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PORTRÄT Antje Brunotte
Gespräche über Gott und die Welt
Die Pfarrerin der Kirchengemeinde Düsseldorf-Mitte hat sich bereits nach dem Abitur im Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf mit der Bedeutung des Dialogs auseinandergesetzt – und glaubt heute noch an die Kraft von Geschichten und Austausch.
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Antje Brunotte hat die Neanderkirche an der Bolkerstraße bereits aufgeschlossen und unterhält sich mit einer Schülergruppe, die die Gelegenheit ergriffen hat, sich darin umzuschauen. Im schlichten reformierten Gotteshaus dominiert die Kanzel, die Antje Brunotte auch nutzt, denn: „Wenn etwas da ist, soll man es auch verwenden.“ Außerdem könne sie von dort besser in die Gesichter der Besucher sehen. „Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass ich mich über andere erheben möchte. Bei Kinder- oder Familiengottesdiensten bleibe ich allerdings unten am Abendmahlstisch.“ Dann erzählt sie mir die Geschichte von Joachim Neander (*1650), dem Pastor und Kirchenmusiker, nach dem die Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts benannt wurde. Und eben auch der Neandertaler, allerdings über Umwege – Neander wanderte gern ins „Gesteins“, weswegen dieses Tal bei Erkrath später seinen Namen trug. Und weil man dort etwa 200 Jahre nach seiner Geburt im Zuge des Kalkabbaus auf uralte menschliche Knochen stieß, sind unsere Vorfahren nun als „Neandertaler“ bekannt. Die offene Kirchtür mitten in der Altstadt zieht Besucher an, und Antje Brunotte beschließt, dass wir besser in einen Nebenraum umziehen, denn es sind schon wieder zwei Frauen hereingekommen und suchen die barocke Uhr. Die ist schwer zu entdecken: Sie hängt in der Mitte der rechten Längswand und ist am besten zu sehen, wenn man neben der Kanzel steht. Wir gehen also in einen gemütlichen kleinen Raum im Gemeindezentrum und unterhalten uns dort ungestört buchstäblich über Gott und die Welt. Antje Brunotte erzählt von ihrer ersten Pfarrstelle in der Schweiz, wo sie als Arbeitsmigrantin und Fremde gesehen wurde. „Ich möchte das in keiner Weise gleichsetzen mit Migration heute, aber für mich war das eine wichtige Erfahrung – von außen auf Dinge zu blicken.“ Antje Brunotte ist eine aufmerksame, achtsame und erfahrene Gesprächspartnerin, die ihre Worte sorgfältig abwägt. Auf die Frage „Was ist für Sie eine Herausforderung?“ etwa antwortet sie zum Beispiel nicht konkret, sondern allgemein und doch sehr präzise: „Zunächst einmal etwas Gutes.“ Nach einer Tasse Kaffee begegnet sie Herausforderungen am liebsten gemeinsam mit anderen, im Dialog. „Und man darf Herausforderungen auch abgeben, wenn sie allein nicht zu bewältigen sind. An andere. Oder an Gott.“ Es stellt sich heraus, dass in dieser Antwort ganz viel von Antje Brunotte steckt. Der Dialog, das Gespräch mit anderen, die Geschichten der Menschen, auch die Geschichten der Bibel („Die Bibel ist ein unglaublicher Schatz. Texte, die man zu kennen glaubt, werden je nach Kontext und Situation immer wieder neu!“) haben sie dazu bewogen, Pfarrerin zu werden. Glaube und Gottvertrauen sind für sie keine Eigenschaften, die man hat oder eben nicht, sondern etwas, das man üben kann. Auch in der Familie, in der Gott zur Sprache kommen sollte. „Kinder haben ein Recht auf Religion“, findet sie. „Eltern haben ja ihre eigene Geschichte mit der Kirche und mit Gott, dessen sollten sie sich bewusst sein. Und sich gemeinsam mit den Kindern auf den Weg machen, den großen Fragen nach Leben und Tod und Sinn nachzugehen. Wenn man dann einmal nicht mehr weiter weiß und zum Beispiel nach dem Tod eines lieben Menschen eigentlich auch keine Antworten auf die Fragen seines Kindes hat, sollte man meiner Meinung nach ehrlich sein und sagen: Ich weiß es auch nicht. Was meinst du?“ Dazu gebe es fantastische Kinderbücher – und eben Menschen wie sie. „Eltern können gern zu uns kommen. Dafür sind wir da!“ Eine konkrete Herausforderung scheint für sie meine Bitte nach einem Kritzelbild zu sein. Und was macht Frau Brunotte, noch dazu ganz ohne Kaffee? Erst überlegt sie, ob sie später, in Ruhe … Doch dann nimmt sie sich entschlossen ein Kärtchen, greift sich auch noch einen der Flyer, die auf dem Tisch liegen, und zeichnet „ihre“ Kirche ab. Vergleicht noch schnell, ob sie die Anzahl der Fenster richtig erwischt hat, und zack, fertig!
Text: Pia Arras-Pretzler Foto: Andreas Endermann