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Tag der offenen „Sprint-Baustelle“ im Erstfeldertal KW ERSTFELDERTAL

KRAFTWERK ERSTFELDERTAL: TAG DER OFFENEN SPRINTBAUSTELLE

Rund 15 Monate nach dem Spatenstich befindet sich die Kraftwerksbaustelle des KW Erstfeldertal im Kanton Uri bereits in ihrer finalen Phase. Die Arbeiten an der Wasserfassung, dem Entsanderbauwerk und dem Druckstollen stehen kurz vor dem Abschluss, und die Montagearbeiten laufen auf Hochtouren. Um die ausgeklügelte Kraftwerkstechnik einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen, rief die KW Erstfeldertal AG am 29. August 2020 zum Tag der offenen Kraftwerksbaustelle. Trotz Regen und strenger Corona-Maßnahmen war der Besucherandrang groß. Rund 500 Wasserkraftinteressierte nutzten die Gelegenheit, die Kraftwerkszentrale, die Wasserfassung oder den Druckstollen von innen zu begutachten. Für Fragen stand kompetentes Fachpersonal Rede und Antwort. Bis zum Dezember soll das Kraftwerk zum ersten Mal Strom produzieren, um später im Betrieb rund 7.200 durchschnittliche Haushalte mit CO2-freier Energie zu versorgen.

Fotos: EWA

Die KW Erstfeldertal AG begrüßte zahlreiche Wasserkraftinteressierte am Tag der offenen Kraftwerksbaustelle. Über 500 bestens betreute Gäste nutzten diese seltene Gelegenheit und blickten hinter die Kulissen.

Trotz höchst diffiziler Ausgangslage gelang es der Elektrizitätswerk Altdorf AG ein wirtschaftlich realisierbares Wasserkraftprojekt am Alpach im Erstfeldertal auf Schiene zu bringen. Lange galt der Standort als einer der schwierigsten im Kanton, da bereits mehrere Versuche in der Vergangenheit gescheitert waren, hier ein Kraftwerk zu errichten. Dank des sehr großen Einsatzes aller Beteiligten konnten alle erforderlichen Bewilligungsschritte in der Rekordzeit von nur 10 Monaten erreicht werden: Konzessionsgesuch, UVB 1. Stufe, Schutz- und Nutzungsplanung nach Gewässerschutzgesetz (SNP), Baugesuch, UVB 2. Stufe, die Gründung der KW Erstfeldertal AG, die Genehmigung der Schutz- und Nutzungsplanung SNP durch den Bundesrat, und schließlich auch noch die Bestätigung der fristgerechten Projektfortschrittsmeldung durch die nationale Förderung. Für eine zielgerechte Umsetzung der einzelnen Bauabschnitte mussten im Vorfeld alle Schritte genauestens geplant werden. Doch um so einen straffen Zeitplan einhalten zu können, bedurfte es der Mobilisierung sämtlicher Kapazitäten aller Beteiligten. Für ihr enormes Engagement spricht Werner Jauch, Verwaltungsratspräsident bei der Kraftwerk Erstfeldertal AG, seinem Team höchstes Lob aus. Mit dem Spatenstich im Mai letzten Jahres erfolgte schließlich der Startschuss für die Kraftwerksbaustelle.

Beim Gang durch das Kraftwerk Erstfeldertal veranschaulichte das kompetente Fachpersonal die moderne Technik und deren Funktion.

VERZÖGERUNGEN DURCH ÄUSSERE EINFLÜSSE

Der bisherige Bauverlauf ist geprägt durch zahlreiche Herausforderungen. Mit manchen hatte man gerechnet, mit anderen nicht. Der Rohbau der Maschinenzentrale konnte noch vor Weihnachten 2019 fertiggestellt werden – seit März dieses Jahrs laufen bereits Arbeiten für den Innenausbau. Ebenfalls im März 2020 wurde der Sprengvortrieb des rund 900 m langen Druckrohrstollens beendet, während in der Kraftwerkszentrale ab Mitte Mai 2020 mit der Montage der drei Maschinen begonnen wurde. Die Anlieferung des rund 39 t schweren Maschinentransformators im vergangenen Juli gestaltete sich spektakulär. Doch trotz des schlechten Wetters gab es weder bei der Anlieferung noch beim Einbau Probleme. „Ein Kraftwerksprojekt in dieser Größenordnung und einem derart knappen Zeitkorsett birgt ständig

die Gefahr, mit Verzögerungen konfrontiert zu werden“, bringt es Werner Jauch auf den Punkt. Nach circa einem Jahr Baustellenbetrieb standen die Kraftwerksbauer etwa vor einer gänzlich unerwarteten Herausforderung: Corona. „Während des Corona-Lockdowns kam es immer öfter zu Lieferschwierigkeiten, wie etwa für Baustahl oder auch bei den Kraftwerkskomponenten. Für den Transport der Maschinenteile von Österreich in die Schweiz brauchten wir eine Sondergenehmigung“, erinnert sich der Verwaltungsratspräsident. Doch auch die Mineure, die vorwiegend aus Österreich und Deutschland kamen, mussten den Umständen Tribut zollen. „Sie haben darauf verzichtet, ihre Familien daheim zu besuchen und sind geblieben. Ihre Haltung verdient Respekt und Anerkennung“, betont Jauch. Eine Hürde technischer Natur barg der 100 m lange Entsander, der aus dem Berg gesprengt wurde. Erst im Zuge der Arbeiten stellte sich heraus, dass das Gestein im Berg lockerer war als zunächst angenommen. „Normalerweise schaffen wir einen Vortrieb von 5 bis 6 m pro Tag. Aber hier kamen wir maximal 1 bis 2 m pro Tag voran, was eine Verzögerung um 12 Wochen nach sich zog“, so Werner Jauch. Für die Kompensation des Mehraufwandes leisteten die beteiligten Projektmitarbeiter unzählige Überstunden und verzichten sogar auf Ferien und Freizeit. Diesen Einsatz weiß Werner Jauch zu schätzen: „Nur dank des unermüdlichen Einsatzes aller Beteiligten haben wir eine Change, dieses Projekt zielgerecht zu realisieren. Es ist nötig, damit das Kraftwerk wie geplant im kommenden Dezember erstmals Strom produzieren kann.“

TAG DER OFFENEN KRAFTWERKSBAUSTELLE

Mit dem Bau des Kraftwerks Erstfeldertal führen die Kraftwerk Erstfeldertal AG gemeinsam mit ihren Partnern einer der zurzeit größten Baustelle im Kanton Uri. Rund 37 Millionen Franken werden in das Projekt investiert. Am 29. August luden die Verantwortlichen zum Tag der offenen Baustelle. Unter Einhaltung strenger Corona-Schutzmaßnahmen wurden rund 500 Gäste im Festzelt bei der Kraftwerkszentrale begrüßt. Die nutzten die Gelegenheit, um einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Am Tag der offenen Baustelle waren unter anderem die Kraftwerkszentrale und der Druckleitungsstollen für die Besucher zugänglich. Mit dem Shuttle-Service ging es zudem hoch zur Wasserfassung und zum Entsanderstollen. Kompetente Fachleute standen für sämtliche Fragen Rede und Antwort. „Wir sind sehr glücklich darüber, dass unser Tag der offenen Baustelle bei der Bevölkerung so gut angenommen wurde. Das zeigt uns, dass für eine umweltfreundliche Energieproduktion großes Interesse besteht“, zeigte sich Werner Jauch erfreut.

NUTZUNGSVARIANTE ÜBERZEUGT

Gemäß des „abgespeckten“ Kraftwerkskonzepts wird das Wasser des Alpbachs in einem Ausmaß von 5,5 m³/s im Gebiet Schopfen auf 730 M. ü. M. gefasst und von dort zu einem unterirdischen Entsander geleitet. Von hier fließt das Triebwasser weiter durch den unterirdisch verlegten Kraftabstieg hinunter zur Zentrale im Erstfelder Ortsteil Spätach auf 484 M. ü. M. Dabei überwindet es eine Fallhöhe von 248 m. Die Druckleitung aus Stahl weist eine Länge von rund 1.000 m und einen Durchmesser von DN1400 auf. Für die Stromproduktion sind in der Maschinenzentrale drei Maschineneinheiten der Marke Troyer aus Südtirol untergebracht. Mit einer Engpassleistung von insgesamt 11,5 MW produziert das neue Kraftwerk rund 32 GWh im Jahr. Der erzeugte Strom wird zuerst auf eine 5,5-kV-Sammelschiene geführt und über einen SGB-Reguliertransformator 50/5,5-kV und via 50-kV GIS Schaltanlage ins Netz der Elektrizitätswerk Altdorf AG eingespeist. Wenn alles weiterhin gut verläuft, wird das Kraftwerk Erstfeldertal noch vor Jahreswechsel das erste Mal Strom erzeugen.

Obwohl sich die Maschinenhalle noch im Bau befindet, konnten die Gäste einen ersten Eindruck gewinnen und sich über neue Perspektiven freuen, wie etwa bei einem Blick ins Innere der neuen Druckleitung mit einem Durchmesser von DN1400.

Der Tag der offenen Baustelle stand im Zeichen der Wasserkraft. Die Veranstaltung wurde auch von interessierten Familien gerne besucht.

Die Kraftwerksbesichtigung bot auch die seltene Gelegenheit, dem einen oder anderen Detail auf den Grund zu gehen.

Neben der Kraftwerkszentrale und der Wasserfassung konnte auch das Portal des Druckstollens oberhalb der Zentrale besichtigt werden.

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