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Christoph Pfluger – Unerwartet handeln

Christoph Pfluger

Unerwartet handeln

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Dass es diesmal ernst gemeint war, realisierte ich erst im März. Ich begann sofort zu recherchieren. Dabei stellte ich fest, dass es fast täglich schwieriger wurde, gute Quellen zu finden, da die Mainstream-Medien und die sogenannten Faktenchecker – die fallweise auch nützliche Arbeit leisten – die Suchmaschinen zunehmend dominierten. So begann ich, die Ergebnisse in der Datenbank CoronaUpdate auf der Plattform meiner Zeitschrift Zeitpunkt zu publizieren, damit die Studien und Erfahrungsberichte leichter gefunden werden konnten. Die vielen Zugriffe machten den Zeitpunkt als corona-kritische Quelle bekannt – eine Positionierung, die mir selbst für eine Zeitschrift «für friedliche Umwälzung» zu einseitig schien.

So entstand daraus die Corona-Transition, die ein wohlgesinnter Journalist und Buchautor als Wikipedia der Corona-Kritik bezeichnete. Auf alle Fälle war das Projekt sehr erfolgreich und erhielt so viel an Spenden, dass wir mehrere Journalisten anstellen konnten und damit schliesslich gegen 25‘000 Besucher pro Tag erreichten. Das Ziel: den Weg in eine gerechtere Zukunft ebnen.

Dem Absurden ist natürlich nicht nur mit Realität, nicht nur mit Journalismus zu begegnen. So spielte ich mit Freunden im Frühling zwanzig Folgen lang für Youtube den Berset in seinem Homeoffice. Das machte Spass.

Den Ernst des demokratischen Umbaus erkannte ich, als Bundespräsidentin Sommaruga Mitte April am Schluss einer Medienorientierung ankündigte, der Bundesrat würde die Notverordnungen des Lockdowns als dringliches Bundesgesetz ins Parlament bringen.

Im Frühling spielte ich mit Freunden zwanzig Folgen lang für Youtube den Berset in seinem Homeoffice.

Der Bundesrat war noch immer im Blindflug, die Massnahmen waren noch nicht ausgewertet, aber schon sollten sie Gesetz werden! Ich beschloss, das Referendum zu lancieren. Sogar gute Freunde hielten die Idee für bescheuert. Ja, es ist ziemlich sinnlos, gegen ein dringliches Bundesgesetz das Referendum zu ergreifen: Abgestimmt wird ja erst, wenn es in Kraft getreten ist und die Chancen minimal sind. Aber es war die einzig mögliche politische Antwort. Also musste es sein.

Man traf auf offene Herzen, wohin man ging. Unter meinen besten Freunden ist die Mehrheit neu.

Ende Juni, ein paar Tage nach Beginn der Vernehmlassung, ging die Website notrecht-referendum.ch online und erreichte innert weniger Tage ein paar tau-

send Unterstützer. Vielversprechend. Aber ein Referendum von einer Einzelperson, das geht nicht. Also gründeten wir ein paar Wochen später die «Verfassungsfreunde». Die Idee war, dem Widerstand auf den Plätzen und in den Herzen eine politische Form zu geben, die im weiteren Verlauf der Krise eine Rolle spielen konnte. Denn Widerstand ist nie von Dauer. Wer verändern will, muss konstruktiv handeln, nicht reagieren. Im Widerstand beschränkt man sich auf das Feld des Gegners, ein kapitaler, strategischer Fehler.

Mit dem Namen Freundinnen und Freunde der Verfassung ging es darum zu signalisieren, dass wir Grundsätze haben – die Verfassung – und dass wir loyal sind, nicht nur untereinander, sondern auch gegenüber der Schweiz, der mit Abstand führenden Weltmeisterin der direkten Demokratie.

Der Erfolg des Referendums gegen das Covid-19-Gesetz und gegen das Antiterror-Gesetz – unter schwierigsten Bedingungen – war phänomenal, was sogar von den stets kritischen Massenmedien anerkannt wurde. Dieser Erfolg war vielleicht weniger das Ergebnis einer intelligenten Strategie, einer guten Organisation oder des Einsatzes von Hunderten engagierter Aktivistinnen und Aktivisten. Er verdankt sich eher dem Glück, den Nerv der Zeit getroffen und etwas Verrücktes gewagt zu haben.

Unerwartet zu handeln (aber dabei immer verbindlich und konstruktiv) scheint mir ein wesentliches Element dafür zu sein, in dieser Krisenkaskade die Oberhand zu behalten. Das ist leichter gesagt als getan. Die Lernkurve für uns alle ist steil.

Während Monaten war mein Mantra zur Beschreibung der corona-kritischen Szene: «Man trifft Freunde, die man noch nicht

gekannt hat.» Tatsächlich: Man traf auf offene Herzen, wohin man ging. Unter meinen besten Freunden ist die Mehrheit neu.

Aber es zeigten sich auch Abgründe. Die Veränderung der Wirklichkeit ging so schnell und so heftig vor sich, dass sie auch uns selbst aus der Bahn warf: Wer sind wir eigentlich in diesem ganzen Theater? Eine solche Verunsicherung kann auch aggressive Impulse der Selbstverteidigung aktivieren – mit allen unerfreulichen Folgen.

Ich bin mir noch nicht sicher, ob wir die Kurve kriegen und aus dem Widerstand zu einer konstruktiven Vision gelangen, auf den Weg zu einer gerechten Schweiz, einer gerechten Welt, in der sich der Mensch verwirklichen kann – nicht als Rädchen in einer Maschine, sondern als freies Individuum, als Ebenbild von etwas Ewigem. Ich hoffe einfach, dass wir nicht durch Schaden klug werden müssen.

Christoph Pfluger (geb. 1954) ist Journalist, Buchautor («Das nächste Geld», «Die Strategie der friedlichen Umwälzung») und Verleger der Zeitschrift «Zeitpunkt. Als zehnfacher Grossvater ist Enkeltauglichkeit ein zentraler Wert seiner Arbeit. Er ist Herausgeber der Plattform corona-transition.org und Initiant des Notrecht-Referendums und der Verfassungsfreunde.

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