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FishProtector als hybride Barriere an Wasserkraftwerken SP DURCHGÄNGIGKEIT
DER FISHPROTECTOR ALS HYBRIDE BARRIERE ZUM FISCHSCHUTZ AN WASSERKRAFTANLAGEN
Der zur Verbesserung des Fischschutzes an Wasserkraftanlagen entwickelte FishProtector basiert auf einer hybriden Technologie, welche die Vorteile von mechanischen und verhaltensbiologischen Barrieren vereint. Die erste Pilotanlage eines FishProtectors wurde im Herbst 2020 an der WKA Leinau/ Wertach in Bayern realisiert. Erste Betriebserfahrungen hinsichtlich der Reinigung des FishProtectors mittels eines Ablegemechanismus der Seile konnten bereits gesammelt werden und bestätigen die gute Funktionalität.
An den Fischschutz an Wasserkraftanlagen werden immer größere Anforderungen gestellt. Dies stellt viele Betreiber vor große Herausforderungen, da die meist erforderlichen Feinrechen mit großen Investitionskosten und erheblichem betrieblichen Aufwand verbunden sind. Vor diesem Hintergrund wurde an der Universität Innsbruck das Konzept des FishProtectors entwickelt. Das Konzept basiert auf zwei unterschiedlichen Wirkungen auf Fische. Der FishProtector besteht aus einer mechanischen Barriere (z.B. einem Einlaufrechen) und aus einem elektrischen Feld im Wasser, welches als Verhaltensbarriere auf Fische wirkt. Die Kombination der beiden Barrieretypen führt nicht nur zu einer sehr hohen Fischschutzwirkung, sondern auch zu geringem betrieblichem Aufwand.
WIRKWEISE DES FISHPROTECTORS
Die mechanische Barriere des FishProtectors besteht aus einem klassischen vertikalen (oder auch horizontalen) Einlaufrechen, oder auch aus einem neuartigen Seilrechen, der durch horizontal gespannte Seile gebildet wird. Die mechanische Barriere wird von den Fischen im Zuge der Annäherung wahrgenommen und dient vor allem als Orientierungshilfe bei der (seitlichen) Ableitung der Fische, welche in einer sicheren Abstiegsmöglichkeit (z.B. Bypass) münden sollte. Die Verhaltensbarriere wird durch ein elektrisches Feld im Wasser ausgebildet und hält Fische effektiv davon ab, den FishProtector zu durchschwimmen. Dazu wird eine gepulste Gleichspannung an elektrisch leitenden Bauteilen der mechanischen Barriere, die als Elektroden dienen, angelegt. Nähert sich ein Fisch dem System, wird zunächst die mechanische Barriere wahrgenommen und der Fisch ist wachsam. Sobald der Fisch in das elektrische Feld gerät, kommt es bei Überschreitung der reizauslösenden Feldstärke zu einer Fluchtreaktion in Richtung Oberwasser, bevor sich der Fisch neuerlich annähert. Bei einem günstigen horizontalen Anströmwinkel (Schrägstellung der Rechenebene gegenüber der Hauptströmungsrichtung < 45°) wird eine gezielte Leitwirkung zum Bypass hin erreicht. Der FishProtector verhindert das Passieren der Rechenebene sehr effektiv.
Der FishProtector im trockenen Kraftwerkskanal des KW Leinau/Wertach; im Bild v.l.n.r.: Erfinder Prof. Markus Aufleger (Universität Innsbruck), Projektleiter Stefan Wiesinger (Albatros Engineering GmbH), Jochen Zehender (Geschäftsführer Bayerische Landeskraftwerke) und Barbara Brinkmeier (Geschäftsführerin HyFish GmbH)
Fotos/Grafik: HyFish GmbH
MÖGLICHE BAUFORMEN DES FISHPROTECTORS
Die Bauformen der FishProtectorTechnologie sind vielseitig. Sie eint die Tatsache, dass jeweils eine mechanische Barriere mit einer Verhaltensbarriere kombiniert wird. Die mechanische Barriere besteht – je nach standortspezifischen Randbedingungen – aus einem Stabrechen mit horizontalen oder vertikalen Stäben (Bar Screen FishProtector), oder aus einem Seilrechen mit fixen Seilen (Fixed FishProtector) bzw. mit beweglichen Seilen, welche zu Reinigungszwecken an der Sohle ableg
Projektüberblick Dotationskraftwerk Leinau/Wertach mit dem FishProtector als Fischschutz- und Fischleiteinrichtung
Der FishProtector mit 60 mm lichtem Seilabstand im noch trockenen Kraftwerkskanal.
bar ausgeführt sind (Flexible FishProtector). Bei den flexiblen Barrieren (Flexible FishProtector), bei welchen in der Regel Stahlseile mit einem Durchmesser von 8 mm (spannweitenabhängig) verwendet werden, wird die gepulste Gleichspannung direkt auf die Seile aufgebracht. Auch bei lichten Seilabständen zwischen 60 mm und 120 mm kann eine Fischschutzrate von 95 bis 99 Prozent erreicht werden. Die Seile werden an einer Böschung fest verankert (Festlager) und an der anderen Böschung an Hydraulikzylindern befestigt (Loslager). Durch Bewegen der Zylinder können die Stahlseile einzeln oder paarweise auf der Sohle abgelegt und die Rechenstruktur somit aufgelöst werden. Durch erneutes, einzelnes Anspannen der Seile werden auch hartnäckige Verlegungen gelöst und das System gereinigt. Bei Hochwasserabflüssen kann der Seilrechen ebenfalls an der Sohle abgelegt werden. Das weiter transportierte Geschwemmsel kann am Turbinenschutzrechen mittels der dort erforderlichen Rechenreinigungsanlage entfernt werden. Die fixen Barrieren (Fixed FishProtector) bestehen aus fix montierten Stahlseilen oder Stahlrundstäben mit ca. 8 mm Durchmesser, die als mechanische Barriere und auch als Elektroden zur Induktion des elektrischen Feldes dienen. Diese werden in Rahmenkonstruktionen (Einzelrahmen oder Rahmenkörbe) gespannt bzw. montiert. Die Verwendung der fixen Barrieren empfiehlt sich bei Wasserentnahmen, wo wenig Treibgut auftritt (z.B. in einem Hochgebirgsstausee) und daher auf eine permanente Reinigungsvorrichtung verzichtet werden kann. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit bietet sich im Unterwasserkanal von Wasserkraftanlagen, bei denen das Einschwimmen der Fische in eine Sackgasse verhindert werden soll. Die dritte Variante (Bar Screen FishProtector), basiert auf der nachträglichen Ausrüstung von bestehenden Einlaufrechen mit Elektroden, welche auf der Stabvorderseite (dem Oberwasser zugewandt) angebracht werden und die Verhaltensbarriere erzeugen. Eine vorhandene Rechenreinigungsanlage kann möglicherweise durch Ausnehmungen an den entsprechenden Stellen angepasst werden. Weiters besteht die Möglichkeit, die Elektroden zwischen den Rechenstäben anzubringen, oder auch in die Stabvorderseite zu versenken, wodurch eine Anpassung der Rechenreinigungsanlage sowie ein erhöhter Verbauungsgrad gänzlich vermieden werden kann. Anzahl und Abstand der Elektroden werden an die standortspezifischen Gegebenheiten, Rechendimensionen und Zielfischarten angepasst. Die Ausdehnung und Intensität des elektrischen Feldes hängen von den Elektrodenabständen, deren Polarisation (Kathoden und Anoden) sowie von der verwendeten Spannung ab. Die verwendeten Spannungen liegen im Bereich von 30 bis 80 Volt.
ERSTE PILOTANLAGE IN BAYERN
Die erste Pilotanlage eines flexiblen FishProtectors konnte an der Wasserkraftanlage Leinau an der Wertach in Kaufbeuren (Bayern) realisiert werden. Die Vereinigten WertachElektrizitätswerke GmbH (VWEW) wagten den Sprung ins kalte Wasser und folgten dem Rat ihres Planers (Ingenieurbüro Dr. Koch, Kempten), den FishProtector als Fischschutz und Fischleiteinrichtung bei dem Neubau des Dotationskraftwerkes vorzusehen. Der Arbeitsbereich Wasserbau der Universität Innsbruck als Entwickler des FishProtectors konnte das Interesse der Bayerischen Wasserwirtschaftsverwaltung, vertreten durch die Bayerische Landeskraftwerke GmbH, gewinnen. Im Zuge einer Forschungskooperation soll durch den Ausbau der Pilotanlage zu einer Demonstrationsanlage ein Beitrag zur Verbesserung des Fischschutzes in Bayern geleistet werden. Im Zuge dieser Zusammenarbeit werden begleitenden Betriebsversuche und biologischen Erfolgskontrollen durchgeführt. Das Dotationskraftwerk befindet sich am Beginn des bestehenden Triebwasserkanals der WKA Leinau und nutzt die erforderliche Restwasserabgabe mit einer Wasserkraftschne
Selbst starke Verlegungen des FishProtectors mit Laub, Ästen und sogar ein 10 m langer Baum konnten mit dem Reinigungsmechanismus entfernt werden.
Das Spannen und Ablegen der Seile erfolgt wahlweise auf Knopfdruck oder automatisch.
cke, welche auch dem Fischabstieg dient. Damit Fische diese Abstiegsmöglichkeit finden und nicht in den Triebwasserkanal einschwimmen, überspannt der FishProtector den Triebwasserkanal auf einer Länge von etwa 20 m und leitet so Fische direkt zur Wasserkraftschnecke. Die verwendeten 8 mm starken Stahlseile sind dabei mit einem lichten Abstand von 60 mm angeordnet. Die 40 Seile bilden eine ca. 2,5 m hohe mechanische Barriere, die Fische sicher zum seitlich gelegenen Abstieg führt. Am rechten Ufer befindet sich in der Böschung das Festlager, während am linken Ufer die Seile im Betriebsgebäude des FishProtectors zuerst durch eine Böschungsplatte geführt, dann umgelenkt und nach oben geführt werden, wo sie an Hydraulikzylindern beweglich gelagert sind. Jeweils zwei Seile sind an einem Zylinder befestigt. Der max. Zylinderhub von 0,80 m erlaubt wegen der Einscherung der Seile eine maximale Ablegelänge pro Seil von 1,60 m. Aufgrund der flachen Ausführung der Uferböschungen können die abgelegten Seile trotz der kurzen Ablegelänge den Fließquerschnitt komplett freigeben. Die Verhaltensbarriere am Pilotstandort wird durch das Anlegen elektrischer Impulse direkt an den Seilen erreicht. Die Seile sind entweder als Anode oder Kathode geschalten und mit dem Impulsgeber verbunden, der sich im Betriebsgebäude befindet. Serien von Impulsen im Millisekundenbereich werden in die Seile geschickt und bewirken eine Scheuchreaktion bei den Fischen im Nahbereich der Barriere.
Technische Daten
• Höhe Seilrechen: 2,55 m • Spannweite: 20 m • Seildurchmesser: 8 mm • Lichter Seilabstand: 60 mm • Anzahl der Seile: 40 Stk.
ERFAHRUNGEN AUS BETRIEB UND REINIGUNG
Die Installation der FishProtectorKomponenten wurden vom Technologiepartner der Universität Innsbruck, der Firma Albatros Engineering GmbH aus Oberösterreich, im Oktober 2020 im trockengelegten Triebwasserkanal vorgenommen. In nur dreitägiger Montage gelang es, die Seile inklusive der Befestigungen und das Hydrauliksystem passgenau zu platzieren. Ende Oktober konnten erste Erfahrungen hinsichtlich der Verlegung und notwendigen Reinigung gesammelt werden. In weitreichenden Tests wurde nicht nur das natürlich vorkommende Laub, sondern auch anderes Treibgut verwendet, um die Funktionalität des Ablegevorgangs hinsichtlich der Reinigungsleistung zu untersuchen. Die Theorie des Reinigungsvorganges konnte so in der Praxis eindrucksvoll bewiesen werden. Durch das sukzessive Bewegen der Zylinder bzw. Entspannen der Seile konnten alle angefallenen Verlegungen in der Rechenebene mobilisiert werden. Die Beobachtungen zeigten, dass aufgrund des großen lichten Seilabstandes Verlegungen erst bei einem massiven Treibguteintrag auftreten, v.a. wenn es sich um kleinförmiges Material wie Herbstlaub handelt. Bleiben kleine und große Äste im FishProtector hängen, können auch diese durch den Reinigungsmechanismus gelöst werden und schwimmen im Triebwasserkanal weiter, bis sie am Turbinenschutzrechen der WKA Leinau landen. Sogar ein 10 m langer Baum mit vielen Ästen, der zu Testzwecken in den Kanal eingebracht wurde und sich im FishProtector verhakte, bewegte sich nach Ablegen des FishProtectors friedlich weiter. Die endgültige Inbetriebnahme der Gesamtanlage (Wasserkraftschnecke und FishProtector) erfolgte Ende Januar 2021. Für die ersten Betriebsmonate sind weitere Betriebstests und die Optimierung der Ablegereihenfolge der Seilpaare geplant. Im Sommer 2021 wird eine umfassende biologische Erfolgskontrolle stattfinden. Die Anlage steht im Sinne einer Demonstrationsanlage dem interessierten Publikum in der nächsten Zeit zur Besichtigung zur Verfügung.
WEITERE ANLAGEN
Die FishProtector Technologie ist an vielen Standorten und Einsatzgebieten gefragt. Noch in diesem Jahr wird im Südtiroler Ultental ein FishProtector mit festen Seilen installiert werden, der die Fische in einem hochalpinen Speicher von dem Einschwimmen in die Wasserfassung abhält. Weitere Projekte an Laufwasserkraftwerken und an Wasserentnahmen sind in Ausarbeitung, sodass die FishProtector Technologie in Zukunft einen wichtigen Beitrag zum Fischschutz in unseren Gewässern leisten wird. Zu Beginn des Jahres 2021 wurde in Innsbruck das universitäre StartupUnternehmen HyFish GmbH gegründet. Diese innovative Firma beschäftigt sich in enger Kooperation mit ihren Technologiepartnern mit der Planung, Lieferung und Installation von FishProtector Anlagen.
Fischschutz an Wasserkraftanlagen
robust | effektiv | kostengünstig
Nachrüstung | Neubau