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Finden wir eine neue Melodie? Markus Stockhausen

«Wenn ich etwas nicht richtig finde, bin ich stur»: Anni Lanz, Trägerin des Prix Courage Lifetime Award. (Foto: Beobachter)

«Ich war oft als Lobbyistin im Bundeshaus und hatte auch die Gelegenheit zu beobachten, wie Gesetze verabschiedet wurden. Ich kann Ihnen sagen, dabei geht es nicht immer professionell zu.» Gesetze, sagt Lanz, können unschlüssig sein oder Lücken aufweisen. Einmal in Kraft getreten, gelten sie aber – auch wenn sie im Widerspruch zu den Menschenrechten stehen.

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Deshalb nimmt Lanz die Sache lieber selbst in die Hand.

Sie hat sich die juristischen Grundlagen selbst erarbeitet und leistet Hilfe, wo der Staat keine Unterstützung bieten kann oder will. Sie hilft Anträge und Beschwerden zu schreiben, stellt Härtefallgesuche, begleitet bei Behördengängen, macht Besuche im Ausschaffungsgefängnis. Hunderte von Rekursen hat sie geschrieben und Dutzende von politischen Kämpfen ausgefochten. 14 Abstimmungen und unzählige Asylverfahren hat sie verloren, doch sie hat nie aufgegeben. «Wenn ich etwas nicht richtig finde, bin ich stur», sagt sie.

Das Bundesgericht warf ihr dagegen vor, unbekümmert Gesetze zu übertreten. «Das finde ich frech», sagt Lanz, «und es stimmt nicht. Natürlich nehme ich die Gesetze ernst. Und natürlich bemühe ich mich, sie

Überleben ohne Heizung – ein Erfahrungsbericht

In der Schweiz ist es lange her, dass man sich um die Deckung der Grundbedürfnisse sorgen musste. Das ist im peruanischen Hochland auf fast 4000 Meter über Meer anders, wo unsere

Redaktorin Nicole Maron grösstenteils lebt. Von Nicole Maron

Zurzeit werde ich oft um Tipps gebeten, wie man in einer kalten Wohnung überlebt. Der drohende Gas- und Energiemangel bereitet vielen Schweizern Sorgen. Dass Ressourcen nicht permanent und im Überfluss vorhanden sind, ist für die Bevölkerung von Mitteleuropa neu und schockierend. Die Generation, die den Zweiten Weltkrieg erlebt hat, ist praktisch ausgestorben. Europa hat sich jahrhundertelang als «der fortschrittliche Kontinent» gesehen, der dem Rest der Welt beibringen muss, wie man besser lebt, besser arbeitet, besser produziert. Doch oft wird nicht darüber nachgedacht, dass es gerade dieses angeblich gute Leben ist, das unseren Planeten an den Rand des Kollapses gebracht hat.

Jetzt ist der Moment gekommen, in dem die «Industrieländer» von der sogenannten Dritten Welt lernen müssen: von denen, für die es normal ist, ohne Heizung oder warmes Wasser zu leben.

Ich lebe schon lange einen Teil des Jahres in den Anden, auf fast 4000 Meter über Meer. Auch wenn wir uns in der Nähe des Äquators befinden, können die Temperaturen in der Nacht durchaus auf null Grad fallen – in höher gelegenen ländlichen Gemeinden sogar deutlich unter null. Heizungen existieren hier nicht. Für uns gehört es zum Alltag, mit Jacke, Mütze, Schal, dicken Socken und Stiefeln am Schreibtisch zu sitzen. Fingerlose Handschuhe ermöglichen das Tippen mehr oder weniger, und eine um die Hüfte gewickelte Wolldecke gehört vor allem

Jetzt ist der Moment gekommen, in dem die Industrie länder von der so genannten Dritten Welt lernen müssen, wie man ohne Heizung oder warmes Wasser lebt.

bei den Frauen zur Grundausstattung. Ist übrigens ein Geheimtipp: Wenn Nieren, Ohren und Füsse warmgehalten werden, friert man viel weniger schnell.

Und doch: Abends gemütlich auf dem Sofa sitzen, liegt nicht drin. Im Winter will man spätestens ab neun Uhr nur noch ins Bett und unter mehrere Schichten von Decken aus Alpaca-Wolle. Die sind allerdings so schwer, dass man das Gefühl hat zu ersticken, wenn man mehr als drei der Decken aufeinanderschichtet. Im Bett zu lesen wird dadurch erschwert, dass die Hände oder zumindest die Fingerspitzen der kalten Luft ausgesetzt sind, genauso wie Augen und Nasenspitze. Im Winter ziehe ich meistens die Decke so über den Kopf, dass nur noch ein Luftloch offenbleibt.

Wenn man in dieser Kälte morgens aufsteht, ist der Gedanke an eine

heisse Dusche die beste Motivation. Doch Fehlanzeige. In Puno, wo ich zwei Jahre lang gewohnt habe, haben die meisten Menschen höchstens lauwarmes Wasser. Ich hatte Glück, denn wir hatten einige Solarzellen auf dem Dach und im Schnitt an zwei bis drei Tagen pro Woche heisses Wasser. Natürlich nur in der Dusche. Zum Händewaschen oder Abwaschen gibt’s nur eiskaltes Wasser – genauso für die Waschmaschine, wenn man denn eine hat.

Womit wir beim Thema wären: Haushaltsgeräte wie Waschmaschine, Tumbler oder Geschirrspüler – in ländlichen Gemeinden auch Kühlschränke – sind hier ein Luxus, den sich nur wenige leisten kön-

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