IM PORTRÄT
Gespräche über Gott und die Welt Die Pfarrerin der Kirchengemeinde Düsseldorf-Mitte hat sich bereits nach dem Abitur im Ökumenischen Rat der Kirchen in Genf mit der Bedeutung des Dialogs auseinandergesetzt – und glaubt heute noch an die Kraft von Geschichten und Austausch. Antje Brunotte hat die Neanderkirche an der Bolkerstra- präzise: „Zunächst einmal etwas Gutes.“ Nach einer Tasse ße bereits aufgeschlossen und unterhält sich mit einer Kaffee begegnet sie Herausforderungen am liebsten geSchülergruppe, die die Gelegenheit ergriffen hat, sich meinsam mit anderen, im Dialog. „Und man darf Herausdarin umzuschauen. Im schlichten reformierten Gottes- forderungen auch abgeben, wenn sie allein nicht zu behaus dominiert die Kanzel, die Antje Brunotte auch nutzt, wältigen sind. An andere. Oder an Gott.“ Es stellt sich denn: „Wenn etwas da ist, soll man es auch verwenheraus, dass in dieser Antwort ganz viel von Antje Brunotte steckt. Der Dialog, den.“ Außerdem könne sie von dort besser in die Gesichter der Besucher sehen. „Das hat überhaupt das Gespräch mit anderen, die Geschichten der Menschen, auch die Genichts damit zu tun, dass ich mich über andere schichten der Bibel („Die Bibel ist ein erheben möchte. Bei Kinder- oder Familiengotunglaublicher Schatz. Texte, die man zu tesdiensten bleibe ich allerdings unten am kennen glaubt, werden je nach Kontext und SiAbendmahlstisch.“ Dann erzählt sie mir die Geschichte von Joachim Neander (*1650), dem tuation immer wieder neu!“) haben sie dazu bewogen, Pfarrerin zu werden. Glaube und Pastor und Kirchenmusiker, nach dem die Gottvertrauen sind für sie keine Eigenschaften, Kirche Anfang des 20. Jahrhunderts bedie man hat oder eben nicht, sondern etwas, nannt wurde. Und eben auch der Neanderdas man üben kann. Auch in der Familie, in der taler, allerdings über Umwege – Neander wanderte gern ins „Gesteins“, weswegen Gott zur Sprache kommen sollte. „Kinder haben ein Recht auf Religion“, findet sie. „Eltern haben dieses Tal bei Erkrath später seinen Namen ja ihre eigene Geschichte mit der Kirche und mit trug. Und weil man dort etwa 200 Jahre nach seiner Geburt im Zuge des Kalkabbaus auf uralte Gott, dessen sollten sie sich bewusst sein. Und sich gemenschliche Knochen stieß, sind unsere Vorfahren nun meinsam mit den Kindern auf den Weg machen, den als „Neandertaler“ bekannt. Die offene Kirchtür mitten in großen Fragen nach Leben und Tod und Sinn nachzugeder Altstadt zieht Besucher an, und Antje Brunotte be- hen. Wenn man dann einmal nicht mehr weiter weiß und schließt, dass wir besser in einen Nebenraum umziehen, zum Beispiel nach dem Tod eines lieben Menschen eidenn es sind schon wieder zwei Frauen hereingekommen gentlich auch keine Antworten auf die Fragen seines und suchen die barocke Uhr. Die ist schwer zu entdecken: Kindes hat, sollte man meiner Meinung nach ehrlich sein Sie hängt in der Mitte der rechten Längswand und ist am und sagen: Ich weiß es auch nicht. Was meinst du?“ Dazu besten zu sehen, wenn man neben der Kanzel steht. Wir gebe es fantastische Kinderbücher – und eben Menschen gehen also in einen gemütlichen kleinen Raum im Ge- wie sie. „Eltern können gern zu uns kommen. Dafür sind meindezentrum und unterhalten uns dort ungestört wir da!“ Eine konkrete Herausforderung scheint für sie buchstäblich über Gott und die Welt. Antje Brunotte er- meine Bitte nach einem Kritzelbild zu sein. Und was zählt von ihrer ersten Pfarrstelle in der Schweiz, wo sie als macht Frau Brunotte, noch dazu ganz ohne Kaffee? Erst Arbeitsmigrantin und Fremde gesehen wurde. „Ich möch- überlegt sie, ob sie später, in Ruhe … Doch dann nimmt te das in keiner Weise gleichsetzen mit Migration heute, sie sich entschlossen ein Kärtchen, greift sich auch noch aber für mich war das eine wichtige Erfahrung – von au- einen der Flyer, die auf dem Tisch liegen, und zeichnet ßen auf Dinge zu blicken.“ Antje Brunotte ist eine auf- „ihre“ Kirche ab. Vergleicht noch schnell, ob sie die Anzahl merksame, achtsame und erfahrene Gesprächspartne- der Fenster richtig erwischt hat, und zack, fertig! rin, die ihre Worte sorgfältig abwägt. Auf die Frage „Was ist für Sie eine Herausforderung?“ etwa antwortet sie zum Text: Pia Arras-Pretzler Beispiel nicht konkret, sondern allgemein und doch sehr Foto: Andreas Endermann
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LIBELLE | Juli/August 2022