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Einweihung für letzte Kraftwerksstufe am Urner Schächenbach KW SCHÄCHEN

Ein erfolgreiches Trio, das gemeinsam die offizielle Einweihung des neuen Kraftwerks Schächen feierte: Roger Nager (Regierungsrat Kanton Uri), Rolf Infanger (Präsident der Korporation Uri) und Werner Jauch (Verwaltungsratspräsident der KW Schächen AG) v.li.

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LETZTE KRAFTWERKSSTUFE AM SCHÄCHEN WIRD IHRER BESTIMMUNG ÜBERGEBEN

125 Jahre nachdem erstmalig Strom mit der Kraft des Schächens produziert worden ist, feierte EWA mit seinen Projektpartnern nun die Einweihung des jüngsten Kraftwerks an der letzten bislang ungenutzten Kraftwerksstufe am Urner Traditionsgewässer. Damit schließt sich der Kreis für die Elektrizitätswerk Altdorf AG, deren Gründung mit der Inbetriebnahme des Schächen-Kraftwerks Bürglen im Jahr 1895 einhergeht. Am 19. September wurde nun die neue Anlage in der Industriezone RUAG Süd unter strikter Einhaltung sämtlicher COVID19-Vorsichtsmaßnahmen ihrer Bestimmung übergeben. Per Knopfdruck setzten die Repräsentanten der Projektbeteiligten die Maschinen in einem symbolischen Akt in Gang. Das Kraftwerk Schächen repräsentiert einen weiteren Meilenstein im Wasserkraftausbau im Kanton Uri, zumal Planung und Umsetzung des 4,9 MW-Kraftwerks mit erheblichen Herausforderungen verbunden waren.

Zukunft trifft Herkunft“: Unter diesem Motto war die Elektrizitätswerk Altdorf AG in ihr Jubiläumsjahr 2020 gestartet. Ein Leitsatz, der – wenngleich nicht beabsichtigt – perfekt auch auf das Kraftwerksprojekt Schächen zutreffen sollte. Mit dem Hinweis auf diesen Umstand richtete Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident der Schächen AG, in seiner Eröffnungsrede noch einmal den Blick zurück an die Ursprünge der Elektrifizierung im Kanton Uri: „Im Herbst 1895 ist das Kraftwerk Bürglen in Betrieb gegangen. Das Kraftwerk stellt nicht nur den Initialfunken für die Gründung der Elektrizitätswerk Altdorf AG dar, sondern war eine essentielle Voraussetzung für die Industrialisierung in der Region. In Abwandlung eines populären Zitats darf ich sagen: Es war ein kleiner Schritt für das EWA, aber ein großer für den Kanton Uri.“ Ursprünglich versorgte die Anlage die hier ansässige Munitionsfabrik, später kamen weitere Betriebe und die öffentliche Straßenbeleuchtung hinzu. Nach und nach wurden auch private Abnehmer mit Strom versorgt. Als nach dem Zweiten Weltkrieg, speziell in den 1950er und 1960er Jahren der Strombedarf rasant anstieg, war es immer noch das Kraftwerk Bürglen, das die Stromversorgung sicherstellte. 1968 wurde schliesslich ein zweites großes Wasserkraftwerk am Schächen gebaut. Bei der Konzessionierung 1962 war der Kanton als Aktionär bei EWA eingestiegen, das eröffnete neue Perspektiven. 1975 haben die Gemeinden Spiringen und Unterschächen zusammen mit EWA die Kraftwerk Schächental AG gegründet. Mit einem oberliegenden Werk nutzt sie die Seitenbäche im Schächental. Die Kraftwerk Schächental AG ist das erste Partnerwerk von EWA, ein Modell, das sich bis heute bewährt hat.

„MARATHON UND SPRINT“ Im Jahr 2020 wurde nun für EWA und seine Projektpartner Kanton Uri und Korporation Uri ein weiteres Kapitel der Erfolgsgeschichte der Urner Wasserkraft abgeschlossen. Die letzte, bislang noch ungenutzte Stufe des Schächens vom KW Bürglen bis zur Einmündung des Bachs in die Reuss konnte mit dem neuen Kraftwerk Schächen der hydroelektri-

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Aufgrund der Covid-Schutzmaßnahmen fand die Einweihung nur in einem kleinen Rahmen statt.

schen Nutzung zugeführt werden. Die feierliche Eröffnung am 19. September stellte den letzten Schritt eines langen Wegs dar. „Es war ein Marathon und dann ein Sprint“, brachte es Roger Nager, Regierungsrat und als solcher Vertreter des Kantons, auf den Punkt. Schließlich erstreckten sich die Vorarbeiten mit den Planungen und Genehmigungsverfahren über etwa 8 Jahre, die Bauarbeiten hingegen konnten in gerade einmal einem Jahr finalisiert werden. Es waren tatsächlich hohe Hürden, die für die Realisierung des Kraftwerks genommen werden mussten. Mehrmals habe das Projekt auf der Kippe gestanden, betonten die Festredner beinah unisono. Nur wenig habe gefehlt, dass das Kraftwerk nicht gebaut worden wäre. „Dieser jüngste Erfolg ist uns keineswegs in den Schoß gefallen“, betonte Werner Jauch. „Es ist einfacher, ein solches Kraftwerk in einem Seitental zu verwirklichen als hier im dicht verwebten Wohn- und Siedlungsraum

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mit viel Industrie. Es war eine große Herausforderung, dies unter einen Hut zu bringen.“ Vor allen Dingen die Lage im dichtbesiedelten Urner Talboden machte das Projekt derart anspruchsvoll. Eine Unzahl an Einbauten im Untergrund und die unerlässliche Koordination mit der zeitgleich in Bau befindlichen West-Ost-Verbindungsstrasse – WOV, die auch das RUAG-Areal tangiert, bereiteten den Projektbetreibern massives Kopfzerbrechen.

GROSSE HÜRDEN GEMEISTERT 2009 war das EWA mit der Projektidee in das Vorprojekt gestartet und sah sich sehr schnell mit den ersten Herausforderungen konfrontiert. Es begann mit der wirtschaftlichen Trägerstruktur, die im Lauf der Zeit gleich mehrmals die Zusammensetzung wechselte, und setzte sich mit den Umweltverträglichkeitsprüfungen UVP 1. Stufe und UVP 2. Stufe, einer höchst aufwändigen Konzessionsbewilligung und umfangreichen Verhandlungen hinsichtlich Bau- und Durchleitungsrechte fort. Zudem blockierten Einsprachen anfänglich den Projektfortschritt. „Zum Glück konnten wir in einem konstruktiven Dialog die Bedenken ausräumen. Es ist erfreulich, dass diese Gesprächskultur im Kanton Uri noch so gut funktioniert“, freut sich Werner Jauch. Sämtliche Beteiligten lobten am Tag der Einweihung das ausgezeichnete Stakeholder-Management durch EWA, das letztlich eine Umsetzung ohne eine einzige Einsprache ermöglichen sollte. Die Kraftwerk Schächen AG wurde im November 2016 gegründet, sie wird heute von den drei Partner EWA (51 Prozent), dem Kanton (34 Prozent) und der Korporation Uri (15 Prozent) gehalten. Wie bei vorangegangen Kraftwerksprojekten hatten sich auch für dieses Projekt die drei Partner wieder in bewährter Weise gefunden.

DRUCKROHRVERLEGUNG MIT TÜCKEN Der Startschuss für die Bauarbeiten erfolgte im Herbst letzten Jahres, nachdem sämtliche Baubewilligungen vorgelegen waren. Als besonders diffizil stellte sich wie erwartet die Verlegung der 2,5 km langen Druckrohrleitung von der Fassung unterhalb des KW Bürglen bis hinunter zur neuen Zentrale am RUAG-Areal heraus. Gerade im oberen Leitungsdrittel, wo die angrenzenden Wohnhäuser bis direkt an die Böschung heran reichen, waren alle Verantwortlichen vor große Herausforderungen gestellt. Da es nicht möglich war, von der Seite der Wohnhausreihe zu bauen, sah man sich gezwungen, die Rohrleitung vom Bach aus zu errichten. Zu diesem Zweck wurde eine Baupiste im Bachbett aufgeschüttet, die prompt in den nassen Tagen des vergangenen Advents weggeschwemmt wurde – zum großen Ärgernis gleich zweimal. Für Werner Jauch einer jener Punkte, der das Projekt gefährdete: „Hätte es beim dritten Anlauf nicht geklappt, hätten wir dieses Baulos um

Die fünf Festredner lassen die unterschiedlichen Aspekte eines komplexen und aufwändigen Kraftwerksprojektes in ihren Ansprachen noch einmal Revue passieren. Von links: Verwaltungsratspräsident der KW Schächen AG Werner Jauch, Regierungsrat Roger Nager, Korporationspräsident Rolf Infanger, Gemeindepräsidentin von Bürglen Luzia Gisler, Gemeindepräsident von Schattdorf Bruno Gamma sowie der Pfarrer Wendelin Bucheli, der die Segnung der Anlage vornahm.

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Die interessierten geladenen Gäste wohnen dem feierlichen Eröffnungsakt bei.

Die installierte Maschinentechnik in der neuen Zentrale besteht aus zwei großen Maschinensätzen mit leistungsstarken Francis-Spiralturbinen sowie einem kleineren „Winter-Maschinensatz“ mit einer Durchströmturbine. In Summe kommt das Maschinentrio auf eine Engpassleistung von 4,9 Megawatt.

ein ganzes Jahr verschieben müssen – und damit hätte unser Terminplan nicht mehr gehalten.“ Ein derartiges Worst-Case-Scenario wäre insofern höchst bitter gewesen, als die mit dem avisierten Inbetriebnahmetermin verknüpfte KEV-Zusage somit verfallen wäre. Es galt, die Vorgabe zu halten: Noch vor dem Jahreswechsel den ersten Strom ans Netz zu liefern. Alleine aus diesem Grund durfte beim dritten Versuch mit der Baupiste im Bachbett nichts mehr schiefgehen – und zum Glück tat es das auch. Die Rohrleitung wurde mustergültig in die Böschung unterhalb der Häuserreihe verlegt, so-

dass davon heute nichts mehr sichtbar ist. Die Druckprobe verlief auf Anhieb erfolgreich.

LOCKDOWN BREMST DEN ENDSPURT Ende November war es schließlich soweit: Die kleine „Winterturbine“, eine Durchströmturbine vom bayerischen Traditionshersteller Ossberger, speiste den ersten Strom aus dem neuen Kraftwerk Schächen ins Netz. Es handelt sich dabei um eine äußerst kompakte und zugleich robuste Maschineneinheit, ausgelegt auf eine Nennleistung von 0,66 MW, die gerade bei geringen Wassermengen die Anlage noch

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Die neue Maschinenzentrale wurde am Areal der RUAG, kurz vor der Einmündung des Schächen in die Reuss, auf dem Gemeindegebiet von Schattdorf errichtet. am Netz hält. Mit der Inbetriebnahme des kleinen Maschinensatzes schienen die Weichen für einen erfolgreichen Endspurt für die verbliebenen Inbetriebsetzungsarbeiten gestellt. Doch dann sollte ein Problem auftauchen, mit dem keiner gerechnet hatte: die Corona-Pandemie. „Der Lockdown hat alles verändert. Die Turbinenmonteure von der Firma Troyer aus Südtirol konnten nicht mehr wie gewohnt einreisen, brauchten Spezialgenehmigungen und mussten natürlich die Arbeit an der letzten Maschinengruppe unter Einhaltung aller

Technische Daten

Gewässer: Schächen Kraftwerkstyp: Laufkraftwerk Fallhöhe: 81 m Turbinenanzahl: 3 Stück Maschine 1 + 2: Francis-Spiralturbinen Fabrikat: Troyer Generator 1 + 2: Synchron Fabrikat: WKV Maschine 3: Durchströmturbine Fabrikat: Ossberger Generator 3: Synchron Fabrikat: AEM Druckrohrleitung: GFK DN1600 Länge: 2,5 km Fabrikat: Amiblu / APR Schweiz Leittechnik: Troyer AG Regelarbeitsvermögen: 16,4 GWh

Projektleiter Simon Kempf erklärt die Leittechnik der Anlage. Rolf Infanger fährt die Maschinen per Knopfdruck an.

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Hygiene- und Abstandsregeln durchführen. Das war alles andere als einfach“, räumt Werner Jauch ein. Dennoch gelang es den Monteuren und Inbetriebsetzungspezialisten der Firma Troyer, die beiden Maschinen im März bzw. April dieses Jahres ans Netz zu bringen. Gerade noch rechtzeitig, bevor das Schmelzwasser den Schächen anschwellen ließ und die Anlage unter Volllast getestet werden konnte.

16,4 GWH „URSTROM“ FÜR 3.600 HAUSHALTE Die installierte Maschinentechnik repräsentiert den Letztstand moderner Wasserkrafttechnik. Ihre Konstellation wurde so gewählt, dass sie im Verbund die maximale Leistung aus der Kraft des Schächens holen. Die beiden Francis-Spiralturbinen aus dem Hause Troyer AG haben ihre Stärken im Volllastbereich, während mit der kleinen Durchströmturbine kleinere Wassermengen abgearbeitet werden können. Die nutzbare Bruttofallhöhe beträgt knapp 81 m. Im Zusammenspiel kommen die beiden vertikalachsigen Francis-Spiralturbinen aus dem Hause Troyer AG, die jeweils einen direkt gekoppelten Drehstrom-Synchrongenerator aus dem Hause WKV antreiben, gemeinsam mit dem „Crossflow-Winterturbinensatz“ auf eine Engpassleistung von 4,9 MW. Damit wird das neue Kraftwerk im Regeljahr rund 16,4 Gigawattstunden „Urstrom“ erzeugen. Genug, um rund 3.600 Haushalte damit zu versorgen. Oder anders ausgedrückt: Das neue Kraftwerk Schächen spart dem Klima rund 20.000 Tonnen klimaschädliches Kohlendioxid gegenüber einem Kohlekraftwerk.

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KRAFTWERK REPRÄSENTIERT GEIST DES WANDELS Korporationschef Rolf Infanger lobte in seiner Festrede das neue Kraftwerk als „echtes Vorzeigekraftwerk – nicht nur im technischen Sinne, sondern auch in Sachen gegenseitigem Respekt und Partnerschaft“. Für Regierungsrat Roger Nager versinnbildlicht das neue Kraftwerk auch den Wandel am traditionsreichen RUAG-Areal in Schattdorf: „Das Kraftwerk ist exemplarisch für die Öffnung, die in den letzten Jahren im Kanton Uri stattgefunden hat. Es steht für den Wandel von den abgeschotteten Militärbetrieben hin zu einem multifunktionalen Industriepark. Und so gesehen, befindet sich das Kraftwerk Schächen genau am richtigen Ort.“ 21,4 Millionen Franken haben die Projektpartner in das Kraftwerk investiert. Eine Summe, die auch für einen starken Wirtschaftsimpuls im Kanton sorgt, wie Werner Jauch bekräftigt: „Wir steigern die Produktion von sauberem, nachhaltigem Strom aus Urner Wasserkraft und leisten damit einen Beitrag an die Energiestrategien des Bundes und des Kantons Uri. Darüber hinaus bringt das Kraftwerk einen beachtlichen wiederkehrenden volkswirtschaftlichen Nutzen. Von der Gesamtinvestition flossen rund 77 Prozent oder 16 Millionen Franken in Form von Aufträgen an Unternehmen in Uri. Die Wasserzinsen aus dem Kraftwerk belaufen sich künftig auf 240.000 Franken pro Jahr. Weiter generiert der Betrieb zusätzliche Steuereinnahmen für die Gemeinden Bürglen und Schattdorf sowie den Kanton Uri plus neue Wertschöpfung für Uri. Und schließlich sichert das Projekt auch bestehende Arbeitsplätze.“

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