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DAS PLASTIK-PROBLEM ANPACKEN Unternehmer wollen etwas unternehmen Jede Minute gelangt eine LKW-Ladung an Kunststoffen in unsere Ozeane. Das sind 1.440 Müllwägen pro Tag und insgesamt 8 Milliarden Kilo Kunststoffabfälle pro Jahr. Zeit zu handeln. forum präsentiert Lösungsansätze und verbindet die Akteure, um daraus gemeinsam mit Partnern ein Netzwerk aufzubauen.
Von Fritz Lietsch
Foto: © Race for Water
Der Schock saß tief: Als Christian Schiller während eines Segeltörns vor Kolumbien in einen Teppich aus Kunststoffabfall geriet, erlebte er hautnah, wie extrem die Plastikverschmutzung in den Meeren bereits ist. Dem Berliner war sofort klar, dass er sich diesem Problem in Zukunft widmen wollen würde. Nach intensiver Beschäftigung mit der „Circular Economy“, also der Kreislaufwirtschaft, kam er zur einfachen Erkenntnis: Was einen Wert hat, das wird nicht weggeworfen. Nur ein halbes Jahr später war die Idee rund: Die Plattform cirplus soll recycelten Kunststoffen diesen ökonomischen Wert geben und dadurch den Anreiz erhöhen, Kunststoffabfälle zu verwerten, statt sie zu verbrennen oder zu exportieren. Vom Mitfahrer zum Plastiksammler Zuvor hatte Schiller für das französische Start-up BlaBlaCar, die heute weltweit größte digitale Mitfahrplattform, als erster deutscher Mitarbeiter den hiesigen Markt aufgebaut – innerhalb von vier Jahren von null auf sechs Millionen Mitglieder.
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Zurück in Deutschland nahm er im Oktober 2018 in Berlin am Acceleratorprogramm Entrepreneur First (EF) teil, wo er den Software-Entwickler und Blockchain-Experten Volkan Bilici kennenlernte. Passenderweise hatte Bilici zusätzlich über zwei Jahre Erfahrungen in der Kunststoffindustrie gesammelt und beste Verbindungen in die Türkei, einen der weltweit größten Märkte für Kunststoffverarbeitung. Das cirplus-Gründungsteam war geboren. Mit ihrer digitalen Handelsplattform für Alt-Plastik wollen beide das europaweite Recycling revolutionieren. Auf cirplus können Käufer und Verkäufer von Kunststoffrohstoffen, auch Rezyclate genannt, ganz einfach nach bestimmten Kunststoffarten und -mengen suchen und schnell und effizient Angebote vergleichen. Die Idee scheint anzukommen: Noch vor Start der Plattform im April 2019 registrierten sich 43 Unternehmen auf der Warteliste von cirplus, darunter auch Branchenriesen. Dadurch konnten bereits erste Transaktionen vermittelt werden. Seither sagen Schiller und Bilici mit jeder weiteren Transaktion dem Plastikmüll den Kampf an.
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Unterwasser treibendes Plastik wird durch die Bubble Barrier an die Oberfläche geleitet, während Fische ungehindert passieren können.
Durch den Winkel der Bubble Barrier und der natürlichen Fliessrichtung wird das an der Oberfläche treibende Plastik an das Ufer geleitet
Die große Blasenbarriere Auch wenn das Recycling von Plastik – entsprechende Sammelinfrastruktur und auch überhaupt recyclingfähige Kunststoffe vorausgesetzt – zukünftig besser funktionieren soll, gelangen gegenwärtig und in naher Zukunft immer noch gewaltige Mengen an Abfällen über die Flüsse und große Mülldeponien in unmittelbarer Küstennähe in die Ozeane. Dort verursachen Kunststoffe jeder Größe schwere Schäden an Meerestieren, insbesondere an Meeressäugern. Vögel verschlucken die vermeintliche Nahrung, Schildkröten verwechseln Plastiktüten mit Quallen und Fische verfangen sich in Plastik. Mikrokunststoffe und die von ihnen in Gewässern gesammelten Giftstoffe stellen eine Gesundheitsgefährdung für alle lebenden Organismen dar. Dieses Problem ist zwar
noch immer gelangen riesige Abfallmengen in die Meere. „Wir glauben, dass Kunststoffabfälle eingefangen werden können, bevor sie die Ozeane erreichen“, erklären die Gründer von „The Great Bubble Barrier“ selbstbewusst. Aktuelle Lösungen, die den Plastikabfall in den Flüssen stoppen sollen, haben zwei große Nachteile: Sie blockieren den Schiffsverkehr und/oder behindern die Fischmigration. „Wir haben eine elegante Lösung entwickelt, die Abfälle im Fluss blockiert, aber trotzdem die Passage von Fischen und Schiffen ermöglicht: eine Barriere aus Blasen.“ Ein Vorhang aus Luft – genial einfach Die Blasenbarriere entsteht durch das Pumpen von Luft durch einen Schlauch mit Löchern, der auf dem Boden von Flüssen
Das Hamburger Start-up cirplus will dafür sorgen, dass mehr Kunststoff wiederverwertet wird – und hat eine Digitalplattform geschaffen, die den Handel mit recycelten Kunststoffen so effizient und einfach wie möglich macht.
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Zermatt Summit – der Gipfel des Wandels Die Kraft der Wirtschaft in den Dienst des Gemeinwohls zu stellen, ist die Zielsetzung eines großartigen Events. Selten hat mich eine Konferenz so sehr begeistert wie der Zermatt Summit. Die Auswahl der Sprecher ist inspirierend für Kopf und Herz und das gewählte Thema so wichtig wie vielseitig: Humanizing Globalisation – an economic revolution inspired by nature. Und in der Tat sprüht der Summit vor guten Ideen und Entrepreneurship. Konkrete Businessmodelle werden vorgestellt, diskutiert und in bestehende Netzwerke geleitet. Die Bandbreite der Projekte ist beeindruckend. Von der Deckung unseres Weltenergiebedarfs durch Algen bis hin zum faszinierenden Projekt Race for Water. Renommierte Experten, führende Unternehmer und spannende Innovatoren erwarten Sie als Referenten in Zermatt. Ich, Fritz Lietsch, empfehle Ihnen die Inspiration des Zermatt Summit 2019, der vom 12. bis 14. September stattfindet. www.zermattsummit.org
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Grafiken: © The Great Bubble Barrier
von der Öffentlichkeit, Wirtschaft und auch von der Politik erkannt, aber insbesondere auch in Deutschland lassen politische Entscheidungen auf sich warten. Man setzt auf die Freiwilligkeit der Wirtschaft und lässt diese gewähren. Ein Verbot aller Einmalkunststoffprodukte würde unsere ganzen Wertschöpfungsketten durcheinanderwirbeln, und daher scheut die Politik, die durch entsprechende Regularien schnell handeln könnte, diesen wichtigen Schritt. Darüber hat sich jüngst Bundesentwicklungsminister Müller fürchterlich aufgeregt, indem er feststellte, dass viele ärmere Länder in der Lage seien, der Einmal-Kunststoffflut politisch den Kampf anzusagen, während Deutschland sich auf seiner scheinbar funktionierenden Recycling-Industrie ausruhe und denke es sei genügend getan. So erließ Bangladesch als erstes Land weltweit bereits im Jahr 2002 ein Verbot von Plastiktüten. Seither hat das Beispiel Schule gemacht, inzwischen sind Plastiktüten in mehr als 30 Ländern nicht mehr erlaubt. Doch
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MATERIALKREISLÄUFE SCHLIESSEN UND RESSOURCEN SCHONEN VinylPlus®, das Nachhaltigkeitsprogramm der europäischen PVC-Branche Anfang 2018 hat die Europäische Kommission mit der EU-Kunststoffstrategie ein umfassendes Maßnahmenpaket vorgelegt, um die Kreislaufwirtschaft für wichtige Materialströme europaweit voranzubringen. Ein Ziel, das die deutsche und europäische PVC-Branche voll und ganz unterstützt. Seit Ende der 1990er Jahre haben sich die Unternehmen der europäischen PVC-Branche mit der freiwilligen Selbstverpflichtung ehrgeizige Ziele gesetzt und diese auch erreicht. Mit dem Nachhaltigkeitsprogramm VinylPlus® wurde dieser Weg Anfang 2011 fortgesetzt. Das VinylPlus Programm wurde im offenen Dialog mit Stakeholdern aus Industrie, NGOs, Regulierungsbehörden, Vertretern der Zivilgesellschaft und Verbrauchern entwickelt. Auf Basis der von The Natural Step erarbeiteten Bedingungen für eine nachhaltige Gesellschaft wurden für den Werkstoff fünf wesentliche Herausforderungen identifiziert. Dazu zählt unter anderem die jährliche PVC-Recyclingmenge bis 2020 auf 800.000 Tonnen zu steigern, den nachhaltigen Einsatz von Additiven zu fördern, sich in Richtung einer „low carbon“
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Kreislaufwirtschaft zu entwickeln und Treibhausgas-Emissionen sowie den Energie- und Ressourcenverbrauch entlang der gesamten Wertschöpfungskette schrittweise zu reduzieren. Im Jahr 2018 wurden laut dem kürzlich beim VinylPlus Nachhaltigkeitsforum Forum 2019 in Prag vorgestellten Fortschrittsbericht insgesamt rund 740.000 Tonnen recyceltes PVC registriert. Das sind fast 93 Prozent des angestrebten Ziels. Ausruhen wollen sich die Unternehmen der europäischen PVC-Branche auf ihren bisherigen Erfolgen aber nicht. So hat Brigitte Dero, General Manager von VinylPlus, bereits im September vergangenen Jahres angekündigt, bis 2030 mindestens eine Million Tonnen PVC pro Jahr recyclen zu wollen. Seit 2000 wurden im Rahmen des Nachhaltigkeitsprogramms bisher mehr als fünf Millionen Tonnen PVC recycelt und dadurch zehn Millionen Tonnen CO2 eingespart. Die Einhaltung der gesetzten Ziele ist für den Erfolg des Nachhaltigkeitsprogramms essenziell. So werden die Recyclingmengen
beispielsweise von unabhängiger Stelle verifiziert und einem Monitoring-Ausschuss vorgelegt, der sich aus Vertretern der EU-Kommission, des EU-Parlaments, von Verbraucherorganisationen, Gewerkschaften, Wissenschaft und Industrie zusammensetzt. An dem Nachhaltigkeitsprogramm VinylPlus beteiligen sich Unternehmen entlang der gesamten PVC-Wertschöpfungskette aus den 28 EU-Mitgliedsstaaten, darunter viele aus Deutschland, sowie Norwegen und der Schweiz. „Mit den etablierten Recycling-Aktivitäten tragen wir von Anfang an dazu bei, die ehrgeizigen Ziele in Europa zu erreichen“, so der AGPU-Vorstandsvorsitzende Dr. Oliver Mieden. In Deutschland hat die AGPU gemeinsam mit ihren rund 60 Mitgliedsunternehmen bereits früh auf Kreislaufwirtschaft und Recycling gesetzt und so die Weichen für ressourcenschonende Materialkreisläufe gestellt. Dies hat dazu beigetragen, dass der Kunststoff heute ein Vorreiter beim Thema Nachhaltigkeit ist. www.vinylplus.eu | www.agpu.de
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Die Plastikflut kommt: Die Osterinsel, in der Sprache der Einheimischen Rapa Nui, ist eine Insel in Polynesien, die extrem unter der Verschmutzung durch Plastikabfälle leidet. Diese werden zum einen von der Strömung des Pazifiks angetrieben und sind zum anderen eine Hinterlassenschaft von mehr als 120.000 Touristen jährlich. Race for Water will die Abfälle nun für die Inselbewohner verwerten.
Race for Water – wenn alles nichts mehr hilft Auch den Schweizer Unternehmer Marco Simeoni machte seine Liebe zum Segeln zu einem Aktivisten in Sachen Meeresverschmutzung. „Ich habe seit Jahren bemerkt, dass die Menge an Müll, die in den Meeren schwimmt, immer größer wurde“, sagt er. Im Jahr 2010 beschloss er, eine Stiftung zu gründen mit dem Ziel, die Meere vor Kunststoffabfällen zu schützen. Zunächst konzentrierte er sich darauf, Bewusstsein zu schaffen, indem er über seine Initiative „Race for Water“ sprach, wo immer er konnte.
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An die Wurzel des Übels Marco Simeoni hatte bereits als 29-Jähriger ein Technologieunternehmen gegründet. Im Jahr 2015 verkaufte er das erfolgreiche Unternehmen und beschloss, seine ganze Energie seiner Stiftung zu widmen und das Problem der Kunststoffverschmutzung intensiver zu untersuchen. Mit einem Team von Wissenschaftlern begab er sich auf eine 9-monatige Reise über die Ozeane, um Müllproben zu sammeln und Plastikbelastungen zu kartieren. Als er zurückkam, wurde ihm klar, dass er nicht die Lösung gefunden hatte, die er suchte: „Plastik-Mikropartikel sind überall in den Ozeanen. Es ist völlig unmöglich, das aufzuräumen. Das ist Utopie“. Die Seereise schickte den Schweizer Unternehmer zurück ans Reißbrett. „Wir müssen an der Quelle des Problems arbeiten. Der Kampf gegen die Kunststoffverschmutzung muss an Land geführt werden, bevor die Abfälle ins Wasser gelangen können“, sagt er. Aber es gibt wenig Interesse daran, Abfälle zu sammeln, die keinen Wert haben. So machte sich Simeoni daran, Wege zu finden, den Kunststoffabfall zu verwerten. Öl – Plastik – Gas Am sinnvollsten ist natürlich das direkte, sortenreine Recycling von Plastik. Doch bei Plastik, das aus Flüssen, Meer oder Landschaft gesammelt wird, ist die Mixtur oft kaum noch zu trennen. Pyrolyse, die thermische Zersetzung von Materialien bei hohen Temperaturen, könnte Kunststoff wieder in Öl verwandeln. Diese Technik funktioniert jedoch nur bei bestimmten Kunststoffabfällen, die außerdem vor der Verarbeitung gründlich gereinigt werden müssen. Simeoni kam zum Schluss, dass die Pyrolyse keine praktische Lösung für Entwicklungsländer ist, in denen der größte Teil der Kunststoffverschmutzung auftritt. Schließlich führte seine Suche nach einer Lösung zu einer Zusammenarbeit mit dem französischen Ökotechnik-Konzern ETIA und zur Entwicklung einer neuen Technologie, die für die Verwertung aller Kunst-
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Fotos: © Marco Simeoni
platziert wird. Die aufsteigenden Blasen transportieren den Abfall an die Oberfläche und blockieren die Bewegung von Kunststoffen stromabwärts. Über die Strömung des Flusses wird der Abfall dann an das Ufer geleitet, wo er leicht mit einem Einzugssystem gesammelt werden kann. Fische können durch den Blasenvorhang, unter dem Blasenschlauch oder durch einen Fischpass die Barriere überwinden. Die Mission von The Great Bubble Barrier ist es, so viel Kunststoff wie möglich aus Flüssen zu entfernen. Das Konzept dafür basiert auf vier Säulen: 1. Reinigung der Flüsse mit den Blasenbarrieren 2. Sensibilisierung für die Problematik der Plastikverschmutzung mit den Bubble Barriers als Standort für öffentliche Führungen und Bildungsprogramme 3. Messung und Überwachung der Menge an Kunststoff in den Flüssen, um zur Entwicklung besserer Strategien und Maßnahmen beizutragen 4. Unterstützung einer Wiederverwendung des Treibgutes durch ein sinnvolles Recycling von Abfällen aus Flüssen. Die Great Bubble Barrier Initiative wurde Anfang 2017 gegründet. Bereits im November 2017 realisierte das Start-up-Team ein 200 m langes Pilotprojekt, das zeigte, dass die Blasenbarriere 86 Prozent des gesamten Testmaterials unter allen Wetterbedingungen während eines niederländischen Novembermonats aus dem Fluss herausholte.
Das Ziel vor Augen: Marco Simeoni verhandelt mit der örtlichen Verwaltung und der chilenischen Regierung, um auf Rapa Nui eine Demonstrationsanlage zu errichten. Weitere Inseln und Staaten – darunter die Dominikanische Republik – haben Interesse an dem Projekt und der Unterstützung durch die Race for Water-Stiftung angemeldet. Abfall vermeiden und verwerten ist das Credo des Schweizer Unternehmers.
stoffabfälle geeignet ist. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Abfall nur noch zerkleinert und nicht mehr gereinigt werden muss. Diese neue Technologie bricht die Kunststoffpolymere auf und verwandelt sie in ein Synthesegas, ein Gasgemisch aus Wasserstoff und Kohlenmonoxid, das über seine Verbrennung und den Antrieb eines Generators in Strom umgewandelt werden kann. Laut eigenen Angaben hat Race for Water bereits den Prototypen einer Maschine entwickelt, die 5.000 Kilo Kunststoffabfälle pro Tag verarbeiten kann. Das entspricht in etwa dem Kunststoffverbrauch von 100.000 Menschen. Eine solche Anlage erzeugt jährlich 3.700 Megawattstunden Strom. „Unsere Maschine liefert genug Strom für 5.000 Familien“, sagt Simeoni. „Wenn eine Familie im Durchschnitt aus vier Personen besteht, kann die Maschine den Strom für 20.000 Personen produzieren. Das bedeutet, dass jeder fünfte Mensch direkt von den Kunststoffabfällen der Gemeinde profitiert.“ The business of business is business Simeoni ist Unternehmer genug, um zu wissen, dass langfristig nur erfolgreich ist, was eine dauerhafte Geschäftsgrundlage hat, und so setzte er sich daran, ein Geschäftsmodell zu entwickeln. Es beginnt damit, Beschäftigung und Einkommen für benachteiligte Gemeinden in Entwicklungsländern, die die ersten Opfer der Kunststoffverschmutzung sind, zu schaffen. Der Wert des von der Simeoni-Maschine erzeugten Stroms ermöglicht es, für 1.000 Kilo Plastikmüll etwa 150 Dollar zu bezahlen. Das ist ein konkurrenzfähiger Preis, verglichen mit $100 für 1.000 Kilo Papier und $120 für 1.000 Kilo Glas und Stahl. Doch seine Maschine erfordert eine Investition von rund 3 Millionen Dollar. Das Geld für eine solche Investition steht in Entwicklungsländern nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund hat Simeoni eine Leasingfirma aufgebaut, die die Maschinen gegen Gebühren vermieten und sich aus den Einnahmen vom Verkauf des Stroms refinanzieren soll.
Simeoni sammelt nun Geld für diese Leasinggesellschaft. Sobald ausreichend Kapital zur Verfügung steht, kann das Business sehr schnell durchstarten, denn jede Einheit ist in einem Container verbaut und kann innerhalb von sechs Wochen überall auf der Welt in Betrieb genommen werden. In den nächsten 10 Jahren will er 300 Maschinen weltweit verteilen und 1,5 Millionen Menschen in Entwicklungsländern mit Strom aus Kunststoffabfällen versorgen. Wir brauchen viele Lösungen Simeoni ist sich dessen bewusst, dass seine Lösung nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist. Er hat die Technologie auf seine Stiftung angemeldet, die sie kostenlos an alle, die sie kopieren wollen, weitergibt. „Wir brauchen viele Lösungen, um die Kunststoffverschmutzung loszuwerden“, sagt er und fordert ein Gesetz, das die Hersteller zwingt, mehr Produkte aus recyceltem Kunststoff herzustellen. „Ohne ein solches Gesetz werden die Hersteller einfach weiterhin frischen Kunststoff aus Öl herstellen. Er weist auch auf die Bedeutung der Entwicklung biologisch abbaubarer Biokunststoffe hin und ist Befürworter eines Verbots von Einweg-Kunststoffprodukten. Er befürchtet auch nicht, dass der Erfolg eines solchen Verbots sein Geschäftsmodell untergraben könnte und erklärt dazu lächelnd: „Heute produziert die Welt jährlich rund 350 Millionen Tonnen Kunststoff, Tendenz steigend. Acht Millionen Tonnen davon landen in den Ozeanen. Fünfzig Prozent erreichen Deponien. Das Restvolumen ist riesig. Es wird deshalb (leider) sehr lange dauern, bis mein Geschäftsmodell überholt ist.“ Weitere Akteure schließen sich gegenwärtig in Allianzen zusammen. Mehr dazu in der kommenden Ausgabe von forum www.cirplus.de | www.thegreatbubblebarrier.com www.raceforwater.org | www.plawas.net www.prevent-waste.net
www.forum-csr.net Gedruckt auf Steinbeis Charisma Silk – hergestellt aus 100 % Altpapier, ausgezeichnet mit dem Blauen Engel. Ein Produkt der Steinbeis Papier GmbH.
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E VENTS
8. Zermatt Summit: Neue Geschäfts- Die 1. Swiss Sustainable Funds modelle erobern die Welt Awards in Genf Vom 12. bis 14. September 2019 findet zum achten Mal der Zermatt Summit in Zermatt in der Schweiz statt. «Entrepreneurship to serve the common good» heisst das diesjährige Konferenzthema. 25 global tätige Unternehmer/innen wie beispielsweise Alisée de Tonnac, die kürzlich vom Forbes Magazine als eine der führenden «Social Entrepreneur under 30» nominiert worden ist, oder Giuseppe Lavazza, der als erster Kaffeemarktführer 2015 zu 100 % kompostierbare und biologisch abbaubare Kaffeekapseln auf den Markt brachte, zeigen in ihren Keynotes und als Panelteilnehmer, wie sie durch Innovation mit der traditionellen Logik des Mainstreamgeschäfts brechen. Eines der erklärten Ziele des Zermatt Summit ist: Das klassische Wirtschaftsmodell, bei dem der Mensch im Mittelpunkt steht, muss transformiert werden – inspiriert von der Natur und unter Berücksichtigung der Bedürfnisse aller Menschen. Es braucht einen radikalen Abschied von der seit
der Industrialisierung vorherrschenden Wegwerfwirtschaft. Der Zermatt Summit erklärt an konkreten Beispielen aus der Spitzentechnologie und dem modernen Unternehmertum, dass dieses Modell in unserem sich ständig verändernden Klima keinen Sinn ergibt. Die im Rahmen der Konferenz erarbeiteten Projekte fördern nicht nur eine neue Kreislaufwirtschaft, sondern schaffen MultiEinkommensströme, die die Unternehmen von bestehenden Kerngeschäftsmodellen entkoppeln und sie zu mehr Stakeholder-orientierten Organisationen machen.
Während nachhaltige Fonds nur 3,7 % aller in der Schweiz ausgegebenen Fonds ausmachen, verzeichnen sie 10 Prozent aller Nettomittelzuflüsse. Um dieser Entwicklung Rechnung zu tragen, vergibt das Geneva Forum for Sustainable Investment dieses Jahr die ersten GFSI Swiss Sustainable Funds Awards. Die nominierten Vermögensverwalter wählt eine unabhängige Jury aus. Sie bewertet die Performance der Fonds sowohl qualitativ als auch quantitativ. Die Preise gehen an Gewinner aus zehn verschiedenen Kategorien. Zwei besondere Auszeichnungen winken den Sie-
gern der Kategorien Best Sustainable Asset Management Company und Best Climate Fund. Unter den Nominierten figurieren nebst anderen Janus Henderson, Swisscanto, Pictet, Raiffeisen, Robeco, Vontobel und Mirova (Natixis IM). Am 12. Juni 2019 werden in Genf die Gewinner der ersten Swiss Sustainable Funds Awards gekürt. Mehr Informationen zum Programm und den einzelnen Partnern finden Sie unter: voxia.ch/de/les-gfsi-swisssustainable-funds-awardsdevoilent-la-liste-des-nomines
Hinweis: Die Leserinnen und Leser von Umwelt Perspektiven erhalten 15 % Rabatt auf die Teilnahmegebühr. Der 8. Zermatt Summit findet vom 12. bis 14. September 2019 statt. Weitere Informationen zum Programm und Ticketverkauf erhalten Sie unter: www.zermattsummit.org Die GFSI Swiss Sustainable Funds Awards schaffen eine neue Benchmark im Sustainable Investment.
WASTEvision 2019: Urban Mining – Ressourcen aus Abfall An der WASTEvision 2019 – Thema: «Abfallwirtschaft im Wandel» – werden besonders dynamische Bereiche der Abfallwirtschaft aus verschiedenen Richtungen ausgeleuchtet. Rechtliche Vorgaben verändern sich, neue wissenschaftliche Erkenntnisse werden gewonnen, neue Technologien entstehen, und auch die Erwartungen der Bevölkerung ändern sich. Dieser Wandel stellt die Abfallwirtschaft vor Herausforderungen, bietet aber auch Chancen
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Umwelt PERSPEKTIVEN
für wirtschaftlich und ökologisch interessante Lösungen. Die Referate zu diesem Themenkomplex bilden die Grundlage für eine spannende Diskussion der Teilnehmer sowohl untereinander als auch mit den Referenten. Weitere Informationen zur WASTEvision 2019 vom 20. September in Rapperswil finden Sie unter: www.wastevision.ch
Bild: Voxia
Fachtagung «Re-source» in Basel Am 28. Und 29. Mai 2019 findet im Volkshaus in Basel die fünfte Ausgabe der länderübergreifenden Fachtagung «Re-source Ressourcenschonung – von der Idee zum Handeln» statt. Der nachhaltige Umgang mit natürlichen Ressourcen, erneuerbaren wie nicht erneuerbaren, gehört zu den Herausforderungen unserer Zeit. Eine effiziente und umweltschonende Materialnutzung von der Rohstoffgewinnung bis zur Abfallbewirtschaftung ist hierfür eine grundlegende Vo-
raussetzung. Die Umweltministerien und -bundesämter der Schweiz, Österreichs und Deutschlands laden zur Diskussion über Kreislaufwirtschaft im Kontext einer nachhaltigen Bewirtschaftung natürlicher Ressourcen ein. An der Tagung erwarten Sie Referate und Möglichkeiten zur Diskussion über aktuelle Themen der Ressourcenschonung. Alle Details und das aktuelle Programm finden Sie unter: www.re-source-tagung.info/ anmeldung
NACHHALTIGKEITSREPORTING
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Nachhaltig handeln mit System Unzählige Faktoren spielen bei der Entscheidung über Nachhaltigkeit mit. Um eine fundierte Lösung zu finden, müssen die bedeutendsten Kriterien eruiert und die Ansätze danach bewertet werden. Nachhaltigkeit behandelt bekanntermassen nicht nur ökologische Aspekte, sondern stellt auch hohe Erwartungen an wirtschaftliche und soziale Kriterien, dies auch noch global und langfristig.
Marc Münster Unzählige Faktoren spielen bei der Entscheidung über Nachhaltigkeit mit. Damit die relevanten Punkte effektiv realistisch bewertet werden, müssen stets jene Personen ins Projektteam einbezogen werden, die mit einem der drei Themengebiete Erfahrung haben. Sie können am besten beurteilen, wo die stärksten Auswirkungen zu erwarten sind. Erst die systematisch gewichtete Berücksichtigung der verschiedenen Aspekte ermöglicht es, sinnvolle Entscheide zu treffen. Es existieren verschiedene Instrumente, die sich eignen, um die möglichen Auswirkungen seines Tuns oder Lassens zu erkennen – sie können sowohl auf Projekt-, Betriebs- als auch Prozessebene angewendet werden: 1. Die Umweltrelevanzmatrix: Mittels einer simplen Tabelle identifiziert man, welche Aktivitäten der Organisation (Marketing, Transport, Lagerung, Produktion etc.) welche Umweltfaktoren (wie Boden, Luft, Wasser, Ressourcen etc.) in welchem Ausmass tangieren. Daraus werden Prioritäten, Ziele und Vorbeugungs- oder Optimierungsmassnahmen definiert. 2. Die Interessengruppenanalyse zeigt idealerweise auf, welche Akteure von den Aktivitäten einer Organisation betroffen sind und eruiert ihre Reaktionen und Konsequenzen. Damit werden gesellschaftliche Auswirkungen ersichtlich. 3. Die PESTEL-Analyse geht auf das gesamte Umfeld eines Unternehmens ein und identifiziert die relevanten Entwicklungen in diesem. Sie kategorisiert diese in politische (political), ökonomische, soziokulturelle (social),
technische (technological), ökologische (environmental) und rechtliche (legal) Entwicklungsrichtungen. 4. Nachhaltigkeitsbeurteilung von Projekten: Mithilfe eines Rasters wird ein Überblick über die Auswirkungen eines Projekts auf die Gesellschaft, die Umwelt und die Wirtschaft geschaffen (vgl. www.kompass21.ch). Der Gebrauch solcher Instrumente ermöglicht die frühzeitige Identifikation und Umgehung unerwünscht negativer Auswirkungen. Sollte dies nicht möglich sein, sollte man die Auswirkungen möglichst überwachen und in Grenzen halten. Entgegen vieler Erwartungen sind solche Analysen nicht zwingend mit grossen zeitlichen und personellen Ressourcen verbunden. Wo fangen wir an? Doch auch mit den besten Absichten und den effizientesten Instrumenten können nicht alle Projekte, Unternehmensaktivitäten und Prozesse eines Betriebes gleichzeitig auf ihre Nachhaltigkeit beurteilt werden. Die Verantwortlichen müssen eine Auswahl treffen und die schlussendlich aufgelisteten Elemente priorisieren. Dabei wird zuerst eine Ist-Situation aufgenommen und daraus werden die zu beurteilenden Punkte festgelegt, dann soll auch ein Blick auf die Zukunft geworfen werden: Sind Elemente in Planung, deren Beurteilung ebenfalls Sinn machen würde? Stehen Ideen zu Aktivitäten im Raum, die in einem etwas fortgeschritteneren Stadium auch behandelt werden sollten? Um die Prioritätsstufen festzulegen, kann man sich mit folgenden Leitfragen helfen: – Wo sind die markantesten Auswirkungen zu erwarten? – Wobei sind die meisten Stakeholdergruppen betroffen? – Wo besteht bereits heute offensichtliches Verbesserungspotenzial? – Wo können wir wirklich Einfluss nehmen? Nachhaltigkeit einbetten Zahlreiche Definitionen von Nachhaltigkeit enden nicht mit den drei genannten Dimensionen. Meist werden zwei weitere Punkte aufgenommen: Langfristigkeit
Marc Münster, CEO der sanu ag, ist von seiner Grundausbildung her Geologe und Umweltingenieur. Bild: zVg
und Globalität. Nachhaltigkeit umfassend zu implementieren bedeutet, dass sie nicht bei der Projekt-, Prozess- oder Strategiebeurteilung aufhört. Sie greift erst richtig in Form von nachhaltigem Management, das im Daily Business vor und hinter den Kulissen gelebt wird. Dieses hat drei wesentliche Pfeiler: 1. Man kennt die Auswirkungen seines Tuns im gesellschaftlichen, im wirtschaftlichen und im Umweltbereich. 2. Man kennt die involvierten Interessensgruppen und führt einen an diese angepassten und steten Dialog. 3. Man stellt möglichst alle Zielkonflikte fest, trifft klare Entscheide und kommuniziert sie nachvollziehbar. Entscheidung getroffen – und jetzt? Für die erfolgreiche Umsetzung eines nachhaltigen Managementsystems braucht es immer auch entsprechende Leader, die die Mentalität vorleben und entsprechend kommunizieren. Gerade weil die auf den ersten Blick nachhaltigste Variante dies nicht zwingend ist, braucht es eine transparente und verständliche Kommunikation der Entscheidung. Bedenken müssen frühzeitig und umfassend ausgeräumt werden – die Grundlage für das Argumentarium liefern die obengenannten Instrumente. ■ Kurse für Nachhaltigkeits-Management: Das Bildungs- und Beratungsunternehmen sanu future learning ag führt regelmässige Kurse zur Nachhaltigkeitsbeurteilung von Projekten und nachhaltigem Management durch – so auch am 14. und 15. November 2019 in Biel. Informationen dazu finden Sie unter www.sanu.ch/19SMNB Umwelt PERSPEKTIVEN
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