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Beregnungsanlage ermöglicht neues Kleinwasserkraftwerk

Foto: zek

Die elektromaschinelle Ausrüstung des neuen Kraftwerks Konfall: Eine 4-düsige Peltonturbine aus dem Hause Troyer, die bis zu 460 l/s maximal verarbeiten kann. Das Maschinengespann erzeugt in einer Betriebssaison – das sind gut sieben Monate im Jahr – rund 7 GWh. Links im Bild das Bypass-System, das auch bei Wartung oder Ausfall der Turbine die Bewässerung sicherstellt.

BEREGNUNGSANLAGE ERMÖGLICHT SÜDTIROLER GEMEINDE NEUES KLEINWASSERKRAFTWERK

Mit der Realisierung der Beregnungsanlage „Ebnet“, die eine moderne Bewässerung für circa 200 ha Agrarland sicherstellt, konnte in der Vinschgauer Gemeinde Schluderns ein imposantes Mehrzweckprojekt umgesetzt werden. Im Zentrum dabei: das neue Kleinwasserkraftwerk im Ortsteil Konfall, wo das Beregnungswasser für über 7 Monate eine moderne Turbine vom Fabrikat Troyer antreibt. Damit erzeugt das neue Kleinkraftwerk, das erst kürzlich den Betrieb aufgenommen hat, in dieser Zeit rund 7 Mio. Kilowattstunden sauberen Strom. Was das Projekt so besonders macht: Das neue Kleinkraftwerk trägt nicht nur durch seine Ökostromproduktion zur Ökologisierung der lokalen Infrastruktur bei. Darüber hinaus ist es Bestandteil mehrerer Synergieeffekte, die einerseits eine markante Wasserersparnis durch den Umstieg von Berieselung auf Oberkronenberegnung, anderseits eine ökologische Aufwertung des Saldurbachs durch erhöhte und vor allem kontinuierliche Restwassermengen und nicht zuletzt eine Verbesserung der ökologischen Situation der Schludernser Auen umfassen.

Geographisch gilt der Vinschgau als eine der zentralsten Alpenregionen. Hier erreichen die Alpen ihre größte Breite mit rund 250 km und nehmen die Region, die das obere Etschtal mit seinen Seitentälern umfasst, exakt in die Mitte. Somit liegt der Vinschgau eingebettet zwischen ausgesprochen hohen Bergkämmen, die durchwegs die 3000er-Grenze überschreiten. Und das beschert der Region eine faktische Insellage, sodass heute von einer der klimatisch geschlossensten Landschaften der Ostalpen die Rede ist. Sowohl die klimatischen Strömungen vom Norden als auch jene vom Süden werden durch diese Insellage stark abgepuffert. Für die Landwirtschaft des Vinschgaus bedeutet dies vor allem eines: Niederschlagsarmut. Gepaart mit hohen Temperaturen ob überdurchschnittlicher Sonnenscheindauer und den ausgeprägten Föhnwinden macht dies den Vinschgau zu einem der trockensten Täler der Alpen. Nicht einmal 500 mm Niederschlag verzeichnet etwa die Gemeinde Schlanders im Jahr, das ist weniger als in den meisten Regionen Siziliens. Und dennoch ist es den hier ansässigen Bauern gelungen, Apfelplantagen anzulegen, die heute Früchte höchster Qualität hervorbringen. Das Geheimnis hinter dem Erfolg liegt natürlich in der Art der Bewässerung. Waale, Stollen, Staubecken und Tiefbrunnen: Die Vinschauer Bauern haben eine einzigartige Strategie entwickelt, um ihr Wasser bestmöglich zu nutzen. Heute werden bereits 99 Prozent der Vinschgauer Agrarflächen mit künstlicher Bewässerung versorgt. Und dabei gibt es immer noch Optimierungspotenzial, wie sich unlängst bei einem hochinteressanten Projekt in der Gemeinde Schluderns zeigte.

Foto: Patscheider & Partner

In die bestehende Druckrohrleitung des Alperia-Kraftwerks wurde ein T-Stück eingesetzt, um Wasser für Beregnung und Wasserkraftnutzung zu entnehmen.

HOHE ZUSTIMMUNG FÜR MEHRZWECKPROJEKT Die Gemeinde Schluderns im Obervinschgau, bekannt als Geburtsstätte der Haflingerzucht und für die weithin sichtbare und außergewöhnlich gut erhaltene, hochmittelalterliche Churburg, trug sich schon seit rund zehn Jahren mit den Plänen, in Kombination mit der geplanten Beregnungsanlage „Ebnet“ auch ein Kleinwasserkraftwerk zu bauen. „Spruchreif wurde das Ganze allerdings erst im Februar letzten Jahres, als circa 90 Prozent der Grundeigentümer für den Bau der Beregnungsanlage ‚Ebnet‘ gestimmt hatten. Wir als Gemeinde hatten uns im Vorfeld bereits dazu bereiterklärt, eine Querfinanzierung für die Beregnungsanlage über die neu zu gründende Betreibergesellschaft in der Höhe von 750.000 Euro sicherzustellen. Vorbehaltlich natürlich der behördlichen Genehmigung für das Projekt“, erzählt der Schludernser Bürgermeister Dr. Heiko Hauser. Nach dem überwältigenden Mehrheitsbeschluss ging es Schlag auf Schlag: Nachdem auch der Gemeinderat offiziell dem Vorhaben zugestimmt hatte, wurde am 26. April 2021 die Wasserkraftwerk Konfall Konsortial GmbH (WKK) gegründet, an der die Gemeinde Schluderns 76 Prozent hält. Die restlichen 24 Prozent verteilen sich zu gleichen Teilen auf die SEG – Fernheizwerk Schluderns und weiters auf das VEK – Vinschgauer Energiekonsortium. Als Verwaltungsratspräsident steht der Gesellschaft Alexander Telser vor.

PROJEKTPLANER ALS VERLÄSSLICHE KONSTANTE Es galt, keine Zeit zu verlieren. Schon wenige Wochen nach der Gründung der WKK wurden die Baulose vergeben, sodass bereits im Juni mit den Bauarbeiten begonnen werden konnte. Sämtliche Pläne und die gesamte Projektierung wurden vom bekannten Planungsbüro Patscheider & Partner GmbH aus Mals erstellt. Die Projektidee wurde nicht nur im Büro von Patscheider & Partner bis zur Umsetzungsreife entwickelt, das Gesamtprojekt wurde vom verantwortlichen Planungsingenieur, Dr.-Ing. Walter Gostner, auch bis zur Inbetriebnahme begleitet. Ein echter Glücksfall für die Gemeinde Schluderns, dass man in Person des erfahrenen Ingenieurs auch eine unermüdliche Triebfeder hinter dem Vorhaben hatte. „Politisch ist es über die letzten 12 Jahre in Schluderns immer wieder zu personellen Änderungen gekommen. Das hat das Projekt nicht gerade einfacher gemacht“, so Walter Gostner. „Doch Heiko Hauser hat das Projekt ernsthaft in die Hände genommen und letztlich die entscheidenden Weichen gestellt.“

BEREGNUNG SPART WASSER Von seinem Konzept her handelt es sich beim Kraftwerksprojekt Konfall nicht um ein klassisches Laufkraftwerk. Es bezieht sein Triebwasser, das zugleich als Beregnungswasser dient, aus dem Kraftabstieg eines bestehenden Kraftwerks. „Bislang konnten die Schludernser Bauern schon 390 l/s für ihre Waale aus der bestehenden Wasserfassung Matschertal des Alperia-Kraftwerks entnehmen. Durch die Umstellung von der herkömmlichen Bewässerung auf moderne Beregnung werden allerdings durchschnittlich nur mehr circa 100 l/s dafür benötigt. Abzüglich der Restwasserabgabe an der Fassung können so dem neuen Kraftwerk rund 310 l/s zugeführt werden, Davon werden ca. 210 l/s an Restwasser konstant an den Saldurbach zurückgegeben, während die restliche Wassermenge von durchschnittlich 100 l /s von der Beregnung benötigt werden“, umreißt Walter Gostner die durchaus komplexen hydraulischen Rahmenbedingungen.

MIT DER DRUCKLEITUNG DURCH STEILES GELÄNDE Für die Wasserentnahme wurde am Beginn der bestehenden Stahl-Druckrohrleitung aufgeschnitten und ein neues T-Stück eingeschweißt. Konkret befindet sich der neue Anschluss in der Apparatekammer, rund 150 m tief im Fensterstollen des Alperia-Kraftwerks, der aus den 1950er Jahren stammt. Entlang dieser 150 m im Stollen sowie über knapp 2

I-39026-PradamStilfserjoch(BZ) Kiefernhainweg77 Tel.+390473616282 info@hofer-tiefbau.com www.hofer-tiefbau.com

Auch im schwierigen Gelände ist ein zügiger Baufortschritt mit dem patentierten Rohrsystem von TRM möglich.

Foto: Patscheider & Partner

Kilometer im freien Gelände wurde schließlich die neue Druckrohrleitung verlegt. Umgesetzt wurden die Arbeiten durch die Hofer Tiefbau GmbH aus Prad, die schon zuvor den Anschluss hergestellt hatte. Die Errichtung des Kraftabstiegs sollte sich durchaus schwierig gestalten, wie Walter Gostner betont: „Mit der neuen Druckrohrleitung überwinden wir gut 500 Höhenmeter auf circa 2 Kilometer Trassenlänge. Natürlich waren hier sehr steile Abschnitte dabei.“ Im schwer zugänglichen, steilen Gelände wurden die Rohre per Helikopter angeliefert, Hofer Tiefbau setzte seine erfahrensten Schreitbaggerfahrer ein. Zudem wurde für den Druckleitungsbau ein eigener Forstweg errichtet. „Dieser neue, 600 m lange Weg kann hinkünftig nun auch für die Waldbewirtschaftung genutzt werden. Bisher waren die dortigen Föhrenwälder, die der Gemeinde Schluderns gehören, nicht mit Fahrzeugen erreichbar“, erklärt Bürgermeister Heiko Hauser. Bei der Wahl der Rohrleitung setzten die Verantwortlichen auf die Qualität des Gussrohrsystems aus dem Hause Tiroler Rohre GmbH – TRM. Bei der Verlegung im steilen Gelände kamen die Vorzüge der TRM-Gussrohre – ihre einfache und schnelle Verlegbarkeit bei jeder Witterung – besonders zum Tragen. Im Zuge der Planung der DRL konnte auch ein Wunsch der lokalen Feuerwehr erfüllt werden, indem zwei Löschhydranten integriert wurden. Ein weiterer Beleg dafür, dass man bei diesem Projekt bestmöglich auf die Nutzung von Synergiemöglichkeiten Bedacht nahm.

2 MW LEISTUNG MIT BEREGNUNGSWASSER

Das zweite Baulos umfasste die Errichtung des Krafthauses im Ortsteil Konfall, das gemeinsam von den beiden Baufirmen Mair Josef & CoKG aus Prad sowie der Systembau GmbH aus Mals realisiert wurde. BesonFoto: C.Theny ders auffällig dabei: die gelungene Integration des Gebäudes in den Naturraum des Ufergebiets des Saldurbachs. Gemäß den Plänen von Patscheider & Partner wurde das Maschinenhaus fast zur Gänze in den angrenzenden Hang integriert und außen mit Natursteinen verkleidet, sodass eine möglichst große optische Harmonie mit der Landschaft im Konfall erreicht wurde. Im Inneren des Krafthauses ist das technische Herz des Ökostromkraftwerks untergebracht: eine 4-düsige Peltonturbine aus dem Hause Troyer AG, die einen direkt gekoppelten Synchrongenerator antreibt. Die Turbine ist optimal an die Gegebenheiten angepasst, kann im Maximum bis zu 482 l/s verarbeiten und kommt bei Volllast und einem Druck von 49,93 bar auf eine Ausbauleistung von 2.086 kW. Die jährliche mittlere Nennleistung wird dabei mit rund 995 kW angegeben. Neben Turbine und Generator lieferte der Südtiroler Wasserkraftspezialist auch die gesamte elektro- und automationstechnische Ausrüstung der Anlage. Da das Kraftwerk ja in den kalten Wintermonaten gemäß Wasserkonzession nicht betrieben wird, verfügt die Maschine über eine automatisierte Kondensheizung. Auch die Überwachung bleibt über die Wintermonate hinweg aktiv. Neben der elektromaschinellen Ausrüstung lieferte die Troyer AG auch das Bypass-System, das bei einem Ausfall oder bei Wartung der Turbine die Versorgung der anschließenden Beregnungsleitung sicherstellt. Sie ist mit einem speziellen Druckminderungsorgan ausge-

Der Verwaltungsrat des WKK besucht das neue Maschinenhaus: Bürgermeister Dr. Heiko Hauser, Präsident Alexander Telser, Bernd Stocker und Peter Trafoier (v.l.).

Bgm. Dr. Heiko Hauser beim Lokalaugenschein im neuen Krafthaus. Die gesamte Automation und E-Technik wurden vom Sterzinger Wasserkraftspezialisten Troyer realisiert.

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rüstet, das die 50 bar Leitungsdruck auf 0 reduziert. Sollte hingegen in Zukunft die Beregnungsanlage auch für Frostbewässerung herangezogen werden, ist ein sekundärer Kreislauf installiert, der es ermöglicht, in die Beregnungsanlage mit einem Druck von 10 bar einzuspeisen, sodass damit eine viel höhere Wassermenge an die zu bewässernden Felder geliefert werden kann.

NEUES LEBEN FÜR DEN SALDURBACH Welche Bedeutung das neue Mehrzwecksystem nun für den hiesigen Saldurbach mit sich bringt, erläutert Walter Gostner etwas näher: „Früher wurden die 390 l/s komplett entnommen und über die Waale in die Felder der Landwirte eingebracht. Das bedeutete für den Saldurbach, dass er dann trockengefallen ist, gerade im Mai war dies ab und zu der Fall. Doch das ist nun Vergangenheit. Durch die Umstellung verbleiben konstant 210 l/s im Bachbett plus dem bergseitigen Restwasser. In Summe führt der Saldurnbach damit immer eine Wassermenge von mindestens 400 l/s. Damit ist die ökologische Funktionsfähigkeit des Bachs wieder gewährleistet.“ Gostner spricht damit einen zentralen Synergieeffekt des Mehrzweckprojekts an. Ein anderer Synergieeffekt liegt in der Wasserersparnis an sich, wie Bürgermeister Heiko Hauser betont: „Durch die Umstellung von Waal auf die effizientere Beregnungsbewässerung wird Wasser eingespart, was in unserer niederschlagsarmen Region von größter Bedeutung ist. Und außerdem bringt die höhere Wassermenge auch eine Aufwertung der Schludernser Auen durch die Erhöhung des Wasserspiegels im Biotop.“

Technische Daten

• Maximale Ausbauwassermenge: 482 l/s • Mittl. Ableitungswassermenge [auf 12 Mon]: 193,16 l/s • Nennfallhöhe: 525,50 m • Turbine: 4-düsige Pelton • Fabrikat: Troyer • Drehzahl: 1.000 Upm • Ausbauleistung: 2.086 kW • Mittlere Leistung: 995,15 kW • Generator: 3-Phasen-Synchron Generator • Leistung: 2.600 kVA • Ableitungszeitraum: 20.03. - 31.10. • DRL: Material: duktiler Guss • Fabrikat: TRM - Tiroler Rohre GmbH • Länge: 2.000 m Durchmesser: DN 500 • E-Technik & Steuerung: Troyer AG • Baulos Krafthaus: Mair Josef & Systembau • Baulos Rohrleitung: Hofer Tiefbau • Planung: Patscheider & Partner • Regelarbeitsvermögen: 7 GWh

Foto: Patscheider & Partner

Rund 2 Kilometer Druckrohrleitung, bestehend aus TRM-Gussrohren DN500, wurden vom Team von Hofer Tiefbau erfolgreich verlegt.

KRAFTWERK TRÄGT ZUR ÖKOLOGISIERUNG BEI Während die Beregnungsanlage „Ebnet“ aktuell gerade errichtet wird, ist das Kraftwerk mit allen erforderlichen Schnittstellen zur geplanten Beregnungsanlage bereits in Betrieb. Seit 8. April speist die Anlage Strom ins Netz, für die gesamte Betriebssaison werden in Summe 7 GWh erwartet. Und das ziemlich exakt, wie der Bürgermeister unterstreicht: „Da das Wasser konzessionsgemäß sehr konstant zur Verfügung steht – und wir zugleich eine sehr hochwertige Anlage gebaut haben – dürfen wir im Regeljahr mit den avisierten 7 Millionen Kilowattstunden rechnen. Für eine kleine Gemeinde wie Schluderns keine geringe Strommenge.“ Noch ist das Projekt nicht fertig abgerechnet, aber alles deute darauf hin, dass man das gesteckte Ziel – die 4MioGrenze – sogar unterschreiten werde, sagt Hauser. Damit ist neben dem technischen Erfolg auch eine Punktlandung bei der wirtschaftlichen Umsetzung des Projekts gelungen. In Anbetracht der steigenden Strompreise eine Investition mit hohem RenditePotenzial. Generell betrachtet handelt es sich um das herausragende Beispiel eines Wasserkraftwerks, das gleich mehrere positive ökologische Effekte mit sich bringt. Für die Gemeinde Schluderns eines der wichtigsten Projekte der letzten Jahre, das Anfang September in einer offiziellen Feier seiner Bestimmung übergeben wird.

Foto: zek

Das Maschinenhaus des KW Konfall mit der markanten Natursteinfassade wurde mustergültig in die Vinschgauer Naturlandschaft integriert.

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