kultur, Sozial- und Bildungsarbeit. Bielefeld, S. 313 f. Reich, Kersten (2005): „Konstruktivistische Didaktik – Beispiele für eine veränderte Unterrichtspraxis“. In: Schulmagazin 5 bis 10, Nr. 3, S. 5–8. [www.unikoeln.de/hf/konstrukt/reich_works/aufsatze/reich_48.pdf, 05.04.2016].

DIE GENERATIONEN-WERKSTATT Die Generationen-Werkstatt ist Preisträger in der Kategorie „Partizipation“ des bundesweiten MIXED UP Wettbewerbs für Kooperationen zwischen Kultur und Schule im Jahr 2015.

WEITERE INFORMATIONEN www.generationen-werkstatt.de www.mixed-up-wettbewerb.de


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„DEN TRICHTER UMDREHEN“

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PARTIZIPATION AN DER HULDA-PANKOK-GESAMTSCHULE MONIKA NORDHAUSEN, ALEXANDRA HAUßMANN UND JOHANNES BRAUN

Die Hulda-Pankok-Gesamtschule versteht sich als Ort reichhaltiger Bildung und Erfahrung. Sie will alle Mitglieder der Schulgemeinde aktiv und mit Verantwortung betraut in das Schulleben einbinden – verankert in der Schulverfassung, die gemeinsam von Schülerinnen und Schülern, Eltern und Lehrenden erarbeitet und verabschiedet wurde. Durch Kooperationen mit außerschulischen Partnern möchte sie sich nach außen öffnen und bemüht sich, möglichst viele Gelegenheiten für ganzheitliches Lernen zu schaffen. Als besonderes Instrument der Beteiligung von Schülerinnen und Schülern hat sich die Schülervertretung (SV) entwickelt. Hier werden für die Schule wichtige Entscheidungen „auf Augenhöhe“ von den Schüler/innen mitgetragen. Es werden Projekte mit Strahlkraft in die gesamte Schulgemeinschaft geplant, umgesetzt und reflektiert. Insbesondere in Anbindung an die künstlerischen und musischen Fächer kann sich das Potenzial von echter Beteiligung aller Akteure entfalten. Zugrunde liegt hier ein weiter Kulturbegriff, der nicht nur die Bereiche Bildende Kunst, Theater und Oper einschließt, sondern Bildungsmöglichkeiten für Demokratie, Partizipation, Normen und Werte sowie die Verhandlung von Traditionen bietet. Die Kinder und Jugendlichen sind nicht Empfangende, in die Wissen, Werte und Normen abgefüllt werden, sondern sie werden zu Gebenden und Gestaltenden – beispielsweise in der Gestaltung von Innen- und Außenräumen, Ausstellungen und Vernissagen, Kunst- und Architekturprojekten mit externen Partnern sowie eigenverantwortlich durchgeführten Projekten der Schülervertretung zur kulturellen Teilhabe. Damit diese Form der Beteiligung zustande kommen kann und wirkungsmächtig wird, braucht es, neben der Verankerung im Schulprogramm, eine Schulleitung und Lehrer/innen, die dahinterstehen. Externe Partner (Künstler/innen, Kulturinstitutionen etc.) bilden eine wichtige Komponente, um die Schule als Lebensraum attraktiv zu machen und Partizipationsstrukturen solide aufbauen zu können. Ein wesentliches Element für gelingende Partizipation ist zudem die Mitarbeit von Menschen, die außerhalb der Lehrkräfte-Schüler/innenPolarität stehen und den Prozess bereits in der Entwicklung moderierend begleiten können. Darüber hinaus sind zeitgemäße Kommunikationsstrukturen mit allen Mitgliedern der Schulgemeinde unabdingbar. Kindern und Jugendlichen sollte im gesamten Prozess Zutrauen entgegengebracht und Verantwortung übergeben werden. Dies schließt sowohl die Handhabung von Ressourcen sowie eine selbstständige Wahl von Aufgaben ein. Erwachsene müssen überdies fortlaufend ihre eigene Haltung überprüfen: Formate der Mitgestaltung in der 1 Reeh, Ute (2008): Schulkunst. Weinheim/Basel, S. 7

Schule brauchen Personen, die es aushalten, wenn Schüler/innen einen anderen ästhetischen Geschmack haben, die es schätzen, wenn sie sich der Schule gegenüber kritisch und veränderungswillig verhalten, und die den Schüler/innen den Raum zugestehen, der ihnen zusteht. Alexandra Haußmann ist seit 2010 Schulleiterin an der Hulda-Pankok-Gesamtschule Düsseldorf und unterrichtet die Fächer Deutsch und Geschichte. Johannes Braun ist SV-Lehrer an der Hulda-Pankok-Gesamtschule und unterrichtet die Fächer Philosophie und Kunst. Monika Nordhausen ist seit 2011 Kulturagentin im gleichnamigen Modellprogramm „Kulturagenten für kreative Schulen NRW“. Sie begleitet als externe Beraterin drei Gesamtschulen auf dem Weg zu einem kulturellen Schulprofil und hat 2013 begonnen, diese Aufgabe gemeinsam mit Schüler/innen – den Kulturbotschafter/innen – wahrzunehmen.

LITERATUR Reeh, Ute (2008): Schulkunst. Kunst verändert Schule. Weinheim/Basel.

WEITERE INFORMATIONEN www.hulda-pankok-gesamtschule.de

KULTURBOTSCHAFTER/INNEN FÜR MEHR MITGESTALTUNG IN DER SCHULE Ein ähnliches Beispiel bietet das Schulnetzwerk Aachen im Programm „Kulturagenten für kreative Schulen NRW“. Hier ist die Beteiligungsstruktur ein wenig anders aufgebaut: Sie ist nicht an die SV gebunden, vielmehr hat sich ein Kreis von sogenannten „Kulturbotschafter/innen“ gebildet, der aktiv an der Entwicklung des kulturellen Schwerpunktes der Schulen mitarbeitet. Am weitesten und tragfähigsten aufgebaut ist diese Arbeit zurzeit an der HeinrichHeine-Gesamtschule Aachen. Dort begleiten die Kulturbeauftragte Ulrike Becker und die Kulturagentin Monika Nordhausen die Schüler/innen. Zahlreiche auch außerschulische Beteiligungsmöglichkeiten haben sich durch die innerschulische Arbeit für die Schüler/innen in den letzten beiden Jahren ergeben. So waren sie Mitglieder der Jugendjury im bundesweiten Wettbewerb MIXED UP oder sind als Berater/innen in der Steuergruppe Kulturelle Bildung in der StädteRegion Aachen gefragt.

KONTAKT UND WEITERE INFORMATIONEN Ulrike Becker, ubecker@hhg-aachen.de Monika Nordhausen, monika.nordhausen@mail.aachen.de Es gibt einen Film zum Projekt der Kulturbotschafter/innen. Er ist zu sehen unter: www.publikation.kulturagenten-programm.de/filme.html


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„DIE MANNS UND WIR“ JUGENDLICHE KURATIEREN IM LÜBECKER BUDDENBROOKHAUS BIRGIT MANDEL UND ANN LUISE KYNAST

Partizipative Projekte der Kulturellen Bildung mit Jugendlichen gibt es inzwischen in vielen Museen. Partizipation kann dabei von dialogischen Führungen über gemeinsame Projekte bis hin zur verantwortlichen Mitgestaltung des (öffentlichen) musealen Raums durch die Besucher/innen reichen. Wie sich ein Museum mit jugendlichen (Erst-)Nutzer/innen weiterentwickeln kann, wenn es den Mut hat, diese als Ko-Kurator/innen ernst zu nehmen, wird derzeit im traditionsreichen Buddenbrookhaus in Lübeck erprobt. In dem Mitte September 2015 gestarteten Projekt „Literatur als Ereignis. Die Manns und wir“ werden nicht mehr Vermutungen darüber angestellt, was für potenzielle junge Besucher/innen des Buddenbrookhauses mit seiner kulturhistorischen Ausstellung über die Familie Mann und deren literarische Werke relevant sein könnte. Vielmehr machte sich das Museum gemeinsam mit 15 Schüler/innen der 10. und 11. Klasse der Lübecker Grund- und Gemeinschaftsschule St. Jürgen auf den Weg, Berührungspunkte zwischen der Welt der Jugendlichen und der Museumswelt mit ihren spezifischen Traditionen zu identifizieren und sich dabei zugleich als Museum neu zu erfinden. Insgesamt vier Jahre werden die Schüler/innen gemeinsam mit den Wissenschaftler/innen, Kurator/innen, Gestalter/innen und Vermittler/innen des Museums daran arbeiten, die Dauerausstellung des Museums neu zu kuratieren, die 2018 nach grundlegendem Umbau des Buddenbrookhauses neu eröffnet wird. Dabei steht die gesamte Ausstellung zur Disposition. Außergewöhnlich an diesem Projekt ist, dass die jugendlichen Kurator/innen nicht ihre eigenen Lebensgeschichten einbringen, sondern sich mit Fragen der relevanten Präsentation und Vermittlung literatur- und kulturhistorischer Dokumente und Artefakte auseinandersetzen und damit zu Kolleg/innen werden. Sie sind nicht nur als „Expert/innen ihres eigenen Alltags“ gefragt, sondern zugleich als Sachverständige für die Neuinterpretation des Themas aus Sicht junger Zielgruppen. Bemerkenswert ist auch, dass die Projektergebnisse nicht ausgelagert in einer Sonderausstellung präsentiert werden, sondern in die Dauerausstellung eingehen, die sich damit stark verändern wird. Die Projektteilnehmer/innen arbeiten zunächst an Laborausstellungen mit, die Themen und Gestaltungselemente für die neue Dauerausstellung des Buddenbrookhauses erproben – im aktuellen Projektjahr an der Ausstellung „Fremde Heimat. Flucht und Exil der Familie Mann“. Sie geben dabei nicht nur Feedback zu Konzept und Gestaltungsentwürfen, sondern konzipieren und gestalten zudem eigene Ausstellungsmodule. Gestalter/innen und Kurator/innen binden ihre Beiträge als gleichberechtigt in die Ausstellung ein; Anpassungen werden gemeinsam ausgehandelt. Damit schreiben

sich die Jugendlichen tief in Konzept und Entwurf ein. Diese Form des Ko-Kuratierens birgt ein großes Potenzial: Projektteilnehmer/innen, kuratorisches Team und Gestalter/innen begeben sich in einen Dialog und setzen sich mit den Vorstellungen der anderen Beteiligten auseinander. In dem Maße, in dem die Institution Museum Macht abgibt, übernehmen die Projektteilnehmer/innen Verantwortung. Auf Seiten des Museums erfordert dieser Prozess eine große Offenheit und Dialog- beziehungsweise Kompromissbereitschaft. Für die Jugendlichen wiederum steht am Ende eines erfolgreichen Projektes die Erfahrung, mit den persönlichen Ansprüchen und Bedürfnissen ernst genommen worden zu sein. Daraus resultiert ein größeres Selbstbewusstsein (nicht nur) als Museumsbesucher/in. Durch diese Begegnung der (bildungs-) bürgerlich geprägten Institution Museum und ihrer dort bisher unterrepräsentierten Besucher/innen-Gruppen in einem gemeinsamen Ausstellungsprojekt werden Deutungskompetenzen neu verhandelt. Als Expert/innen für ihre Generation können die Projektteilnehmer/innen die Frage „Was erwarten Jugendliche von einer Ausstellung?“ am besten beantworten. Ihre Vorschläge umfassen ein breites Spektrum persönlicher Vorlieben – von auratisch inszenierten Originalen über interaktiv nutzbare Nach- oder Neubauten bis hin zu performativen Elementen. Einig ist sich die Gruppe darüber, dass Text nur sparsam eingesetzt werden und nicht zu kompliziert sein sollte. Zudem gelte es, vielfältige Medien zu nutzen, die sinnliche Erfahrungen ermöglichen: von Fotos über akustische Elemente bis hin zum Einsatz neuer Medien in Form von Apps und Augmented Reality ebenso wie Kommunikationskampagnen über Social Media. In ihrer Arbeit an eigenen Ausstellungsmodulen setzen die Jugendlichen die historischen Sachverhalte in Bezug zu ihrer Gegenwart und Lebenswelt. Diesen persönlichen Blick bringen sie so im Sinne einer zeitgenössischen Interpretation in die Ausstellung ein und bereichern diese durch ihr spezifisches Wissen, ihre Interessen, ihre Perspektiven. Diese Vielfalt könnte das bisherige kuratorische Fach-Team allein nicht aufbringen. Für die Laborausstellung „Fremde Heimat“ arbeiten die Teilnehmer/innen an vier Projekten. Eine Gruppe gestaltet eine Klangcollage für den Intro-Bereich der Ausstellung, die zweite entwickelt ein Spiel, in dem die Besucher/innen Gegenstände auswählen können, die sie selbst ins Exil mitnehmen würden. Eine weitere Gruppe verfasst einen alternativen Einbürgerungstest, in dem sie Wissen abfragt, das sie persönlich für relevant hält. Die vierte Gruppe führt Interviews mit jugendlichen Geflüchteten über ihre Fluchterfahrungen.


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Die Gruppen arbeiten größtenteils selbstständig. Das selbstbestimmte und freie Arbeiten war und ist ein großer Anreiz für die Projektteilnehmer/innen. Und zugleich wird durch regelmäßige Zwischenpräsentationen die Einbindung in die Ausstellungsplanung sichergestellt und die Möglichkeit zum gegenseitigen Feedback gegeben. Es hat sich herausgestellt, dass eine möglichst enge Anbindung an das Museumsteam produktiv ist, weil sie den Jugendlichen stärker das Gefühl vermittelt, Teil eines größeren Ganzen zu sein. Ernst genommene Partizipation verlangt nicht nur den jugendlichen Teilnehmer/innen einiges ab. Auch das Team des Museums sieht sich vor neue Herausforderungen gestellt. Seine Routinen werden aufgebrochen, wenn die Jugendlichen in Abstimmungsprozesse einbezogen werden sollen, die eigene literaturwissenschaftliche und kulturhistorische Fachexpertise wird kritisch hinterfragt. Das kann nur gelingen, wenn Partizipation von der gesamten Institution gewollt ist und getragen wird. Als problematisch erweist sich die Ressourcenknappheit im Kulturbereich: Denn Partizipation bedeutet auch einen erheblichen Mehraufwand an (Arbeits-)Zeit, der im Moment vom Team des Buddenbrookhauses nicht in befriedigendem Maße geleistet werden kann. Das Projekt konnte nur realisiert werden durch eine zusätzliche, extern von der CommerzbankStiftung finanzierte Stelle. Hier zeigt sich erneut, dass Stiftungen aktuell in Deutschland ein wesentlicher Motor für die Initiierung zukunftsträchtiger Formen Kultureller Bildung sind. Sie können jedoch immer nur Anstöße durch Modellförderung geben.

Traditionelle Kultureinrichtungen stehen vor der Herausforderung, sich neu aufzustellen, um auch für nachwachsende Generationen und für neue Bevölkerungsgruppen aus anderen Kulturräumen attraktiv und relevant zu sein. Diese institutionellen Transformationsprozesse werden ihnen vermutlich am ehesten gelingen, wenn sie auch konzeptionell mit denjenigen zusammenarbeiten, die sie für sich gewinnen möchten. Diese zentrale Aufgabe, die kulturelle Bildungsprozesse auf allen Seiten ermöglicht, müsste zukünftig aus dem eigenen Budget finanziert werden können. Das Projekt „Literatur als Ereignis. Die Manns und wir“ kann beispielhaft sein für eine zukunftsfähige Vermittlungsarbeit von Museen, indem es jungen Menschen die Möglichkeit gibt, ihre Interessen am Ausstellungsthema selbst einzubringen und ästhetisch mitzugestalten – um den lohnenden Preis, dass dies zu Veränderungen von Inhalten und Gestaltung des Museums führen wird. Ann Luise Kynast ist die museumspädagogische Koordinatorin des Projekts „Literatur als Ereignis“ im Buddenbrookhaus. Sie studierte Germanistik in Leipzig und war zuvor im Referat Forschung und Bildung der Klassik Stiftung Weimar tätig. Birgit Mandel ist Professorin für Kulturvermittlung und Kulturmanagement an der Universität Hildesheim, Vizepräsidentin der Kulturpolitischen Gesellschaft und Kuratoriumsmitglied der Commerzbank-Stiftung.


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SCOUTS ENTWICKLUNGSHELFER/INNEN IM THEATER FÜR JUNGES PUBLIKUM ANNA EITZEROTH Das Theater der Altmark in Stendal hat Schüler/innen als Scouts für das Theater gewonnen: Sie erhalten einen Ausweis, mit dem sie die Vorstellungen des Theaters kostenlos besuchen können, und werden zu Gesprächen mit Schauspieler/innen und anderen Theaterkünstler/innen eingeladen. Im Gegenzug fungieren die Jugendlichen als Botschafter/innen für das Theater: Die Schulen der beteiligten Scouts wurden mit einer Theaterecke ausgestattet, die regelmäßig mit Plakaten, Fotos und Berichten bestückt wird. Einige Scouts schreiben außerdem Kritiken zu Vorstellungen, die auf der Homepage des Theaters veröffentlicht werden. Das Projekt folgt einem einfachen Prinzip: Begeisterung weitertragen. Die Scouts erhalten interne Einblicke, sie kennen Mitarbeiter/innen persönlich und wissen, wo es zur Probebühne geht. Sie sind Expert/innen, die sich dem Theater zugehörig fühlen und ihren Mitschüler/innen aus einer Insider-Perspektive vom Theater erzählen können: von der Panne, die in der öffentlichen Probe passiert ist, oder dem lustigen Kommentar der/s Regisseur/in. Sie haben einen persönlichen Bezug zum Theater und vermitteln diesen auch ihren Freunden. Das Projekt des Theaters an der Altmark wurde im Rahmen von „Kultur macht stark“ durch das Programm „Wege ins Theater – Theaterscouts im Kinder- und Jugendtheater“ der ASSITEJ Bundesrepublik Deutschland gefördert und konnte danach verstetigt werden. Das Förderprogramm der ASSITEJ

hat das Ziel, Kindern und Jugendlichen, die mit Bildungsbarrieren konfrontiert sind, Wege ins Theater zu eröffnen. Es besteht aus drei Projektformaten (Besuch, Gegenbesuch, Scouts), die auch als Schritte auf dem Weg zu mehr kultureller Teilhabe im Theater für junges Publikum gesehen werden können. Das Projektformat Scouts ist hier der dritte und herausforderndste, aber auch der nachhaltigste Schritt: Kinder und Jugendliche eröffnen Menschen in ihrem Umfeld einen Zugang zum Theater. Das Format setzt voraus, dass die Teilnehmenden sich aus der Zuschauer/innen-Perspektive mit Theater auseinandersetzen und sie die Möglichkeit erhalten, sich einzubringen und Theater mitzugestalten. Außerdem muss es mindestens einen Punkt im Projekt geben, an dem die Teilnehmer/innen Menschen aus ihrem Umfeld ins Theater einladen. Scout-Projekte sind ein Format, das unter dem Begriff „Audience Development“ zusammengefasst werden kann, der in den angelsächsischen Ländern geprägt wurde und die „Generierung und Bindung neuen Publikums für Kultureinrichtungen“ beschreibt (Mandel 2013, S. 13). In der ersten Auseinandersetzung mit dem Begriff mag es so erscheinen, als liege der Entwicklungsbedarf alleine beim Publikum. Evaluationen von Audience Development Programmen in Großbritannien zeigen jedoch, dass es nur dann gelang, neues Publikum dauerhaft zu gewinnen, wenn die Kulturinstitutionen bereit waren,


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sich als Ganzes, einschließlich ihrer Programme, zu verändern (Mandel 2013). Bei Scout-Projekten geht es darum, Routinen und Regeln der Institutionen infrage zu stellen. Dabei werden Preisstrukturen und Vertriebswege, künstlerische Ansätze, Organisationsformen, interne Hierarchien, thematische Schwerpunkte und Veranstaltungsformate gleichermaßen hinterfragt und gegebenenfalls verändert. Sie als reine Marketing-Maßnahmen zu begreifen, ist also zu kurz gegriffen. Die zentrale Herausforderung in Scout-Projekten ist die Offenheit für die Interessen und Impulse der Teilnehmenden – damit hängt auch die Frage zusammen, an welchen Punkten das Theater Mitgestaltung ermöglicht und an welchen Punkten es der Partizipation Grenzen setzt. Das Theater Bremen geht im Projekt „Das sind wir“ so weit, dass Scouts Vorschläge für Stoffe und Themen im Spielplan machen können. Als Kinderdramaturg/innen identifizieren die Kinder ihr Lieblingsstück, das sie gerne einmal auf der Bühne des jungen Theaters Bremen (Moks) sehen würden. Es kann sich hierbei um eine Stückvorlage handeln, die inszeniert werden soll, oder um ein Thema, das einer möglichen Stückentwicklung zugrunde liegt. Ihre Ideen werden der Dramaturgie des Hauses vorgeschlagen und Szenen gemeinsam mit dem Ensemble ausprobiert. So haben die Scouts die Möglichkeit, Impulse für den Theaterspielplan zu geben und Themen, die ihnen wichtig sind, direkt mit den Programmverantwortlichen zu diskutieren. Für Theater, die sich auf ein junges Publikum spezialisiert haben, sind Theaterscouts auch eine Möglichkeit, mit Kindern und Jugendlichen sowie ihren Familien in ihrem privaten Umfeld in Kontakt zu kommen und sie in ihrer Freizeit kennenzulernen. Dies ermöglicht für die Beteiligten eine Begegnung mit dem Theater jenseits der Institutionen Kita und Schule, die oftmals Theaterbesuche vermitteln und er-

möglichen. So ist die Rolle des Scouts nicht notwendig mit bekannten Rollenbildern von Schüler/innen verknüpft. Scouts werden – vielleicht anders als Schüler/innen-Gruppen – direkt und persönlich als Gast im Theater angesprochen und erhalten einen Einblick in die organisatorischen Rahmenbedingungen von der Kartenbestellung über die zuständigen Ansprechpartner/innen bis hin zu Anfragen für Publikumsgespräche. Theaterscouts werden Teil des Theaters: Sie bekommen Gestaltungsspielräume und Anregungen und trauen sich, Vorschläge für Veränderungen zu machen. Sie sagen, was ihnen nicht passt, denken gemeinsam mit Theatermacher/innen über Umgestaltungen nach, erproben diese und werten sie gemeinsam aus. Scouts bereiten also nicht nur den Weg oder öffnen die Tür für Nicht-Besucher/innen der Theater. Sie sind auch Vermittler/innen in die andere Richtung: als Berater/innen für Publikumsbelange, Coaches und Entwicklungshelfer/innen fürs Theater. Scouts nicht nur projektweise, sondern kontinuierlich als institutionalisierte Partizipationsmöglichkeit und als Sprachrohr des Publikums zu etablieren, ist eine große Herausforderung für das Theater. Sie erfordert Beziehungsarbeit, Offenheit, Neugier, Flexibilität und Mut vom Theater als Ganzes. Eine Investition lohnt sich aber: Scout-Projekte haben das Potenzial, die Beziehung zwischen Theater und Gesellschaft zu stärken und Theater gemeinsam mit den Menschen, für die es gemacht wird, weiterzuentwickeln. Anna Eitzeroth ist Kulturwissenschaftlerin und Dramaturgin. Sie arbeitet im Kinder- und Jugendtheaterzentrum in der Bundesrepublik Deutschland im Bereich „Theater in der Kulturellen Bildung“ und ist Projektleiterin des ASSITEJ-Programms „Wege ins Theater“.

LITERATUR Mandel, Birgit (2013): „Interkulturelles Audience Development. Zukunftsstrategien für öffentlich geförderte Kultureinrichtungen“. Bielefeld.


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UNTERWEGS IM BÜCHERUNIVERSUM VON DER JUGENDJURY ZU DEN LITERANAUTEN DORIS BREITMOSER

Der Deutsche Jugendliteraturpreis wird jährlich verliehen und feiert in diesem Jahr seinen 60. Geburtstag. Gestiftet wird er vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) und ausgerichtet vom Arbeitskreis für Jugendliteratur (AKJ). Seit den 1970er Jahren wurden verschiedene Modelle der Teilhabe erprobt, die 2003 in einer weitreichenden Reform in Bezug auf Partizipation im Rahmen der Preisvergabe mündeten: Neben der Kritikerjury, die sich ausschließlich aus erwachsenen Expert/innen zusammensetzt, vergibt eine autonome Jugendjury jährlich ihren eigenen Preis – dotiert mit 10.000 Euro. Die Jugendjury besteht aus sechs über die Bundesrepublik verteilten Leseclubs, die vom AKJ-Vorstand für eine Amtszeit von zwei Jahren gewählt und vom Bundesjugendministerium berufen werden. Die Leseclubs sind an Schulen, Bibliotheken, Buchhandlungen, Literaturhäusern und Einrichtungen der Jugendarbeit angebunden und können maximal zwei Amtszeiten in Folge absolvieren. Die Jugendjury prüft jährlich rund 250 Bücher aus der Produktion des Vorjahres und nominiert eigenständig sechs Bücher (eines pro Leseclub) als potenzielle Preisträger. Die Nominierungsliste wird jeweils im März auf der Leipziger Buchmesse verkündet, die Bekanntgabe der Preisträger und die Preisverleihung erfolgen im Oktober auf der Frankfurter Buchmesse. Entscheidungsräume öffnen Bis 2003 arbeiteten erwachsene Expert/innen und ausgewählte jugendliche Leser/innen in derselben Jury zusammen. Die Jugendlichen waren in der Minderheit und sahen sich einem erwachsenen Fachdiskurs gegenüber, der sich wiederum dem unmittelbaren Zugang der Jugendlichen zu stellen hatte. Verschiedene Ebenen der Wertung und Kommunikation über Literatur, die Frage, inwiefern die wenigen Jugendlichen repräsentativ für ihre Generation seien, und auch die denkbare Gefahr einer Alibi-Funktion der Jugendlichen bereiteten das Feld für die Einrichtung einer eigenständigen Jugendjury. Diese sollte auf einer breiteren Basis fußen: Mädchen wie Jungen aus dem gesamten Bundesgebiet mit unterschiedlichen Bildungshintergründen und Herkunftsmilieus sollten darin vertreten sein. Getreu dem Motto „Jugendliche lesen für Jugendliche“ setzte man auf den Peer-to-Peer-Effekt. Die Jugendjury sollte insbesondere Gleichaltrige mit ihren Leseempfehlungen begeistern. Darüber hinaus ging es um die Signalwirkung, im Rahmen eines Staatspreises „Entscheidungsräume für junge Menschen zu öffnen“ (Witt 2015).

Herausforderungen Teilhabe erfordert Verantwortung, Engagement und kontinuierliches Am-Ball-Bleiben. Verkürzte Schulzeiten und die Ganztagsbeschulung reduzieren jedoch die Freiräume Jugendlicher für außerunterrichtliche Aktivitäten. Das Lesepensum der Jugendjury ist damit umso mehr eine Herausforderung. Um diese bewältigen zu können, bedarf es gewisser Voraussetzungen: Die Leseclubs, die in der Jugendjury mitarbeiten, sind nonformale Zusammenschlüsse, die auf Freiwilligkeit beruhen. Sie sollten eine kontinuierliche Arbeitsweise und Kenntnis des Handlungssystems „Kinder- und Jugendliteratur“ vorweisen können. Wichtig sind in diesem Zusammenhang die sogenannten Teamer/innen, die als (in der Regel erwachsene) Koordinator/innen fungieren und ausschließlich moderierend tätig sind. Der AKJ unterstützt die Jugendjury durch einen klar vorgegebenen Organisationsrahmen, durch Beratung und Koordination, Vernetzung der Leseclubs untereinander sowie durch Workshops und Seminare, in denen notwendige Kompetenzen für die Ausgestaltung der Juryarbeit vermittelt werden. Dabei geht es sowohl um Selbstkompetenzen als auch um Sozial- und Methodenkompetenzen, wie sie auch im Kompetenznachweis Kultur in Zusammenarbeit von Teamer/innen und Teilnehmenden eines Leseclubs dokumentiert werden. Gerade diese dialogische Herangehensweise, in deren Verlauf Kompetenzen benannt, reflektiert und sichtbar gemacht werden, ist ein wichtiger Aspekt in Hinblick auf das Erleben von Selbstwirksamkeit. Hier erfahren die Jugendlichen Anerkennung und Wertschätzung (Fuchs 2015). Mehrwert für die Jugendlichen Eine Studie zum zehnjährigen Jubiläum der Jugendjury zeigt, wie nachhaltig die Juryarbeit die Jugendlichen prägt, ihr Selbstbewusstsein stärkt und ihre Kompetenzen erweitert (Brendel-Perpina/Stumpf 2013). Der Leseclub und die Jugendjury sind für ihre Mitglieder ein Ort der Begegnung und Kommunikation, ganz im Sinne der literarischen Geselligkeit. Durch die Sichtung des Jugendbuchmarktes und die Diskussion sowie die Auseinandersetzung darüber entwickeln sie literarisches Expertenwissen. Sie gewinnen zunehmend Souveränität in der Bewertung von Literatur, in der Begründung ihres Urteils sowie bei öffentlichen Präsentationen ihrer Favoriten. Wie selbstverständlich werden Lesemotivation sowie Lese- und Schreibkompetenz gestärkt. Darüber hinaus hat die Begegnung mit Literatur eine unterhaltende Funktion, eingebettet in ein starkes Gemeinschaftserlebnis.


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Was die Buchauswahl betrifft, so gibt es nur gelegentlich Schnittmengen mit der Kritikerjury. Generell zeigen die jungen Juror/innen ein starkes Interesse an sogenannten „Problemerzählungen“, also an überwiegend realistischer Literatur. Neuerdings ist zudem ein starkes politisches Interesse auszumachen. So erzählen drei der sechs in diesem Jahr nominierten Titel der Jugendjury von Krieg, Gewalt und Fluchterfahrungen. Die Literanauten Die Studie zum zehnjährigen Bestehen der Jugendjury zeigte auch Entwicklungsmöglichkeiten für die Zukunft auf: Zum einen wünschten sich die beteiligten Leseclubs über ihre Amtszeit hinaus eine enge Vernetzung und weitere Handlungsfelder. Zum anderen gelte es, im Sinne von Teilhabegerechtigkeit zusätzlich Angebote für diejenigen Jugendlichen zu machen, die nicht über eine ausreichende Lesefähigkeit verfügen, keinen Zugang zu Büchern haben oder aus einem Umfeld kommen, in dem Lesen keine Wertschätzung erfährt. Mit der Initiative „Literanauten überall“ im Rahmen des Förderprogramms „Kultur macht stark“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung hat der AKJ auf diese Ergebnisse reagiert und nutzt die Erfahrungen der Jugendjury, um verstärkt Jugendliche für Literatur zu begeistern, die bisher wenige Berührungspunkte mit ihr hatten: In dem Leseförderungsprojekt entwickeln lesebegeisterte Jugendliche eigene Projektideen, um bei „buchfernen“ Gleichaltrigen für das Lesen zu werben. Es werden überwiegend diejenigen Leseclubs in lokalen Bündnissen aktiv, die sich bereits in der Jugendjury engagiert haben. Aktuell sind 18 Literaturgruppen aus 10 verschiedenen Bundesländern Teil der Literanauten. Ihr Engagement reicht von wöchentlichen Vorlesestunden für geflüchtete Kinder über literarische Ausstellungsprojekte und szenische Lesungen bis hin zu Literaturexpeditionen zu Buchmes-

sen und an literarische Schauplätze. Über lokale Bündnisse mit Jugend- und Nachbarschaftstreffs, Schulen, Bibliotheken, Horteinrichtungen, Vereinen und vielen weiteren Partnern gelingt es den Literanauten, neue Zielgruppen anzusprechen. Aufgrund der speziellen Situation dieser Zielgruppen bedarf es jedoch umfassender Beratung, Schulung und Begleitung. Es gilt, Voraussetzungen zu schaffen, sodass sich auch hier ein Zusammengehörigkeitsgefühl ähnlich dem Gemeinschaftssinn der Jugendjury entwickeln kann. Doris Breitmoser ist Geschäftsführerin des Arbeitskreises für Jugendliteratur in München.

LITERATUR Brendel-Perpina, Ina/Stumpf, Felix (2013): Leseförderung durch Teilhabe. Die Jugendjury zum Deutschen Jugendliteraturpreis. Schriftenreihe Kulturelle Bildung. Band 36. München. Fuchs, Max (2015): Partizipation als Reflexionsanlass. In: Wissensplattform Kulturelle Bildung Online. [www.kubi-online.de/artikel/partizipation-reflexionsanlass, 27.04.2016]. Pantos, Regina (2010): Literarische Geselligkeit in der Peergroup. Leseförderung der besonderen Art. In: JuLit 2/2010. München. Treptow, Rainer (2013): Kulturelle Bildung für benachteiligte Kinder und Jugendliche. In: Wissensplattform Kulturelle Bildung Online. [www.kubi-online.de/artikel/kulturelle-bildung-benachteiligte-kinderjugendliche, 27.04.2016]. Witt, Kirsten (2015): Partizipation als Prinzip Kultureller Bildung. In: BKJ (Hrsg.): Künste öffnen Welten. Themenheft Wirksamkeit. MitWirkung. OnlinePublikation. [www.kuenste-oeffnen-welten.de/wp-content/uploads/2015/ 09/PU_20150909_Themenheft_Wirksamkeit_KoeW_BKJ.pdf, 27.04.2016].

WEITERE INFORMATIONEN www.jugendliteratur.org www.literanauten.org


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#IPZP – TAG 1 #WERTANZTBEIPARTYZIPATION #WIEDENNWENNDERKOPFRAUCHT Partizipation – ein Wort-Stolperstein – und vielleicht mehr als das – ein Stolperstein im partizipativen Geschehen? Wie viele Anträge braucht Teilhabe – und wie viel Organisation? Können wir anarchisch etwas hinbekommen? Oder brauchen wir 75 Prozent Männer auf der Bühne? Es geht um Selbstwirksamkeit erleben – Kohärenz – Widerstandsressourcen – Schnittmenge der inneren und äußeren Welt. Es geht darum, eine Gesellschaft jugendgerechter zu machen – und dabei dürfen wir nicht aus den Augen verlieren, dass Partizipation auch bedeuten kann, nicht teilhaben zu müssen. Bei Twitter geht es derweil um die Saalbeleuchtung, die Zuhörenden bewegt das, nur der Referent darf daran nicht partizipieren. Aber wissen wir das nicht auch schon? Dass Zeit ist, von Leuchtturmprojekten wegzukommen, Zeit ist, Risikobereitschaft und Vertrauen in Jugendliche zu setzen? Augenhöhe zu schaffen? Die Twitterwall ist derweil bei Foliendesign – vielleicht ist es nun an der Zeit, die eigene Selbstwirksamkeit unter Beweis zu stellen. Also wählen wir Kekssorten und sortieren uns neu, reden mit Leuchtturmprojekten, deren Teilnehmer/innen und Macher/innen und fragen uns – nicht, wie wir die Subkultur involvieren können, sondern an ihr Teilnehmen können. Wie wir dazu gezwungen werden können, uns und „die Großen“ zu ändern. Wie wir es schaffen, dass alle jungen Menschen ihre partizipatorischen Bedürfnisse formulieren können. Denn das ist doch das Ziel, oder? J. sagt dann: „Wir können Unterscheide nicht verneinen – und sie damit hinnehmen. Wir müssen Probleme benennen – um sie zu bekämpfen.“ Gegen Abendessen dann #partipumpe #WasIstEigentlichDiesesBarcamp. Beim Essen, aufgebracht, sagt B.: „Aber Inklusion ist ja nicht gleich Partizipation!“ Nach dem Abendessen dann: #Stadt #Glitzer #Teilhabe, drei Hashtags für jede und jeden. Eine Gruppe entsteht – es wird gelacht. Vielleicht ist das, was Partizipation als Erstes macht. Wenn es ans Eingemachte geht, sind alle schüchtern – „Teilhabe?“ Was, jetzt?“ „Kann ich auch sitzen bleiben?“ „Es ist schon so spät!“. Doch dann, Mutige: Wie können wir vom Kapitalismus lernen? Verstärkt sogenannte Partizipation Machtstrukturen? Am Abend bleibt: #WerIstEigentlichDiesePartizipation Doch wir sind frohen Mutes: Im Barcamp werden wir Antworten finden – die gewählten Kekse werden uns bestärken. Es ist Zeit. #DieRotenMüssenDasAuchEinsehen


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#IPZP – TAG 2 Es ist Bewegung in uns gekommen – es gibt analogen Shitstorm. Das könnte an den 45 Minuten liegen, die wir haben, das könnte daran liegen, dass wir uns bewegen. Aufeinander zu – voneinander weg. Vielleicht lässt sich die Bewegung an der Twitterwall ablesen. „Aber Partizipation geht eben nicht so zack auf einmal“, sagt A. Wir sind bewegt. Bewegt davon, dass B. infrage stellt, ob Kinder Entscheidungen treffen dürfen, wenn sie diese nur nach Sympathien treffen. B. will damit sagen: Manchmal wollen wir Kinder und Jugendliche überbeteiligen. Die wollen nämlich gar nicht. „Trotzdem“, sagt C. „geht es um Entscheidungsmacht statt nur Expertenschaft.“ Und D. findet, „dass man sich mal selber fragen muss, warum man gar nicht erst auf die Idee kommt, Kinder und Jugendliche in bestimmten Fragen mit einzubeziehen“. E. regt an, darüber nachzudenken, wem wir geben. Den Jugendlichen und Kindern? „Oder erreichen wir eh nur diejenigen, die schon eine Wirkungsmacht haben?“ „Unser verbindendes Element ist, dass wir auf einer Tagung sind, auf der wir über Kinder und Jugendliche sprechen, und diese nicht da sind.“ Sagt F. Und Ziel ist es, das mal anders zu machen, finden einige. B. würde jetzt vielleicht sagen: „Vielleicht haben die gar keinen Bock zu kommen, jetzt mal ehrlich.“ Es sind aber Jugendliche da, und die wollen auch teilnehmen, „aber nicht als Hiwi“, sagen sie. Selbstwirksamkeit hat viel mit Wertschätzung zu tun, weiß auch G. „Es geht um Aushalten und Aushandeln.“ Wir stolpern viel über diesen Stolperstein Partizipation in der Abenteuertagung. Wir setzen selber Stolpersteine – wer dealt mit den schwarzen Klebepunkten? Und H. sagt: „Wir sind noch lange nicht am Ende mit dem Thema.“ Also lasst uns – wie I. es möchte – wenigstens merken, dass wir in eigenen Strukturen behaftet sind. Neu bestimmen, wer Papier und Stifte bekommt – sie vielleicht sogar teilen! Zu Moderatorinnen werden, die Mäßigen, die Gerechtigkeit einfordern, die den Leisen zur Stimme verhelfen. Die sich eingestehen, dass auch Kinder und Jugendliche genau dies können. Vielleicht sogar besser. Lasst uns Aha-Effekte erzeugen – sodass man gar nicht immer alles erklären muss. Lasst uns jeder und jedem seinen Platz geben und ihn okay finden. Lasst diesen Vorhaben Taten folgen. Die Abenteurer klappen die Mappen zu, melden sich bei Twitter ab. Eine letzte Bewegung auf der Twitterwall: #PartizipationBrauchtStolpersteine

Clara Antonie Ludwig studiert Sozialwissenschaften, ist freiberufliche Autorin und literarische Dokumentarin. Sie beschäftigt sich vor allem mit politischer Teilhabe und kreativen Protestformen.

Dies ist die literarische Dokumentation der Tagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“. MEHR VON CLARA www.claratext.de


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WELTGESTALTER/IN WERDEN BETEILIGUNG UND FREIWILLIGES ENGAGEMENT KIRSTEN MENGEWEIN Aktuell erleben wir es wieder ganz massiv: Eine vermeintliche Hilflosigkeit aufgrund der politischen Entwicklungen auf landes- und weltpolitischer Ebene macht sich breit. Die Reaktion: Menschen protestieren unreflektiert für ein christliches „Abendland“ und diskriminierende Wertvorstellungen, die Alternative für Deutschland (AfD) ist in drei Landtagen vertreten, die Bevölkerung gespalten. Die Reichen richten Briefkastenfirmen ein und denken sich „Oh wie schön ist Panama“. Dank ihres unversteuerten Geldes in der Karibik werden sie noch reicher. Währenddessen heizen sich Kommentarspalten in sozialen Netzwerken weiter auf und der Umgang zwischen den Menschen wird spannungsgeladener. Die Bevölkerung kann, will und darf sich nicht mehr allein auf „Die Mutti macht das schon“ und „Die da oben werden es schon richten“ verlassen. Es ist eine Zeit, in der die Schere zwischen Arm und Reich weiter aufgeht, der Rechtsdruck wieder größer wird und Europa und das Weltgefüge auf eine harte Probe gestellt werden. Der globale Wandel darf natürlich auch nicht außer Acht gelassen werden. Jetzt sind Menschen gefragt, die nicht nur sich sehen und jammern, sondern die sich einbringen, teilhaben und mitbestimmen wollen. Menschen, die eine Stimme haben und sie einsetzen. Doch wie motiviert man Menschen zu mehr Teilhabe und zur Übernahme von Verantwortung? Das Zauberwort heißt Partizipation. Eine Möglichkeit der Teilhabe sind die Freiwilligendienste als besondere Form des Engagements – vor allem im Feld der Kultur und der Kulturellen Bildung. Foto: FSJ-Kultur, Einsatzfeld Zirkus © von Clar, Jens Draser-Schieb

„Eigeninitiative ergreifen – nicht nur reden, sondern auch machen!“ (Zitat einer Freiwilligen aus dem FSJ Kultur-Jahrgang 2015/2016)

„Pause“ haben, Impulse setzen, Stimme sein Einrichtungen aus dem kulturellen Feld bieten Menschen – fernab von (akademischen) Abschlüssen und anderen Qualifikationen – die Möglichkeit, sich für 6 bis maximal 18 Monate einzubringen, den Kulturbetrieb kennenzulernen und eigene Impulse zu setzen. Menschen, die nach der Schule, der Ausbildung, während (und auch nach) dem Arbeitsleben eine „Pause“ benötigen oder mal etwas anderes machen möchten, können sich auf diese Plätze bewerben. Koordiniert wird das Suchen und Finden durch die Träger, die bundes- und landesweit aufgestellt sind. Passen die jeweiligen Vorstellungen und Aufgabengebiete sowie Engagement-Möglichkeiten von (kultureller) Einrichtung und Bewerber/in zueinander, kommt es zum Vertragsabschluss. Die Einrichtung wird zur Einsatzstelle und die bewerbende Person zum/zur Freiwilligen. Neben dem Einsatz im jeweiligen Kulturbetrieb gibt es begleitende Bildungs- und Partizipationsangebote, die durch den Träger koordiniert werden. Dazu zählen 25 sogenannte Bildungstage, bei denen die Freiwilligen aufeinandertreffen und ihren Dienst reflektieren. Zusätzlich findet eine Vielzahl von Seminaren mit Inhalten wie globales Lernen, Inklusion, Projektmanagement, Kommunikation und Berufsorientierung statt. Die Treffen können aber auch einfach dazu dienen, sich


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auszutauschen, zu diskutieren und sich eine Meinung zu bilden sowie künstlerisch-kulturelle Werkstätten zu besuchen. Planung und Umsetzung dieser Veranstaltung finden unter Beteiligung der Freiwilligen statt. Außerdem können sich die Freiwilligen in Arbeitsgruppen wie Öffentlichkeitsarbeit oder Festival-Planung engagieren. Das Sprechenden-System gibt den Freiwilligen zudem eine „Stimme“ neben der von Einsatzstelle und Träger: Sprecher/innen, selbst im Dienst aktiv, werden von anderen Freiwilligen einer Seminargruppe (pro Gruppe ca. 30 Personen) gewählt und vertreten diese gegenüber dem Träger und den Einsatzstellen.

„Ich finde es gut, dass die Seminare stark von den Teilnehmenden beeinflusst werden können und vom Engagement der Gruppe leben.“ (Antwort innerhalb der Seminarauswertung im Freiwilligendienst, FSJ Kultur-Jahrgang 2015/2016)

Eine weitere, sehr wichtige Möglichkeit, sich einzubringen, ist das eigene Projekt der Freiwilligen in ihren Einrichtungen. Die Freiwilligen realisieren eigene Ideen und lernen, wie ein (kleines) Projekt eigenverantwortlich durchgeführt wird – mit allen Höhen und Tiefen.

„Es werden einem als FSJler relativ viele Freiräume gelassen. Es gibt zwar Dinge, die gemacht werden müssen, aber eigene Ideen werden ebenfalls berücksichtigt, wenn nicht gar vorausgesetzt. Man kann ziemlich viel miteinbringen und das Feld ist sehr groß – von Freizeiten über Tischtennisturniere bis hin zur Technikbetreuung.“ (Antwort eines Freiwilligen auf die Frage: „Was macht dir besonderen Spaß im FSJ Kultur?“)

Foto: FSJ-Kultur, Einsatzfeld Medienzentrum © von Clar, Jens Draser-Schieb

Parti-[y]-zipation Eine Party ist ein Freiwilligendienst mitunter auch: Fun, Freude, gemeinsame Zeit, andere Leute kennenlernen, Freundschaften knüpfen, sich austauschen und gemeinsam etwas ausprobieren. Aber den Menschen, die sich im Rahmen eines Freiwilligendienstes engagieren, geht es um mehr als Spaß und YOLO – „You Only Live Once“. Es geht ihnen um Teilhabe und Mitbestimmung, nicht nur für sich selbst, sondern in der Gemeinschaft. Die Freiwilligen ergreifen Initiative und finden einen Freiraum, ihre eigenen Ideen einzubringen. Sie unterstützen die hauptamtlichen Kräfte und kreieren neue Projekte, die ohne sie keine Umsetzung finden würden. Eigene Vorstellungen entwickeln, umsetzen und damit Gesellschaft und das globale Zusammenleben ein Stück weit gestalten – das kann ein Freiwilligendienst bewirken. Kirsten Mengewein studierte an der Universität Hildesheim Kulturwissenschaften und ästhetische Praxis. Seit 2008 arbeitet sie für die .lkj) Sachsen-Anhalt e. V. für das FSJ Kultur und koordiniert seit 2015 den Fachbereich Freiwilligendienste. Daneben gehören zu ihren Schwerpunkten Gender, Inklusion und die verstärkte Sichtbarmachung der non-formalen, Kulturellen Bildung des Vereins in den digitalen Medien.

DIE LKJ SACHSEN-ANHALT Die .lkj) – Landesvereinigung kulturelle Kinder- und Jugendbildung Sachsen-Anhalt e. V. bietet seit 2001 jungen Menschen die Möglichkeit, sich im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres im Bereich der Kultur – kurz im FSJ Kultur – zu engagieren und das kulturelle Leben zu bereichern. Seitdem wurden die Teilhabe-Möglichkeiten immer weiter ausgebaut und neue Freiwilligenformate als besondere Form des Ehrenamts implementiert. Heute bietet der Verein über 150 jungen und lebensälteren Menschen in Sachsen-Anhalt und der Welt die Gelegenheit der Partizipation im kulturellen Bereich. Zu nennen sind da das FSJ Kultur, der Bundesfreiwilligendienst Kultur und Bildung, der entwicklungspolitische Freiwilligendienst weltwärts, der Europäische Freiwilligendienst und – ganz neu in Sachsen-Anhalt – das FSJ Schule. WEITERE INFORMATIONEN www.lkj-sachsen-anhalt.de


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„WAS BRINGEN WIR JETZT AUF DIE BÜHNE?“ VON HÖHEN UND TIEFEN DES „EIGENEN PROJEKTS“ IM GESPRÄCH MIT DIRK NEUGEBAUER

Im Rahmen seines FSJ Kultur bei der Landesarbeitsgemeinschaft Arbeit Bildung Kultur NRW (LAG) erhielt Dirk Neugebauer den Impuls, das erste Mal ein eigenes Musical auf die Beine zu stellen. Mittlerweile erarbeiten seine Freunde und er jedes Jahr ein neues. Im Interview erzählt er von den Anfängen und wie es seiner Meinung nach um Möglichkeiten für Jugendliche bestellt ist, ein künstlerisches Projekt zu realisieren. Wie ist die Idee zu Deinem Projekt entstanden? Worum ging es Dir dabei vor allem? Der eigentliche Funke ist auf einer der größeren Japan-MangaAnime-Conventions in Bremen, der „Connichi“, übergesprungen. Dort gab es eine Showgruppe mit einem ähnlichen Konzept – nur ohne Fokus auf Musical. Die Idee, ein Musical eigenständig umzusetzen, ist meinem eigenen Interesse zu verschulden: Musicals waren für mich einfach schon immer das Größte. Nur wie stemmt man ohne irgendwelche Vorerfahrung so ein Projekt? Da kam mir die Unterstützung der LAG Arbeit Bildung Kultur NRW für ein eigenständiges Projekt im Rahmen meines FSJ Kultur zugute. Zu Beginn ging es mir vor allem darum, mit Freunden und Leuten, die ich im Laufe der ersten Monate angeworben hatte, ein Stück zu schreiben, Tänze zu entwerfen, Schauspielen zu üben und natürlich unsere eigenen Cosplays und Requisiten zu bauen/nähen. Das Ganze auch noch aufzuführen, wirkte fast noch etwas unwirklich, war aber auch unser Ziel. Wie konntest Du die Idee dann in die Tat umsetzen? Was war wichtig, was war schwierig? Wie hast Du die Unterstützung/ Begleitung durch die LAG Arbeit Bildung Kultur NRW erlebt? Alles fing erst einmal damit an, dass ich Leute brauchte. Ich wusste, dass einige meiner Freunde Interesse an dem Projekt hatten, aber ein paar mehr waren schon nötig. Also habe ich vor allem über die mir zur Verfügung stehenden Online-Plattformen nach Leuten gesucht. Das erste Script schrieb sich mit den Ideen, die wir hatten, dann fast von selbst. Schwierigkeiten gab es dennoch zuhauf: Wie schauspielt man überhaupt? Wie baut sich eine Szene auf? Körperspannung beim Tanzen? Keiner von uns hatte irgendwelche Theatererfahrung – wir haben einfach gemacht, was durchaus sehr lustig war. Wenn Probleme aufgetaucht sind und wir sie auch als solche wahrgenommen haben, konnte ich meine Fragen und Sorgen immer zur LAG mitnehmen und mir Ratschläge und Tipps abholen. Die LAG hat uns auch finanziell bei der Miete für Probenräume und den Kostümen unterstützt. In späteren Projekten

vermittelte sie uns Referent/innen, die uns das notwendige Wissen in Tanz, Schauspiel und Gesang beibringen konnten, und half uns auch dort bei der Finanzierung. Was war der schwierigste Moment und was der schönste? Ich leite das Projekt jetzt seit sechs Jahren und die schwierigen und die schönsten Momente wiederholen sich jedes Jahr aufs Neue. Einmal im Jahr gibt es einen emotionalen Tiefpunkt, der durchaus verschiedene Gründe hat, aber immer wieder auftaucht. Man hat beispielsweise die Szenen schon zu oft geübt und langweilt sich, der erste Auftritt ist aber noch in weiter Ferne. Auch rein zwischenmenschlich besteht großes Reibungspotenzial. Da die Gruppe größtenteils aus Freunden besteht, kommt man einfach gar nicht mehr voneinander los. Jeder Krach zieht sich durch beide Bereiche des Lebens – privat und Gruppe. Diese beiden Bereiche als getrennt wahrzunehmen, hat einige Zeit gedauert und ist nach wie vor nicht immer leicht. Gleichzeitig sind die Problempunkte aber auch Gründe für die schönsten Momente. Ich freue mich auf die Proben, einfach um die Personen zu treffen, mit denen ich an unserem gemeinsamen Projekt weiterarbeiten kann und die gleichzeitig auch meine Freunde sind. Weitere Highlights und gleichzeitig immer wieder Spannungspunkte sind die ersten Auftritte, wenn Lampenfieber und Vorfreude sich die Waage halten. Oder auch der Zeitpunkt, wenn wir uns zwischen zwei oder drei neuen Skripten entscheiden müssen, was das nächste Projekt wird. Wie hat es sich angefühlt, als das Musical auf die Bühne kam? Damals war ich unglaublich aufgeregt und ein bisschen stolz vorzuführen, was wir in neun Monaten Arbeit gezimmert hatten. Wir sind in einem größeren Raum eines Jugendvereins aufgetreten. Da gab es keine Bühne, kein Licht, keine Tontechnik. Wir haben einfach Baustrahler und Buntlichter geliehen, eine Kabeltrommel ausgerollt und Soundboxen an die Seite gestellt. Das Stück wurde noch ein zweites Mal auf einer kleineren Convention in Solingen aufgeführt, der „Yukon“ (ehemals „Runeko“). Dort treten wir seitdem jedes Jahr auf. Wenn ich jetzt an diese Auftritte denke, kann ich nur amüsiert mit dem Kopf schütteln. Wahrscheinlich hat niemand so ganz verstanden, was unsere Story überhaupt vermitteln wollte und worum es ging. Damit meine ich durchaus auch, dass – wörtlich – niemand ab der Mitte der Sitzreihen uns überhaupt verstanden hatte. Das erste Stück haben wir daher recht schnell abgehakt und gesagt: „Das können wir


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besser!“ Seitdem steigern wir uns jedes Jahr und verstehen mittlerweile mehr von dem, was wir tun. Hast Du vor, weitere Projekte in dieser Richtung zu realisieren? Ich kann mir schwer vorstellen, jemals damit aufzuhören. Es gibt für mich einfach nichts Großartigeres, als ein Musical selbst zu schreiben, zu proben und dann aufzuführen und dabei mit Menschen zusammenzuarbeiten, die mir viel bedeuten. Das Ganze hängt natürlich an einigen Fragen: Bekommen wir zum nächsten Jahr unsere Finanzierung bewilligt und könnte ich es bei einer Absage noch umsetzen? Was bringen wir als Nächstes auf die Bühne und wo treten wir auf? Diese Fragen ziehen sich durch jedes Jahr und zeigen mir immer wieder aufs Neue, was für einen Workload so ein Projekt mit sich bringt. Wenn sich das Projekt von den Arbeitsstunden her zu einem intensiven Nebenjob entwickelt, ist außerdem die Frage, wie es neben Schule, Studium oder Arbeit weiterlaufen kann und wo man wieder einen Schritt zurückmachen muss. Bis Ende dieses Jahres steht zumindest noch alles auf festem Grund. Dann kommt die alljährliche Frage, ob es eine nächste Runde gibt. Wie denkst Du über die Möglichkeiten, die junge Menschen haben, um kulturelle Projekte zu realisieren? Was ist gut? Was sollte sich Deiner Meinung nach ändern? Als studentische Hilfskraft in einer Einrichtung, die sich mit kulturellen Angeboten für Kinder und Jugendliche beschäftigt, habe ich oft das Gefühl, dass es eigentlich ein großes und abwechslungsreiches Angebot gibt. Es wird versucht (oft auch auf Gedeih und Verderb), mit den aktuellen Trends der Jugendkultur Schritt zu halten. Gleichzeitig weiß ich aus eigener Erfahrung, dass selbst bei großem Angebot und vielleicht auch Interesse vieler Kinder/Jugendlicher zwei große Probleme bleiben: das nötige Geld und die nötige Zeit. Viele

Kurse können nicht besucht werden, weil sie Geld kosten. Schon geringe Preise können das Aus bedeuten. Einige der jüngeren Teilnehmer/innen in meiner Gruppe haben neben Schule, Nachhilfe und Lernen kaum Zeit für Proben. Den Gedanken, sich selbst eine Plattform zu schaffen und mit gleichgesinnten Jugendlichen etwas auf die Beine zu stellen, haben meiner Meinung nach auch nur wenige Jugendliche – und damit meine ich nicht, eine Facebook-Gruppe zu gründen. Vielleicht wäre ein eigenständiges Projekt in der Schullaufbahn eine Idee. Hier würde man lernen, dass man das, was man tun möchte, auch selbst in die Tat umsetzen kann (und muss). Auch ein fehlgeschlagenes Projekt kann dabei einen überaus großen Lernprozess anregen. Notwendig wäre natürlich tatkräftige Unterstützung durch das Lehrpersonal. Und was ist gut? Meiner Meinung nach ist jedes Projekt und jedes Angebot – ob für Kinder, Jugendliche, Migrant/innen, ob als interkulturelles Projekt oder zum Thema Inklusion durchgeführt – sowie jede weitere Form der kulturellen oder kreativen und sozialen Lebensgestaltung gut. Sie sollten weiter erhalten und wenn möglich ausgebaut werden. PUNKT! Dirk Neugebauer ist Student der Angewandten Sozialwissenschaften in Dortmund und Cosplayer.

Dieses Interview führte Laura Mattick von der BKJ.

COSPLAY Beim Cosplay (von costume/Kostüm und play/Spiel) geht es um die Darstellung und Inszenierung von Figuren aus einem Manga, Anime, Videospiel oder Spielfilm. Besonders viel Wert wird hierbei auf originalgetreue Kostüme gelegt. In Wettbewerben auf Veranstaltungen (Conventions) der Fanszene treten die Cosplayer mit kleinen Stücken/ Choreografien auf und gegeneinander an.


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TÜR AUF – TÜR ZU ERFAHRUNGEN EINER KÜNSTLERISCHEN INTERVENTION IM GESPRÄCH MIT DER KÜNSTLER/INNEN-GRUPPE „I CAN BE YOUR TRANSLATOR“

Was ist Partizipation für Euch? Da wir regelmäßig in einer recht vielfältigen Gruppe zusammenarbeiten, geht es uns vor allem um die Frage, wie alle Gruppenmitglieder maßgeblichen Einfluss auf die Arbeit der Gruppe und den künstlerischen Prozess nehmen können. Das beginnt in der Konzeptionsphase, wo viel Grundlegendes entschieden wird. Allerdings gibt es in einer so gemischten Gruppe wie unserer genau dabei auch viele Herausforderungen. Da sind wir – wie einige andere Gruppen – auf der Suche nach Ansätzen, die eine gleichberechtigte Konzept- und Projektentwicklung ermöglichen, aber auch vor dem Hintergrund einer freien Gruppe, die zum Beispiel Anträge stellen muss, funktionieren. Ihr habt auf der Tagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“ den Begriff Partizipation künstlerisch hinterfragt und performativ auf die Probe gestellt. Könnt Ihr kurz beschreiben, was Ihr gemacht habt? Die Aktion hatte gewisse Ähnlichkeit mit der versteckten Kamera oder „Verstehen Sie Spaß?“, meint Christian. Aber es lassen sich auch Verbindungen zur Aktionskunst oder zu sozialpsychologischen Experimenten herstellen. Wir haben uns quasi als Teil des Organisationsteams getarnt und versucht, teils überspitzt, Prozesse aus dem Kontext Partizipation zu reflektieren. Konkret haben wir die Tagungsgäste in drei Gruppen eingeteilt und mit farbigen Punkten markiert: eine kleine rote „Elite“, eine große grüne „Mittelschicht“ und eine blaue

„benachteiligte“ Gruppe. Entsprechend kamen die Teilnehmenden dann in den Genuss verschiedener Vor- oder Nachteile: So waren die Plätze im großen Saal nach Farben festgelegt. Beim Buffet musste sich die rote Gruppe nicht anstellen oder hatte eine größere Auswahl an Speisen. Die „Blauen“ wiederum durften am zweiten Tag nur die Toiletten auf dem Hof nutzen. Diese Gruppe der „Benachteiligten“ wurde aber auch positiv diskriminiert, indem sie beispielsweise besonders für die Teilnahme an der Tagung gelobt wurde oder die Regeln eines Buffets in übertrieben einfacher Sprache erklärt bekam. Alle Gäste durften außerdem über die extrem bedeutende Frage abstimmen, welche Kekse es am nächsten Tag geben soll. Zum Ende der Tagung konnten die „Roten“ mit einer Patenschaft den sozialen Aufstieg von besonders begabten, mit blauen Punkten gekennzeichneten Teilnehmenden ermöglichen, die dann bei der Abschluss-Moderation gekürt wurden. Kurz darauf wurde unsere Aktion öffentlich gemacht. Auch wenn manches absurd wirkt, haben einige von uns solche Dinge schon fast genauso erlebt. Daher konnten wir viele Aktionen aus eigenen Erfahrungen ableiten und mussten nicht wirklich übertreiben. Worum ging es Euch bei dieser Aktion? Der Ausgangspunkt war eine Frage aus der Tagungsankündigung, die darauf abzielte, wer grundlegende Entscheidungen im Kulturbetrieb, aber auch in partizipativen Projekten wirklich


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trifft und insofern Türen öffnet oder schließt. Uns ging es darum, konstruktive Irritationen zu erzeugen: im Hinblick auf Erwartungen, die man an eine Tagung stellt, und vor allem auf Prozesse, wie Gruppenzugehörigkeiten oder bestimmte Labels Partizipationsmöglichkeiten und Kommunikation beeinflussen. Oft basiert dies auf absurden Grundannahmen: Beispielsweise bekam Anna einmal von einer wildfremden Person auf der Kirmes ein riesiges Kuscheltier geschenkt, weil sie sich ja als „arme Rollstuhlfahrerin“ sicher sehr darüber freut. Wenn man genauer hinsieht, folgt man solchen Annahmen vielleicht auch, obwohl man den Anspruch hat, reflektiert und partizipativ zu agieren. Und auch, wenn man die eigene Machtposition gegen seinen Willen hat und eigentlich gleichberechtigt arbeiten will, gibt man sich oft mit banalen Formen von Partizipation zufrieden. Letztlich will man oft doch nichts von der professionellen Definitionsmacht abgeben. Auf solche Prozesse wollten wir zum Beispiel mit der Keks-Wahl anspielen. Was für Erfahrungen habt Ihr gemacht? Wie waren die Reaktionen? Anfangs gab es überraschend wenige Reaktionen auf die Farbmarkierung. Später haben immer mehr Leute angefangen, ihre Schilder umzuknicken, mit anderen Punkten zu überkleben oder unsere Aushänge zu entfernen. Diese Reaktionen fanden wir spannend und rätseln immer noch, wie wir uns verhalten hätten, wenn die bei der Barcamp-Planung geforderte Demonstration gegen die Farb-Sortierung tatsächlich stattgefunden hätte ... Erstaunt waren wir außerdem, dass jemand noch am Ende des zweiten Tages gefragt hat, ob wir die Schilder am Buffet wirklich ernst meinen. Dieser Person wurde dann zugeflüstert, das sei ein Spiel, woraufhin diese meinte, sie habe aber am Infotisch gefragt und die hätten gesagt, dass es kein Spiel sei. Einigen „Roten“ waren die Privilegien jedoch auch richtig unangenehm. Und manchmal haben wir natürlich sehr genervt, weil wir so viel über die Leute bestimmt und zum Beispiel die Diskussionen in den Workshops unterbrochen haben. Aber das gehörte ja

leider dazu – immerhin ging es auch darum, bestimmte Situationen nachvollziehbar zu machen, die Angehörige diverser „Zielgruppen“ häufig erleben. Es wäre eigentlich wichtig gewesen, die Aktion nach der Tagung noch einmal mit den Teilnehmenden zu diskutieren. Gab es besonders überraschende Momente? Total überraschend fanden wir, dass einige die Aktion sehr lange nicht als solche identifiziert haben und man Dinge anscheinend schnell akzeptiert, wenn sie als organisatorische Notwendigkeit vermittelt werden. Wir hatten beispielsweise intensiv geprobt, die Gäste auf die richtigen Plätze zu verteilen und Protesten standzuhalten, weil wir mit viel mehr Verweigerung gerechnet hatten. Es gab zu Beginn auch kaum kritische oder hinterfragende Bemerkungen. Von daher waren wir froh, als am zweiten Tag eine Frau, die neu dazugekommen war, sagte, sie würde das Vorgehen mit den Punkten aus historischen Gründen wirklich unglücklich finden. Wie war der Prozess für Euch? Was ist Euch zum Beispiel besonders schwergefallen? Insgesamt war die Aktion total spannend – vor allem unsere Gespräche innerhalb der Gruppe im Anschluss. Anstrengend war, die gesamte Zeit in der Rolle zu bleiben, darin überwiegend unangenehme Dinge zu tun und so streng zu sein. In so einer verdeckten Situation fehlt außerdem natürlich leider der („echte“) Austausch mit den Gästen. i can be your translator (icbyt) ist ein Künstler/innen-Kollektiv aus Dortmund und dem Ruhrgebiet, das überwiegend im Bereich Musiktheater tätig ist. Ihre erste Produktion „Displace Marilyn Monroe“ realisierte die Gruppe 2014. Ihr zweites Projekt „Einstein“ lief von April bis Juni im Studio des Dortmunder Schauspiels. Die Aktion auf der Tagung in Berlin haben folgende icbyt-Mitglieder durchgeführt: Lis Marie Diehl, Linda Fisahn, Julia Hülsken, Lina Jung, Anna Reizbikh, Christoph Rodatz, Christian Schöttelndreier und Laurens Wältken.

WEITERE INFORMATIONEN www.icanbeyourtranslator.de Dieses Interview führte Laura Mattick von der BKJ.


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„JENSEITS VON RICHTIG UND FALSCH LIEGT EIN ORT. DORT TREFFEN WIR UNS.“ 1

IM GESPRÄCH MIT IRMGARD MERKT, NINA STOFFERS UND ANJA SCHÜTZE ÜBER DIVERSITÄT UND DIVERSITÄTSBEWUSSTSEIN IN DER KULTURELLEN BILDUNG

In der kulturellen Bildungspraxis wird Vielfalt als grundlegendes Bildungsprinzip verstanden. Würden Sie sagen, Kulturelle Bildung ist per se diversitätsbewusst? Merkt: Kulturelle Bildung ist zunächst ein Abstraktum, das mit Inhalten gefüllt werden muss. Als Konkretum ist Kulturelle Bildung nur dann diversitätsbewusst, wenn diejenigen, die sie vermitteln, den Blick auf die Diversität der Menschen und Kulturen richten und kulturelle Bildungsprozesse unter dem Gesichtspunkt Diversität inhaltlich kompetent gestalten. Diversitätsbewusste Kulturelle Bildung geschieht keinesfalls per se, man muss sie wollen und gestalten. Ohne Neugier auf die Verschiedenheit der Menschen und Kulturen geht es nicht. Stoffers: Nein, ganz sicher nicht! Es wird zwar allerorten verlautbart, dass Diversität bzw. die Anerkennung von Diversität der Normalfall ist oder zumindest sein sollte, aber die aktuelle (empirische) Realität ist stark von Grenzziehungen und Exklusionen, also Ausschlüssen verschiedener Art geprägt. Wahrscheinlich wäre sonst auch der Ruf nach Teilhabe nicht so laut. Kulturelle Bildung ist häufig differenzbewusst, nicht unbedingt diversitätsbewusst! Schütze: Auf keinen Fall. Diversitätsbewusstsein setzt voraus, dass ich mich bewusst mit den Dimensionen des Unterschieds und meiner eigenen Position darin auseinandergesetzt habe. Menschen werden unter anderem nach Alter, Geschlecht, sozialer und kultureller Herkunft, psychischen und physischen Fähigkeiten unterschieden. In diesem Zusammenhang existieren Vorstellungen von Norm und Abweichung. Zur Norm zu gehören, macht vieles leichter, abzuweichen ist oft mit Nachteilen und individuellem Kampf verbunden. Diese sozialen Kategorien als Konstrukte zu entlarven, eigene Perspektiven und die Grenzen des Blickfeldes zu kennen, Offenheit mitzubringen und solidarisch mit Menschen aus anderen Kontexten zu sein, das ist für mich Diversitätsbewusstsein. Kulturelle Bildungsarbeit hat großes Potenzial, bei dieser Auseinandersetzung und Haltungsfindung zu unterstützen – das geschieht aber nicht einfach von selbst oder automatisch. Woran konkret erkennt man eine diversitätsbewusste, partizipative Bildungspraxis? Merkt: Merkmale diversitätsbewusster Bildungspraxen sind inhaltlich beispielsweise das Aufgreifen universeller Themen und das künstlerische Arbeiten mit Ausdrucksformen verschiedener Kulturen. Methodisch folgt die Entwicklung und Gestaltung partizipativer künstlerischer Prozesse dem Motto: Nicht FÜR, sondern MIT. 1 Zitat des persischen Dichters Dschalāl ad-Dīn Muhammad ar-Rūmī (frei übersetzt).

Stoffers: Zunächst: Diversitätsbewusst muss aus meiner Sicht nicht gleich partizipativ heißen, denn mit diesem Wort wird meist eine aktive Teilnahme von jemandem an etwas verbunden. Die Begrifflichkeiten werden allesamt sehr vage verwendet, was einerseits eine große Offenheit schafft, andererseits aber auch zu Mogelpackungen führt. Auch in der kulturellen Bildungspraxis gilt es, Machtstrukturen zu hinterfragen sowie Verhältnisse und Systeme zur Verhandlung zu stellen. Eine diversitätsbewusste Bildungspraxis wiederum hat viel mit einer Haltung zu tun, die offen, kritisch und zugewandt ist. Zuhören, Bedürfnisse und Interessen, aber ebenfalls Machtstrukturen und eigene Privilegien zu erkennen, sind meiner Einschätzung nach absolut notwendig. Eine Diversität der Teilnehmenden wird häufig erst im konkreten Tun erkennbar und das mitunter nicht immer entlang der Differenzen, die man in der Konzeption festgehalten hat. Schütze: Das wichtigste Merkmal ist wohl, dass deutlich wird, dass Menschen als komplexe Individuen mit vielen Zugehörigkeiten und nicht als Vertreter/innen einer bestimmten Gruppe wahrgenommen und behandelt werden. Dies fängt unter anderem bei Überlegungen der Teamzusammensetzung und Ansprache der Teilnehmenden an: Wie unterschiedlich ist das Team in Bezug auf Herkunft und Biografie? Welche Personengruppen finden sich in Postern, Flyern und Broschüren wieder? Wie werden sie dargestellt? Wie schafft man die Balance, bestimmte Zielgruppen zu erreichen, ohne sie zu diskriminieren? Merkt: Vor der Entwicklung eines stimmigen, interessanten und akzeptierbaren Angebots stehen drei Fragen: Welche Themen sind für diejenigen, die erreicht werden sollen, bedeutsam und wichtig? Welche künstlerisch-kulturellen Formen und Ausdrucksmöglichkeiten gibt es bereits im ästhetischen Feld der Zielgruppen? Und schließlich: Wie lassen sich neue Ausdrucksformen und relevante Inhalte in kreativen Prozessen in Zusammenarbeit mit den Zielgruppen entwickeln? Stoffers:Mit einer bestimmten Benennung und Sichtbarkeit von bestimmten Gruppen geht immer auch eine bestimmte „Besonderung“ einher. Das kann zu einem Dilemma werden und sich in sein Gegenteil verkehren, wenn das Aufzeigen von Differenzen zu Ausgrenzungen führt. Das ist eine Gratwanderung, bei der es sicherlich keine Patentrezepte gibt. Es braucht eine aufmerksame und wachsame Haltung, um zu erkennen, in welche Richtung das Ganze gerade läuft. Ich denke, dass man immer ganz nah am Prozess bleiben muss, sich selbst und alle Beteiligten kritisch reflektierend. Das in mei-


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nen Augen Wichtigste ist, dass man die Kunst als Ausgangspunkt nimmt bzw. Themen wählt, die mit künstlerischen Mitteln etwas verhandeln, wovon sich bestimmte Leute angesprochen fühlen. Damit gruppiert man über Zugehörigkeiten, bleibt aber auf einer inhaltlichen Ebene. Die Schwierigkeit ergibt sich häufig über Zuschreibungen und Homogenisierungen, das heißt, dass eine bestimmte Gruppe kollektiv charakterisiert und mit diesem Fremdbild, drastisch ausgedrückt, in „Gruppenhaft“ genommen wird, auch künstlerisch (zum Beispiel: Alle Sinti und Roma sind musikalisch). Sowohl Mehrfachzugehörigkeiten als auch Individualität bleiben dahinter zurück. Aber kulturelle Bildungspraxis kann ein stärkendes Schutzschild sein, mit dessen Hilfe man sich ausprobieren, experimentieren und neu erfinden kann – als Vexierspiel, dass ich mich als Person zeigen kann, aber nicht muss. Schütze: Es ist durchaus eine sensible Gratwanderung zwischen der Anerkennung bestimmter Bedürfnisse aufgrund einer Zugehörigkeit und dem Reduzieren auf eine „homogene“ Zielgruppe. Zur Anerkennung dieser Bedürfnisse gehört für mich das Schaffen von geschützten Räumen, in denen Personen aufgrund einer gemeinsamen Zugehörigkeit zusammenkommen, ihre Erfahrungen teilen und in dieser Identität bestärkt werden. Empowerment richtet sich an Menschen, die aufgrund ihrer Zugehörigkeit von Diskriminierung betroffen sein können (beispielsweise in Bezug auf Bildungschancen, Wohnungsmarkt, die Darstellung in Medien oder die Art, wie Menschen ihnen im Alltag begegnen). Auf der anderen Seite ist Sensibilität geboten, wenn wir privilegierten Menschen mit paternalistischen Haltungen zu wissen glauben, was für andere gut ist (ich spreche hier aus der Perspektive einer weißen Deutschen). Und wenn wir Menschen auf eine Zugehörigkeit reduzieren (beispielsweise Fluchterfahrung) und ihnen mit Mitleid begegnen. Dadurch werden sie in eine abhängige, unterlegene Position gebracht und die Beziehung gerät in Schieflage – Kommunikation und Arbeit auf Augenhöhe wird schwierig. Was sind die „schlimmsten Fehler“? Und wie kann man aus ihnen lernen? Merkt: Die schlimmsten Fehler sind Haltungen wie „Ich weiß, was gut ist“ und „Ich weiß, wie das geht“. Auf Kultureurozentrismus und Respektlosigkeit folgt die Strafe auf dem Fuße: Die Zielgruppe bleibt weg. Stoffers: Das wohlmeinende, aber tief paternalistische „Ich weiß, was du brauchst“ in einer wertenden Wir-Die-Dichotomie ist auf jeden Fall zu vermeiden. Auch eine klare Grenzziehung mit dem Ziel, Verschiedenheit positiv darzustellen, kann in dieser wertenden Unterscheidung verharren. Ich denke, wir müssen auch ganz genau gucken, wo Zuschreibungen, zum

Beispiel in Form von Exotisierungen, ins Spiel kommen. Lernen können wir sicherlich fortlaufend, und zwar dahingehend, nicht immer über andere zu sprechen, sondern gemeinsam zu überlegen, was für die Einzelnen oder die (konstruierte) Gruppe sinnvoll ist. Das führt uns wieder zu Fragen der Partizipation von Anfang an und zu Privilegien und Handlungsmacht – wer darf in der kulturellen Bildungspraxis für sich selbst sprechen, wer nicht? Unabdingbar ist zudem, sich selbst transparent zu verorten, um in einen gemeinsamen Prozess einzusteigen, der laufend kritisch begleitet und reflektiert wird. Schütze: Grundlegend würde ich weniger von Fehlern sprechen, sondern eher von Fehlerfreundlichkeit als Haltung – das bedeutet auch, die Kategorien Richtig und Falsch zu hinterfragen. Dazu gehört auch Ambiguitätstoleranz: ein Denken in „sowohl – als auch“ anstatt im absoluten „entweder – oder“. Am wichtigsten ist, dass man sich von diesen Herausforderungen nicht abschrecken lässt, sondern sich als lernende Person begreift und auf den Weg macht. Ein offener Umgang mit der eigenen Unsicherheit ist hier genauso wichtig wie das Kennen der eigenen Grenzen. Wenn man sich darüber bewusst ist, wo einem Perspektiven fehlen, kann man sich Expert/innen dazuholen. Wie vertragen sich künstlerischer, partizipativer und diversitätsorientierter Anspruch? Merkt: Schon die Frage ist das Problem. Sie unterstellt, dass die künstlerische Qualität als solche unter Inhalten und Methoden diversitäts- und partizipationsbewusster Kultureller Bildung leiden könnte. Warum sollten sich die Ansprüche nicht vertragen? Stoffers: Die Aspekte widersprechen sich überhaupt nicht, es kann wunderbar funktionieren. Aber wir müssen aufpassen, Kulturelle Bildung nicht mit Erwartungen, Hoffnungen und (Wirkungs-)Versprechen zu überfrachten. (Wie) lässt sich durch kulturelle Bildungspraxis ein Bewusstsein für eine offene, diversitätsorientierte Haltung schaffen? Merkt: Ohne Wurzeln keine Flügel. Respekt für kulturelle Wurzeln ermöglicht Beweglichkeit in alle Richtungen. Beweglichkeit, Leichtigkeit, Ernsthaftigkeit gemischt mit Vielfalt und einer Prise Heiterkeit und Humor – wer sollte sich einer solchen Haltung verweigern? Schütze: Mit Kunst lassen sich Realitäten verändern und neue Realitäten schaffen, konstruktive Kritik üben und Rollen umverteilen. Künstlerische Arbeit kann Mut vermitteln, die eigene, vielschichtige Identität zu leben und bestimmte Iden-


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titätsanteile nicht zu unterdrücken. Außerdem können bisher vorliegende Bilder aufgebrochen werden – sodass irgendwann mit „Familie“ ganz selbstverständlich Vielfältigeres verbunden wird als Mutter, Vater, Kind. Kulturelle Bildungspraxis kann zudem den aktuellen Transformationsprozess der Gesellschaft mitgestalten und positive Impulse setzen. Irmgard Merkt hatte von 1991 bis 2014 den Lehrstuhl Musik innerhalb der Fakultät Rehabilitationswissenschaft der TU Dortmund inne. Schwerpunkt in Lehre und Forschung waren die Gebiete Musik und Inklusion sowie interkulturelle Musikpädagogik. Seit 2015 ist sie Projektleiterin des Netzwerkes Kultur und Inklusion, das von der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien unterstützt wird. Nina Stoffers ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Kulturpolitik der Universität Hildesheim im Bereich Kulturelle Bildung mit dem Schwerpunkt „Diversität“. Zudem promoviert sie am Institut für Musikwissenschaft und Medienwissenschaft der Humboldt-Universität zu Berlin. In Forschung und Lehre beschäftigt sie sich mit Fragen der Teilhabe, der kulturellen Repräsentation und des „Sprechens über“ vor dem Hintergrund der Diversität. Anja Schütze ist Referentin der BKJ im Bereich Freiwilligendienste Kultur und Bildung. Sie arbeitet zudem als freie Trainerin, Medienpädagogin und Filmemacherin. Unter dem gemeinsam mit Sophia Stepf gegründeten Label „Culture for Competence“ gibt sie Workshops und Seminare zu Transkultureller Kompetenz, Diversität und Diskriminierung, Film und Theater.

Dieses Interview führte Laura Mattick von der BKJ. Die Fragen und Antworten konnten hier nur in verdichteter Form wiedergegeben werden. Das ungekürzte Interview ist auf der Wissensplattform Kulturelle Bildung Online verfügbar: www.kubi-online.de

Foto: FSJ-Kultur, Einsatzfeld Theater-AG © von Clar, Jens Draser-Schieb

DIVERSITÄT Diversität bedeutet Vielfalt und weist auf Verschiedenheit hin. Es geht um Unterschiede und Unterscheidbarkeit. Diversität in der Natur ist eine Grundtatsache, die als unabdingbar für den Erhalt von ökologischen Systemen und als wichtige Ressource für das Leben gilt. Diversität in der Gesellschaft gilt als Folge einerseits von Migrationsbewegungen und andererseits von Individualisierungsprozessen. Diese haben dazu geführt, dass sich die Gesellschaften immer weiter ausdifferenziert haben und die traditionellen Unterscheidungslinien oft verschwimmen. Wenn im Bildungsbereich über Diversität gesprochen wird, so geht es immer auch um die Verwirklichung von Bildungsgerechtigkeit. Es sind alle Unterschiede in den Blick zu nehmen, die für eine gedeihliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen von Bedeutung sind, sodass es ihnen ermöglicht wird, ihr Bildungspotenzial auszuschöpfen. QUELLE Speck-Hamdan, Angelika (2011): Diversität – Herausforderungen und Chancen für die Pädagogik der frühen Kindheit. Ein Überblick. In: Hamnes-Di Bernardo, Eva/Schreiner, Sonja Adelheid (Hrsg.): Diversität. Ressource und Herausforderung für die Pädagogik der frühen Kindheit. Berlin/Weimar. S. 14 f.


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… IMMER AUF AUGENHÖHE?! PERSPEKTIVEN UND STOLPERSTEINE AUF DEM WEG ZU EINER PARTIZIPATIVEN KULTURELLEN JUGENDBILDUNG RENATO LIERMANN

„In einem gesellschaftlichen Diskurs, der sich vielfältigen und auch neuen Ansichten gegenüber offen gestalten möchte und die Selbstbestimmung in den Fokus rückt, messen sich solche Produktionen (mit Jugendlichen/Anm.) nicht immer nur an ihrem künstlerischen Output, sondern auch in ihrer Glaubwürdigkeit auf sozialer Ebene.“ (Günfer Çölgeçen/Freie Radikale)

Partizipation und Demokratiebildung junger Menschen sind zentrale Themen in der kulturellen Jugendbildung. Dazu tragen nicht nur der gesetzliche Auftrag zur Beteiligung junger Menschen laut Achtem Sozialgesetzbuch (SGB VIII, § 8) und die entsprechenden jugendpolitischen Kampagnen bei. Unter diesem grundlegenden Auftrag der Jugendarbeit wird aktuell auch die Arbeit mit jungen Geflüchteten fokussiert. Arbeit mit vielfältigen Gruppen, auch die kulturelle Jugendarbeit, muss ihre Praxis somit stets in Bezug auf demokratische Prinzipien reflektieren. Kulturelle Projektarbeit der Vielfalt Vielfalt – ein vertrautes Thema: Es gibt zahlreiche Modellvorhaben und Publikationen zum Thema Partizipation in der kulturellen Jugendarbeit mit heterogenen Gruppen. Und auch in Jugendverbänden sind jugendliche Mitgestaltung und bestimmung schon bis zur Beteiligung in Entscheidungsgremien strukturell verankert. Dass kulturelle Jugendarbeit punktuell und zeitgemäß außerdem hierarchiekritische Debatten zu Intersektionalität, Global Governance und diskriminierungskritischen Politiken einbezieht, belegen Beispiele wie die Bundesprojekte „fair_play“ oder „meinTestegelaen.de“ der BAG Jungenarbeit/BAG Mädchenpolitik. Was jedoch sind Hindernisse auf dem Weg zu einer durchgängigen jugendkulturellen, partizipativen und diversitätsbewussten Praxis und wo liegen Potenziale der Jugendkulturarbeit? Die folgenden Überlegungen leiten sich aus Erfahrungen und Analysen des nordrhein-westfälischen Modellprojektes „Mit Uns – Auf Augenhöhe“ ab. Insgesamt wurde bei „Mit Uns – Auf Augenhöhe“ modellhaft zur interkulturellen Öffnung jugendverbandlicher Arbeit

und zu den sich verändernden partizipativen Praxen und Strukturen gearbeitet. Im Mittelpunkt standen exemplarisch der Projektträger Evangelische Schülerinnen- und Schülerarbeit in Westfalen (eSw) und unter anderem die regionale Musikfördereinrichtung Music Office Hagen. Mehr als 20 Teamer/innen realisierten differenzsensibel für und mit über 1500 Jugendlichen niedrigschwellige Kultur- und Bildungsangebote im Ruhrgebiet und vertiefende Seminare in der Jugendbildungsstätte Berchum der eSw. Auf diese Prozesse aufbauend, entwickelte das heterogen zusammengesetzte Team gemeinsam mit den Jugendlichen Theater- und Musikprojekte in Bochum, Herne und Hagen. Drei Jahre lang forschte parallel dazu ein Team der Technischen Universität Dortmund unter Leitung von Professorin Gaby Flösser und Mark Witzel. Vielfältige Herausforderungen, aber machbare Perspektiven

„Es kann doch gar nicht sein, man, ich kann das gar nicht glauben, warum sie uns ohne Gegenwehr die Rechte rauben, die meisten sind hier aufgewachsen oder geboren, doch mit dunklen Augen und schwarzen Haaren hast du gleich verloren …“ (Aus dem Song „Rebellion“ von Annalena, Bahar, Fatma, Sarah)

Mittelpunkt der Kulturprojekte wie auch der Forschung waren die Alltags- und Lebenserfahrungen sowie politischen Interessen Jugendlicher im Zusammenhang mit ihren informellen wie formellen Partizipationspraxen. Individuelle, biografische Partizipationshindernisse wurden damit ebenso wahrnehmbar und diskutabel wie soziale, politische, juristische und strukturelle. Erfahrungsgemäß wird (politische) Mitbestimmung nicht nur durch die juristische und strukturelle Regelung des Wahlalters begrenzt. So werden der Kreis der jugendlichen Wahlberechtigten oder ihre Mandatsmöglichkeiten formal eingegrenzt. Kinder bleiben zumeist gänzlich außen vor. Der Bereich der kulturellen Jugendarbeit birgt dahingegen vielfältige Potenziale: Ein Engagement/eine Mitarbeit kann transparent und unter verständlichen sowie jedem Mitwirkenden bekannten Regeln und ohne Altersgrenze erfolgen. Zuständigkeiten werden abgesprochen und Gremien gegründet, die die Vielfalt


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der Teilnehmenden repräsentieren (und eventuell quotiert sind). Im Gegensatz zum „nur“ Mitmachen wird strukturelles Mitentscheiden, -handeln und -verantworten möglich. Dabei ist es wichtig, auf die Wünsche der Jugendlichen beispielsweise nach mehr Zeit für Gespräche auf Augenhöhe, nachvollziehbaren Entscheidungen sowie insgesamt nach Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und mehr Mitbestimmung einzugehen und diese ernst zu nehmen. Jugendliche hinterfragen zudem thematisch gebundene Fördermittel und angebotsorientierte Praxen kritisch, die „top-down“ agieren. Kinder wie Jugendliche möchten sich bei Themenfindungen und an der Form der Umsetzung mit ihren Begabungen und Kompetenzen beteiligen und mitentscheiden. Jugendkulturelle Arbeitsfelder bieten differenzierte Möglichkeiten zur partizipativen Mitgestaltung sowie Mitverantwortung der kulturpädagogischen Praxis. So kann beispielsweise ein Projekt von einem paritätisch besetzten Programmrat begleitet werden, der über Ressourcen oder Mitteleinsätze mitentscheidet. Gerade hier liegen die Hebel, um auch demokratieunerfahrenen Jugendlichen partizipative Selbstwirksamkeitserfahrungen zu ermöglichen. Die hier geltenden Regeln müssen zudem abgestimmt und bekannt sein, damit auch die daraus folgenden partizipativen Praxen von möglichst vielen

als gerecht erfahrbar sind. Nur so werden aus der inter- oder transkulturellen Öffnung der Arbeit nachhaltige Praxen. Begünstigt wird diese Perspektive auch in der Jugendkulturarbeit durch Aufarbeitung individueller Diskriminierungserfahrungen zum Beispiel durch Empowerment – soweit gewünscht. „Kulturell“ vielfältige, auch interdisziplinär arbeitende Teams sind hierfür notwendig. Für die engagierten mitarbeitenden wie verantwortlichen Erwachsenen bedeutet dies möglicherweise auch die (gemeinsame) Arbeit an Haltungen. Das umfasst beispielsweise eine verständliche Sprache – vor allem wenn es um Interessenabstimmungen geht, die Anerkennung von Meinungen und Rechten Jugendlicher sowie eine selbstreflexive Dialogund Kritikfähigkeit. Begleitet werden sollte dies von einer demokratischen Grundhaltung, die Diskriminierung beispielsweise durch Zuschreibung reflektiert und überwindet. Anerkennung bedeutet in diesem Kontext auch, die kulturellen Engagementformen Jugendlicher wahrzunehmen und zu fördern. Sie sollten in die Gesellschaft hinein begleitet und gemeinsam mit anderen Menschen auch als politische Beiträge diskutiert werden.


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Im Rahmen des Projekts ist mir bewusst geworden, dass es zwei Voraussetzungen für eine gelingende Partizipation gibt. Zum einen das Erkennen der Beteiligungsmöglichkeiten auf verschiedenen Ebenen und zum anderen das Bewusstwerden der eigenen Ressourcen. Ohne das Wissen um die eigene Selbstwirksamkeit, welches ich in dem Projekt erlangt habe, ist eine gesellschaftliche Beteiligung und eine damit einhergehende Veränderung der Machtverhältnisse nicht wirklich möglich.“

Partizipation und Demokratiebildung sind in der kulturellen Jugendarbeit alltäglich leistbar – vorausgesetzt, Hindernisse werden als Einladungen zu einer demokratischen Öffnung für zunehmend vielfältigere Gruppen aufgegriffen.

„Egal ob schwarz oder weiß, egal wie du heißt, egal ob groß oder klein, lass uns auf Augenhöhe sein, egal ob dick oder dünn, es ist egal, wie ich bin, komm einfach rein, lass uns auf Augenhöhe sein. Heb die Hand hoch, lass uns auf Augenhöhe sein …“ (Fabien und Yannick 2015, www.youtube.com/watch?v=A1dyA1truS0)

(Mehdi Ramadan/Music Office Hagen)

Jugendkulturelle Arbeit verfügt ziel- wie subjektorientiert über Chancen und Wege, Jugendlichen, die jetzt nach Deutschland kommen, sich abgrenzen und/oder ausgegrenzt werden, das Ankommen in der ungewohnten Umgebung zu erleichtern. Die Erfahrung einer lebendigen kulturellen wie partizipativen Arbeit kann die Jugendlichen darin unterstützen, einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Empowerment-Konzepte unterstützen Jugendliche hierbei, ihre Interessen zu artikulieren und mit Selbstvertrauen zu vertreten.

Renato Liermann ist Jugendbildungsreferent der eSw mit Sitz in der Jugendbildungsstätte Berchum, Systemischer Mediator und Vorstand der BAG Jungenarbeit und des Bundesverbandes Kulturarbeit i. d. ev. Jugend Deutschlands. Seit vielen Jahren setzt er sich mit Themen der Teilhabe und Partizipation Jugendlicher in inter- und transkulturellen Arbeitsfeldern der Jugendverbands- und Jugendkulturarbeit auseinander.

Die Zitate sind der Projektdokumentation „Mit Uns – Auf Augenhöhe“ der eSw entnommen. Bezug über: info@esw-berchum.de


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PARTIZIPATION INTERNATIONAL LÄNDERÜBERGREIFENDE ERFAHRUNGEN MIT EINEM SPERRIGEN BEGRIFF ODILE BOURGEOIS

Partizipation gilt als Grundprinzip Kultureller Bildung: Aktive Einbeziehung der Jugendlichen und Orientierung an ihren Interessen sowie Integration ihrer Ideen und Wünsche in den künstlerischen Prozess gehören zu alltäglichen Arbeitsweisen vieler Akteure im Feld – auch im internationalen Austausch. Doch wie gelingt Partizipation im internationalen Kontext? Welchen Herausforderungen müssen sich Fachkräfte der Kulturellen Bildung in länderübergreifenden Begegnungen stellen? Erfahrungen aus der transnationalen Praxis Einige Einrichtungen der Kulturellen Bildung führen bereits regelmäßig in Zusammenarbeit mit internationalen Partnern Begegnungen durch, in denen Partizipation einen wichtigen pädagogischen Ansatz darstellt. Neben der Wahl des Themas oder der künstlerischen Ausdrucksform wird Beteiligung der Kinder und Jugendlichen auch in der Gestaltung und Durchführung dieser Begegnungen realisiert. Die Teilnehmer/innen aus den beteiligten Ländern werden in die Organisation einbezogen – ihre Meinungen, Vorschläge, Hinweise und Wünsche werden von den Leitungsteams ernst genommen und in den Projektabläufen berücksichtigt. Dafür wird Raum für Zwischenauswertungen und Befragungen geschaffen. Während der deutsch-französischen Zirkuscamps des Zirkus- und Artistikzentrums Köln und des Collège Noyelles sur Lens können die teilnehmenden Kinder beispielsweise in regelmäßigen Feedbackrunden ihre Verbesserungs- oder Weiterentwicklungsvorschläge einbringen sowie die Organisation der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens besprechen. So können Fragen und Probleme sofort geklärt werden. Bei internationalen Begegnungen sind diese gezielten Programmpunkte zur Reflektion des gemeinsam Erlebten besonders wichtig, da schnell Missverständnisse aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse oder noch nicht durchschauter Mentalitätsunterschiede entstehen können. Das Recht, mitreden und sich gemeinschaftlich einbringen zu können, fördert darüber hinaus das Selbstbewusstsein der jungen Teilnehmenden und ein aktives Miteinander.

Die Jugendkunstschule Bleiberger Fabrik Aachen hat in Kooperation mit dem regionalen Verband der Ligue de l’enseignement in Montpellier ein interdisziplinäres Projekt auf die Beine gestellt, in dem die Jugendlichen den Austausch organisatorisch fast komplett selbst in die Hand genommen haben: Neben künstlerischen Konzeptvorschlägen waren sie für die Suche nach Orten und Sponsoren für das Tanz-, Fotound Videoprojekt sowie für die gemeinsame Planung der Tagesabläufe und die organisatorischen Absprachen zuständig. Die Auswahl der inhaltlichen und thematischen Orientierungen innerhalb der Begegnungen kann ebenfalls zur Reflexion von Mitgestaltung und Teilhabe beitragen. Kulturelle Vielfalt, Zusammenleben in heterogenen Gruppen, Identität sowie Fremdenhass und Ausgrenzung gehören unter anderem zu Themenschwerpunkten, die häufig in der künstlerischen Begegnungsarbeit im internationalen Kontext auftauchen. Die kreative Auseinandersetzung mit diesen Themenstellungen ermöglicht es Jugendlichen mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen, sich gemeinsam mit diesen Fragen zu beschäftigen und sich dabei mit ihren persönlichen Erfahrungen aktiv einzubringen. Internationale Jugendkulturbegegnungen bieten einen besonderen Anlass für gesellschaftliche Teilhabe: Die Kinder und Jugendlichen werden mit neuen, teilweise anderen Hintergründen und Denkweisen konfrontiert, werden selbst mit ihren Gewohnheiten hinterfragt, können so soziale und kulturelle Vielfalt hautnah erleben und miteinander aktiv und bewusst reflektieren. Besonderheiten des Handlungsfelds „International“ Auch wenn die Erfahrungen zeigen, dass auf Mitbestimmung und Mitgestaltung ausgelegte Arbeitsmethoden länderübergreifende Begegnungen bereichern, ist Partizipation im internationalen Austausch noch längst keine Selbstverständlichkeit. Oft wird dieser Arbeitsansatz als kompliziert empfunden und gar nicht erst gewagt. Zuweilen werden partizipative Ansätze in transnationale Vorhaben zwar integriert, aber nicht immer konsequent oder systematisch umgesetzt – zum Beispiel in Bezug auf Konzeptgestaltung und die Beteili-


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gung an Entscheidungsprozessen. Zu bedenken ist hierbei, dass verschiedene Sprachen und Herangehensweisen im internationalen Leitungsteam das Umsetzen von Formen der Mitgestaltung komplexer machen. Zusätzlich sind die meisten bi- oder multilateralen Jugendbegegnungen im Bereich der Kulturellen Bildung projektorientiert. Aufgrund der zeitlichen Begrenzung tendieren die Träger daher oft zu eher planbaren und weniger ergebnisoffenen Verfahren. Außerdem wird Partizipation von den beteiligten Partnern meist unterschiedlich verstanden oder umgesetzt: Im deutsch-französischen Austausch besteht beispielsweise auf deutscher Seite eine größere Tendenz zu mehr Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten für die Jugendlichen, auch außerhalb des künstlerischen Prozesses. Dies kann mitunter zu interkulturellen Reibungen führen. Die Umsetzung von gelebter, prozessorientierter und mitverantwortlicher Beteiligung von Jugendlichen und somit ihrer aktiven Teilhabe am internationalen Jugendkulturaustausch bedarf zudem einer besonderen Finanzierungslogik: Die Förderung darf nicht erst mit der Abreise einer Gruppe zum Austauschvorhaben beginnen. Es müssen vielmehr entsprechende Mittel für die umfangreichen Kommunikations- und Arbeitsprozesse im Vorfeld und im Nachgang einer Begegnung zur Verfügung gestellt werden. Im deutsch-französischen Austausch ist dies zum Beispiel seit 2016 ansatzweise möglich: Durch eine Richtlinienänderung unterstützt das DeutschFranzösische Jugendwerk die aktuelle Strategie „Diversität und Partizipation“ so in der konkreten Praxis.

Das Erkennen der Besonderheiten des interkulturellen und internationalen Austauschs ist ein wichtiger Schritt zur Überwindung möglicher Hürden im Hinblick auf mehr praktizierte Partizipation. Internationaler Jugendkulturaustausch sowie die Zusammenarbeit mit Partnern in europäischen und internationalen Netzwerken sollten selbstverständlicher Bestandteil kultureller Bildungspraxis sein. Die transnationale Perspektive erweitert kunst- und kulturpädagogische Angebote für Kinder und Jugendliche um eine neue, in der heutigen Zeit unverzichtbare Dimension und bereichert auch die Arbeit der Fachkräfte durch die Entwicklung der eigenen interkulturellen Kompetenz. Es liegt in der Verantwortung aller Kulturpädagog/innen und Fachkräfte aus sämtlichen Kunstsparten, eigene künstlerische, spielerische und kreative Wege der Arbeit zu finden, um jedem die Chance zu ermöglichen, zum Mitgestalter zu werden. Denn auch in der transnationalen Begegnungspraxis bleibt Partizipation ein kulturpädagogisches Grundprinzip, um junge Menschen in ihrem Recht auf Teilhabe zu stärken. Odile Bourgeois ist Referentin der BKJ für deutsch-französischen Jugend- und Fachkräfteaustausch.

Dieser Artikel stützt sich unter anderem auf Erfahrungen aus Begegnungen, die 2015 durchgeführt, von der BKJ begleitet und mit Mitteln des DeutschFranzösischen Jugendwerks gefördert wurden.


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ZUM ZUSAMMENHANG POLITISCHER UND KULTURELLER BILDUNG THOMAS KRÜGER

Das Thema Partizipation gewinnt in Bildungs- und Kultureinrichtungen durch die Zuwanderung von geflüchteten Menschen an erheblicher Brisanz. Integration, Bildung und Kultur werden stärker als früher in einen sehr engen gedanklichen Zusammenhang gestellt. Die Vertreter/innen der Professionen von politischer und Kultureller Bildung gehen aufeinander zu, in der Absicht, ihre Bildungskonzeptionen zu erweitern und gesellschaftspolitische Verantwortung zu übernehmen. Das bietet die Chance, die Hürden und Stolpersteine, die der Partizipation bisher im Wege standen, nochmals genauer in den Fokus zu nehmen. Wenn Demokratie nicht nur als Methode begriffen werden soll, sondern auch als ethisches Konstrukt, als Antwort auf die Frage „Wie wollen wir leben?“, so sollte man sich daran erinnern, dass es eigentlich um Freiheit geht. Freiheit und Demokratie sind voneinander abhängig: Ohne Freiheit kann es keine demokratischen Beteiligungsrechte geben. Ohne abgesicherte Partizipationsrechte ist die Freiheit nicht zu gewährleisten. Das meinte Habermas mit der „Gleichursprünglichkeit“ von politischen und freiheitlichen Rechten. Theoretisch betrachtet ist eine demokratische Persönlichkeit ein Idealtypus, der in der Wirklichkeit selten vorkommt – ein Mensch mit sozialen, politischen und emotionalen Kompetenzen, der die Sachlage beurteilen kann, am Gemeinwohl orientiert ist und sich für sein Gemeinwesen engagiert. Es geht um einen Menschen, der zukunftsorientiert handelt und sich durch seine Beteiligung am kulturellen, sozialen und politischen Geschehen seines nahen und weiteren Umfelds selbst verwirklicht. Er ist nach Aristoteles „zoon politicon“ – ein Mensch, der erst vollständig Mensch durch seine Partizipation am politischen und sozialen Geschehen seiner Community ist. Die so konstruierte demokratische Persönlichkeit hat auch etwas mit „Wissen“ zu tun: Man braucht Kenntnisse über Verfahren und Prozesse, über Institutionen und Strukturen, über Rechte und Pflichten, um sich in einer Demokratie zu orientieren. Aber in erster Linie beruht eine demokratische Persönlichkeit auf emotionalen und sozialen Fähigkeiten sowie operationalen Kenntnissen, die während des Heranwachsens und auch im Erwachsenenalter durch demokratische Beziehungen zwischen Menschen und durch angemessene Beteiligungsmöglichkeiten vermittelt werden. Kinder und Jugendliche werden nicht zu gebildeten und verantwortungsbewussten, engagierten Erwachsenen, indem sie lediglich „selbst lernen“. Eine demokratische Persönlichkeit arbeitet sich am Gegenüber ab, was in der Regel nicht immer konfliktfrei verläuft. Auf diesem Weg können Heranwachsende Urteilskompetenz erwerben: Sie äußern auch abwei-

chende Meinungen, müssen um diese kämpfen, formulieren Argumente und müssen sich Gegenargumenten stellen. Selbstverweigerung und Widerstand sind konstitutive Elemente eines demokratischen Prozesses. Partizipation verwirklichen zu wollen bedeutet für Pädagog/innen in Kulturund Bildungseinrichtungen genauso wie in der Schule deshalb, sich als ein starkes Gegenüber im Bildungsprozess zur Verfügung zu stellen. Die westliche Demokratie, ihre Prozesse und Institutionen wurzeln bekanntermaßen in der Aufklärung und den bürgerlichen Revolutionen des 18. Jahrhunderts, deren Ziel unter anderem in der Verwirklichung von Partizipation bestand. Infolge der Aufklärung bildete sich ein rationales Weltbild heraus, das den zentralen Funktionsprinzipien der sich neu formierenden politischen Systeme zugrunde gelegt wurde, um Freiheit, Gleichheit und Gerechtigkeit zu verwirklichen. Auf diesem gedanklichen Fundament ist nach dem Zweiten Weltkrieg in Westdeutschland die politische Bildung entstanden, die sich infolge der Erfahrungen mit dem Totalitarismus nach den Kriterien der Aufklärung und Rationalität weiterentwickelt hat. Heute zeigt sich aber mehr als deutlich, dass Demokratie nicht nur rational gelebt werden kann. Die etablierten Verfahren, Prozesse und Institutionen sind besonders für diejenigen attraktiv, die bereits beteiligt sind oder gute Beteiligungschancen haben. Für viele Heranwachsende ist das, was sie für das politische Geschehen in Berlin und Brüssel halten, viel zu weit weg, irgendwo „da oben“. Die Bundeszentrale für politische Bildung hat einige Studien in diesem Bereich in Auftrag gegeben, die aktuell durch die Ergebnisse der letzten Shell-Studie bestätigt werden: Kinder und Jugendliche sind politisch und sie sind politisch interessiert. Sie attribuieren sich dieses Politisch-Sein aber nicht zu, weil sie ein enges Politikverständnis haben. Das soziale und kulturelle Geschehen in ihrem nahen Lebensbereich tangiert sie und viele von ihnen engagieren sich für eigene Belange und die ihrer Communitys. Die Bereitschaft zum Engagement im Lebensumfeld hat unter anderem auch damit zu tun, dass diese Formen der Beteiligung gelebt werden können. Wir brauchen Bildungsansätze, die diesen Aspekt angemessen reflektieren. Diesbezüglich hat die Kulturelle Bildung der politischen einiges voraus: Sie kann ein tieferes Verstehen ermöglichen, da eine kreative Auseinandersetzung mit den Fragen des Lebens und der Gesellschaft eine andere Ebene des Zugangs öffnet. In Fragen der Partizipation im Zusammenhang mit Bildungsgerechtigkeit kann auf institutionalisierte Beteiligungschancen jedoch auch in den Kultur- und Bildungsein-


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richtungen nicht verzichtet werden. Partizipation sollte weder ein Zufallsprodukt noch ein Ergebnis der Durchsetzungskraft Einzelner sein. Jedes Haus, jede Einrichtung braucht eine entsprechende Haltung aller Beteiligten, die Partizipation sowie verlässliche und dauerhafte Strukturen und Prozesse selbstverständlich macht. Außerdem – und dies ist eine notwendige Bedingung: Wenn eine demokratische Organisation aller Lebensbereiche gewollt wird, muss die bestehende Asymmetrie der Lebensverhältnisse ausgeglichen werden. Folgt man den Studien des Demokratietheoretikers Wolfgang Merkel vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, ist die vorliegende Lücke zwischen den privilegierten Partizipierenden und den „Abgehängten“ nur zu schließen, wenn die materialen Ergebnisse der (Wirtschafts-, Bildungsund Sozial-)Politik die sozioökonomische Spaltung der Gesellschaft verhindern. Gelingt dieser Ausgleich nicht, müssen wir nicht nur die elitäre und exklusive Zuschauerdemokratie auf Dauer akzeptieren, sondern beispielsweise auch die steigende Sympathie Angehöriger von Mittelschichtsmilieus für rechtspopulistische Bewegungen, wie Studien der Extremismusforscher Christoph Butterwegge oder Wilhelm Heitmeyer zeigen. Es bleibt zu hinterfragen, welche Motive einer Etablierung von Kultureller und politischer Partizipation im idealty-

pischen Sinne zugrunde gelegt werden: Geht es lediglich um die Legitimierung von Demokratie, Prozessen, Institutionen und auch Kultureinrichtungen? Geht es darum, die Kultureinrichtungen in eine Gesellschaft hinüberzuretten, die mit den traditionellen Ausdrucksformen der Kultur oft nicht mehr viel anfangen kann? Oder spielt tatsächlich der Gedanke eine Rolle, dass kulturelle und soziale Transformation von partizipativen Impulsen profitiert? Oft wird in diesem Prozess die These formuliert, Partizipation sei nur zum Preis des Machtverlustes von Positionsinhaber/innen zu haben. Das ist richtig und falsch. Nach Auffassung der politischen Philosophin Hannah Arendt ist Macht etwas, das Einzelne nicht besitzen können. Ein Einzelner hat bestenfalls das, was Hannah Arendt „Gewalt“ nennt. Macht entsteht dagegen durch das Zusammenwirken der Vielen in der Gesellschaft. Ohne Partizipation gibt es also keine Macht. Abgeben müssen wir tatsächlich Autorität, die beispielsweise durch Bildungsabschlüsse oder auf anderen, weniger demokratischen Kanälen erworben wurde. Für viele ist dies eine große Hürde, aber es gibt keinen anderen Weg. Und entgegen aller Befürchtungen ist dieser Weg für diejenigen, die ihn beschreiten, sehr gewinnbringend. Thomas Krüger ist seit Juli 2000 Präsident der Bundeszentrale für politische Bildung/bpb.


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ANJA SCHÜTZE

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PARTIZIPATION WIRD VON BILDUNGSVERANTWORTLICHEN WIE EIN MANTRA VERWENDET, UM PÄDAGOGISCHE ANSPRÜCHE ZU FORMULIEREN UND ANTRÄGE ZUM ERFOLG ZU FÜHREN. WENN WIR ABER DIE WORTHÜLSE PARTIZIPATION ÖFFNEN, KANN SIE SO ETWAS WIE ACHTERBAHNGEFÜHLE AUSLÖSEN: AUFREGUNG, SPAß, RISIKO, ANGST UND BEI MANCHEN SOGAR ÜBELKEIT.

indiviche und sitioli t r o w t ollen Po gsveran CHT UND MA kturen, bildun n ihren machtv indern und N IO T A PARTIZIP ion fordert Stru . Sie müssen vo rt/innen mit K in denen , e s at Partizip eur/innen herau Status der Exp chaffen werden ördergels t n F e k duelle A ktreten und de uren müssen g ie Vergabe von o-formac t d Pr k ü r r u e r ie u t b z D S e, ü en. en. nen so m il id e e m t h a c n r s e g t o h c ist eben en Pr Jugendli ppe über ihre n Projekten mit ntscheidungen auf Bühe n ru o die Zielg ie Gestaltung v ungen und Jury oder Musiziere orderung d z n it e d il s n ie s e u t D F d dern Vorstan das Blumen Ver ichtige“ sagen. Fragen und n a e m h ie „W iele Teilna ichend w achsenen das sebenen wirft v m Wissen und e r s u a e este wenig ie Erw idung denen d f allen Entsche t gelernt, nach b n, die ihr Freud f u a , n e u e n h a ff n wir nic zu scha sprache chen? nach Mit gleich auf. Habe ere Zielgruppe unftsfähig“ ma u ns uk Sorgen z Angebote für u rdern und sie „z ö n f Gewisse tiften, Talente s und Sinn

PARTIZIPA TIO Partizipati N UND TEILHABE on birgt d ie werden u nd eine C Hoffnung, dass all hance au nicht nur f Beteiligu e gesehen diejenigen ng h , vorteile le icht mach denen es zufällige aben – e Geburtsn, von ins ten zu pro pir fiti Gedanken eren und mit ihrer ierenden Angeboge M vieler Bem hört zu werden. W einung und ihren ir wissen, ühungen dass trotz nach wie und Jugen vor dli nen. Vielle chen Kulturelle Bil nicht alle Kinder du ic Erwachse ht auch, weil mehrh ng genießen könne e scheiden, mit ihren Perspek itlich privilegierte was für we tiven darü n gut sein wir mit Ku ber entkön ltu schen mit reller Bildung dafü nte? Wie können rs un bar und hö terschiedlichsten orgen, dass MenPerspekti rbar werd ve e aufgehob en, anerka n und sich in der Ge n sichtsellschaft nnt und zu gehörig fü hlen?


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PARTIZIP AT Kulturell ION UND BILDUN G e Bildung ist in der Teilnahm p e r Wahlmög an einem kulture aktischen Umset zung seh llen Ange lichkeite bo rh n untersch iedlichen , individuelle Be t ist idealerweise äufig partizipativ dürfniss . Die freiwillig, Lebensw Schaffen ew elt es e Partizipa igenartig und off en ernst genom erden berücksic gibt häufig m en tiv ht liche Mit er Anspruch müs sein. Formal ist en. Zudem darf k igt und die gestaltun ü ste jedoc h nstlerisc ie r dem B gk hs men in ih he rem ges onsequent zu ve ein, Kulturelle Bil egriff genüge ge s tan. dung und ellschaft nutzen. W rzahnen un lic g e kunst vo nn Qualitäten de hen Gestaltung d künstlerische esellschaftspotenzia r Kulture A n hoher B u sdrucksfo llen er lz andere, fü r die Bela eicherung sind, s Bildung nicht nur u erkennen und rne. Wie k nge des U ondern e für die eig zu rm an m e schärfen n Kulturelle Bild feldes zu erhebe utigen, die eigen ne Lebensn u und selb stbewus ng die Wahrnehm , und zwar nicht n e Stimme für stes Eing reifen be ung für gesellsc ur auf der Bühhaftliche fördern? Fragen

er OKRATIE n und Kulturell M E D D it N ATION U tzung m rtizipatio PARTIZIP üpfung von Pa Auseinanderse ruppenG n ie Die Verk tet Raum für d . Künstlerische n, in deie n e b e g s g Bildun ischen Prozes eidungsfindun . Wer hat t h n a c n r demok erfordern Ents lle erproben ka ie gehen e e W d prozess rschiedene Mo rwachsenen? iven, die E e kt nen ich v Mehrheit? Die der mit Perspe heitsdeo r ie recht? D len Stimmen um nd in einer Meh il t u wir mit s lich scheinen isch fallen? n T h n ö e w d e r e ung icht unt le ie t a r mok

ANJA SCHÜTZE ist Referentin der BKJ im Bereich Freiwilligendienste Kultur und Bildung. Sie arbeitet zudem als freie Trainerin, Medienpädagogin und Filmemacherin. Unter dem gemeinsam mit Sophia Stepf gegründeten Label „Culture for Competence“ gibt sie Workshops und Seminare zu Transkultureller Kompetenz, Diversität und Diskriminierung, Film und Theater. Diese Gedanken und Fragen zum Thema Partizipation und Kulturelle Bildung brachte die Autorin im Januar 2015 in die gemeinsame Entwicklung der Tagung „Illusion Partizipation – Zukunft Partizipation“ ein. Weitere Informationen zum partizipativen Entstehungsprozess und Hintergrund der Tagung erhalten Sie unter: partizipationstagung.bkj.de


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POSITIONIEREN, EINBRINGEN, AKTIVIEREN PARTIZIPATION JUGENDLICHER IN DIGITAL-VERNETZTEN WELTEN CHRISTIAN HELBIG UND ANGELA TILLMANN

Aufwachsen und Leben mit Medien Partizipation in der Kulturellen Bildung kann schwerlich ohne den Einbezug von Medien in den Blick genommen werden. Medien sind ein selbstverständlicher Teil heutiger Lebenswelten. Insbesondere Kinder und Jugendliche agieren selbstverständlich in diversen Communitys, demonstrieren ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen populären Medienszenen, inszenieren sich verschiedenartig auf Videoplattformen oder in Selfies. Aktuelle Jugendstudien geben Aufschluss über das Nutzungsverhalten: So bedienen sich neun von zehn Jugendlichen eines internetfähigen Handys oder Smartphones für ihre Netzaktivitäten. Hoch im Kurs steht bei ihnen dabei nach wie vor ein kommerzielles Soziales Netzwerk: 83 Prozent der 12- bis 25-jährigen Jugendlichen nutzen dies, fast jede/r Sechste ist mindestens täglich dort unterwegs und 94 Prozent der Jugendlichen geben weiterhin an, Nutzer/innen einer kommerziellen Videoplattform zu sein. 81 Prozent schauen sich dort mindestens mehrmals pro Woche Videos an und mehr als die Hälfte gibt an, selbst einen Account zum Hochladen von Videos zu haben (vgl. MPFS 2015 und Shell 2015). Jugendliche beteiligen sich damit aktiv an der Gestaltung der Medienkultur und somit auch an einem Prozess, der in der Kommunikationswissenschaft mit dem Begriff der „Mediatisierung“ beschrieben wird (Krotz 2012). Aktuell sind es die digitalen Medien, die diesen Prozess und den damit einhergehenden kommunikativen, sozialen und kulturellen Wandel befördern. Die Mediensozialisationsforschung hat gezeigt, dass Medien von Jugendlichen insbesondere zur Orientierung, Positionierung und Auseinandersetzung mit gesellschaftlichen und kulturellen Anforderungen als auch möglichen Zukünften genutzt werden. Dargestellt und diskutiert wird im Folgenden, welche Formen von (Online-)Partizipation Jugendliche aktuell praktizieren und welche Herausforderungen sich im Zuge struktureller Voraussetzungen und der Datafizierung der Welt stellen. Partizipation in digital-vernetzten Welten Partizipation ist nicht allein auf den politischen, sondern ebenso auf den sozialen und kulturellen Bereich zu beziehen und wird daher im Folgenden als „politische Beteiligung möglichst vieler über möglichst vieles, und zwar im Sinne von Teilnehmen, Teilhaben, Seinen-Teil-Geben und innerer Anteilnahme am Schicksal eines Gemeinwesens“ (Schmidt 2008, S. 236) und als fundamentales Recht aller Mitglieder einer Gesellschaft in allen sie betreffenden gesellschaftlichen Bereichen (vgl. Knauer/Sturzenhecker 2005) verstanden.

Empirisch lassen sich aktuell drei Formen der (Online-)Partizipation Jugendlicher differenzieren (Wagner/Gebel 2014): 1. „Jugendliche positionieren sich“: Jugendliche beziehen eine Position zu gesellschaftlichen Diskursen oder kulturellen Phänomenen über Gruppenmitgliedschaften, Statements in Profilangaben oder Bildern in Selbstdarstellungen. 2. „Jugendliche bringen sich ein“: Jugendliche werden selbst aktiv und nutzen beispielsweise Plattformen, um sich kreativ und auch ironisch und subversiv mit der Gegenwartskultur auseinanderzusetzen. 3. „Jugendliche aktivieren andere“: Jugendliche versuchen andere zu Aktivitäten zu motivieren, zum Beispiel durch Ankündigungen von Terminen, konkrete Aufforderungen zur Teilnahme an Demonstrationen oder durch Petitionen. Die Beteiligungsformen sind dabei eng mit den Lebenswelten und Sozialräumen der Heranwachsenden verknüpft: Jugendliche, die sich offline in Gruppen engagieren, sind auch eher online aktiv (ebd.). Jenkins bezeichnet die Medien- bzw. Konvergenzkulturen auch als „participatory culture“. Sie ist ihm zufolge sowohl durch recht niederschwellige Möglichkeiten des kulturellen Ausdrucks als auch des politischen und sozialen Engagements gekennzeichnet. Deutlich wird allerdings auch, dass die Ressourcen für die Partizipation nach wie vor ungleich verteilt sind. Abhängig ist eine Partizipation weiterhin sowohl von lebensweltlichen Ressourcen (wie Zugang, Anregung, Unterstützung und Anerkennung durch Familie oder Peergroup) als auch von Ressourcen, die über das Medienhandeln selbst erworben werden (zum Beispiel Orientierung, soziale Unterstützung, Medienkompetenz) (Wagner/Gebel 2014). Soziale Ungleichheiten nehmen somit Einfluss auf den Zugang zur (digitalen) Kultur und werden auch im Kontext der Nutzungspraktiken online weiter reproduziert. Aktuell sind differenzierte Zugänge zu Informationsquellen sowie kreatives und selbstbestimmtes Medienhandeln vorrangig sozial- und bildungsmäßig besser gestellten und eher medienaffinen Milieus vorbehalten (vgl. Kutscher et al. 2015). Zu beachten ist weiterhin, dass Partizipation heute unter den Bedingungen einer zunehmenden Datafizierung und Kommerzialisierung stattfindet und somit häufig mit der Preisgabe persönlicher Daten verknüpft ist. Welche Daten von wem in welchem Kontext erhoben und mit welchem Ziel und


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auf der Basis welcher Algorithmen ausgewertet werden, ist weitgehend intransparent. Undurchsichtige und abstrakte Prozesse machen es nicht nur Jugendlichen schwer, die Folgen des Medienhandelns abzuschätzen. Fazit Wenn Kulturpädagogik den Begriff Kultur nicht auf spezifische Angebote und Tätigkeiten der Hochkultur verkürzt – sondern als „the whole way of life“ und Jugendliche als gleichberechtigte Teilnehmende und Kulturschaffende begreift –, ist sie aufgefordert, die Rahmenbedingungen des Aufwachsens und damit auch die Digitalität und Datafizierung der Alltagswelten zukünftig stärker in ihrer Arbeit zu berücksichtigen. Im Zuge dessen muss sie sich mehr Gedanken über verwendete Dienste und Software sowie das Recht zur informationellen Selbstbestimmung machen. Darüber hinaus wird sie nicht umhinkommen, sich auch grundlegende Kenntnisse über das Aufwachsen in digital-vernetzten Welten und den Stellenwert von Medien für Kinder und Jugendliche zu verschaffen. Dieses Wissen gilt es bei der Planung zukünftiger Projekte verstärkt zu berücksichtigen. Unabdingbar ist damit auch eine Auseinandersetzung mit der eigenen Medienkompetenz. Christian Helbig ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt „Kulturelle Bildung und Medienkompetenz – Kulturelle Medienbildung“ (Bundesministerium für Bildung und Forschung) und Koordinator des Masterstudiengangs „Handlungsorientierte Medienpädagogik – Spielerische Ansätze in der Jugendmedienarbeit“ am Institut für Medienforschung und Medienpädagogik der TH Köln. Angela Tillmann ist Professorin für Kultur- und Medienpädagogik an der TH Köln und dort Leiterin des Forschungsschwerpunkts „Medienwelten“. Sie beschäftigt sich mit Fragen im Bereich der digitalen Kinder- und Jugendmedienforschung und der Medienkompetenzforschung und -förderung.

LITERATUR Jenkins, Henry (2005): Confronting the Challenges of Participatory Culture: Media Education for the 21st Century (with Purushotma, R./Weigel, M./Clinton, K./Robison, A. J.). London. Knauer, Raingard/Sturzenhecker, Benedikt (2005): „Partizipation im Jugendalter“. In: Hafeneger, Benno/Jansen, Mechtild M./Niebling, Torsten (Hrsg.): Kinder- und Jugendpartizipation. Im Spannungsfeld von Interessen und Akteuren. Opladen. Krotz, Friedrich (2012): „Von der Entdeckung der Zentralperspektive zur Augmented Reality: Wie Mediatisierung funktioniert“. In: Krotz, Friedrich/Hepp, Andreas (Hrsg.): Mediatisierte Welten. Forschungsfelder und Beschreibungsansätze. Wiesbaden. Kutscher, Nadia et al. (2015): „Politische Netzwerkaktivitäten junger Menschen“. In: Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut e.V./Technische Universität Dortmund (Hrsg.): Politische Partizipation Jugendlicher im Web 2.0 – Chancen, Grenzen, Herausforderungen. Dortmund. [www.forschungsverbund.tu-dortmund.de/fileadmin/Files/Freiwilliges_Engagement/201501_Expertisen_Polit_Partizipation_WEB_2-0.pdf, 31.03.2016]. Medienpädagogischer Forschungsverbund Südwest (MPFS) (Hrsg.) (2015): JIM-Studie 2015. Jugend, Information, (Multi-) Media. Basisstudie zum Medienumgang 12- bis 19-Jähriger in Deutschland. Stuttgart. [www.mpfs.de/fileadmin/JIM-pdf15/JIM_2015.pdf, 31.03.2016]. Schmidt, Manfred G. (2008): Demokratietheorien. Eine Einführung. 4. überarbeitete und erweiterte Auflage. Wiesbaden. Shell Deutschland (Hrsg.) (2015): Jugend 2015. 17. Shell Jugendstudie. Frankfurt am Main. Wagner, Ulrike/Gebel, Chraista (Hrsg.) (2014): Jugendliche und die Aneignung politischer Information in Online-Medien. Wiesbaden. Ein erweitertes Literaturverzeichnis kann eingesehen werden unter: partizipationstagung.bkj.de/denkfutter


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WIRKUNGSVOLL MITWIRKEN PARTIZIPATION IM MUSIKVEREIN LERNEN MATTHIAS LAURISCH IM GESPRÄCH MIT MAILA VON HAUSSEN

Was bedeutet Partizipation in der Kulturellen Bildung aus der Perspektive des Referenten für Bildung und Jugendpolitik bei der Deutschen Bläserjugend? Auf den Punkt gebracht: „Mitwirkung mit Wirkung“. Es geht zunächst darum, die Interessen, Lebenslagen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen wahrzunehmen. Sie sollen von Anfang an bei allem beteiligt werden, was ihre Interessen berührt – überall da, wo sie sich selbst einbringen wollen, und zwar so, dass sie tatsächlich mitentscheiden können. Was sind die Chancen oder Ziele von Partizipation, warum ist Partizipation wichtig? Zu lernen, dass Engagement dazu führt, dass man etwas bewirken kann, ist eine Grundvoraussetzung für mündige Bürgerinnen und Bürger, deswegen kann man Musikvereine und -verbände auch als Werkstätten der Demokratie bezeichnen. Andererseits existieren Vereine nur, wenn Menschen sich engagieren, und Jugendliche werden nur da mitmachen wollen, wo sie auch Gehör finden. Was für Voraussetzungen braucht es, damit Partizipation funktionieren kann? Grundvoraussetzung ist natürlich, dass Kinder und Jugendliche da sind und sich artikulieren, dass man also miteinander redet. Außerdem sind drei Punkte wichtig: >> Zeit! >> Offenheit: Das Gegenüber muss gewillt sein, das, was Kinder und Jugendliche wollen, aufzunehmen. >> Transparenz: Kinder und Jugendliche benötigen vollständige Informationen über den Gegenstand, über den sie reden. Außerdem müssen die Kommunikationswege und -mittel so gewählt sein, dass eine Entscheidungsfindung machbar ist, also zum Beispiel keine zwölfseitige Vorlage in Amdeutsch. Was können Kinder und Jugendliche im Musikverband tatsächlich entscheiden? Wo gibt es konkrete Partizipationsmöglichkeit? Wir haben in unserem Modellprojekt TrendAnalyse ProjektEnsemble (TAPE) von 2010 bis 2012 nach Partizipation im Jugendorchester gefragt und am Ende war klar: Überall, wo Kinder und Jugendliche mitreden wollen, sollen sie die Chance dazu bekommen, ob es um musikalische Dinge geht oder die Frage, wo man hinfährt (Musikfeste, internationale Jugendbegegnungen). Auch bei Überlegungen, wo Investitio-

nen getätigt werden oder was Kinder und Jugendliche im Verein brauchen, sind sie gefragt. Da kann es dann zum Beispiel um eine Tischtennisplatte gehen oder um die Gestaltung der Freizeit bei einem Probenwochenende. Gibt es auch aktuelle Projekte der Deutschen Bläserjugend, die sich spezifisch mit Partizipation befassen? Das Projekt „miteinander inklusive“, ein Projekt der Deutschen Bläserjugend in Kooperation mit der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung und der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände, widmet sich den Themen Partizipation und Inklusion. Es beobachtet, wie sich Beteiligungskultur und Mitbestimmungsprozesse in der Kulturellen Bildung verändern, wenn ein inklusives Miteinander konsequent umgesetzt wird, und untersucht, wie sich dies auf alle Teilnehmenden auswirkt. Wo liegen grundsätzlich die Herausforderungen und Grenzen von Partizipation? Partizipation ist ein Prozess, der als Grundvoraussetzung eine Haltung hat. Diese Haltung gilt es im wahrsten Sinne des Wortes durchzuhalten. Der größte Gegner von Partizipation ist Zeitdruck. Partizipation braucht Zeit, um Meinungen zu diskutieren, um Bedürfnisse tatsächlich hervortreten zu lassen, um Menschen – auch solchen, die normalerweise nicht mitreden – die Möglichkeit zu geben, sich zu artikulieren. Wichtig ist auch die Machtfrage: Es gibt immer unterschiedliche Hierarchien, Menschen verfügen über mehr oder weniger Informationen und können sich besser oder schlechter ausdrücken. Wie gleicht man das an? Eine Grundvoraussetzung wäre, dass Menschen, die Vorteile haben, diese Vorteile nicht ausnutzen. Und wie funktioniert’s in der Realität? Wir Musikvereine müssen unsere Vereinsstruktur an Lebenslagen und Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen anpassen. Hierfür müssen wir uns von der Frage geleitet fühlen, wie wir einen Ort schaffen können, an dem sich Kinder und Jugendliche wohlfühlen und an dem sie ihre Interessen verwirklicht sehen. Es gibt momentan sehr wenig Zeit, das Ehrenamt ist stark bürokratisiert, dagegen sprechen wir uns auf politischer Ebene aus und müssen uns trotzdem mit den Gegebenheiten auseinandersetzen.


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Wir müssen außerdem die Erwartungen für Engagement transparent machen: Was erwarten junge Menschen, wenn sie beispielsweise ein Vorstandsamt übernehmen oder eine Freizeit organisieren? Was erwartet andererseits die Vereinsstruktur von den Menschen, die eine Aufgabe übernehmen? Wie nähert man sich da an? Man kann Teams bilden, Verantwortung auf verschiedene Schultern verteilen, sich fragen: Braucht es immer Vorstandsämter oder geht nicht manches, ohne dass man sich gleich ein Amt ans Bein bindet? Und wenn diese Frage mit Ja beantwortet werden kann, wie sichere ich dann Verbindlichkeit? Wer bringt was mit an Fähigkeiten und Qualifikationen und was braucht man dann noch an Kompetenzerweiterung, um Vereinsarbeit gut durchführen zu können? Gerade Kinder und Jugendliche wollen aus dem Vereinsleben Dinge mitnehmen, die sie auch woanders nutzen können. Auch Anerkennungskultur ist wichtig. Sie sollte individuell, authentisch und nachhaltig sein. Im Verein wollen wir ernst genommen werden, wir wollen einfach gut miteinander klarkommen. Auf der einen Seite sind die zu beteiligenden Kinder und Jugendlichen, auf der anderen Seite braucht man aber doch auch Fachleute, die mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten. Dass jemand, der Musik studiert hat und vor dem Orchester mit dem Taktstock steht, auch Dinge mitbringt wie beispielsweise

ein Verständnis über die Spielstärke des Orchesters, ist jetzt nichts, was Partizipation im musikalischen Bereich infrage stellen würde. Oder wenn der Kassierer sagt, hier gibt’s Förderrichtlinien, an denen müssen wir uns orientieren. Fachleute und Partizipation schließen sich gegenseitig ja nicht aus. Was wären Verbesserungswünsche für die Zukunft? Drei große Wünsche: unverplante Zeit für Kinder und Jugendliche, Freiräume und eine starke Zivilgesellschaft bzw. eine Erleichterung ihres Tuns. Das heißt: Entbürokratisierung und Geld für Jugendarbeit. Matthias Laurisch ist Referent für Bildung und Jugendpolitik bei der Deutschen Bläserjugend in Berlin. Hier organisiert und leitet er Workshops und Seminare rund um Themen und Fragestellungen ehrenamtlich geführter Musikvereine. Dabei kann er auf mehr als 20 Jahre Engagement im Musikverein zurückgreifen. Er vertritt die Interessen der Bläserjugend in verschiedenen jugendpolitischen Gremien. Maila von Haussen hat klassische Gitarre und Rundfunk-Musikjournalismus studiert und als Musiklehrerin, Journalistin und Projektmanagerin international gearbeitet. Bei der Bundesvereinigung Deutscher Orchesterverbände e. V. (BDO) ist sie für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig.


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ERARBEITUNG EINER PARTIZIPATIVEN GRUNDHALTUNG EIN WEITERBILDUNGSFORMAT DER BUNDESAKADEMIE FÜR MUSIKALISCHE JUGENDBILDUNG TROSSINGEN HELMUT SEIDENBUSCH

Die Bundesakademie Trossingen setzt sich aufgrund veränderter gesellschaftlicher Entwicklungen und politischer Schwerpunktsetzungen mit dem Thema Partizipation auseinander. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse werden in Weiterbildungsformate für Multiplikator/innen der Musikausübung (Ensembleleiter/innen) und -ausbildung (Lehrkräfte) umgesetzt, die ab 2017 das Seminarprogramm der Bundesakademie ergänzen und erweitern werden. Verlorenes Potenzial durch tradierte Erfahrungsweitergabe Gerade die aktive Musikpflege eröffnet die Möglichkeit, den Menschen in seiner Gesamtheit (Kompetenz und Potenzial) wahrzunehmen, und bietet gleichzeitig systemimmanent durch das gegenseitige Zuhören, ohne das keine Musik stattfindet, Kommunikationsmittel für eine fruchtbare Auseinandersetzung – die Grundlage für Partizipation. Trotzdem ist die Musikausübung über viele Generationen von einem hierarchischen Modell der Erfahrungsweitergabe geprägt: Meister/in – Schüler/in; Dirigent/in – Musiker/in. Diese Modelle entsprechen schon einige Zeit nicht mehr der gesellschaftlichen und bildungspolitischen Realität und provozieren aufseiten der Kinder und Jugendlichen oft eine Entscheidung, die vorgefundene Situation im Unterricht oder im Ensemble vollumfänglich zu akzeptieren oder sich eine andere Betätigung zu suchen. Musikvereine und Musikschulen müssen sich mit diesen Herausforderungen und Veränderungen auseinandersetzen, denn diese Entwicklungen werden sich aufgrund der Fülle alternativer Modelle der Freizeitgestaltung tendenziell verstärken. Die betroffenen Institutionen haben wenig Möglichkeit, die Rahmenbedingungen nachhaltig zu beeinflussen. Allerdings sind sie in der Lage, die Binnenstruktur ihrer Angebote und Arbeitsprozesse mit den konkreten Voraussetzungen, Interessen und Bedürfnissen ihrer Mitglieder und Schüler/innen in Einklang zu bringen.

Konzentration auf individuelle Stärken und Bedürfnisse Gefragt ist dafür ein Zusammenwirken von Individuen, Gruppen und Institutionen. Es erfordert einen Paradigmenwechsel, wenn nicht die übergeordnete Struktur mit ihren Curricula und Vergleichssystemen der Schrittmacher und Richtungsgeber sein soll, sondern die eingebrachte und kanalisierte Kompetenz jeder/s Einzelnen. Die Struktur richtet sich so nach dem Formbedürfnis seiner Individuen. Auch die tradierten Belohnungs- und Sanktionsmuster (Wettbewerbe, Preise, Sitzordnung, Benotung etc.) müssen in diesem Zusammenhang eine Neubewertung erfahren. Kommunikationsstrukturen, die auf Beteiligung ausgelegt sind, ermöglichen dem Einzelnen, den Prozess seines Tuns mitzugestalten. Das eigene unverwechselbare Kompetenzportfolio kann eingebracht werden – ohne dafür erst in tradierten Hierarchiemustern den dafür vorgesehenen Platz erobern zu müssen. Partizipative Modelle der Prozessgestaltung zahlen sich auf längere Sicht zudem in puncto Zeit aus: Zunächst bedarf es eines zeitlichen Investments, um beispielsweise Beteiligungsformate zu konzipieren und durchzuführen. Die entstandenen Ideen sind dadurch bereits im System des Diskurses und der Teilhabe und werden somit durch die Beteiligten schnell umgesetzt. Motivation statt Macht Partizipation ist bereits in vielen Zusammenhängen zu finden. Zahlreiche Pädagog/innen verstehen es instinktiv, ohne Lehrbuch oder Anleitung Austausch und Harmonisierung der Bedürfnisse zu initiieren und zu gestalten. Eine besondere Herausforderung für die Lehrer/innen und Leiter/innen ist es jedoch, mit dem einhergehenden „Machtverlust“ umzugehen – ein etwas irreführender Begriff, da Verantwortungsbewusstsein und Erfahrungsvorsprung des Fachpersonals keinesfalls nivelliert oder geringer geschätzt werden. Besser


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wäre es daher, von Machttransformation zu sprechen, da die Weisungs- und Deutungskompetenz in eine Motivationsdynamik überführt wird. Der Schlüssel ist das Leben einer Motivationskultur anstelle der Machtkultur. Weiterentwicklung durch Vielfalt Diese Überlegungen sind in Hinblick auf die Beantwortung von Zukunftsfragen der Institutionen von großer Bedeutung. Zukunftsfragen stellen sich für und in der Zukunft. Wir wissen also nicht, welche Antworten wir dafür benötigen und wer sie geben kann. Nach dem Prinzip der Divergenz brauchen wir möglichst vielfältige Ansätze und somit individuelle Kompetenzen, um diese Antworten zu finden. Die Weiterentwicklung der vorhandenen Strukturen sollte im Wesentlichen an der Frage orientiert sein, ob der jeweilige Mensch individuell in seinen Qualitäten gefördert und gefordert wird (Hengstschläger 2012). Dies kann wesentlich durch die Übertragung von Verantwortlichkeit und die Möglichkeit zu Mitbestimmung für alle Aspekte des gemeinsamen Handelns geschehen – künstlerisch, organisatorisch und sozial. Helmut Seidenbusch ist Musikmanager und Leiter des Projektes „Partizipation“ an der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen. Er unterrichtet an der Hochschule für Musik Detmold im Studiengang Musikmanagement und berät als Inhaber der Agentur Seidenbusch Musik Management Künstler und Kulturinstitutionen.

LITERATUR Hengstschläger, Markus (2012): „Die Durchschnittsfalle. Gene – Talente – Chancen“. Salzburg.

BUNDESAKADEMIE FÜR MUSIKALISCHE JUGENDBILDUNG TROSSINGEN Grundgedanke des Engagements der Bundesakademie für musikalische Jugendbildung Trossingen ist, den Multiplikator/innen in den vielfältigen musikalischen Berufsund Tätigkeitsfeldern bei der Erarbeitung einer partizipativen Grundhaltung behilflich zu sein. Sie sollen – mit den nötigen Kommunikationsmitteln ausgestattet – ihre methodischen Fähigkeiten ergänzen und ihre Handlungsfelder so erweitern, dass sie für ihre jeweilige Arbeitssituation konkrete eigene Lösungsmodelle kreieren und umsetzen können. Ziel ist, die Zukunftsfähigkeit und das kreative Potenzial der Institutionen und der darin handelnden Menschen nachhaltig zu stärken und den Raum für die musikalisch-künstlerische Entfaltung, Erfahrung und Vielfalt zu vergrößern. WEITERE INFORMATIONEN www.bundesakademie-trossingen.de


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>> NACH_SCHAUEN KINDER UND JUGENDLICHE HABEN EIN RECHT AUF PARTIZIPATION WAS AUS MENSCHENRECHTLICHER SICHT IM BILDUNGSBEREICH GETAN WERDEN MUSS >> VON SANDRA REITZ Das Policy Paper Nr. 31 des Deutschen Instituts für Menschenrecht erläutert die unterschiedlichen Verständnisse von Partizipation und zeigt auf, wie Menschenrechtsbildung ein rechtebasiertes Verständnis von Partizipation unterstützt. Es stellt Ergebnisse einer Umfrage zur Förderung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen in den Bundesländern vor und schließt mit konkreten Empfehlungen an Bund, Länder und andere Bildungsakteure, wie rechtebasierte Partizipation von Kindern und Jugendlichen gefördert und umgesetzt werden kann. Download: www.institut-fuer-menschenrechte.de/publikationen KOMMUNALE KINDER- UND JUGENDBETEILIGUNG STÄRKEN! POSITIONSPAPIER DER ARBEITSGEMEINSCHAFT FÜR KINDER UND JUGENDHILFE – AGJ In ihrem Positionspapier unterstreicht die AGJ die zentrale Bedeutung der Kinder- und Jugendbeteiligung und fordert eine Stärkung auf kommunaler Ebene. Anhand der in dem Papier aufgeführten Beteiligungsrechte und -standards sowie Interessen und Themen junger Menschen lassen sich diverse Beteiligungsformate aufzeigen, die auf die jeweiligen kommunalen Gegebenheiten Anwendung finden können. Download: www.agj.de GET INVOLVED! PARTIZIPATION ALS KÜNSTLERISCHE STRATEGIE KUNSTFORUM In der Kunst wurde eine unübersehbare Zahl an unterschiedlichen partizipatorischen Ansätzen und Formaten hervorgebracht – die insbesondere auf die Mitwirkung des Publikums setzen. Vierzehn Autor/innen, Künstler/innen und Kurator/innen machen sich in der Zeitschrift KUNSTFORUM an eine vorläufige Bestandsaufnahme: Par-

tizipation wird in ihren Modi der Kollaboration, Kooperation und Interaktion aufgefächert und so die Fülle partizipatorischer Kunst an ausgewählten Beispielen zur Diskussion gestellt. Preis: ab 14,90 Euro (im Abo) // Bestellung: www.kunstforum.de DAS STARKE SUBJEKT LEBENSFÜHRUNG, WIDERSTÄNDIGKEIT UND ÄSTHETISCHE PRAXIS >> MAX FUCHS „Kultur macht stark!“ – Unter diesem Motto wird zurzeit ein ambitioniertes Förderprogramm im Bereich der Kulturellen Bildung realisiert. Stark muss man sein, wenn man ein „Leben im aufrechten Gang“ (Ernst Bloch) führen will. Denn es gibt viele zu bewältigende Hürden. Stark zu sein heißt dabei auch, unzumutbare Forderungen zurückzuweisen. Die Entwicklung von Widerständigkeit wird daher zu einem wichtigen Ziel Kultureller Bildung. Das Buch untersucht, was sich einer selbstbestimmten Lebensführung entgegenstellen kann und welche Möglichkeiten eine ästhetische Praxis bei der Entwicklung von Stärke bietet. Preis: 18,80 Euro // Bestellung: www.kopaed.de KEYWORK4 EIN KONZEPT ZUR FÖRDERUNG VON PARTIZIPATION UND SELBSTORGANISATION IN DER KULTUR-, SOZIAL- UND BILDUNGSARBEIT >> REINHOLD KNOPP UND KARIN NELL „Keywork4“ ist ein Gesamtkonzept zur Förderung von Partizipation und Selbstorganisation im Bereich der sozialen und kulturellen Arbeit. Als neue Form der Zusammenarbeit stärkt, verknüpft und erweitert es professionelles und zivilgesellschaftliches Engagement. Neben einer theoretischen Einführung zum Konzept stellt dieser Band Beispiele aus Museen, Schulen, Theatern, Familienzentren sowie Kunst- und Stadtteilprojekten vor und dokumentiert Keywork in der Bildungsarbeit. Preis: 29,99 Euro // Bestellung: www.transcript-verlag.de


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BEITRÄGE ZUM THEMA AUF KULTURELLE BILDUNG ONLINE Kulturelle Bildung Online ist die digitale Fortschreibung des Handbuchs Kulturelle Bildung, das erstmals systematisch die Theorie und Praxis der Kulturellen Bildung umfassend darstellt. Mit zahlreichen Beiträgen zu den Themen „Partizipation“ und „Kulturelle Vielfalt“, unter anderem von Helle Becker, Werner Lindner, Jörg Zirfas, Dorothea Kolland, Paul Mecheril und Barbara Brokamp. Download: www.kubi-online.de

>> HIN_GEHEN FACHTAGUNG: „MACHT INKLUSION!?“ VOM 08. BIS 09. SEPTEMBER 2016 IN DEN HOFFMANS HÖFEN FRANKFURT AM MAIN In Zusammenarbeit mit der LKB Hessen lädt die BKJ zu einer aktiven Diskussion über Inklusion und Diversität in den Freiwilligendiensten im Bereich Kultur und Bildung ein. Gemeinsam werden Fragen rund um die gleichberechtigte Teilhabe an den Freiwilligendiensten beleuchtet. In vielseitigen Workshops, Gesprächsrunden, Inputs und Exkursionen wird eine kritische, kreative und konstruktive Auseinandersetzung mit Inklusion möglich. Kontakt: www.freiwilligendienste-kultur-bildung.de/artikel/ articles/fachtagung-macht-inklusion.html FACHKONGRESS: „POTENZIALE ERKENNEN | ZUKUNFT GESTALTEN“ VOM 26. BIS 28. SEPTEMBER 2016 AN DER TECHNISCHEN UNIVERSITÄT DORTMUND Zum zweiten Mal kommen an der Universität Dortmund hauptberufliche Mitarbeiter/innen, freiwillig Engagierte, Studierende und Wissenschaftler/innen sowie Vertreter/innen der Institutionen und Organisationen, aber auch der Politik und Verwaltung zusammen, um über Gegenwart und Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit nach-

zudenken und zu diskutieren. In Vorträgen, Streitgesprächen, Podiumsdiskussionen, Workshops und Projektpräsentationen werden sowohl die Praxis der Kinder- und Jugendarbeit als auch fachtheoretische Debatten ihren Raum finden. Themen sind unter anderem: Diversität und Inklusion, Digitalisierung, Jugendarbeit in der Migrationsgesellschaft, Freiwilliges Engagement und Hauptberuflichkeit. Kontakt: www.fachkongress-jugendarbeit.de/wordpress FACHTAGUNG: „KINDER: MACHT: THEATER“ VOM 12. BIS 15. OKTOBER 2016 IN LEIPZIG Begleitend zum siebten Deutschen Kinder-Theater-Fest veranstaltet die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Spiel & Theater die Fachtagung „Kinder: Macht: Theater“, die sich kritisch mit den vielschichtigen Machtfragen in der Theaterarbeit mit Kindern beschäftigt. Fest und Fachtagung sind konzeptionell eng verwoben – gemeinsam dienen sie der qualitativen und methodischen Fortentwicklung des Theaters der Kinder als Kunstform, die Teilhabe ermöglicht. Kontakt: www.kinder-theater-fest.de/die-fachtagung FACHKONGRESS UND -MESSE: „22 MIO. JUNGE CHANCEN – GEMEINSAM.GESELLSCHAFT.GERECHT.GESTALTEN.“ VOM 28. BIS 30. MÄRZ 2017 IN DÜSSELDORF Zum 16. Deutscher Kinder- und Jugendhilfetag finden sich Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe im März 2017 zusammen und diskutieren aktuelle Themen und Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland und Europa. Die BKJ und ihre Mitglieder sind auch in diesem Jahr wieder auf der Fachmesse vertreten. In Zusammenarbeit mit dem bjke und der BAG Spielmobile findet zudem ein Fachforum zum Thema Kulturelle Bildung und Geflüchtete statt. Kontakt: www.jugendhilfetag.de


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IMPRESSUM Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung (BKJ) e. V . Küppelstein 34, 42857 Remscheid, Fon 02191.79 43 90, Fax 02191.79 43 89 info@bkj.de, www.bkj.de Greifswalder Straße 4, 10405 Berlin, Fon 030.48 48 60-0, Fax 030.48 48 60-70, berlin@bkj.de V.i.S.d.P.: Prof. Dr. Gerd Taube Redaktion: Laura Mattick; Kirsten Witt; Helga Bergers, Redaktionsdepot Autorinnen und Autoren dieser Ausgabe: Jörg-Thomas Alvermann; Odile Bourgeois; Johannes Braun; Doris Breitmoser; Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung; Anna Eitzeroth; Prof. Dr. Max Fuchs; Maila von Haussen; Alexandra Haußmann; Christian Helbig; Olaf Herzog; „I can be your translator“; Prof. Dr. Heiner Keupp; Thomas Krüger; Ann Luise Kynast; Matthias Laurisch; Renato Liermann; Clara Antonie Ludwig; Prof. Dr. Birgit Mandel; Kirsten Mengewein; Laura Mattick; Stefan Melulis; Univ.-Prof. Dr. Irmgard Merkt; Raphaela Müller; Dirk Neugebauer; Monika Nordhausen; Prof. Dr. Roland Roth; Christoph Schaller; Anja Schütze; Helmut Seidenbusch; Jan Siebenbrock; Nina Stoffers; Prof. Dr. Angela Tillmann; Prof. Dr. Gerd Taube Fotografie: Cover: Julia Schreier; S. 5: Tasifan; S. 6: Sozialzentrum Bode; S. 8: Andi Weiland; S. 9: Seleneos/photocase.com; Florian P. Fischer; wundersam anders e .V.; Marion Musch (MaMuK); S. 10: Schule der Künste; S. 13: Maurizio Onano; S. 14, 15: Münchner Stadtbibliothek; S. 17: Tasifan; S. 18, 19: Bastian Bochinski; S. 20, 21: Christoph Schaller; S. 23: Jörg-Thomas Alvermann; S. 25: Monika Nordhausen; S. 27: Buddenbrookhaus, Ann Luise Kynast; S. 28: Theater Bremen, Joerg Landsberg; S. 29: Hessisches Landestheater Marburg, Laurenz Raschke; S. 30: Jose Poblete; Matthias Knoch; Matthias Knoch; S. 31: Matthias Knoch; S. 32, 33: shutterstock.com/basel101658; S. 32: Andi Weiland; S. 34: FSJ-Kultur, Einsatzfeld Zirkus, von Clar, Jens Draser-Schieb; S. 35: FSJ-Kultur, Einsatzfeld Medienzentrum, von Clar, Jens Draser-Schieb; S. 36, 37: Maurizio Onano; S. 38, 39, 40: Andi Weiland; S. 42: Sozialzentrum Bode; Maya Hässig; Rampenlichter – Festivalatmosphaere, Alexander Wenzlik; Rampenlichter 2015 – Brandmale, Alexander Wenzlik; LKJ Sachsen e. V.; S. 43: FSJ-Kultur, Einsatzfeld Theater-AG, von Clar, Jens Draser-Schieb; S. 45: Music Office Hagen, eSw; S. 46: X-Vision Ruhr; S. 47: Seleneos/photocase.de; S. 48: Maya Hässig; Schule der Künste; LKJ Sachsen e. V.; S. 49: LKJ Sachsen e. V.; S. 51: Maya Hässig; S. 52, 53: shutterstock.com/loskutnikov; S. 53: Tasifan; shutterstock.com/ Anna-Mari West; S. 55: Reyes Blanch, https://creativecommons.org/licenses/by/2.0; S. 56: Deutsche Bläserjugend; Michael Bause; Christoph Seelbach; Deutsche Bläserjugend; S: 57: Deutsche Bläserjugend; S. 58: Maya Hässig; photocase.com; Deutsche Bläserjugend; Christoph Seelbach; S. 59: Caroline Schreer; S. 60, 61: Maya Hässig; S. 62: Andi Weiland Gestaltung: Maya Hässig, Köln Druck: Druckhaus Süd, Köln Bankverbindung: Sparkasse Remscheid, IBAN: DE96 3405 0000 0000 0030 46 ISSN: 1866-8178 10. Jg., Heft 14-2016 Copyright 2016 für alle gestalteten Beiträge und Entwürfe sowie der gesamten grafischen Gestaltung liegt bei der Bundesvereinigung Kulturelle Kinder- und Jugendbildung e. V. (BKJ). Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck, Aufnahme in Online-Dienste und Internet, Vervielfältigung auf Datenträger wie CD-ROM etc., auch auszugsweise, nur nach vorheriger schriftlicher Zustimmung der Herausgeberin. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht in jedem Fall die Meinung der Redaktion wieder. Die Redaktion behält sich Kürzungen eingereichter Beiträge vor. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Gerichtsstand ist Remscheid. gefördert vom:


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Kulturelle Bildung

WIE DU MICH BEWEGST Ein Film von Jugendlichen über Kulturelle Bildung Sechs junge Frauen unterwegs in Deutschland. Sie drehen einen Dokumentarfilm über andere Jugendliche, die tanzen, Theater spielen, Musik machen, ein Festival organisieren. Ein Film über eine Suche, berührende Begegnungen und verrückte Ideen. Ein Film, der aus dem Blickwinkel der jungen Filmemacherinnen das wahre Leben hinter dem abstrakten Begriff der Kulturellen Bildung zeigt.

WIE DU MICH BEWEGST INFO Programm gemäß § 14 JuSchG

Trailer: https://vimeo.com/bkj DVD erhältlich bei: www.bkj.de / www.jfc.de Ein „Participatory Video“-Projekt von:

Gefördert von:

Ein Film von

Jugendlichen über Kulturel le Bildung


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