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Lahn-Kraftwerk zum 90. Geburtstag von Grund auf erneuert KW ELISENHÜTTE

Das 1931 fertiggestellte Kraftwerk Elisenhütte an der Lahn wurde vom Betreiber Süwag im Rahmen einer umfassenden Modernisierung auf den neuesten Stand der Technik gebracht. Foto: Süwag

KRAFTWERK ELISENHÜTTE AN DER LAHN ZUM 90. JUBILÄUM VON GRUND AUF ERNEUERT

Im Oktober vergangenen Jahres ging das 1931 fertiggestellte Wasserkraftwerk Elisenhütte in Rheinland-Pfalz nach einer umfassenden Modernisierung wieder ans Netz. Neben den beiden doppeltregulierten Kaplan-Turbinen wurden die Generatoren sowie das elektro- und leittechnische Equipment komplett revitalisiert bzw. erneuert. Rund 5,2 Mio. Euro investierte die Betreibergesellschaft Süwag Grüne Energien und Wasser (SGEW) in das Sanierungsprojekt, bei dem das Leistungsvermögen der Anlage bei unveränderter Ausbauwassermenge und Fallhöhe um 12 Prozent erhöht wurde. Zu verdanken ist dies vor allem dem strömungstechnisch optimierten Design der neuen Laufräder, die vom deutschen Wasserkraft-Allrounder Kochendörfer bei der Turbinenerneuerung durchgeführt wurden. Die Summe der umgesetzten Maßnahmen erzielte eine ganze Reihe von betrieblichen und ökologischen Verbesserungen und machte das Traditionskraftwerk zu seinem 90-jährigen Jubiläum fit für die Zukunft.

Nachhaltige Stromerzeugung aus erneuerbaren Ressourcen steht beim deutschen Energieversorger Süwag Energie AG seit jeher hoch im Kurs. Mit der hundertprozentigen Tochtergesellschaft Süwag Grüne Energien und Wasser AG & Co. KG (SGEW) bündelt der Konzern seine Kompetenzen bei der Stromgewinnung aus den Quellen Photovoltaik, Biomasse, Wind und Wasser. Die mit Abstand größte Stromausbeute erzielt die Süwag mit ihren zwei Windparks und den insgesamt 16 Laufwasserkraftanlagen in den Bundesländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Acht Wasserkraftwerke befinden sich am Unterlauf der Lahn zwischen Cramberg und Lahnstein, die restlichen Anlagen verteilen sich auf die Gewässer Neckar, Rench, Elsenz, Kinzig und Maisach. Gemeinsam produzieren die Wasserkraftwerke alljährlich rund 95 GWh Ökoenergie, womit der Strombedarf von umgerechnet rund 27.000 Haushalten abgedeckt wird.

REFURBISHMENT FÜR KRAFTWERKSKETTE

Vor sieben Jahren habe die Süwag die Modernisierung der zwischen 1899 und 1985 errichteten Lahnkraftwerke begonnen, erklärt der für Rheinland-Pfalz zuständige Leiter Wasserkraft Dominik Kauss im Gespräch mit zek HYDRO: „Die Erneuerung und Instandsetzung der teilweise über 100 Jahre alten Anlagen sind bei der Süwag immer ein Thema. 2014 starteten wir beim Kraftwerk Kalkofen die technische Generalerneuerung unserer Kraftwerkskette an der Lahn. Mit dem Kraftwerk Elisenhütte konnte im Oktober 2020 die bereits fünfte Anlage am Gewässer auf den neuesten Stand der Technik gebracht werden. Bis zur Modernisierung wurden an

Foto: Süwag

Nach dem Abstellen der Anlage im Frühjahr 2019 wurden die beiden Maschinensätze komplett demontiert und von Grund auf erneuert.

Rund 5,2 Mio. Euro investierte die Süwag in die Sanierung ihres Traditionskraftwerks. Die durchgeführten Maßnahmen an der kompletten technischen Infrastruktur der Anlage führten zu einer Steigerung des Regelarbeitsvermögens um 12 Prozent. Foto: Kochendörfer

den Turbinen und Generatoren der Anlage lediglich kleinere Revisionsarbeiten durchgeführt.“ An dem 1931 an einer Flussschleife fertiggestellten Kraftwerk mit zwei doppeltregulierten Kaplan-Turbinen waren bereits Mitte der 2000er Jahre die Einlaufschützen vor den Maschinen erneuert worden. 2012 erfolgte der Austausch der Mittelspannungsschaltanlage und der beiden Blocktransformatoren. Knapp neun Jahrzehnte nach der Erstinbetriebnahme startete im Frühjahr 2019 schließlich die Komplett-Erneuerung des Traditionskraftwerks.

SCHNITTSTELLEN REDUZIERT

Kauss weist darauf hin, dass das Kraftwerk Elisenhütte das bislang älteste Sanierungsprojekt an der Lahn darstellte, was in weiterer Folge entsprechend höheren Aufwand mit sich brachte. Ein Ersatzneubau stand dank der soliden Gebäudestruktur nicht zur Debatte. „Ich bin ein Verfechter von ganzheitlichen Lösungen. Dies bringt in erster Linie eine Verringerung der Schnittstellen von Alt auf Neu mit sich und vereinfacht viele Dinge. Bei der Anlage Elisenhütte war auf die Dokumentation der Bestandstechnik, speziell die Elektrotechnik, kein Verlass, weswegen eine umfassende Erneuerung der Primär- und Sekundärtechnik beschlossen wurde“, sagt Kauss. Aus Gründen der Arbeitssicherheit wurde die Anlage während der Umbauphase komplett außer Betrieb genommen. „Bedingt durch das beschränkte Platzangebot in der Maschinenhalle hätten die Techniker in direkter Nähe zu den drehenden Maschinen arbeiten müssen. Das Überfahren eines 10 kV-Netzspannung erzeugenden Generators mit dem Hallenkran wäre zu riskant gewesen“, so Kauss.

Ein wesentlicher Anteil der beträchtlichen Leistungssteigerung der Anlage ist den von Kochendörfer strömungstechnisch optimierten Kaplan-Laufrädern zu verdanken.

Foto: Kochendörfer

HOCHWASSER VERZÖGERT PROJEKT

Nach dem Abstellen der Anlage konnte das Projekt im Frühjahr 2019 mit der Demontage der Maschinensätze in die Umsetzungsphase übergehen, gleich im Anschluss folgte der Abbau des elektrotechnischen Altbestands. Im ersten Abschnitt des Projekts wurden Renovierungen am Gebäude durchgeführt, parallel dazu erfolgte die Sanierung bzw. Erneuerung der Verschlussorgane am Einlauf. Die bereits vor 15 Jahren getauschten Einlaufschützen an den Turbinen wurden einer Revision unterzogen, neu ausgeführt wurde hingegen die Schützentafel am Beginn des Freispiegelstollens. „Wie bei allen Sanierungsprojekten war auch beim Kraftwerk Elisenhütte die Organisation der Logistik eine wichtige Thematik. Neben dem begrenzten Platzangebot vor Ort durfte auch die An- und Ablieferung der tonnenschweren Bauteile im Hinblick auf die Tragfähigkeit von Brücken nicht außer Acht gelassen werden. Die größte Projektherausforderung stellten allerdings die Wasserhaltungsmaßnahmen während des Umbaus dar, da im Auslaufbereich der Turbinen keine Verschlussorgane vorhanden sind. Um Kontrollen an den Saugrohren im Unterwasserbereich durchführen zu können, haben

Technische Daten

• Typ: Laufwasserkraftwerk • Ausbauwassermenge: 46 m³/s • Bruttofallhöhe: 5 m • Turbinen: 2 x Kaplan-Schacht • Drehzahl: 2 x 150 U/min • Ø Laufrad: 2 x 2.410 mm • Engpassleistung: 2 x 1.284 kW • Generatoren: 2 x Synchron • Kühlung: Luft • Nennscheinleistung: 1.310 kVA • Regelarbeitsvermögen: ca. 8,2 GWh/a

flexibel – innovativ – nachhaltig WASSERKRAFT

wir uns bei der Abdämmung für eine Lösung mit ‚Big Bags‘ entschieden. Die Hochwasserführung der Lahn im Februar und März 2020 brachte die Abdichtung allerdings an ihre Grenzen, weswegen die Baustelle geräumt und nach der Überschwemmung wieder gereinigt werden musste. Dies führte zwar zu zeitlichen Verzögerungen, stellte sicherheitstechnisch aber keine Probleme dar.

KOCHENDÖRFER BRINGT TURBINEN IN SCHUSS

Für die Erneuerung der beiden Kaplan-Turbinen in Schachtbauweise wurde der renommierte deutsche Wasserkraft-Allrounder Kochendörfer beauftragt. „Im Prinzip wurden die auf jeweils 23 m³/s Ausbauwassermenge und 5 m Bruttofallhöhe ausgelegten Maschinen komplett demontiert und bis auf die Saugrohre durch für den Standort optimierte doppeltregulierte Kaplan-Turbinen erneuert“, erklärt Kauss und weist darauf hin, dass das Refurbishment der Maschinen auch umweltgerechte Verbesserungen mit sich brachte. Die vormals mit Öl gefüllten Laufräder beinhalten nach der Erneuerung nur mehr reines Wasser. Die alten ölgeschmierten Turbinenführungslager wurden bei den neuen Maschinensätzen als wassergeschmierte Gleitlager ausgeführt. Etwaige Lagerschäden der Turbine bewirken somit keine negativen gewässerökologischen Auswirkungen mehr. Die zuvor im Turbinenschacht unter Wasser befindlichen Verstelleinrichtungen der Leitapparate wurden nun so angeordnet, dass die Regulierung vom Krafthaus aus im Trockenen erfolgt. Ebenfalls neu ausgeführt wurden die beiden hydraulischen Turbinenregler zur Regelung von Leitapparat und Laufrad. Kauss lässt nicht unerwähnt, dass das beträchtliche Leistungsplus der Anlage vor allem dem Design der strömungstechnisch optimieren Kaplan-Laufräder zu verdanken sei. „Es ist wirklich erstaunlich, welche Erzeugungssteigerungen durch die Anwendung moderner Laufrad-Geometrien machbar sind. Wir konnten bei allen unseren Erneuerungsprojekten bisher Leistungszuwächse zwischen 10 und 13 Prozent erreichen.“

NEUES INNENLEBEN FÜR ENERGIEWANDLER

Das Innenleben der in vertikaler Richtung direkt mit den Turbinenwellen gekoppelten Synchron-Generatoren wurde vom Unternehmen Partzsch ebenfalls völlig erneuert. Auch die Spannungsregelung der Generatoren mit einer Nennscheinleistung von jeweils 1.310 kVA wurden durch moderne Lösungen von Andritz ersetzt. Mit dem Austausch der Ständer-Blechpakete einschließlich der Wicklungen und Rotor-Pole wurden die gesamten aktiven Teile der mit 150 U/min rotierenden Generatoren erneuert. Bedingt durch die Maschinengröße wurden die Ständer-Blechpakete zweigeteilt ausgeführt. Dies vereinfachte zwar den Transport der Bauteile, allerdings konnte die Endwicklung der Maschinen somit erst auf der Baustelle erfolgen. Die gesamte elektro- und steuerungstechnische Planung und Umsetzung lag in der Hand von F.EE, einem Spezialisten für industrielle Automatisierungstechnik aus Neunburg v. W. mit über 30 Jahren Erfahrung in der Wasserkraft. Der Auftrag umfasste den Rückbau der alten Steuertechnik, welche durch SIMATIC-basierte Technologie mit TIA-Portal ersetzt wurde, sowie die Installation und software- und hardwaretechnische Inbetriebnahme aller Komponenten. Beide Maschinensätze wurden mit dem hauseigenen digitalen Turbinenregler und der Erregerlösung von F.EE ausgerüstet und an die bestehende Mittelspannungsanlage angeschlossen. Ebenso wurde der hauseigene OW/Q-Regler von F.EE implementiert, der zusammen mit der übergeordneten Steuerung für einen reibungslosen Betrieb der gesamten Anlage sorgt. Die kommunikationstechnische Anbindung des Kraftwerks an die zentrale Leitwarte der Süwag rundete den Leistungsumfang ab. Im Anschluss an die finalen Installationsarbeiten ging das Kraftwerk Elisenhütte am 27. Oktober des Vorjahres nach rund 1,5-jähriger Revitalisierungsphase rundum erneuert wieder ans Netz.

FIT FÜR DIE NÄCHSTEN JAHRZEHNTE

„Das Ziel des Projekts, die Anlage für einen sicheren, umweltgerechten, vollautomatischen und wirtschaftlichen Betrieb fit zu machen, wurde in vielerlei Hinsicht erfüllt. Alles in allem bin ich mit dem Projektverlauf sehr zufrieden“, resümiert Kauss nach der Wiederinbetriebnahme im Herbst des Vorjahres. So entspricht das elektromechanische und leittechnische Equipment der Anlage nun dem neusten Stand der Technik. Die durchgeführten Maßnahmen führten zu einer beträchtlichen Steigerung der Stromproduktion um 12 Prozent, womit das Kraftwerk im Regeljahr nun durchschnittlich rund 8,2 GWh Ökostrom erzeugen kann. Darüber hinaus konnten neben der Verlängerung der Wartungszyklen die Sicherheit und die Verfügbarkeit der Anlage erheblich verbessert werden. Die Erneuerung der Süwag-Kraftwerkskette an der Lahn soll weiter zügig voranschreiten. Kauss zeigt sich zuversichtlich, dass die Modernisierung des Kraftwerks Crambergs noch 2021 genehmigt wird.

Foto: Kochendörfer

Im Herbst 2020 ging das Kraftwerk Elisenhütte nach rund 1,5 Jahren Generalsanierung wieder ans Netz.

GERMAN hydropower TECHNOLOGY Kochendörfer Wasserkraftanlagen

Turbinen Revisionen Regler Stahlwasserbau

Kochendörfer Wasserkraftanlagen Turbinen-Maschinenbau e. K.

Berglerschleife 11, 92714 Pleystein, Germany www.kochendoerfer.de

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