steirischer herbst ’18: Programm für Schulen

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Steirischer herbst’18 ulen h c S r ü f m m Progra s, p o h s k r o W , n Produktione e g n ä g r e i z a p S 1

20.9.–14.10.18


Einleitung & Editorial Offene Fragen sind doch etwas Wunderbares! Sie sind Beweis für Interesse, Ausgangspunkt für Diskussionen und Grundlage dafür, Neues zu entdecken und zu erlernen... und natürlich gar nie dumm. Und trotzdem kennen Sie doch sicher diese seltsame Scheu, Fragen offen zu formulieren und damit einzugestehen, dass man sich zumindest scheinbar „gar nicht auskennt“. Als Lehrer*in sind Sie damit wohl gleich doppelt betroffen: als Lehrer*in, der/die doch alles wissen und kennen sollte und andererseits vonseiten der Schüler*innen, die Ihre Fragen beantworten können müssen.

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Als Vermittlungsteam des steirischen herbst fürchten wir uns nicht davor, manchmal vielleicht keine allerletzten Antworten zu finden. Vielmehr sehen wir gerade Fragen als zentrale Ausgangspunkte, um uns Kunst aus möglichst verschiedenen Blickwinkeln anzunähern. Um Ihnen als Lehrer*in den Arbeitsalltag zu erleichtern, haben wir Ihnen ab Seite 4 eine Auswahl der Produktionen des heurigen Volksfronten-Parcours der neuen Intendantin Ekaterina Degot vorbereitet, die besonders viel Potenzial für offene Fragen für Sie und Ihre Schüler*innen bietet. Ebenfalls haben wir mit dem Verein Zum Laserkeks sowie Isabell Toccafondi und Vanessa Kröll zwei Werkstätten entwickelt, die diese Arbeiten auf einer praktischen und lustvollen Ebene erfahrbar machen. Sollte der Weg nach Graz mit Ihren Schüler*innen nicht so einfach zu machen sein, keine Sorge: Wir kommen Ihnen entgegen. Zumindest bis zu Ihrem nächsten Diesel-Kino, in dem wir ausgewählte Filme unserer Künstler*innen zeigen und mit Ihnen diskutieren werden. Noch Fragen? Kommen Sie doch mit Ihren Schüler*innen und uns ins Gespräch über zeitgenössische Kunst und Politik, Literatur und Geschichte. Verraten Sie uns Ihre brennendsten Fragen und Unklarheiten. Wo sehen Sie die Notwendigkeit für Austausch und Diskussion? Die bereits formulierten 100 offenen Fragen zu den künstlerischen Positionen des heurigen Festivals, die es auch als Quartett zu kaufen gibt, können nie genug sein! Wir freuen uns über Ihren Besuch!

Touren en g a r F n e n e ff Büro der O BESONDERS EMPFEHLENSWERT FÜR DIE FÄCHER: Bildnerische Erziehung, Deutsch, Englisch, Ethik, Geografie und Wirtschaftskunde, Geschichte und Sozialkunde, Religion, Technisches und textiles Werken Fragen stellen und diskutieren können Sie nicht nur in unserem Büro der Offenen Fragen. Unsere Touren ermöglichen Ihnen, den vielfältigen Parcours des Festivals in vertiefender Weise und bei Bedarf auch gleich in neun Sprachen zu entdecken.

Im Fokus

nehmen wir uns jeweils eine Stunde ausführlich Zeit, um eine künstlerische Position genau zu betrachten und mit E×pert*innen zu diskutieren.

Buchbar für jede künstlerische Position, Dauer: 1 UE

Allianzen

verbinden mehrere Orte des Ausstellungsparcours einschließlich anregender Hintergrundgespräche mit Kunstschaffenden oder Mitgliedern des kuratorischen Teams.

Buchbar für jeweils fünf künstlerische Positionen, Dauer: 5 UE Kosten für Schulklassen ohne Festival-Pässe 2 Euro pro Schüler*in. Buchungen sind unter education@steirischerherbst.at bzw. m +43 664 24 500 89 sowie im Besucher*innen- und Pressezentrum möglich.

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stallation ave (2018), In W g in d n ta S The Tor Am Eisernen

In Österreich wurden und werden Faschismus und Moderne oft noch als antagonistische Kräfte dargestellt, was vor allem auf dem Feld der Architektur gilt. Historisch betrachtet lassen sich jedoch viele Mischformen zwischen Moderne und Faschismus nachweisen, vor allem in Italien, wo die modernistische Architektur eine wesentliche Rolle bei der Verkörperung und Vermittlung faschistischer Ideale spielte. Rossella Biscotti und Kevin van Braak heben mit ihrem Beitrag zum steirischen herbst diese in Österreich bis heute nicht anerkannte Hybridität hervor. Ihr Projekt erinnert an die formale und architektonische Sprache der Colonie Marine, Badeorte, die in den 1920er- bis 30er-Jahren in großer Zahl an den Küsten Italiens errichtet wurden, um mittellosen Kindern und Jugendlichen aus armen Regionen einen Urlaubsaufenthalt zu ermöglichen und sie gleichzeitig ideologisch zu erziehen.

el Hieslmair

nel & Micha ichael Zinga

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tion (2018), Installa g u sfl u la u h c S fer-Platz Andreas-Ho

ÖNB/Wien, FO600004/08

© Rossella Biscotti & Kevin van Braak

otti & Rossella Bisc ak Kevin van Bra

Schulausflüge sind sanfte Methoden der Indoktrination. Sie konstruieren und unterstreichen lokale, regionale und nationale Identitäten und lassen sich dabei nur selten auf die dunklen Seiten der Geschichte ein. Im Projekt der Künstler und Architekten Michael Zinganel und Michael Hieslmair wird ein adaptierter Anhänger, der am Grazer Busbahnhof abgestellt ist, zur Metapher dafür, welches Gepäck bei einem typischen Schulausflug mitgeführt wird. Darin befindet sich eine Forschungsinstallation, die eine kritische Kartografie eines Ausflugs zum Erzberg zeigt. Den Denkmälern der Modernisierung des Landes wird die düstere Historie der steirischen Industrie gegenübergestellt, die ihre Hochphase während Austrofaschismus und Nationalsozialismus erlebte, in der viele Zwangsarbeiter*innen zum Einsatz kamen und die beinahe ausschließlich militärischen Zwecken diente.

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© Funda Gül Özcan

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ZIP group

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Krokodilstränen sind unverzichtbarer Bestandteil neuer autoritärer Personenkulte weltweit. Diktatoren weinen vor Freude oder Erleichterung und simulieren auf diese Weise menschliche Schwächen. Funda Gül Özcan steigert das Bild des weinenden starken Mannes ins Absurde. Ihre holografische Intervention in der inzwischen leerstehenden Ankara Türkü Bar in Graz imaginiert einen schluchzenden Recep Tayyip Erdoğan, der sich für den Verrat an seinem ehemaligen Verbündeten, dem Religionsführer und Geschäftsmann Fethullah Gülen, entschuldigt. Özcans Hologramm erinnert an jene historische Nacht, in der Erdoğan auf FaceTime auftrat und dazu aufrief, auf die Straße zu gehen und zu verhindern, dass seine angeblichen Widersacher die Macht ergreifen. Es bezieht sich aber auch noch unmittelbarer auf den Einsatz eines riesigen Hologramms, das Erdoğan selbst bei einer Kundgebung in Izmir im Januar 2014 verwendete.

), Installation Aurora (2018 ark hule Steierm Volkshochsc ) h c mer, Da (Arbeiterkam © ZIP group

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Funda Gül Ö

„Tod dem Faschismus, Freiheit für das Volk!“ Diese jugoslawische Partisanenparole aus den 1930er-Jahren ist eine der Inspirationsquellen des neuen Werkes von ZIP group für den steirischen herbst: eine Skulptur auf dem ehemaligen Hotel International. Einer ihrer nach oben gereckten Arme hält einen roten Stern in der Hand, gleich der Aurora-Statue der Sowjetära aus der Heimatstadt der Künstler im südrussischen Krasnodar. Früher stand auf deren Sockel zu lesen: „Tod dem Faschismus, Freiheit für das Volk!“ Die Parole wurde nach der Hinrichtung des Partisanen Stjepan Filipović ikonisch, der unter dem Galgen entschlossen beide Fäuste in die Luft reckte und diese Worte ausrief, als ihm die Nazi-Okkupanten schon die Schlinge um den Hals gelegt hatten. Jeden Abend werden die Augen der Figur und die kämpferischen Worte Filipovićs am Dach der Volkshochschule Steiermark rot aufleuchten, um die Faschisten zu verscheuchen.


n Schulgruppe r fü e tt tä s rk We rkeks in Zum Lase re e V m e d it m

a Yoshinori Niw

Hitler from a

Hauptplatz & erherbst.at www.steirisch

© Yoshinori Niwa

Adolf Withdrawing on & Video 18), Installati 0 (2 e c a p S Private

Vielleicht ist es eine Fotografie, ein offizielles Dokument, ein bestimmtes Buch oder sogar eine komplette Uniform. Was auch immer es ist, man kann es keinem zeigen, denn es geht einher mit von uns gegangenen Angehörigen in der dunkelsten Episode einer noch gar nicht so fernen Vergangenheit. In seiner Arbeit Withdrawing Adolf Hitler from a Private Space spielt Yoshinori Niwa mit dieser kulturellen und rechtlichen Situation der Privatsphäre und Ungewissheit. In einer öffentlichen Kampagne bietet er an, Erinnerungsstücke aus der Zeit des Faschismus und Nationalsozialismus zu entsorgen. Ab 20. September können Sie sich anonym von diesen Objekten trennen, indem sie sie in einen auf dem Grazer Hauptplatz aufgestellten Container werfen. Unter amtlicher Aufsicht und unter Einhaltung der entsprechenden gesetzlichen Vorschriften wird der Inhalt gesammelt und später vernichtet. Zusätzlich trifft Yoshinori Niwa Menschen, die über derlei Relikte in ihrem Besitz sprechen. Als Teil II des Projektes entsteht so eine Sammlung von Videodokumentationen, die auf www.steirischerherbst.at präsentiert wird.

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Milica Tomić

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Forum Stadtp

BESONDERS EMPFEHLENSWERT FÜR DIE FÄCHER: Bildnerische Erziehung, Deutsch, Englisch, Ethik, Geografie und Wirtschaftskunde, Geschichte und Sozialkunde, Religion, Ungarisch, Technisches und textiles Werken 30 künstlerische Positionen, 11 Orte, 10 Schrauben, 4 Bretter und 1 Festival: Dieser Workshop ist mehr als die Summe seiner Teile. Um das hautnah zu erfahren, müssen die Schüler*innen auch gleich selbst Hand anlegen, einen „herbsthocker“ bauen und zu einem treuen Begleiter umarbeiten. Dann kann es auch schon losgehen mit dem Flanieren und dem Erkunden der Orte und Positionen des Volksfronten-Parcours im öffentlichen Raum. Darunter sind die Arbeiten von Rossella Biscotti & Kevin van Braak, Yoshinori Niwa, ZIP group sowie Michael Zinganel & Michael Hieslmair. Das Wandern ist der Flanierenden Lust!

Ort: Volkshaus Graz und Grazer Stadtraum

© Milica Tomić

ge. in becoming a Trowel’s Ed n o g in it ib h nz Memorial × e E fl A f o s e ss ve proce d investigati Research an tion (2018), Installa

Schweigen ist Silber, Reden ist Holz

Konzentrationslager wie Auschwitz oder Mauthausen sind berühmte Gedenkstätten. Über die Verbrechen, die während des Zweiten Weltkrieges innerhalb des Netzwerks von Zwangsarbeits-und Außenlagern der Nazis begangen wurden, wird hingegen weniger berichtet. Ein solches Lager, das sich im südsteirischen Aflenz an der Sulm befand, steht im Mittelpunkt eines laufenden Forschungsprojekts der Künstlerin Milica Tomić. Gemeinsam mit regulären Arbeiter*innen produzierten dort Häftlinge aus Mauthausen und Zwangsarbeiter*innen Flugzeugteile. Vom Lager sind heute nur noch wenige Reste geblieben. In Anlehnung an die forensische Archäologie sucht Tomić für diesen (Nicht-)Ort nach einer Gedenksprache jenseits der offiziellen Mahnmalästhetik. Die räumliche Versetzung von Aflenz als Nicht-Denkmal wird mit einem zeitlichen Schnitt konfrontiert, der auf ihrer Forschung zum dynamischen Verhältnis zwischen der Stadt Graz und dem jenseits seiner Außenbezirke befindlichen Nebenlager beruht und den Hintergrund von Krieg, Arbeit und kapitalistischer Produktionsweise beleuchtet.

Dauer: 4 Unterrichtseinheiten Teilnehmer*innenzahl: Klassengröße Termin frei wählbar nach Verfügbarkeit während der gesamten Laufzeit des Festivals von Mo–Fr, 9:00–17:00 3 Euro ohne Festivalpass education@steirischerherbst.at m +43 664 24 500 89

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on 3–), Installati Triester (200 riten bei den Mino Kulturzentrum

© Martin Behr & Martin Osterider

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Die Triestersiedlung steht im Zentrum eines langfristig angelegten Fotoprojekts der Grazer Künstler Martin Behr und Martin Osterider, die beide in diesem angeblich „härteren“ Stadtteil aufgewachsen sind, der zugleich eines der seltenen Beispiele für die Architektur des „Roten Graz“ darstellt. Regelmäßig gehen sie die Wege ab, die sie aus ihren Kindertagen kennen und fotografieren dabei die Siedlung mit ihren heutigen Bewohner*innen, die sich ebenso aus Migrant*innen wie aus österreichischen Anhänger*innen der rechtspopulistischen FPÖ zusammensetzen. Der Blick ihrer fotografischen Arbeiten kehrt immer wieder an den selben Ort zurück. Anstatt nach dem einen authentischen Bild der Umgebung zu suchen, wenden sich die Künstler Details zu, die die verborgenen Kämpfe, die Trauer und die Idyllen, die fehl am Platz zu sein scheinen, enthüllen. Was hier in Erscheinung tritt, ist gespaltene Landschaft, die von ästhetischen und ökonomischen Frontlinien durchkreuzt wird. Sie sind es, die nun die offensichtlichen architektonischen und städtebaulichen Potenziale einer Gemeinschaft überschreiben, die noch ihrer Verwirklichung harrt.

ski in Zusam kozek hörlon r Martinz mit Alexande

) invited (2017 wände I – Un in e L e h c is n Dämo l (2018) de II – Arriva n ä w in e L e h Dämonisc n und Filme Installatione riten bei den Mino Kulturzentrum

© kozek hörlonski & Alexander Martinz

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Alle großen Horrorgeschichten beginnen zu Hause und mitten im Herzen des Landes. Doch hat das 20. Jahrhundert die Vorstellung von Heimat mit einem widerlichen Makel befleckt, sodass ihre Bildwelt Unbehagen, wenn nicht gar Entsetzen auslöst. Eine solche Erkenntnis stellt für das Wiener Künstlerduo kozek hörlonski die Grundlage für ihr laufendes Projekt Dämonische Leinwände dar, dessen zweite und neueste Ausprägung sie gemeinsam mit dem Komponisten und Medienkünstler Alexander Martinz für den steirischen herbst realisieren. In Fortsetzung ihres umfassenden Interesses an historisch belasteten und oft in der Tat beunruhigenden Elementen populärer Mythen und Volkskultur legen ihre kurzen ortsspezifischen Filme etwas vor, das man am besten mit „Heimat-Horror“ beschreiben könnte. Die Künstler nehmen die Zuschauer*innen mit auf eine filmische Reise, hinein in die Fetischlandschaften des Heimatfilms der Nachkriegszeit, dem Medium für kitschigen, postfaschistischen Wohlfühl-Patriotismus im Kino. Die eindringlich schönen Berghänge und Wahrzeichen treten nun erneut als Schauplätze des Horrors auf.

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Ines Doujak

Victoria Lom

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), Installation eiflung (2018 w rz e V r e d n nomie riten bei den Mino

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© Victoria Lomasko

Kulturzentrum

tion (2018), Installa

© Ines Doujak

Kulturzentrum

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In der Welt von heute ist die Verzweiflung zur Wirtschaftskraft geworden. Ganze Bevölkerungen werden entwurzelt und treten die Flucht an. Auch dem schwächsten Hoffnungsschimmer folgend fliehen sie, nur um sich dann gleich wieder der schlimmsten Not ausgeliefert zu sehen: verstoßen und abgeschoben, verkauft, missbraucht oder für immer gebrandmarkt werden diese Menschen als extrem billige und frei verfügbare Ware in Umlauf gebracht. In eine solche Ökonomie der Verzweiflung gewährt Ines Doujak mit ihrem Beitrag zum steirischen herbst Einblick. Ihre barocken Collagen zeigen erschreckend detaillierte Darstellungen von Kindern mit Hautkrankheiten aus medizinischen Lehrbüchern des 19. Jahrhunderts. Kaum erträgt man diese entstellte Schönheit und wird zugleich umso mehr von ihr in den Bann gezogen. Begleitet werden diese Bilder von Statistiken, die das immense Ausmaß und die abscheuliche Ökonomie quantifizieren, mit der Kinder jeden Alters dem Menschenhandel, Organhandel, der Prostitution und totalen Sklaverei ausgesetzt werden.

Auch wenn die regierenden Mächte sich geschickt dabei anstellen, den Anschein aufrechtzuhalten, sie genössen monolithische Unterstützung, bleibt „das Volk“ doch eine diverse und gespaltene menschliche Landschaft; meist besitzt es keine Stimme und ist den Kontrollmechanismen der Herrschenden ausgeliefert. Nirgendwo erkennt man das deutlicher als in Russland, betrachtet man die Lage dort aus der Sicht von Victoria Lomasko. Ihre Zeichnungen und an Comics erinnernden Texte, die wie auf die ganze Gesellschaft ausgeweitete Skizzen aus dem Gerichtssaal anmuten, bieten ergreifende Alltagsszenen mit Charakteren sehr unterschiedlicher Segmente einer sich wandelnden Gesellschaft – was sie verbindet, ist, dass sie allesamt keine politische Stimme besitzen. In dieser für den steirischen herbst in Auftrag gegebenen Installation setzt Lomasko diese unsichtbaren und entmächtigten Menschen in einen Rahmen, der im Stile einer postsowjetischen Religiosität funktioniert, deren früheste Darstellungen an sozialistische Kulturpaläste erinnern.


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Ekaterina Mu Kulturzentrum

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bei den Mino

© Ekaterina Muromtseva

try (2017), Film

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Überall auf der Welt schreiben Regierungen Geschichte neu, um diese für ihre eigenen Zwecke zu adaptieren. Doch die Geschichte hat sich bereits unauslöschlich in kollektive Vorstellungsbilder eingeprägt, die eine Alternative zu den neuen offiziellen Mythen bilden. Das hartnäckig Imaginäre der Vergangenheit steht im Zentrum des Kurzfilms der in Moskau lebenden Künstlerin und Filmemacherin Ekaterina Muromtseva. Sie widmet sich darin den Erinnerungen an die Sowjetunion, die sowohl als „gescheiterter Staat“ verunglimpft als auch im letzten Jahrzehnt in Putins Russland als verlorenes Imperium verherrlicht wurde. Muromtseva, die selbst zur ersten Generation gehört, die fast keine gelebte Erinnerung an die UdSSR mehr hat, zapft durch ihre jüngeren Zeitgenossen das kollektive Unbewusste an: ihre Quelle sind Schulaufsätze von zehn bis zwölfjährigen Kindern, die die Sowjetunion beschreiben sollen und dabei Geschichten erzählen, die sie selbst unmöglich hätten erfinden können.

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alay

), Installation Heimat (2018 riten bei den Mino Kulturzentrum

© Christoph Szalay

Christoph Sz

Home is where the heart is. So klingt sie, die absurd banale Grundaussage vieler kunstreich vorgetragener Lobgesänge auf den Begriff Heimat: sentimentale Kindheitserinnerungen aus einem unvergleichlichen Hinterhof, zusammengesetzt und aufgebaut in einer Sprache, die offensichtlich ist und zugleich ihrer Dekonstruktion gegenüber gleichgültig bleibt. In seinem Zyklus Heimat setzt der Dichter Christoph Szalay dieser Unanfechtbarkeit des Alltäglichen die Hassliebe des Dichters entgegen, der in einer Sprache zu Hause ist, deren notwendigerweise kosmopolitische Grenzen sich beständig verschieben. Seine visuelle Poesie, die während des steirischen herbst ausgestellt wird, zeigt einen Vergleich im Nebeneinander, was ein wenig an die Vergleichsstudien erinnert, wie sie für die Wiener Schule der Kunstgeschichte im frühen 20. Jahrhundert typisch waren.

chulgruppen S r fü e tt tä s Werk ccafondi und mit Isabel To ll Vanessa Krö

Frottage – Grattage – Bricolage – Kratzen an der Oberfläche BESONDERS EMPFEHLENSWERT FÜR DIE FÄCHER: Bildnerische Erziehung, Deutsch, Englisch, Ethik, Geografie und Wirtschaftskunde, Geschichte und Sozialkunde, Religion, Russisch, Technisches und Textiles Werken Weiß ist die Unschuld, schwarz der Tod, ausländer*innenfeindliche Parolen gehören an den Stammtisch und Slimfit Hemden auf die deutsche Trainerbank. Oder doch in die Spitzenpolitik? Aneignung und Überschreibung von Codes, Ritualen und ja, auch politischen Inhalten sind keinesfalls Erfindungen unserer Zeit. In diesem Workshop wollen wir mit handwerklichen Methoden, die das Aneignen von Alltagsgegenständen, Ikonen und Parolen als künstlerisches Prinzip verfolgen, arbeiten. Und damit jene Schichten freilegen, die unter der alles dominierenden Oberfläch(e)lichkeit unserer Gesellschaft liegen. Als Dreh- und Angelpunkt dienen uns dafür die Arbeiten des VolksfrontenParcours im Kulturzentrum der Minoriten von Ines Doujak, Victoria Lomasko, Ekaterina Muromtseva, kozek hörlonski sowie Martin Behr & Martin Osterider.

Ort: Kulturzentrum bei den Minoriten und styriarte.STUDIO Dauer: 4 Unterrichtseinheiten Teilnehmer*innenzahl: Klassengröße Termin frei wählbar nach Verfügbarkeit während der gesamten Laufzeit des Festivals von Mo–Fr, 9:00–17:00 3 Euro ohne Festivalpass education@steirischerherbst.at m +43 664 24 500 89

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Michiel Vand

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), Perform – Book I (2018

© Michiel Vandevelde

tra Orpheum E× .9., 19:00 24 ., .9 3 2 ., 22.9

„Dieser Kerl im Gefängnis hat eine andere Art von Epos geschrieben. Der zettelt etwas an“, schreibt der Dichter Nâzım Hikmet aus einer türkischen Gefängniszelle. Er reflektiert damit ironisch und doch scharf sein eigenes episches Meisterwerk: Menschenlandschaften. In einer neuen, für den steirischen herbst entwickelten Performance wendet sich der in Brüssel lebende Choreograf, Künstler und Kurator Michiel Vandevelde der dissidenten literarischen und politischen Figur des visionären modernistischen Dichters Hikmet zu und inszeniert Buch I der Menschenlandschaften – eine markant direkte und rückhaltlos ehrliche Darstellung der Türkei Mitte des 20. Jahrhunderts, die viele als „Gesellschaftsgeschichte in Versform“ betrachten.

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Harskamp

t Sprache Mein Name is

ität Graz,

s-Univers Karl-Franzen Heizhaus

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(2018), Perfo

© Nicoline van Harskamp

Nicoline van

Wenn Namen Kulturgrenzen überschreiten, können sie jede Menge Schaden nehmen. Falsch ausgesprochen, entstellt, ja sogar vollständig durch etwas ersetzt, entwickeln sie ein Eigenleben. Das ist die Geschichte, welche die neue performative Arbeit Nicoline van Harskamp erzählt. Die Künstlerin inszeniert eine Storytelling-Sitzung, bei der verschiedene Anekdoten zur Namensgebung geschildert werden. Diese Anekdoten sind die Verdichtung realer und fiktiver Erzählungen, die durch ausgedehnte Recherchen und Gespräche mit Migrant*innen in Graz und anderswo über das Schicksal ihrer Namen gesammelt wurden. Im Verlauf der Performance wird deutlich, dass Eigennamen nicht immer an ihre Besitzer*innen gebunden sind. Sie leben vielmehr unabhängig von diesen fort – als zu speichernde Daten, Identitätsmerkmale, Markenzeichen und Überwachungsinstrumente, für die in erster Linie ihr Standort von Bedeutung ist.

ramm Ein Filmprog Kooperation in n le u h c S r fü o mit Diesel Kin

Festivalfilme auf Steiermarktour

BESONDERS EMPFEHLENSWERT FÜR DIE FÄCHER: Bildnerische Erziehung, Deutsch, Englisch, Ethik, Geografie und Wirtschaftskunde, Geschichte und Sozialkunde, Religion, Russisch, Ungarisch, Technisches und textiles Werken Mit einer speziellen Auswahl von Filmen der Künstler*innen des VolksfrontenParcours gehen wir im Oktober 2018 auf Steiermarktour. In moderierten Schulvorstellungen in allen steirischen Dieselkinos zeigen wir filmische Arbeiten, die unsere Popcorn-Kino geprägten Sehgewohnheiten auf die Probe stellen. Surrealistische Blickwinkel auf unsere Welt und außergewöhnliche Kombinationen der stilistischen Mittel und Themen provozieren Fragen, denen wir zusammen mit ausgewählten Gesprächsgästen wie der russischen Filmemacherin Ekaterina Muromtseva nachgehen werden. Mit Filmen der Künstler*innen Igor & Ivan Buharov, Vasile Croat, kozek hörlonski, Ekaterina Muromtseva und Milica Tomić.

1.10., Dieselkino Fohnsdorf 2.10., Dieselkino Gleisdorf 3.10., Dieselkino Kapfenberg 4.10., Dieselkino Lieboch 5.10., Dieselkino Leibnitz 1.10.–5.10.18, jeweils um 8:30 und 11:00, Dauer: 2 Unterrichtseinheiten Ticket: 3 Euro Anmeldungen zu den Filmscreenings sind per Email möglich unter education@steirischerherbst.at oder telefonisch unter m +43 664 24 500 89.

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Infos & Adre

Volksfronten, das Kernprogramm des diesjährigen Festivals, kann mit einem Festival-Pass besucht werden. Der Festival-Pass ist sowohl online unter www. steirischerherbst.at, im Besucher*innen- und Pressezentrum als auch an sämtlichen oeticket–Vorverkaufsstellen und im Ticketzentrum erhältlich. Der FestivalPass ermöglicht Ihnen außerdem ermäßigten Eintritt zu Veranstaltungen des musikprotokoll sowie des Begleitprogramms des steirischen herbst. Der Festival-Pass ist nicht übertragbar und nur in Kombination mit einem gültigen Lichtbildausweis gültig. Die Reservierungen sind nur in Kombination mit Ihrem Festival-Pass möglich. Da die Kapazität einiger Spielorte von performativen Projekten limitiert ist, empfehlen wir Ihnen, einen Sitzplatz zu reservieren. Dies ist mit Ihrem Festival-Pass gegen eine Reservierungsgebühr von je 2 Euro unter www. steirischerherbst.at/tickets sowie im Besucher*innen- und Pressezentrum möglich, solange Karten verfügbar sind. Für die performativen Projekte des Volksfronten-Programms sind Einzelkarten (15/11 Euro) erhältlich. Schulklassen können außerdem Touren und Workshops ohne den Festival-Pass besuchen.

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Büro der Offenen Fragen sowie Besucher*innen- und Pressezentrum

Am Eisernen Tor, 8010 Graz

Öffentlicher Raum → Rossella Biscotti & Kevin van Braak

Andreas-Hofer-Platz, 8010 Graz

Öffentlicher Raum → Michael Zinganel & Michael Hieslmair

Büro der Offenen Fragen sowie Besucher*innen- und Pressezentrum Volksgartenstraße 4–6, 8020 Graz

Ehemalige Ankara Türkü Bar Griesgasse 22, 8020 Graz → Funda Gül Özcan

Forum Stadtpark

Stadtpark 1, 8010 Graz → Milica Tomić

Hauptplatz, 8010 Graz Öffentlicher Raum → Yoshinori Niwa

20.9.–14.10, 14:00–21:00 außer Mo 1.10., Di 2.10., Mo 8.10., Di 9.10., 14:00–19:00

Karl-Franzens-Universität Graz, Heizhaus

Festival-Pass

Universitätsstraße 2–4, 8010 Graz → 27.9. & 28.9. Nicoline van Harskamp

20.9.–14.10. 29/23 Euro 1.10.–14.10. 21/15 Euro

Kulturzentrum bei den Minoriten

Touren für Schulklassen ohne Festival-Pass 2 Euro

Mariahilferplatz 3, 8020 Graz → Ines Doujak, kozek hörlonski in Zusammenarbeit mit Alexander Martinz, Victoria Lomasko, Ekaterina Muromtseva, Martin Behr & Martin Osterider, Christoph Szalay

Filmtickets 3 Euro

Orpheum/Orpheum E×tra

Werkstätten ohne Festival-Pass 3 Euro

Öffnungszeiten der Volksfronten Veranstaltungsorte 21.9.–22.9. 11:00–22:00

23.9.–30.9. So–Do 14:00–21:00, Fr–Sa 14:00–22:00

Impressum: Herausgeber: steirischer herbst Festival gmbh Leitung: Markus Boxler & Elke Murlasits Grafk: Augenhaptik/Ulla Klopf

3.10.–14.10. Mi, Do, So 14:00–21:00, Fr–Sa 14:00–22:00

Orpheumgasse 8, 8020 Graz → 22.9., 23.9., 24.9. Michiel Vandevelde

Volkshochschule Steiermark (Arbeiterkammer) Hans-Resel-Gasse 6, 8020 Graz, Dach/roof, kein direkter Zugang → ZIP group

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