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Kohle erzeugen, statt Kohle verbrennen: Heizwerk Frauenfeld

Der Eigenstromverbrauch der Anlage entspricht rund einem Zehntel der Stromproduktion. Rund ein Drittel dieses Eigenstromverbrauchs wird mit einer großen Photovoltaikanlage auf dem Dach gedeckt.

Fotos: Syncraft

INNOVATIVE TECHNOLOGIE BEI BIOENERGIE FRAUENFELD: KOHLE ERZEUGEN, STATT KOHLE VERBRENNEN

Das Schweizer Heizwerk Bioenergie Frauenfeld ist ein Leuchtturmprojekt für die hocheffiziente Nutzung von Biomasse und zeigt anschaulich das Potential des nachwachsenden, heimischen Rohstoffes Holz für die Energiewende. Denn neben Strom und Wärme wird hier zusätzlich noch vielseitig verwendbare Pflanzenkohle erzeugt.

Schnittholz aus der Wald- und Landschaftspflege, Sturmholz oder von Schädlingen befallenes Holz: Was in konventionellen Biomasseheizwerken als Brennstoff zu minderwertig ist, wird im Heizwerk Bioenergie Frauenfeld in Wärme, Strom und Pflanzenkohle umgewandelt. Hier kommt das Verfahren der Pyrolyse zur Anwendung: Das Holz wird bei diesem Prozess in zwei Stufen erhitzt. In der ersten Stufe wird das Holz getrocknet und anschließend zu Pflanzenkohle verarbeitet. Bei der zweiten Stufe wird die Kohle erneut erhitzt und so wird Holzgas gewonnen, welches an Motoren weitergeleitet und in erneuerbaren Strom umgewandelt wird. Dieser reicht aus, um den jährlichen Bedarf von rund 8.000 Haushalten zu decken. Während der Umwandlung von Gas zu Ökostrom entsteht zusätzlich Abwärme, die dem Fernwärmeleitungsnetz zugeführt wird. Ein weiterer Pluspunkt: Die während der Herstellung der grünen Energie produzierte Pflanzenkohle bindet CO2 und macht so die gesamte Produktion zu einem CO2-negativen und damit klimapositiven Prozess. Denn die Verarbeitung des Holzes geschieht weitgehend unter Sauerstoffausschluss, weshalb keine Verbrennung stattfindet. Das im Holz gespeicherte CO2 wird hierbei nicht freigesetzt und so der Atmosphäre dauerhaft entzogen. Anstelle von Asche fällt Biokohle an. Diese findet in der Landwirtschaft zur Verbesserung des Bodens, als Futterzusatz oder als Aktivkohle in der Wasseraufbereitung Verwendung. „Das klimapositive Holzkraftwerk geht sogar noch viel weiter als Zero Emission: Mit jeder erzeugten Kilowattstunde werden Emissionen gebunden“ führt Dipl.-Ing. (FH) Marcel Huber, Geschäftsführer des Tiroler Unternehmens Syncraft, aus. Der Heiztechnikspezialist war mit seiner patentierten Technologie maßgeblich an dem Projekt beteiligt, das derzeit als weltweit größtes seiner Art gilt – und gleichzeitig eines der innovativsten. Während bei klassischen Festbettreaktoren die Schwerkraft als auch die Gasströmung nach unten wirken und somit eine zunehmende Verdichtung verursachen, wirken bei dem in Frauenfeld zum Einsatz kommenden Schwebefestbettreaktor diese beiden Kräfte entgegengesetzt. Mit diesem Unterschied bleibt die Holzkohleschüt-

Das Holzkraftwerk ist auf die Verwertung von günstigem Brennstoff ausgelegt. So kann voll auf forstliche Restfraktionen wie Waldhackgut gesetzt werden.

Syncraft-Geschäftsführer Marcel Huber neben dem Herzstück der Anlage: Schwebebettreaktoren ermöglichen ein sauberes Trennen der Pflanzenkohle und des Holzgases für die Wärmeerzeugung. In den vier Motoren wird das gewonnene Holzgas schließlich in Strom und Wärme gewandelt.

tung im Vergaser stets ideal gelockert und gut durchlässig, egal wie fein oder strukturiert das Hackgut vorher war.

STROM, WÄRME UND PFLANZENKOHLE

Betrieben wird das Heizwerk von Energie 360° und Schweizer Zucker als gleichberechtigte Partner und Betreiber. Die Energie 360° AG macht nachhaltige Energie in der ganzen Schweiz nutzbar und gehört zu 96 Prozent der Stadt Zürich, welche sie – wie auch 42 weitere Gemeinden – mit einer stets steigenden Menge an erneuerbarem Gas versorgt. Gemeinsam mit Schweizer Zucker AG wurde die Bioenergie Frauenfeld gegründet, um die gewonnene grüne Energie optimal auszunutzen – auch die in unmittelbarer Nähe des Heizwerks befindliche Zuckerfabrik wird mit Energie versorgt – und gleichzeitig den Ausstoß von CO2 konsequent zu reduzieren. Der Ökostrom und die Wärme aus dem Holzheizkraftwerk werden als erneuerbare Energie in mehrere Verbrauchernetze eingespeist und tragen so zur Klimastrategie der Gemeinde Frauenfeld bei. Das Nebenprodukt Pflanzenkohle wird über verschiedene Vertriebswege an Betriebe, beispielsweise in der Landwirtschaft, oder Gärtnereien abgesetzt.

ERFOLGREICHE ZUSAMMENARBEIT: INBETRIEBNAHME NACH 16 MONATEN

Der Bau des Kraftwerks während der Coronapandemie war ein Kraftakt. Lieferverzögerungen im Bereich Chip- und Steuerungstechnik bildeten einige Hürden. Auch die schweizerischen Sonderbestimmungen in Bezug auf das Arbeiten europäischer Nachbarn in der Schweiz während der Pandemie galt es zu berücksichtigen: Sie erschwerten das Vorhaben, Personal aus Österreich in die Schweiz zu schicken. Lachend fügt Marcel Huber hinzu: „Und dann war da noch die Herausforderung mit dem Schweizerdeutsch. Doch die Herausforderungen haben uns jeweils ein Stück mehr zusammengeschweißt.“ Trotz der Umstände hat Syncraft zusammen mit Energie 360° und der Schweizer Zucker AG einen Volltreffer gelandet: „Es hört sich jetzt vielleicht kitschig an, aber besondere Herausforderungen gab es ansonsten nicht. Sonst hätten wir das Projekt auch nicht nach sportlichen 16 Monaten planmäßig in Betrieb genommen“, ergänzt Marcel Huber. Jedes Jahr werden in der Bioenergie Frauenfeld rund 9.000 Tonnen Kohlendioxid dauerhaft der Atmosphäre entzogen. Addiert man noch die Einsparung von Öl und Gas hinzu, ergibt sich 40.000 t weniger anfallendes CO2. „Rückwärtskraftwerk“ nennt Marcel Huber das Heizwerk in Frauenfeld deshalb. 30.000.000 kWh/a Strom und 45.000.000 kWh/a Wärme werden mithilfe von vier Jenbacher Gasmotoren erzeugt. Zum Einsatz kommen die Holzgasanlagen CW1800x21000 mit jeweils einer elektrischen Leistung von 1.000 kW und einer thermischen Leistung von rund 1.400 kW. Der modulare Ansatz ermöglicht es, zeitweise auch nur einen Teil der Holzvergaser zu betreiben, beispielsweise wenn zu wenig Holz verfügbar oder der Energiebedarf gering ist. Ein elektrischer Wirkungsgrad von 30 Prozent bei einem Brennstoffnutzungsgrad von 92 Prozent zeigt eindrucksvoll, was moderne Holzkraftwerke zu leisten im Stande sind.

Das Nebenprodukt Pflanzenkohle kommt als wertvoller Reststoff in der Landwirtschaft oder im Gartenbau zum Einsatz.

SYNCRAFT

ClimatePositiveSolutions.

SynCraftEngineeringGmbH

Münchnerstraße22,6130Schwaz sales@syncraft.at www.syncraft.at

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