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Glück und Pech auf dem Feld
„Völkerball 2.0“ – so nennen die Tyrol Turtles ihren Sport. Und so unähnlich ist er dem, was man aus der Schulzeit kennt, auch nicht. Nach vorn rennen, abschießen, ausweichen, Rückzug und dazu eine Prise Taktik – Anna Kirchgatterer hat es ausprobiert.
Ausprobieren kann man Dodgeball montagabends im Probetraining oder beim diesjährigen Beach Cup am 17. Juni auf den Beachvolleyballplätzen im Tivoli-Stadion. Zusätzlich zum Dodgeballturnier gibt es einen Style Award und eine Afterparty.
Bald geht es hoch her in der Turnhalle des AGIs an diesem Dienstagabend. Fünf Bälle fliegen von einem Spielfeld ins andere, dazwischen laufen die Tyrol Turtles. Vieles am Dodgeball ist ähnlich wie beim mehr oder weniger geliebten Spiel der Kindheit – Völkerball: Zwei Teams mit je sechs Personen spielen gegeneinander, wer abgeschossen wird, muss raus. Wenn ein Ball gefangen wird, darf einer aus dem Team wieder ins Feld. Am Beginn eines jeden Spiels steht der Opening Rush. In der Mitte liegen fünf sich jede:r im Team schnell auskennt und man möglichst rasch zum Angriff übergehen kann.
„Gerade in der Liga läuft das Spiel sehr strukturiert ab. Da ist ein noch schnellerer Wechsel, jede:r kennt die Taktik und weiß, was zu tun ist“, erklärt Matthias, der Obmann der Tyrol Turtles. Bei den besseren Spieler:innen mache dann vor allem das taktische Verständnis den Unterschied: „Es sind die kleinen Entscheidungen während des Spiels: Gehe ich jetzt zum Ball hin, mache ich jetzt den Wurf?“
Von solchen Überlegungen bin ich weit entfernt. Mit Ballsportarten habe ich grundsätzlich eher wenig am Hut und schnell wird klar: Meine Wurftechnik ist natürlich ausbaufähig. Und die Bälle sind gar nicht so leicht in der Hand zu halten. Ungeübten – oder mir zumindest – rutschen sie öfter durch die Finger. Trotzdem kriege ich immer wieder den Ball in die Hand gedrückt. „Geh nach vorne, schau böse und deute an, dass du jemanden abschießt“, weist mich Tanja ein. Nur einmal fliegt mir beim grimmigen Augenbrauenzusammenziehen der Ball aus der Hand.
KNACKIGE 15 MINUTEN.
Bälle aufgereiht, je zwei sind für die gegnerischen Teams, den in der Mitte bekommt, wer schneller ist.
TAKTIK AM BALL.
Ähnlich chaotisch wie in den Schulsporthallen am Vormittag geht es beim Dodgeball aber nicht zu, denn im Unterschied zum Völkerball spielt die Taktik eine wichtige Rolle: Am Zug ist immer jenes Team mit den meisten Bällen. Die Begrifflichkeiten sind kurz und prägnant, damit
Was eine:n gute:n Dodgeballspieler:in ausmacht? Da muss Philipp kurz überlegen: „Ich würde sagen: Reaktionsfähigkeit – dass du einfach schnell erkennst: Da kommt der Ball, den muss ich fangen, oder da ist gerade jemand, den man schnell abschießen kann. Ein harter Wurf ist nicht das Entscheidende, sondern eher, zu antizipieren, erkennen und ein bisschen dynamisch auf den Füßen zu sein.“
Ich bin schon stolz auf mich, wenn ich daran denke, beim Rückzug meinen Gegner:innen nicht den Rücken zu zeigen. Aber sie sind nett und schießen mich nur selten ab – dabei wäre eine Pause hin und wieder ganz fein. Schon nach den ersten
Runden steht mir der Schweiß auf der Stirn, und der Kopf raucht. Im Bewerb werden zweimal 15 Minuten durchgespielt, ein Satz dauert höchstens drei Minuten, jede gewonnene Runde gibt einen Punkt. Das klingt zwar kurz, ist aber auf jeden Fall knackig. „Beim Bewerb bin ich schon mal am Boden gelegen nach einem Spiel“, lacht Cynthia. Sie ist seit rund einem Jahr bei den Turtles und beantwortet zwischendurch meine zahlreichen Fragen.
SOCKEN UND MUSKELKATER.
Eine davon ist die, was es mit den bunten Socken auf sich hat. Einhörner, Ski und eine Winterlandschaft, Enten, Burger, Limetten und Zitronen schauen aus den Hallenschuhen hervor. „Bunte Socken sind unsere inoffizielle Montur“, erklärt Alex den Hype um die Muster. In Kürze will man außerdem einheitlich bunt sein. „Ich habe schon TyrolTurtleSocken bestellt“, lacht der Dodgeballspieler.
Für die gute Stimmung sorgen aber nicht nur die Socken, sondern vor allem die kleinen Erfolgsmomente. „Es ist nicht wie beim Fußball, wenn du gegen Ende 3:0 hinten liegst und weißt: Ich hab eh keine Chance mehr. Sondern beim Dodgeball liegst du 6:0 hinten, aber du weißt, in fünf
Minuten kann alles schon wieder anders sein. Da werden so viele Endorphine ausgeschüttet, weil Glück und Pech so nah beieinander sind – das macht es so spannend“, so Philipp.
Zum Schluss prophezeit mir Alex einen ordentlichen Muskelkater für den nächsten Tag. Ich nicke, glaube ihm aber nicht. Am nächsten Morgen werde ich dann eines Besseren belehrt – Dodgeball ist halt doch was anderes als Laufen und Klettern.
Angefangen hat alles mit Catrin Weber. Sie hat 2015 beim Beachcup in Innsbruck teilgenommen und war dort so erfolgreich, dass sie sofort eine Einladung ins Nationalteam bekommen hat. Nach ein paar Trainings in Wien war sie 2015 bei der EM dabei, danach hat Weber Dodgeball-USIKurse gegeben und ein Training in Innsbruck etabliert. Seit 2021 sind die Tyrol Turtles offiziell ein Verein – der erste Dodgeballverein in Österreich außerhalb Wiens.
Hey Innsbruck, schau dir das mal an!
Was wir von anderen Städten lernen können