P.B.B. ABS. ÖSTERREICHISCHE OFFIZIERSGESELLSCHAFT, SCHWARZENBERGPLATZ 1, 1010 WIEN 14Z040084 M
Offizier DER
Ausgabe 3/2014
Zeitschrift der österreichischen Offiziersgesellschaft
„Schutzlos und sorglos“ von Alexander Purger
Ein Weckruf zu höheren Militärausgaben Wie die Politik, fiktive Vorwarnzeiten und Rekord-Staatsschulden Europa demilitarisieren
Dem Bundesheer fehlen nicht Konzepte, sondern Geld!
„Dem Bundesheer fehlen nicht Konzepte, sondern Geld“
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ien (OTS/BMLVS) – Der Generalstabschef des Österreichischen Bundesheeres, General Othmar Commenda, hat zu den Aussagen des Finanzministers in Ö1, wonach das Bundesheer nicht ausgehungert werden darf, Stellung genommen. „Es ist nicht meine Aufgabe, mich in die Parteipolitik einzumischen. Ich bin jedoch über die Aussagen des Finanzministers fassungslos.“ Finanzminister Spindelegger hat im Morgenjournal gefordert, dass das Bundesheer nicht ausgehungert werden dürfte und dass er sich ein Konzept für eine Reform des Bundesheeres erwarte. General Commenda: „Das Problem des Bundesheeres sind nicht fehlende Konzepte, sondern fehlende Budgetmittel. Und der einzige, der das ändern kann, ist der Finanzminister.“ Commenda weiter: „Das Bundesheer hat in den vergangenen Jahren ein Konzept nach dem anderen vorgelegt. Die Umsetzung dieser Konzepte, wie zum Beispiel das der ZilkKommission, war immer vom Budget
BUNDESPRÄSIDENT STELLT SICH HINTER MILITÄR-FÜHRUNG
abhängig. Das dafür notwendige Geld wurde aber nie zur Verfügung gestellt.“ Der Generalstabschef weist darauf hin, dass er persönlich im Juni Finanzminister Spindelegger über die katastrophale Finanzsituation des Bundesheeres informiert hat. Commenda: „Spindelegger kennt unsere Finanzsituation ganz genau; schließlich ist er der verantwortliche Finanzminister. Und er weiß, dass die fehlenden Mittel genau dazu führen, dass der Boden des Fasses erreicht ist. Schließlich erfolgt die Zuweisung der Mittel durch sein Ministerium.“ Der Generalstab arbeitet seit dem Frühjahr an einem neuerlichen Konzept über die Neustrukturierung des Bundesheeres. Dieses Konzept dient ausschließlich dazu, die vorgegebenen Sparmaßnahmen umzusetzen. Alle bisher getroffenen Maßnahmen, wie der Personalabbau, die Einschränkung der Luftraumüberwachung, der Verkauf der Pinzgauer oder Kasernenverkäufe sind ausschließlich dem Spardruck geschuldet. Dem Vorschlag des Finanzmi-
nisters, die Miliz verstärkt einzusetzen, kontert Commenda: „Die Miliz ist für uns ein wichtiger Teil des Bundesheeres. Aber die Miliz kann weder den Luftraum überwachen noch tausende Rekruten ausbilden. Und auch die Miliz wurde in den vergangenen Jahren finanziell ausgehungert.“ Auf die von Spindelegger angesprochene Eurofighterrate bemerkt Commenda, dass alle Raten aus dem laufenden Verteidigungsbudget bezahlt wurden. Die ursprünglich angekündigte externe Finanzierung ist im Verteidigungsministerium bis heute nicht eingetroffen. Wenn das Bundesheer auch in Zukunft komplexe Systeme wie Hubschrauber oder Flugzeuge betreiben soll, dann benötigt es dafür Geld. Die Aufgaben, die in der Sicherheitsstrategie festgelegt sind, können in Zukunft so nicht mehr erfüllt werden. Und das weiß niemand besser als der Finanzminister, so Commenda. Presseaussendung vom 22. August 2014
KLUG STELLT KLAR: BUNDESHEER-ANGELOBUNGEN BLEIBEN ÖFFENTLICH
BUNDESHEER: ÖVP-NAHER GEWERKSCHAFTER NIMMT KLUG IN SCHUTZ
BUNDESHEER: KOAL ITIONSSTREIT WEGEN EINSPARUNG EN
COMMENDA: „UNS FEHLEN NICHT KONZEPTE. SONDERN GELD“ KOALITIONSSTR EIR WEGEN BUNDESHEER-EI NSPARUNGEN
NGELOBUNGEN BUNDESHEER-A LICH BLEIBEN ÖFFENT
SPINDELEGGER TADELT KLUG UND LÖST NEUEN KOALITIONSSTREI T AUS
KRIEG MIT WORTEN UM DAS BUNDESHEER
ESHEER-KRITIK HARSCHE BUND LEGGER DE IN SP AN
Vorwort
Inhalt 4
Brief des Präsidenten
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Befragung von Abgeordneten
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Schutzlos und sorglos
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Das Schweigen der Mehrheit „Dem Bundesheer fehlen nicht Konzepte, sondern Geld“, meint der ranghöchste Offizier des Bundesheers ärgerlich und trifft den Nagel mit aller Deutlichkeit auf den Kopf. Konzepte – ob sie einem gefallen oder nicht – gibt es wirklich genug. Nur keines der auch politisch abgesegneten Konzepte des Bundesheers hat jemals die notwendigen Mittel bekommen.
Demilitarisierung Europas
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Europa soll Erster werdem
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Die transrationale Wende internationaler Friedensoperationen
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Comprehensive Approach (Teil 2)
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Der Beruf des Offiziers
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Klartext
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Cross-Mentoring-Programm
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„Schutz 2014“
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Der Oberbefehlshaber
Es ist nicht das unreflektierte Jammern nach mehr Geld, es ist der deutliche Hinweis darauf, dass eine moderne Armee mit diesem Budget nicht finanzierbar ist. Das immer wieder geforderte Einsparen von Personal und Strukturen reduziert die Einsatzbereitschaft genauso wie das Fehlen von ausreichender moderner Bewaffnung und Ausrüstung. Selbst dramatische Reduzierungen, wie sie offensichtlich anstehen, werden nicht jenen Investitionsspielraum bringen, der für die Kampfkraft und den Schutz aller Soldaten erforderlich ist. Sogar aus dem Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung für die Jahre 2013 bis 2018 geht hervor, dass sie ein „Militärisches Modernisierungspaket“ anstrebt, weil das Bundesheer „in Teilbereichen nicht die zukünftig notwendige militärische Leistungsfähigkeit hat“. Ziel sei es, „das Bundesheer für die neuen Herausforderungen modern“ zu rüsten. Hierzu wären die Sicherstellung eines bestmöglichen Schutzes für die SoldatInnen und Investitionen insbesondere in den Bereichen Führungs- und Aufklärungsfähigkeit erforderlich, genauso wie eine aktive Luftraumüberwachung und Modernisierung der Hubschrauber. Sogar eine bedarfsorientierte Modernisierung der Kaserneninfrastruktur wird angestrebt, nicht zuletzt um den Grundwehrdienst zu attraktivieren.
DER OFFIZIER Medieninhaber und Herausgeber: Österreichische Offiziersgesellschaft, Schwarzenbergplatz 1, A-1010 Wien ZVR-Zahl: 795014511 Ι Chefredakteur: GenMjr Mag. Herbert Bauer Ι Erscheinungsort: Wien Ι MitarbeiterInnen dieser Ausgabe: Bgdr i. R. Ambros Eigentler, MSD; G. Haffer-Hochrainer, M. Musner, M. Sala Ι Marketing: Dr. Franz Palla (palla.franz@aon.at) Ι Hersteller: TARGET GROUP Publishing GmbH, Brunecker Straße 3, 6020 Innsbruck Ι Druck: Ing. F. Feilhauer A-2620 Neunkirchen, Seebensteiner Straße 1 Ι Fotos: Titelbild: Harald Minich; andere gem. Einzelnachweis
Es gibt aber kein Geld! Teuerungen bei Betriebskosten sowie die modernen technischen Anforderungen an den Soldaten sind allerdings nur mit zusätzlichem finanziellem Aufwand bewältigbar. Wie sagte schon Bertolt Brecht: „Die Bürger werden eines Tages nicht nur die Worte und Taten der Politiker zu bereuen haben, sondern auch das furchtbare Schweigen der Mehrheit!“
Namentlich gezeichnete Beiträge müssen sich nicht mit der Meinung des Herausgebers decken. Unaufgefordert eingesandte Beiträge bedeuten keine automatische Veröffentlichung. Internet: www.oeog.at, deroffizier@oeog.at
Ihr Chefredakteur Herbert Bauer
Offenlegung gemäß § 24 und § 25 Mediengesetz: Die Zeitschrift „Der Offizier“ befindet sich zu 100 % im Eigentum der Österreichischen Offiziersgesellschaft, A-1010 Wien, Schwarzenbergplatz 1. Die Richtung der überparteilichen Zeitschrift ist durch die Statuten der ÖOG bestimmt und bezweckt Information in Wort und Bild zu Themen der österreichischen Sicherheits- und Verteidigungspolitik.
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Brief des Präsidenten
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Bundesheer am Scheideweg
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ie US-geführten Streitkräfte in Afghanistan verfolgten jahrelang die Strategie „winning hearts and minds“, um die Zivilbevölkerung von ihren Zielen zu überzeugen. Sie sind dabei weitgehend gescheitert. Ähnliches lässt sich über das Österreichische Bundesheer sagen. / Jährlich absolvieren etwa 20.000 junge Menschen ihren Grundwehrdienst. Abrüsterbefragungen zeigen aber, dass viele danach kein positives Urteil fällen. Eine Attraktivierung des Grundwehrdienstes ist daher ein zweckmäßiger Ansatz, um bei der Jugend positive Imagebildung zu erzielen. Ob dafür jedoch WLAN in der Kaserne und Gratis-Badeschlapfen die geeigneten Mittel sind, darf bezweifelt werden. Wichtiger wäre es wohl, den Sinn und Zweck des Bundesheeres für Österreich und seine Bevölkerung zu transportieren. / Während des Kalten Krieges war die Raumverteidigung – die sogenannte Spannocchi-Doktrin – ein allgemein verständliches Konzept, das mit dem „Wehr-Igel“ auch griffig kommuniziert wurde. Mit der Änderung der sicherheitspolitischen Lage in Europa am Ende des 20. Jahrhunderts wurde aber verabsäumt, eine neue Rolle des Bundesheeres in ebenso einfacher Form darzustellen. Damit wurde der Diskussionsraum an den Stammtischen frei für neue Mythen, die zwar nicht wahr sein müssen, aber dafür gut klingen: „Österreich ist nur von Freunden umgeben und daher nicht bedroht.“ „Österreich ist neutral und dadurch geschützt.“ „Lageänderungen haben eine Vorwarnzeit von zehn Jahren.“ „Wenn’s drauf ankommt, ist das Heer sowieso zu schwach.“ / Die Folgen dieses Glaubens sind fatal! Zwar kann man aus dem Abstimmungsverhalten bei der Volksbefragung 2013 ablesen, dass vor allem
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ältere Generationen und die ländliche Bevölkerung von der Notwendigkeit von Wehrpflicht und Landesverteidigung überzeugt sind, aber die Eliten in Politik, Wirtschaft und Medien haben sich vom Bundesheer als staatlichem Kriseninstrument abgewandt und sehen es jetzt irrtümlich als Feld für Kürzungen zum Zwecke der Budgetkonsolidierung. / Das erste Opfer dieses neuen Politikverständnisses war das in der Verfassung verankerte Milizprinzip. Unter Minister Platter wurden zuerst die Milizübungen ausgesetzt und dann der Wehrdienst um zwei Monate verkürzt, wodurch die Nachwuchsgewinnung für die Miliz der Freiwilligkeit überlassen wurde. Seit damals wird auch das wehrgesetzliche Recht, jährlich 12 % der Rekruten für die Miliz zu verpflichten, wenn es an Freiwilligen mangelt, nicht angewendet. Damit wird aber der Sinn der Wehrpflicht unterlaufen. Die Miliz soll nur im Bedarfsfall bei schwerwiegenden Bedrohungen einberufen werden, und sie soll die Masse des Militärs darstellen. / Laut österreichischer Sicherheitsstrategie aus dem Jahr 2013 soll das ÖBH im Krisenfall 55.000 Soldaten aufbieten können. Dies soll derzeit so erreicht werden: 15.000 Berufssoldaten + 10.000 Grundwehrdiener + 30.000 Milizsoldaten. Es ist ja schon bedenklich, wenn nicht voll ausgebildete Rekruten eingerechnet werden, aber noch nachdenklicher stimmt der Umstand, dass für die Miliz in den Organisationplänen der Bataillone überhaupt nur etwa 16.000 Planposten vorgesehen sind. So darf es auch nicht überraschen, dass eine aktuelle SWOT-Analyse zu dem Ergebnis kam, dass die Miliz weder personell noch materiell einsatzbereit ist. Einsetzbar ist daher nur das Berufskader mit einer Fülltruppe aus Rekruten. Die Miliz wurde bereits totgespart,
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obwohl ihre Kosten nur etwa 1 – 2 % des jährlichen Wehrbudgets betragen. / Minister Darabos konnte gar nicht genug Schwerter in Pflugschare umschmieden, so bereitwillig bot er sich für jede Budgetkürzung an. Nachdem aber Kürzungen beim überwiegend pragmatisierten Berufskader schwierig sind, wurde eben beim laufenden Aufwand, Betriebsmitteln und Investitionen gespart. Die Folgen sind bekannt: Mit ca. 0,6 % des BIP für Wehrausgaben liegt Österreich auf einem der letzten Plätze in Europa. Vergleichbare bündnisfreie EU-Länder wie Schweden und Finnland haben mindestens doppelt so hohe Budgets. Aktuell betragen die Personalkosten bereits 70 % des Budgets und sind damit – als Folge des geringen Budgets – mehr als doppelt so hoch wie in anderen Armeen. Damit bleibt für attraktive Ausbildung, notwendige Übungen und Investitionen kein ausreichender Spielraum mehr – der Rückstau an Problemen steigt! / Es ist daher verständlich, wenn der amtierende Minister Klug sagt, dass der „Boden des Fasses erreicht“ sei. Es ist aber nicht akzeptabel, wenn er die Folgen verschleiert und den falschen Eindruck vermittelt, dass alle verfassungsmäßigen Aufgaben erfüllt werden können. Denn ohne Bewaffnung und Ausrüstung können zwar Sandsäcke gefüllt, aber es kann keine Landesverteidigung durchgeführt werden. Eine bloße „Behübschung“ des Grundwehrdienstes ist keine Reform der Streitkräfte. Und es wäre höchste Zeit für notwendige Investitionen! / Was könnte das Ziel einer Reform sein? Wir brauchen jedenfalls rasch verfügbare Krisenreaktionskräfte aus Zeit- und Berufssoldaten, die über schweres Gerät und gepanzerte Fahrzeuge verfügen und auch im Rahmen internationaler Sicherheitsstrukturen einsetzbar sind. Dazu brauchen wir eine Ausbildungsorganisation, die als dezentrale Rekrutenschule die Aufwuchsbasis für die Miliz bildet. Und wir brauchen eine wieder deutlich aufgewertete Miliz, die auch über moderne Ausrüstung verfügt und bei Bedarf auch tatsächlich eingesetzt wird. Der Hauptauftrag an diese Miliz muss der Schutz der lebenswichtigen Infrastruktur in der Energie- und Wasserversorgung, Verkehrs- und Gesundheitswesen, Telekom- und IT-Netze etc. im Inland sein. In all diesen Bereichen ist unsere Zivilisation abhängig und anfällig für Störungen geworden, sei es durch natürliche oder absichtlich herbeigeführte Ausfälle und Katastrophen. / Die Offiziersgesellschaft bekennt sich zu einem Mischsystem aus Berufs-, Zeit- und Milizsoldaten. Wenn die Regierung als Arbeitgeber den
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Anteil der Berufssoldaten hoch erhalten möchte, dann muss sie das Wehrbudget zumindest verdoppeln, um dem derzeit stattfindenden Verfall der Einsatzfähigkeit ein Ende zu setzen. Setzt sie jedoch auf einen Umbau zu einem Bedarfsheer aus überwiegend Milizsoldaten, dann wird auch dafür ein hohes (Sonder-)Budget für den erforderlichen Personalabbau und die Transformation nötig sein. Man kann es also drehen, wie man will: Sicherheit hat einen Preis oder sprichwörtlich „ohne Geld ka Musi“. / Der Verteidigungsminister wäre dabei gut beraten, eine Reformallianz in der Bundesregierung und im Parlament zu bilden. Denn ohne breiten Rückhalt in allen Parteien wird eine Reform, die den Namen auch verdient, nicht gelingen. / Weitere Kürzungen der Budgetmittel durch die Regierung hätten ultimative Folgen. Eine Reduktion um 500 Millionen pro Jahr lässt nämlich bereits folgendes Szenario erreichen: Die Personalkosten betragen 100 % des Budgets. Dafür wurden alle Waffen, Fahr- und Flugzeuge, jegliche Ausrüstung, alle Kasernen und Übungsplätze verkauft oder stillgelegt. Der Grundwehrdienst wurde eingestellt, die Miliz aufgelöst, die Berufssoldaten stehen nackt auf dem Heldenplatz, um den Bundespräsidenten um Hilfe zu bitten. Und die herbeigerufene Polizei nimmt diese „BettelGroup“ wegen Störung der öffentlichen Ordnung und gewerbsmäßigem Betteln fest. / Mit ein bisschen Anstrengung könnte die Regierung Faymann/Spindelegger dieses Szenario noch in dieser Regierungsperiode verwirklichen. Oberst Mag. Erich Cibulka, Präsident der Österreichischen Offiziersgesellschaft Der Beitrag erschien unter „Blick von außen“ am 23. 08. 2014 in der Tiroler Tageszeitung.
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ÖOG – Fragen an Abgeordnete
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m 03.07.2013 wurde der Bericht des Landesverteidigungsausschusses über den Bericht der Bundesregierung betreffend die „Österreichische Sicherheitsstrategie; Sicherheit in einer neuen Dekade – Sicherheit gestalten“ mit den Stimmen der Regierungsparteien, der FPÖ und dem Team Stronach zur Kenntnis genommen (Anmerkung der Redaktion: BZÖ ist heute nicht mehr im Parlament; NEOS waren noch nicht im Parlament). Die Abgeordneten stimmten damit auch dem im Landesverteidigungsausschuss beschlossenen umfassenden Entschließungsantrag zu, der die Eckpunkte der Sicherheitsstrategie konkretisiert. Wie in Österreich üblich, lässt das Papier die Finanzierung offen. Angesicht des derzeitigen Zustandes der Finanzsituation des Österreichischen Bundesheeres stellt die Österreichische Offiziersgesellschaft zwei Fragen an Mitglieder des Landesverteidigungsausschusses des Nationalrates. Angeschrieben wurden die Abgeordneten Otto Pendl (Sicherheitssprecher SPÖ), Mag. Bernd Schönegger (Wehrsprecher ÖVP), Mario Kunasek (Wehrsprecher FPÖ), Dr. Peter Pilz (Sicherheitssprecher Grüne), Dr. Georg Vetter (Sprecher Verfassung/Justiz/LV Team Stronach), Mag. Christoph Vavrik (Sprecher Außenpolitik & Landesverteidigung NEOS).
Frage 1: Die Österreichische Sicherheitsstrategie führt aus: „Österreich verfolgt folgende Interessen und politischstrategische Ziele: Aus- und Aufbau effizienter ziviler und militärischer Kapazitäten und Strukturen entsprechend internationalen Standards zur Erfüllung sicherheitspolitischer Aufgaben.“ Wenn man etwas „ausbauen“ und „aufbauen“ muss, ist wohl impliziert, dass im Moment qualitativ und quantitativ zu wenig da ist. Wie sehen Sie unter diesem Lichte das von der Regierung verfolgte „tabulose“ Sparen beim Bundesheer?
scheinlichkeit gereiht – für Ausbildung, Einsatzvorbereitung sowie das konkrete Tätigwerden im In- und im Ausland bereitzuhalten sind. Darüber hinaus gilt es, die im aktuellen Regierungsprogramm festgeschriebene „aufgabenorientierte Anpassung der Heeresorganisation“ mit Augenmaß und sozial verträglich, aber auch konsequent zu realisieren.
Mario Kunasek, FPÖ Mag. Bernd Schönegger, ÖVP
Otto Pendl, SPÖ
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rotz der aktuellen Beleuchtung von Einsparungsmöglichkeiten ohne Tabus sind die Umsetzung der Reform des Wehrdienstes sowie der Erhalt der Einsatzbereitschaft des Heeres für die einsatzwahrscheinlichsten Aufgaben jedenfalls sicherzustellen. Auch in einer ressourcenknappen Phase kommt es vorrangig auf die Erfüllung der Einsatzaufgaben des Heeres an. Das bedeutet, dass die verfügbaren Mittel – nach Prioritäten und Einsatzwahr-
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sicht. An der Verwirklichung dieser positiven Entwicklung arbeiten wir und verhandeln sehr gezielt. Eine funktionierende Landesverteidigung hat Priorität!
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undesminister Klug hat das Budget für die Jahre 2014 und 2015 akzeptiert, wissend, dass damit die Aufgabenerfüllung des ÖBH gewährleistet sein muss. Die aktuellen Sparvorgaben für das ÖBH können bei dem gegebenen Budget für die Landesverteidigung nicht die eigentlichen Problemverursacher sein. Die in den letzten Jahren erfolgten Fehlentscheidungen wie Eurofighter – Vergleich oder Pilotprojekt „Freiwilligenmiliz“ etc. erfordern jetzt Prioritätensetzungen. Das ÖBH benötigt aber ab dem Jahr 2016 zusätzlich eine positive budgetäre Zukunftsaus-
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ch halte es für eine sicherheitspolitische Katastrophe und unverantwortlich unseren Soldaten gegenüber. 2013 hat Österreich ein klares Bekenntnis zur Sicherheit abgelegt und parteipolitischen Machenschaften mit dem Heer eine Absage erteilt. Nun wird das Heer auf andere Art zu Grunde gerichtet. Die verfassungsgesetzlichen Aufgaben und die Einsatzfähigkeit stehen auf dem Spiel! Es ist fraglich, ob die in der Sicherheitsstrategie festgelegten Aufgaben erfüllt werden können. Fahrzeuge werden nicht mehr repariert, Einsparungen bei Munition und Luftraumüberwachung schränken die Schlagkraft und Assistenzeinsätze ein. Das Sparen bei der Ausbildung des Kaderpersonals ist problematisch, da nur gut ausgebildetes Personal Rekruten auf höchstem Niveau ausbilden kann!
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rüstung, Wartung oder Munition gibt, gleicht der Ruf zu „tabulosem Sparen“ einer gefährlichen Drohung. Das Rasenmäherprinzip beim Kürzen der Staatsausgaben ist allgemein dämlich - im Falle des BH ist es sogar sträflich. Die interne und äußere Sicherheit gehören zu den zentralen Aufgaben des Staates. Wenn zwecks Verschleierung ihres Versagens im Hypo Debakel diese Regierung bereit ist, Zusatzkosten in Höhe mehrjähriger Heeresbudgets hinzunehmen, dafür die Sicherheit der Republik aufs Spiel setzt, ist sie endgültig gescheitert. Bei einem Heeresbudget, das unter 0.6% des BIPs liegt und damit Schlusslicht in Europa ist, stellt sich eher die Frage, wieviel und wo aufgestockt werden soll. Parallel zum Wiederaufbau der militärischen Kapazitäten und Strukturen bedarf es auch dringend einer Reform des Dienstrechts und einer Aufwertung der Miliz.
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Frage 2: Gemäß der Österreichischen Sicherheitsstrategie ist „die eigenständige militärische Landesverteidigung eine unabdingbare Voraussetzung für den Schutz der Souveränität und Integrität. Das bedeutet insbesondere die Gewährleistung bzw. Wiederherstellung der Funktions- und Überlebensfähigkeit bei Angriffen auf Staat, Gesellschaft und Lebensgrundlagen. Auf Grund der Möglichkeit überraschender Lageeskalationen ist eine rasche und flexible Kräfteaufbietung sicherzustellen. Die Fähigkeit für einen Übergang assistenzieller Schutzeinsätze in einen eigenständigen militärischen Einsatz ist zu gewährleisten. Als Grundlage dafür muss das ÖBH daher über ausreichende robuste und durchhaltefähige Kräfte verfügen“. Was tragen Sie persönlich in Ihrer politischen Arbeit dazu bei, dass das auch erreicht wird?
Dr. Peter Pilz, Grüne Keine Antwort eingegangen.
Dr. Georg Vetter, Team Stronach ch halte das Sparen bei der österreichischen Sicherheitspolitik für verantwortungslos. Das österreichische Bundesheer wurde von der Politik seit jeher stiefmütterlich behandelt. Oft wird von Neutralität gesprochen, selten das Adjektiv „bewaffnete“ verwendet. Die nunmehrige Amputation des Bundesheeres halte ich für symptomatisch für den Zustand einer Gesellschaft, die Richtung Wehrlosigkeit marschiert. Die angesprochenen Standards zur Erfüllung der sicherheitspolitischen Aufgaben sind mit dieser Politik nicht erfüllbar.
Mag. Christoph Vavrik, NEOS as BH steht vor dem finanziellen Kollaps. Wo es kein Geld für Aus-
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Otto Pendl, SPÖ
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ch bin von der Unverzichtbarkeit des Österreichischen Bundesheeres – Stichwort: militärische Alleinstellungsmerkmale – fest überzeugt. Dies macht mich zu einem „Kämpfer“ für die Interessen unseres Heeres. Folglich stelle ich bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit – sei es im politischen oder öffentlichen Umfeld – die Fähigkeiten, den Einsatzwillen und das persönliche Leistungsvermögen der Soldatinnen und Soldaten dar und plädiere eindringlich auch für eine finanzielle Besserstellung.
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enau deswegen dürfen die Inlandsaufgaben des ÖBH nicht vernachlässigt werden! In budgetär schwierigen Zeiten gilt: Inlandspflicht vor Auslandskür! Anderslautenden Vorstellungen treten wir daher mit Entschiedenheit entgegen. Da grundsätzliche militärische Angelegenheiten durch die gesamte Bundesregierung zu regeln sind, werden wir uns im Sinne der Erfüllung all dieser genannten Aufgaben in den Entscheidungsprozess entsprechend einbringen. Einen wichtigen Teil wird hier auch eine Trendumkehr im Umgang mit der Miliz betreffen: Wir brauchen eine regional und gesellschaftlich verankerte, beübte und somit attraktive Miliz! ›
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Mario Kunasek, FPÖ
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n dieser Gesetzgebungsperiode habe ich mit rund 40 parlamentarischen Initiativen zum Bundesheer auf die katastrophale Budgetsituation hingewiesen und versucht, diese zu verbessern. Wir haben den Nationalen Sicherheitsrat dazu einberufen und ich habe die parlamentarische Petition „Rettet das Bundesheer“ gestartet (Unterzeichnung ist unter www.rettetdasbundesheer.at möglich). Zusätzlich versuche ich bei Diskussionen und im Gespräch mit Bürgern und Medien auf die katastrophale Budgetsituation des Heeres und deren Bedeutung für die Sicherheit Österreichs bewusstseinsbildend zu wirken.
Dr. Georg Vetter, Team Stronach
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ein Beitrag als Oppositionspolitiker liegt primär in der Förderung der geistigen Landesverteidigung. Gerade als Politiker, der selbst gedient und freiwillig mehr geleistet hat, möchte ich zu einer positiveren Grundeinstellung zum österreichischen Bundesheer beitragen. Wenn ich in der Frage 1 die stiefmütterliche Behandlung angesprochen habe, strebe ich mit meinen Kräften an, dass die Landesverteidigung als eine der wesentlichen Grundaufgaben des Staates vermittelt wird, die von der Politik auch entsprechend zu dotieren ist.
Mag. Christoph Vavrik, NEOS
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ch werde weiter im Plenum, im Ausschuss, in Ministeranfragen und über die Medien die Erfüllung des verfassungsmäßigen Auftrags des BH einfordern.
INFORMATION: Um die Bedingungen für alle fair und gleich zu gestalten, wurden im Hinblick auf den Druckraum für die Beantwortung jeder Frage die Anzahl der Zeichen begrenzt. Bei wesentlichen Überschreitungen wurde durch die Redaktion angekündigterweise eine sinngemäße Kürzung vorgenommen!
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Defense Solutions for the Future
Schutzlos und sorglos Warum das Bundesheer so aussieht, wie es aussieht.
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räumen wir nicht alle davon? Von einer Versicherung, die wir rückwirkend am Tag nach dem Unglück abschließen, die uns also maximalen Schutz zu minimalen Kosten bietet? Niemand zahlt gerne jahrelang Versicherungsbeiträge für nichts. / Ganz ähnlich ist das Verhältnis des Österreichers zum Bundesheer: Billig soll es sein wie eine Pfadfindertruppe, im Ernstfall aber leistungsfähig wie die US-Army. Die Erkenntnis, dass dies ein Ding der Unmöglichkeit ist, weil man eine Armee nicht ein- und ausknipsen kann wie eine Nachttischlampe, verschließt sich mangels Sachkenntnis dem größten Teil der Bevölkerung. Das macht nichts, so lange die Politik die notwendige Expertise besitzt. Dafür ist sie schließlich da.
Hier beginnt das Problem. Wir haben derzeit keine Politiker, die führen, sondern nur solche, die sich führen (und verführen) lassen – von Umfragen, von bestimmten Medien, oft auch von den eigenen Vorurteilen. Sachkenntnis gilt als Karrierehindernis. Denn Richtschnur der Politik ist heute nicht das Notwendige für die Zukunft des Landes, sondern das Durchsetzbare – das, was der Mehrheit der Wähler einleuchtet. Dass die Politik dadurch immer zu spät dran ist, liegt auf der Hand. Besonders eklatante Beispiele dafür sind das Pensionssystem und die Sicherheitspolitik. Österreichische Sicherheitspolitik, das ist, wie wenn ein Techniker einen Fernseher reparieren soll, sich dabei aber nach dem Wissensstand der Kundschaft über die LED-Technologie richtet. Unsere Sicherheitspolitik sieht daher im Kern so aus: Wir sind lieb und alle anderen sind auch lieb. Den Frieden sichert man am besten, indem man alle Soldaten abschafft und sie
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auch aus der Geschichte tilgt (siehe etwa die Debatte über die Umbenennung von Straßen in Wien). Wenn es trotz dieser Vorkehrungen dennoch zum Ernstfall kommen sollte, beschützt uns die Neutralität. Und wenn das wider Erwarten nicht funktionieren sollte, wird uns schon die NATO helfen. Zur Leitung dieser Politik halten wir uns einen Verteidigungsminister, der bei internationalen Konferenzen vor sicherheitspolitischem Trittbrettfahren warnt. Er kann das, ohne rot zu werden. Warum lässt sich das Bundesheer dieses groteske und im Ernstfall lebensgefährliche Nichts an Sicherheitspolitik gefallen? Die Antwort ist einfach: Soldaten sind es gewohnt, zu gehorchen und nicht aufzubegehren. Außerdem hat sich die militärische Elite von geschickten politischen Fädenziehern in Fraktionskämpfe treiben lassen, die sie seither vollauf beschäftigen.
„Wer der Überzeugung von ewigen Frieden widerspricht, gilt als Pessimist oder Schlimmeres.“ Und warum nimmt die Bevölkerung die zur Sicherheitspolitik erklärte Sorg- und Schutzlosigkeit so widerspruchslos hin? Weil die moderne massenmediale Gesellschaft einem Kleinkind gleicht: Ihr Hauptinteresse gilt Nebensächlichkeiten, ihr Gedächtnis ist extrem kurz. Gefahren nimmt sie
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© ANDREAS KOLARIK
ALEXANDER PURGER
ZUR PERSON Alexander Purger, Jahrgang 1965, ist innenpolitischer Redakteur der Salzburger Nachrichten und stellvertretender Leiter der Wiener Redaktion.
erst wahr, wenn diese bereits schmerzhaft spürbar sind und es eigentlich schon zu spät ist. / Hinzu kommt, dass die tatsächliche sicherheitspolitische Lage ein Tabu ist. Der Philosoph Immanuel Kant wusste, dass nicht der Friede, sondern der Krieg der Naturzustand des Menschen ist. Unsere Gesellschaft ist trotz täglicher Beweise (man braucht nur die Weltnachrichten zu lesen) vom Gegenteil überzeugt. Wer der Überzeugung von ewigem Frieden widerspricht, gilt als Pessimist oder Schlimmeres. Realistische Gefahren-Einschätzungen werden als Erfindungen abgetan, mit denen die Armeen und Geheimdienste ihre Existenz rechtfertigen wollen. / Ohne Problembewusstsein in der Bevölkerung sieht eine Politik, die dem Volk nicht voran geht, sondern brav hinterher trottet, jedoch keine Veranlassung, für eine glaubwürdige, weitsichtige und zwangsläufig kostspielige Landesverteidigung zu sorgen. Eine Verdoppelung des Wehrbudgets würde bei der nächsten Wahl nicht honoriert, also werden die Mittel in Ausgabenbereiche umgeleitet, die am Wahltag eine höhere Rendite versprechen. Deswegen sieht das Bundesheer heute so aus, wie es aussieht.
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© US NAVY/HEATHER HESS
Demilitarisierung Europas Wie die Politik, fiktive Vorwarnzeiten und Rekord-Staatsschulden Europa demilitarisieren MAG. PHIL. FRIEDRICH KORKISCH, PHD
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s war nicht voraussehbar, dass der nach 1991 in Westeuropa artikulierte Wunsch nach der Friedensdividende zu einem Abrüstungswettlauf führen würde. Europas Politiker waren der Meinung, nun sei die Hobbesian World von der Kant’schen Welt des „Ewigen Friedens“ abgelöst worden, aber dieser Irrtum war eine Folge mangelnden Geschichtsbewusstseins. Und schon 1993 wurde vor einem Wiedererstarken Russlands gewarnt. Auch die Friedensdividende blieb Fiktion und mit der Vision einer Union wurde vieles verdrängt. Was nun vorliegt, sind stereotype Phrasen mäßig begabter Politiker. / Ein Irrtum der Idealisten war, dass das „Friedensprojekt Europa“ für andere am eurasischen Kontinent nicht zum demokratie-idealistischen Vorbild wur-
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de; diese Erwartung war irreal und wurde von einer ehemaligen „Supermacht“ im Osten Europas (mit Raketen und der Wirtschaftsleistung Italiens) als aggressiver Einbruch in ihr „geopolitisches Interessengebiet“ betrachtet, begleitet mit Drohungen, Einschüchterungen und Destabilisierungsversuchen im Umfeld, so gegen die Baltischen Staaten, Polen (Drohungen mit Atomwaffen), militärischen Handlungen gegen Georgien und nun auch gegen die Ukraine. / Dass man sich rechtfertigend ab 1998 in sonderbare Behauptungen verstieg, sei vermerkt: Russen würden im Baltikum unterdrückt, Georgien habe Russland angegriffen, überall würden Russen diskriminiert, sollten Finnland und Schweden der NATO beitreten, „behalte sich Russland alle Optionen offen“ etc.
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/ Es gehört zum guten Ton in Europa, über solche Bagatellen hinwegzusehen, und in die Forderung nach schärferen Sanktionen werde man nicht einstimmen (das sei eine Idee Washingtons), denn es gehe um europäische Arbeitsplätze und im Osten um das Selbstbestimmungsrecht der Russen. Aha. Nach dem Abschuss des Verkehrsflugzeuges der Malaysian Airlines über der Ost-Ukraine sprachen einige Medien noch fünf Tage nach Abschuss von einem „ungeklärten Absturz“ und fragten: „Wer ist für den Absturz … verantwortlich?“ Viele Politiker hüteten sich vor Russland-kritischen Kommentaren, denn in der neutralistischKant’schen Welt geht es nicht um Fakten. / Das ist kein isolierter Prozess, sondern Teil einer Grundhaltung, deren Anfänge im Zuge der NATO-Nachrüstung 1980/81
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sie war das Argument für die Abrüstung. Und EU-Helsinki Headline Goal, GASP, ESPV, EVP und sonstige Initiativen richteten sich eher gegen die NATO als gegen einen potentiellen Aggressor. Vor einigen Jahren war im Europäischen Forum Alpbach die Warnung ausgesprochen worden. „Wenn Europa keine militärischen Potentiale aufbaut, werden sich andere nehmen, was ihnen ihrer Ansicht nach zusteht.“ (Unter den 500 Akademikern waren keine Politiker anzutreffen.) Nun gefährdet der innereuropäische Streit immer mehr auch die NATO. / 1994 konnte die NATO ihre BalkanOperationen noch mit Hilfe der USA (Hilfe bei Ersatzteilen und Luft-BodenMunition) abwickeln. 1999 war die Situation schon extrem kritisch und es gab Warnungen vor einem operationellen Stillstand bei Luftkriegshandlungen. Bei der Libyen-Operation 2011 benötigten einige NATO-Staaten sechs Wochen, um eine Handvoll F-16 nach Aviano zu verlegen, und nach zwei weiteren Wochen war man bei der Luft-Boden-Munition am Ende. Was als kurzer Einsatz gedacht war, erforderte dann sechs Monate gegen eine – militärisch nicht mehr handlungsfähige – viertklassige Macht. / Das Verfassen von „Sicherheitsdoktrinen“ ist eine Modeerscheinung, mehr nicht. Da kann man auch einiges an Begriffen hineinschreiben, etwa den Schutz der Menschenrechte, allerdings gibt es allein um Europa ein Dutzend Regionen, in denen beides nicht gilt, und es erhebt sich umgehend die Frage, warum dann Staaten, die solche Zielsetzungen lautstark zum Thema ihrer „Strategie“ machen, nicht Truppen nach Syrien, Somalia, Kongo, Mali etc. entsenden, um solche verkündeten Prinzipien durchzusetzen? Oder sind solche Papiere gar nicht ernst gemeint? Warum dann der jahrelange Aufwand, die paar Seiten zu verfassen? Und ehrlich: Wenn ein Staat seine Sicherheit in die Hände von Europarat, OSZE und UN-Sicherheitsrat legt, sind das nicht auch handfeste Beweise einer fortgeschrittenen Selbstaufgabe? Man muss zur Kenntnis nehmen, dass viele Staaten in Europa beinahe bankrott sind; Forderungen nach mehr Geld für das Militär sind lobenswert, aber genau dies ist kaum realisierbar. Viele Staaten in Europa werden nun 20 Jahre lang Schulden abzahlen, aber im Hintergrund
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drohen die nächsten Krisen, Verarmung, gewaltsame Umverteilungen, Gleichmacherei, Justizkollaps, die demographische Zeitbombe, Stellvertreter-Auseinandersetzungen in den europäischen Kapitalen, kultureller Niedergang. Die hohe Staatsverschuldung der meisten europäischen Staaten macht sogar weitere Einschnitte zwingend, so etwa in Frankreich und Italien. Und dann wird die Bundesrepublik Deutschland, reflexartig als Ausdruck historischer Schuldgefühle, trotz Budgetüberschüsse die Bundeswehr weiter reduzieren. London und Paris können sich auf ihre Atomwaffen zurückziehen und die Atlantikanrainer auf die NATO und die USA, aber der Rest befindet sich in einer Lage, die nicht unähnlich jener von 1930 ist.
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zu erkennen waren. Man wäre „lieber rot als tot“ und auch Verteidigung sei ein „aggressiver friedensgefährdender Akt“. Damals konnten sich die NATO und Helmut Schmid über solche Verdrehungen hinwegsetzen, aber wie ist das heute? / Das eigene Militär ist – so die Erkenntnis – in der „idealen Demokratie des 21. Jahrhunderts“ ein Fremdkörper, wird für den „ewigen Frieden“ ebenso zur Gefahr wie ein potentieller Aggressor. Das Militär wird nur mehr über nichtmilitärische Randaufgaben gerechtfertigt, etwa als Sonderpolizei oder Reserve-Feuerwehr. Die in vielen EU-Staaten vorhandenen Streitkräfte sind „Low Cost“-Sozialorganisationen, denen man „interkulturelle Kompetenz“ antrainiert. Militärische Kernthemen wie der Kampf der Verbundenen Waffen oder Handlungsfähigkeit im Luftraum, wurden oft aus dem Aufgabenspektrum gestrichen. Billig-Auswege, wie „Pooling“ und „Sharing“, sind Symptome dieses Niederganges. / Heute wollen Regierungen ihren Bürgern nicht einmal den Militärdienst zumuten, verlassen sich auf Freiwillige und hoffen auf die Wehrbereitschaft von Frauen. In der „schönen neuen Welt“ der europäischen Demokratien machen Gebildete Alternativdienst, für den Wehrdienst wird die „Lower Class“ umworben. Man spricht von „Sicherheit“, aber meint damit den Wohlfahrtsstaat, Arbeitsplatzsicherheit, Pensionssicherheit, „sichere“ Lebensmittel etc.; das Militär kommt dabei nicht vor. Nur, vor internen Unruhen haben alle Angst, doch dieser Friede ist, trotz steigender Steuern und „Brot und Spiele“, jeden Tag weniger absicherbar. Das schafft immer mehr Überwachung, / Die Abgaben-/Steuerquote beträgt in vielen Staaten Europas mehr als 55 %. Aber der steuerzahlende Bürger hätte einen Anspruch auf Schutz durch den Staat, erlebt aber hier dessen Zurückweichen und erfährt, dass es in Deutschland 250,000 Wohnungseinbrüche im Jahr gibt – er für seine Sicherheit selber zuständig ist, heißt, Schutz ist nun keine Aufgabe der Polizei oder der Justiz. Die Summe dieser Entwicklungen ist ein Pendeln zwischen Anarchie und Nordkorea. Der Ruf nach einem „starken Mann“ in vielen Teilen Europas ist daher kein Zufall. Äußere Sicherheit lebte von „zehn Jahren Vorwarnzeit“, nur die gab es nie;
ZUR PERSON Mag. phil. Friedrich Korkisch, PhD, 1958 Bundesheer, Luftstreitkräfte, Kommando der Luftstreitkräfte, Nachrichtendienst, BMLV/ Luftabteilung/Generalstabsgruppe B, Referent Luftkriegswesen; zuletzt MinRat, Oberst dhmfD. Mitglied der Delegation zur KSZE/OSCC, im NATO Air Defense Committee, Lehrer an den Generalstabslehrgängen und LVAk.
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Europa soll wieder Erster werden Ein Weckruf zu höheren Militärausgaben BRIGADIER DR. HARALD PÖCHER
S
oziale Sicherheit versus öffentliche Sicherheit? In modernen und seinen Bürgern gegenüber sozial eingestellten Wohlfahrtsstaaten des 21. Jahrhunderts spielt die staatsseitige Vorsorge eine große Rolle. In vielen entwickelten Staaten betragen die Staatsausgaben dadurch bereits mehr als 50 Prozent des erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes. / Helmut Kohl soll einmal gesagt haben, dass ab einer Staatsquote (d. s. Staatsausgaben im Vergleich mit der
gesamten Wirtschaftsleistung) von 50 Prozent der Sozialismus beginnt (siehe hierzu die Abb. 1). / In Europa wird die Finanzierungsmöglichkeit öffentlicher Leistungen immer bedeutender, da der einzelne Bürger stetig steigende Anforderungen an den Staat stellt und viele dieser Aufgaben nur der Staat erbringen kann, da es keine privaten Anbieter für bestimmte Leistungen des Staates gibt. / Die prozentuelle Aufteilung der Staatsausgaben auf die einzelnen Staatsaufgaben ist ein Ausdruck dafür, welches Austauschverhältnis zwischen „sozialer Sicherheit/individueller Transfers und öffentlicher Sicherheit“ von den Bürgern gewünscht wird und es zeigt auch das Spannungsfeld und die Konkurrenzsituation auf, in denen die Streitkräfte, Polizei und Justizorgane ihre Finanzmittel sichern müssen, denn hohe Militärausgaben beziehungsweise der Ruf nach einer Erhöhung der Militärausgaben bedeuten bei praktisch der Höhe nach gedeckelten Staatsausgaben, hervorgerufen durch die Sparzwänge, den Ruf nach Einschränkung anderer Staatsausgaben, etwa Bereitstellung von Sozialleistungen, Gesundheitsvor-
ABB. 1: STAATSAUSGABEN 2011 AUSGEWÄHLTER LÄNDER IN PROZENT DES BIP ÖSTERREICH
50,8
DEUTSCHLAND
45,2
SCHWEIZ
33,7
ITALIEN
49,7
SLOWENIEN
48,4 50
SLOWAKEI
36,2
TSCHECHIEN
43,2
FRANKREICH
55,9
SPANIEN
45,7
GROSSBRITANNIEN
47,9
SCHWEDEN
51,5
NORWEGEN
43,9
FINNLAND
55,1
BELGIEN
53,6
NIEDERLANDE
49,9
DÄNEMARK
57,7
USA
38,9
RUSSLAND
34,1
Quelle: Index of Economic Freedom-Heritage Foundation
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Ein internationaler Vergleich der Staatsausgaben In den österreichischen Medien gibt es nur spärliche Ländervergleiche der Staatsausgaben. Die Gründe dafür sind dem Autor nicht bekannt, er vermutet aber, dass die Medien es nicht für
© US AIR FORCE/MIKE BUYTAS
UNGARN
sorge und Bildungsangeboten, also Leistungen, die bei einer Reduzierung jeden einzelnen Bürger im Staat sofort direkt treffen könnten. Einfacher ist immer, im Zuge von Sparzwängen eine Reduktion von Militärausgaben anzudenken und durchzuführen, da diese Reduktion den einzelnen Bürger im Staat zunächst grundsätzlich nicht direkt trifft. / Es lohnt sich im Zusammenhang mit Staatsausgaben über die Grenzen zu blicken und zu vergleichen, wie andere Staaten ihre Staatsausgaben auf die einzelnen Staatsaufgaben aufteilen, und es lohnt sich ferner zu analysieren, ob etwa der Stellenwert der USA in der Welt mit der Aufteilung der Staatsausgaben in den USA erklärt werden kann. Aus dem Ergebnis der Analysen sollten in Europa die Lehren gezogen werden, damit Europa nicht ganz den Anschluss an die Weltspitze verliert.
Offizier DER
Ausgabe 3/2014
durch große Organisationen, deren Aufgabe in der Förderung der Wirtschaften ihrer Mitgliedsstaaten liegt, über diese seriösen Daten verfügen und sie auch publizieren. Die OECD (Organization for Economic Co-operation and Development/Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit) als eine solche Organisation hat ein System entwickelt, welches den Vergleich von den Staatsausgaben einzelner Länder ermöglicht. Vorausgesetzt wird dabei, dass sich die einzelnen Länder an die Systematik der OECD halten und ihre Budgetdaten ordnungsgemäß zuordnen. Unter den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union hat sich auf der Grundlage eines gegenseitigen Vertrauens eine Meldedisziplin durchgesetzt, die es den Statistikern der EUROSTAT (Statistisches Amt der Europäischen Union mit Sitz in Luxemburg) ermöglicht, einen länderübergreifenden Vergleich anstellen zu können. Bevor die Auswertungen der EUROSTAT vorgestellt und bewertet werden, muss noch auf das Klassifikationssystem der OECD eingegangen werden. Die OECD teilt die Staatsausgaben in die Gruppen „Allgemeine Öffentliche Aufgaben (u. a. Oberste Organe, Entwicklungshilfe, Grundlagenforschung, Schuldendienst, Finanzausgleich), Verteidigung, Öffentliche Ordnung und Sicherheit (Exekutive, Gerichtswesen, Polizei, Feuerwehren, Strafvollzug), Wirtschaftliche Angelegenheiten, Umweltschutzmaßnahmen, Kommunale Aufgaben (Wasserversorgung, Kanal, Straßenbeleuchtung, Wohnbau), Gesundheit, Kultur/Religion sowie Sport und öffentlicher Rundfunk, Bildung,
Soziale Sicherheit“. Der Autor hat der Intention des Aufsatzes folgend aus den zehn Gruppen durch geeignet erscheinende Zusammenfassung sechs Gruppen (Allgemeine Öffentliche Aufgaben, Verteidigung, Öffentliche Ordnung und Sicherheit, Wirtschaftliche Angelegenheiten und Umweltschutzmaßnahmen sowie Kommunale Aufgaben, Soziale Sicherheit und Gesundheit, Bildung und Kultur/Religion/Sport/Rundfunk) berechnet. Wie uns die Abb. 2 (s. S. 14) zeigt, geben die USA und Russland einen höheren Prozentsatz für ihre Streitkräfte aus, was bei einer vorsichtigen ersten Bewertung die Weltmachtstellung der USA bzw. die regionale Machtstellung Russlands erklären könnte.
Reiche Nation – Starke Streitkräfte Diese vier Worte prägten die Zeitspanne ab der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg. Als starke und hoch gerüstete europäische Staaten sich schließlich in zwei Weltkriegen verstrickten und die Rechnung in Form von Millionen Toten, Soldaten und Zivilisten, präsentiert bekamen, wurden die vier Worte aus der Tagesordnung der europäischen Politik verdrängt und die Westeuropäer wurden umerzogen, bis sie gelernt haben, dass „reiche Nationstarke Streitkräfte“ kein strategisches Erfolgsrezept sein könne, obwohl man seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges tatenlos zusehen musste, wie die USA gerade unter strikter Befolgung dieses Erfolgsrezeptes zur uneinholbaren Weltmacht Nummer eins geworden sind und damit praktisch ›
© BUNDESHEER/STUDENY
zielführend erachten, einer Bürgerin oder einem Bürger zu erklären, warum beispielsweise in den USA trotz hoher Ausgaben für das Militär jeder Amerikaner und jede Amerikanerin aus einem exzellenten Bildungsangebot wählen kann, die Spitäler hochwertigste Medizin anbieten und die Wirtschaft der USA höchstwahrscheinlich in den nächsten Jahrhunderten noch immer an erster Stelle stehen wird, aber dafür der einzelne Arbeitswillige weit geringere Steuern zu zahlen hat als hier in Europa. Unter dem Strich bleibt den DurchschnittsamerikanerInnen genug Geld übrig, um für das Niveau seiner Gesundheitsvorsorge und seines selbst gewählten Bildungsniveaus selbst zu sorgen. Eine der Stärken der USA liegt offensichtlich darin, dass sich der Staat nicht anmaßt, nahezu alle Lebensbereich, des Menschen regulieren zu wollen. Diese Regulierungswut führte in Europa in den letzten Jahrzehnten zu einem stetigen Anstieg der Staatsausgaben, welcher zwangsweise mit einer hohen Steuerlast jedes Einzelnen einhergehen musste. Das hohe Anspruchsdenken der Bürger in Europa birgt allerdings die große Gefahr in sich, dass bei wirtschaftlichen Schwierigkeiten sofort der Ruf nach einem Einsparen von Leistungen kommt, welche den Bürger nicht direkt treffen. Dieser Ruf trifft besonders die Ausgaben für das Militär und zunehmend auch Polizei und Justiz. / Die Übernahme von Wirtschaftsdaten erfordert ein gewisses Vertrauen in die veröffentlichten Daten. Man kann davon ausgehen, dass Staaten, welche
© AIRBUS/S. RAMADIER
ZUR PERSON
Ausgabe 3/2014
Offizier DER
Brigadier Dr. habil. Harald Pöcher ist Mitglied der OGB und Leiter der Revisionsabteilung B im BMLVS
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ABB. 2: STAATSAUSGABEN 2011 AUSGEWÄHLTER LÄNDER NACH DEN HAUPTFUNKTIONEN IN PROZENTEN DER GESAMTAUSGABEN Allgem. öffentliche Aufgaben
Verteidigung
Öffentliche Ordnung und Sicherheit
Wirtschaftliche Angelegenheiten/Umweltschutz/Kommunale Aufgaben
Soziale Sicherheit/ Gesundheit
Bildung / ...
ÖSTERREICH
13,2
1,4
2,9
12,7
56,9
12,9
DEUTSCHLAND
13,6
2,4
3,5
10,5
58,8
11,2
SCHWEIZ
9,9
2,9
5
16,6
45
20,6
ITALIEN
17,4
3
4
10,2
55,8
9,6
SLOWENIEN
12,4
2,3
3,3
14,4
50,8
16,8
UNGARN
17,5
2,3
3,9
17,5
44,9
13,9
SLOWAKEI
15,4
2,7
6,4
15,1
46,8
14,3
TSCHECHIEN
10,7
2,1
4,2
18,9
49,8
14,3
FRANKREICH
11,6
3,2
3,1
11,6
57,3
13,3
SPANIEN
12,6
2,3
4,8
15
51,5
13,8
GROSSBRITANNIEN
11,6
5,1
5,3
9,2
53,3
15,5
SCHWEDEN
14,4
2,9
2,7
10,3
54,2
15,5
NORWEGEN
9,8
3,6
2,2
12,6
56,3
15,5
FINNLAND
13,4
2,6
2,7
10,2
57,3
13,8
15
1,8
3,4
14,4
51,4
14
NIEDERLANDE
11,2
2,7
2
7,4
58,2
16,3
DÄNEMARK
13,7
2,4
2
7,4
58,2
16,3
USA
14,7
10,8
5,4
11,2
41,3
16,6
14
13
13
13
29
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BELGIEN
RUSSLAND
Quelle: Eurostat (Statistics in focus 9/2013 Seite 2)
Europa wohl für immer in dieser Position abgelöst haben. / Europa ist ein Friedensprojekt, dies ist gut so, denn nur unter Friedensbedingungen funktioniert eine Wirtschaft friktionsfrei und kann den Bürgern höchstmöglichen Wohlstand erwirtschaften. Europa hat es aber bislang noch nicht verstanden, dass die Friedensdividenden auch verdient werden müssen und beispielsweise die Wirtschaftsinteressen auch von einer militärischen Stärke unterstützt werden sollten. Die USA führen uns dies täglich vor Augen und auch die Sowjetunion hatte am Höhepunkt ihrer Macht das Potential zur Durchsetzung ihrer Wirtschaftsinteressen. In Ostasien zeigt es uns neuerdings die Volksrepublik China vor, wie man den erlangten Reichtum in militärische Stärke umsetzen und mit der wiedergewonnenen Stärke seine Nachbarstaaten gezielt bedrohen kann.
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/ Blickt man in die Realität und versucht, eine europäische Wirtschaftsstrategie zu finden, so wird man vergeblich danach suchen. Es gibt keine europäische Wirtschaftsstrategie und so betreiben die einzelnen europäischen Wirtschaftsgroßmächte ihre eigennützige Wirtschaftsstrategie. In Ansätzen kann man zumindest den Willen, den Slogan „reiche Nationstarke Streitkräfte“ umsetzen zu wollen, eher noch bei Frankreich in Zusammenhang mit seiner Afrikapolitik und bei Russland in seiner Neuausrichtung im ehemaligen Herrschaftsbereich der Sowjetunion sowie bei Großbritannien, welches zwar keine Ansprüche mehr an ehemaligen Glanz stellt, aber dennoch als bester Verbündeter der USA versucht, im Sog dieser Supermacht sich neu zu positionieren, erkennen. Die übrigen Staaten in Europa – Deutschland ist zwar Exportweltmeister, aber ohne jegliche Absicherung seiner Wirtschaftsinteressen durch
Offizier DER
militärische, insbesondere maritime Macht – spielen bei diesem strategischen Kräftemessen keine Rolle. / Für Europa kann es nur eine Gesamtstrategie für die Zukunft geben. Europa muss sich von allen Strömungen, welche von außen auf den Kontinent herein prasseln, lösen und einen eigenständigen Kurs ansteuern, will es wieder Nummer eins in der Welt und der reichste Kontinent werden. Diese Gesamtstrategie muss neben der Lösung der Frage der Zuwanderung auch eine eindeutige Beantwortung der Frage beinhalten, ob für Europa die Umsetzung des Slogans „reiche Nation (Kontinent) – starke Streitkräfte“ ein vernünftiger Weg sein könnte, um wieder Nummer eins werden zu können. Mit den heutigen Ausgaben für die Verteidigung und öffentliche Sicherheit wird dieses Ziel aber nicht zu erreichen sein.
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© ÖBH/GREBIEN
Die transrationale Wende internationaler Friedensoperationen (Teil 4) PROF. DDR. WOLFGANG DIETRICH
D
er Soldat und die Soldatin auf internationaler Friedensmission dienen jenen Mitmenschen, in deren Land sie stehen. Radikal zu Ende gedacht, dienen sie daher unter Umständen jenen am meisten, von denen sie selbst mit der Waffe in der Hand bekämpft werden. Als extrem diene das Beispiel des Kindersoldaten. Er ist eine der unangenehmsten und gefährlichsten Bedrohungen für jede internationale Operation, zugleich eines der hilfsbedürftigsten Wesen, das dringend humanitären und psychologischen Beistand benötigt. Menschen wie ihm soll jede Friedensmission in letzter Konsequenz dienen. / Paradoxerweise gewinnt dadurch ein solcher Einsatz ethische Aufladung für jeden Teilnehmer. Die bewusste und freiwillige Entscheidung, solches Risiko dem heutzutage weitgehend sicheren Dienst daheim vorzuziehen, übersteigt die Regeln der Alltagsvernunft. Sie ist zwar aus professioneller Sicht angemessen und vernünftig, aber doch viel mehr als das. Ihr wohnt oft unausgesprochen ein Moment humanistischer, spiritu-
Ausgabe 3/2014
eller, wenn nicht religiöser Ethik inne. Jedenfalls geht sie über die Grenzen des modernen Verstandes hinaus. Menschen, die sich bewusst und aus innerer Überzeugung zu einer solchen Mission melden, folgen einer Weltsicht, die ich transrational nenne, weil sie ihr Leben freiwillig für etwas riskieren, das sie als sinnvoll erachten. Wenn die Vereinten Nationen nicht den Einsatz von missionaries, mercenaries, misfits fördern wollen, sondern im Sinne ihrer eigenen Vorgaben ernst gemeintes peacekeeping, enforcement oder building betreiben, ist die transrational orientierte Einsatzkraft der Idealtyp des Uniformierten im 21. Jahrhundert. / Alle Armeen der Welt interessieren sich für Psychologie. Der entscheidende Unterschied ihrer Anwendung liegt in diesem Zusammenhang in der Einsatzphilosophie. Hier geht es nicht um Psychologie als Waffe in einem auf Sieg ausgerichteten Kampf, sondern um Psychologie zur Stärkung und Klärung des Selbst-Bewusstseins einer auf Frieden ausgerichteten militärischen Einsatzkraft. Der auf Gehorsam gedrillte
Offizier DER
Befehlsempfänger findet in diesem Kontext keinen Platz. An seine Stelle tritt die transrationale Einsatzkraft, die sich im lebensgefährlichen Feld internationaler bewaffneter Konflikte ihres Risikos und ihrer eigenen Verantwortung voll bewusst ist. Sie muss sich vom niedrigsten Rang aufwärts so bewegen können und wollen, dass sie aktiv zu Prozessen elicitiver Konflikttransformation beitragen kann. Das erfordert eine sorgsame Ausbildung und Vorbereitung auf die Einsatzsituation, um klare, selbst- und verantwortungsbewusste Fachkräfte operational zu machen. / Das bedeutet in keiner Weise die Auflösung effizienter militärischer Strukturen zugunsten narzisstischer Selbstverwirklichung über den Einsatz. Ganz im Gegenteil, eine internationale Operation ist keine Therapie. Sie setzt Selbsterfahrung voraus. Auch und gerade ein militärisches Unternehmen der transrationalen Art verlangt nach klaren Einsatzstrukturen und grundsätzlicher Akzeptanz hierarchischer Ordnung. Es benötigt auch einen geregelten Kommunikationsstil. ›
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/ Der tiefgreifende Unterschied im Berufsprofil muss in der Einsatzvorbereitung erklärt und geübt werden, sollen internationale Friedenseinsätze gelingen. Der weltweite Mangel an entsprechend trainierten Kräften ist dramatisch, weil sie nicht großflächig angeworben und ausgebildet werden. Gibt es nicht einen Einsatzgrund unmittelbar vor der eigenen Haustüre, wie im Fall der europäischen Balkankriege, ist auch die politische Bereitschaft gering, in eine solche Neuorientierung zu investieren, weil der öffentliche Druck fehlt. Mit pre-deployment preparation für complex peace operations lässt sich in saturierten Gesellschaften keine Wahl gewinnen. / Zumeist fehlt auch der veröffentlichten Meinung das Verständnis, dass sich hier gerade in den altgedienten, einstmals als klein und neutral eingestuften Entsendeländern nicht nur ein attraktiver und sinnstiftende Arbeit bietender Markt für gut qualifizierte Kräfte liegt, sondern darüber hinaus für das Land eine vergleichsweise billige Profilierungsmöglichkeit, die im internationalen Kontext politische Reputation und damit Sicherheit schafft. Vielerorts wurden diese Möglichkeiten im Zuge des fast paranoid anmutenden Sicherheitsdiskurses der vergangenen Jahre liegen gelassen. / Die Erfahrungen ziviler Friedensarbeit können für das Militär in vielen
© PRIVAT
Gewaltfreie Kommunikation ist ein wertvolles Mittel der militärischen Kommunikation mit der Zivilbevölkerung, nicht der internen Informationsübermittlung oder Befehlsweitergabe. Aber wenn ein Soldat oder eine Soldatin im Rahmen eines transrationalen Einsatzes sinnvoll dienen soll, ruht diese Struktur nicht einfach auf der bloßen Norm der Befehlsgewalt, sondern auf einem zielorientierten Einverständnis über die Entscheidungsabläufe. Dieses Einverständnis setzt vor allem beim Befehlsempfänger eine sich ihrer selbst bewusste Persönlichkeit voraus, die bereit ist, die Verantwortung für die Konsequenzen ihrer Entscheidungen voll zu tragen, auch für die regelmäßige, aber dennoch freie Entscheidung, eine Anordnung, eine Weisung, einen Befehl zu befolgen. Erst diese Grundhaltung macht die Einsatzkraft im transrationalen Sinn team- und kommunikationsfähig, zuerst einmal innerhalb der militärischen Einheit, dann gegenüber den zivilen Partnern im Einsatz und der lokalen Bevölkerung. Auf ein Soziolekt bezogen, in dem es über lange Zeit üblich war, eigenwillige Persönlichkeiten gefügig zu machen, Anpassungswiderstände zu brechen und Menschen auf Gehorsam zu drillen, ist das eine Kehrtwende, die vielleicht eine Generation benötigt, ehe sie zur Selbstverständlichkeit wird. Aber der Prozess scheint in dynamischer Entwicklung begriffen.
Prof. DDr. Wolfgang Dietrich ist UNESCO Chairholder für Friedensstudien an der Universität Innsbruck und Direktor des Masterlehrgangs für Frieden, Entwicklung, Sicherheit und internationale Konflikttransformation. Homepage: http://homepage.univie.ac.at/w. dietrich/php/cms Kontakt: wolfgang. dietrich@uibk.ac.at
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© ÖBH/SIMADER
ZUR PERSON
Tschad JaKdo
Offizier DER
Ländern ebenso lehrreich sein wie umgekehrt. Weltweiter Vorreiter in diese Richtung ist wohl das Lester B. Pearson International Peacekeeping Training Centre in Kanada. Die Trainingseinheiten, die seit 2005 unter dem Titel Native Challenge im Zuge des Innsbrucker Universitätslehrgangs für Friedensstudien gemeinsam mit dem Österreichischen Bundesheer durchgeführt werden, mögen im Vergleich dazu bescheiden sein. Die Erfahrungen daraus weisen aber in dieselbe Richtung. Zwar ist die didaktische Annahme, dass während der Übungswochen junge Studierende aus aller Welt von einsatzerfahrenen Offizieren und SoldatInnen die militärischen Aspekte internationaler Friedensarbeit
„Der auf Gehorsam gedrillte Befehlsempfänger findet in diesem Kontext keinen Platz.“ vermittelt bekommen. In der Praxis hat sich aber gezeigt, dass im Zuge der gemeinsamen Arbeit ein bemerkenswerter Rückkoppelungseffekt erfolgt, der vor allem jenen Soldaten und Soldatinnen, die sich selbst auf internationale Operationen vorbereiten, eine informelle pre-deployment preparation ist, gerade weil die unkonventionelle Gruppe von Studierenden aus aller Welt in der soldatischen Wahrnehmung unorthodox, oft chaotisch und unberechenbar agiert und kommuniziert. Dadurch fordert sie ein hohes Maß an Empathie, Sensibilität, Kommunikationsfähigkeit und didaktisches Geschick ein. Die beiderseitige Begeisterung über diese Übungen in einem Land wie Österreich vermittelt den Eindruck, dass die Tür wohl geöffnet, das diesbezügliche Potential aber noch nicht ausgeschöpft ist. Akademische Friedensstudien und Militär können unter den aktuellen internationalen Konfliktlagen zum Besten der Zivilbevölkerungen in vielen Krisenregionen viel voneinander lernen und dies praktisch zur Anwendung bringen.
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Operationalisieren des „Comprehensive Approach“ (Teil 2) BRIGADIER MAG. THOMAS STARLINGER
3. Der „Blueprint Mechanism” und seine Werkzeuge Nachstehend werden nun eine Methode (= Blueprint Mechanism) und die entsprechenden Werkzeuge für ein erfolgreiches Operationalisieren des „Comprehensive Approach“ kurz vorgestellt.9 Als konzeptionelle Basis dient das angeführte 4-Säulen-Modell bestehend aus den Bereichen Sicherheit, Rechtstaatlichkeit, Wirtschaft & Infrastruktur und Soziales System. In Analogie eines „Hausbaues“ kann der vorgeschlagene „Blueprint Mechanism“ für ein breites Spektrum an Situationen, ganz gleich ob durch Naturkatastrophen oder bewaffnete Konflikte verursacht, angewandt werden. Ein Blick in die Realität: Im Bereich des State/Peacebuilding arbeiten die einzelnen Akteure vielfach ohne ein gemeinsames Verständnis über „Was wird von wem getan?“, „Wer ist für was verantwortlich?“ und „Wie viel ist bereits erreicht worden?“; dabei wird oft mehr Schaden angerichtet als zum Guten beigetragen.10 Die Hauptkritierien um den „Comprehensive Approach“ zu operationalisieren und damit eine kohärente, koordinierte und komplementäre Vorgangsweise sicherzustellen, stellen sich wie folgt dar: • Ein klares und aktuelles Bild der Projekte sowie deren Status, um eine fundierte Grundlage für ein effizientes Überwachungs- und Bewertungssystem zu haben. • Vermeidung von Überlappungen und der Duplizierung von Projekten, um eine höhere Effizienz der Hilfsmaßnahmen zu erzielen. • Vereinheitlichte Prozesse zur Entwicklung von Sektorstrategien, die zu gemeinsamen Zielen führen und den jeweiligen Erfordernissen Rechnung tragen. • Permanente Aufzeichnung der aktuellen und geplanten Unterstützungen im Sinne einer effizienten Bedarfsdeckung. • Ein Aktionsplan mit Prioritäten und Richtwerten, um sowohl statische als auch dynamische Planungen inklusive der Messbarkeit des Fortschrittes zu gewährleisten.
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• Ein umfassendes Managementsystem, das auf einer kompletten und permanent aktualisierten sowie öffentlich zugänglichen Datenbank basiert. • Die Nutzung eines gemeinsamen und interoperablen Berichtssystems, um ideale Voraussetzungen für Sektorarbeitsgruppen zu schaffen. • Eine effiziente Schnittstelle zwischen der lokalen Regierung und den Entwicklungspartnern, um sowohl die volle Inhaberschaft als auch Rechenschaftspflicht zu gewährleisten. Im Konkreten besteht der vorgeschlagene „Blueprint Mechanism“ aus den vier folgenden Hauptbestandteilen (Abb. 3): 1. „Blueprint Document“: Dieses Dokument gliedert sich in die vier Entwicklungsbereiche (Sicherheit, Rechtstaatlichkeit, Wirtschaft & Infrastruktur, Soziales System) unter Anführung jener Unterebenen, die für die jeweiligen Bereiche relevant sind: Es bietet ein klares und aktuelles Bild über alle laufenden Projekte und vermeidet somit Überlappungen sowie unnötige Duplizierungen. 2. Strategien: Die Entwicklung von kurz- bis langfristigen Sektorstrategien sowie statische und dynamische Planung erfolgt auf der Basis einer „Strengths – Weaknesses – Opportunities – Threat (SWOT)“ Analyse: Diese Methode resultiert in SMART-Zielvorgaben (Specific, Measurable, Achievable, Relevant, Time-bound). Dabei wird aufgezeigt, ob der Bedarf auf regionaler Ebene unter Berücksichtigung von übergeordneten Länderstrategien sowie derzeitiger und geplanter externer Unterstützungen gedeckt wird. Zusätzlich werden durch diese Vorgangsweise auch diejenigen Entwicklungsbereiche angesprochen, die bis dato unberücksichtigt blieben. Durch logische Ableitungen können Prioritäten und Aktionspläne samt konkreter Richtwerte (MoE, MoP) entwickelt werden. 3. Comprehensive Management System: Dieses basiert auf einer umfassenden und ›
Offizier DER
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permanent aktualisierten Wissensdatenbank, die öffentlich zugänglich (z. B. via Internet) ist. Diese zu entwickelnde Software soll nicht im Kontext von „Künstlicher Intelligenz“ betrachtet werden, sondern vielmehr als Planungswerkzeug, das mit dem bekannten Strategiespiel „Die Siedler“ vergleichbar ist und weltweit in den verschiedensten Szenarien angewandt werden kann. Es beherrscht die multidimensionalen Aspekte der vier Entwicklungsbereiche, deren Beziehungen und Abhängigkeiten und stellt ein umfassendes Lagebild als Voraussetzung für einen fundierten Entscheidungsprozess sicher. Weiters gewährleistet diese Wissensdatenbank ein besseres Verständnis für die entsprechenden Fähigkeiten der anderen Schlüsselakteure sowie deren Interaktion im jeweiligen Einsatzraum. 4. Interoperables Berichtssystem: Dieses erlaubt einen einfachen Austausch von Informationen zwischen den einzelnen Akteuren in den spezifischen Aufgabenbereichen. Sektorarbeitsgruppen (topographisch und sektoral) würden auf diese Weise in der Lage sein, Informationen in einer effektiven Art und Weise zu sammeln, zu analysieren und auszutauschen; dabei würden unnötige Duplizierungen vermieden werden.
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Offizier DER
5. Der „Blueprint Mechanism“ stellt mit seinen vier Hauptbestandteilen eine effiziente Schnittstelle zwischen der jeweiligen lokalen Regierung und den Entwicklungspartnern dar; damit werden regionale Inhaberschaft sowie eine entsprechende Rechenschaftspflicht sichergestellt. Durch seine inhärente Logik und Transparenz gewährleistet der „Blueprint Mechanism” eine kohärente, koordinierte und komplementäre (3C)11 Vorgangsweise aller Akteure, ohne dabei die Handlungsfreiheit des Einzelnen einzuschränken. Weiteres wird dabei unter Berücksichtigung des regionalen Bedarfs sowie der landesweiten Strategien des „top-down“ mit dem „bottom-up“ Ansatz verbunden. Der vorgeschlagene „Blueprint Mechanism“ unterstützt weiters das „Interacting Triangle of State/Peace Building“ das aus folgenden Eckpfeilern besteht: • Transparenz: Was wird durch wen durchgeführt? • Inhaberschaft: Wer ist für was verantwortlich? • Fortschritt: Wie viel ist bis dato erreicht worden?
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„There is no long-term security without development. There is no development without security“
4. Weitere Vorgangsweise: Entwicklung der Hauptbereiche In einem ersten Schritt ist das „Blueprint Document“ generisch zu entwickeln. Dieses Dokument würde sowohl eine breitgefächerte Teilnahme der Hauptakteure (GOs, IOs, NGOs) als auch die Nutzung bereits vorhandener Informationen garantieren. / Zur Erstellung einer generischen Wissensdatenbank müssen im nächsten Schritt Richtwerte und gegenseitige Abhängigkeiten in und zwischen den vier Entwicklungsbereichen identifiziert werden. Dies inkludiert auch die Entwicklung eines interoperablen Berichtssystems. Zu diesem Schritt könnte die Expertise von Universitäten, die sich bereits jetzt wissenschaftlich mit dieser Materie befassen, herangezogen werden. / Am Ende dieses Entwicklungsprozesses steht ein generisches Management-Tool, der „Blueprinter“, sowohl zur Planung als auch zur Durchführung verschiedenster Missionen, weltweit zur Verfügung. Ein adaptives Kontrollsystem setzt den jeweiligen Startpunkt für Beurteilungen und Aktionen entsprechend der jeweiligen Situation (z.B. Haiti, Tschad, Afghanistan). Eine geeignete Plattform für die Umsetzung wäre beispielsweise die Europäische Verteidigungsagentur, die gemeinsam mit der EU-Kommission tätig werden könnte.
5. Zusammenfassung Eine Operationalisierung des „Comprehensive Approach“ basiert auf den folgenden Schlüsselbereichen: • Die „sine-qua-non“-Vorbedingung ist der Wille aller involvierten Individuen und Organisationen, konventionelle Denkweisen und alt eingefahrene Prozeduren aufzubrechen und damit die Fähigkeit zu erlangen, im Rahmen eines Neuansatzes effektiver zusammenzuarbeiten.
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• Die Entwicklung eines gemeinsamen „Blueprint Mechanism“, um sowohl die multidimensionalen Abhängigkeiten der vier Entwicklungsfelder (Sicherheit, Rechtstaatlichkeit, Wirtschaft & Infrastruktur, Soziales System) zu beherrschen, als auch konzertierte Aktionen auf der Basis gemeinsamer Strategien durchzuführen. • Ein funktionierendes Dreieck für State/Peacebuilding, das aus den drei Eckpfeilern Transparenz, Inhaberschaft und Fortschritt besteht.
Nachsatz In einer Diskussion zur Operationalisierung des „Comprehensive Approach“ an der Europäischen Verteidigungsagentur in Brüssel brachte einer der Teilnehmer folgendes Argument vor: „As everything seems so complex and complicated, we should simply accept the mess and live with it“.12 / Während wir mehr oder weniger eifrig beschäftigt sind, Wege zu finden, um endlich den „Comprehensive Approach“ realisieren zu können, sollten wir dabei nicht vergessen, dass in vielen Regionen die Bevölkerung gerade unvorstellbares Leid ertragen muss, nur weil wir nicht in der Lage sind, individuelle oder organisatorische Vorbehalte zu überbrücken!
© FRENZL/ULM
KOFI A. ANNAN13
ZUR PERSON Bgdr Mag. Thomas Starlinger, Deputy Chief of Staff / Operations (DCOS / Ops) im Multinational Joint Headquarters (MN JHQ) Ulm. Erfahrungen im Bereich des Comprehensive Approach durch seine Tätigkeit im EU-Militärstab, als Kommandant der Multinational Task Force South (MNTFS) / KFOR / Kosovo, Vorträge bei Konferenzen wie 3C oder R2P. Literaturverweis / ausführlicher Artikel: Responsibility to Protect. Peacekeeping, Diplomacy, Media, and Literature Responding to Humanitarian Challenges, 2012, Innsbruck University Press, ISBN: 978-3902719-77-5
09) Langversion / Englisch siehe: Responsibility to Protect. Peacekeeping, Diplomacy, Media, and Literature Responding to Humanitarian Challenges, 2012, Innsbruck University Press, ISBN: 978-3-902719-77-5 10) OECD: “Do no harm”, Report 2010, S. 20, ISBN Nummer: 9789264077386, Datum der Veröffentlichung: 11/01/2010 http://browse.oecdbookshop.org/oecd/pdfs/browseit/4310041E.PDF, abgerufen am 13. Mai 2010 11) 3C (Coherent, Coordinated, Complementary) Conference Report, “Improving Results in Fragile and Conflict Situations”, Geneva, 19–20 März 2009, in: http://www.3c-conference2009.ch/en/Home/The_Conference/media/3C_Conf_Report_v6.pdf, accessed 13. May 2010. 12) “Operationalising the Comprehensive Approach”, Meeting Europäische Verteidigungsagentur, 19. April 2010. 13) Kofi A. Annan, The address by UN Secretary General Kofi Annan to the United Nations Association of the United Kingdom, Central Hall, Westminster, United Kingdom, 31. Jan 2006, in: http://www.un.org/ News/ossg/stories/statements_search_full.asp?statID=49, abgerufen 02. Sept 2010.
Offizier DER
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Der Beruf des Offiziers Eine empirische Betrachtung DR. SCIENT. PTH. SIEGFRIED ALBEL, MSC MSD, OBERST I. R.
Vorbemerkung
© MÖSENEDER
© ÖBH/HAMMLER
Fähnriche der Theresianischen Militärakademie
ZUR PERSON Dr. scient. pth. Siegfried Albel, MSc MSD, Oberst i. R. war zuletzt Leiter eines Hauptreferates an der Theresianischen Militärakademie und ist Obmann der Interessengemeinschaft der Berufsoffiziere (IGBO).
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Egal ob Berufs- oder Milizoffizier, wenn man in die Funktion eines Offiziers tritt, dann muss man in der Lage sein, diese professionell auszufüllen. Auch für Berufsoffiziere gilt dabei, dass man Prozesse, die man länger nicht gestaltet hat, anfänglich nicht so schnell beeinflussen kann. Vielleicht kommt ein Berufsoffizier dabei rascher wieder in eine gewisse Routine als Milizoffiziere, das mag sein, kann aber nur dann stattfinden, wenn man im „normalen Dienstbetrieb“ bereits Abläufe und Gepflogenheiten an den militärischen Führungs- und Entscheidungsprozess „angepasst“ hat. Das glaube ich an Hand meiner Erfahrungen des vor kurzem beendeten Berufslebens behaupten zu können. / Was ich ebenso behaupten kann ist, dass in allen Tätigkeiten eines Offiziers der Mensch mit allen seinen Ausprägungen und Facetten deutlich mehr im Mittelpunkt steht, als es bei den meisten anderen Berufen der Fall ist. Jeder Einsatz von Soldaten beinhaltet das Risiko, dass (auch) die handelnden Menschen dabei Schaden erleiden. Das
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bedingt, dass die Entscheidungen des Offiziers stets einer besonders kritischen Überprüfung durch die Untergebenen unterzogen werden. Dadurch ist der Kommandant grundsätzlich, der Offizier aber ganz besonders gefordert und muss sich – will er die Gefolgschaft seiner Soldatinnen und Soldaten erwerben – um höchste Glaubwürdigkeit bemühen. Kurzfristig kann man sich vielleicht hinter Befehl und Gehorsam verschanzen. Aber eben nur kurzzeitig und als Ausnahme. Und so lange, als aus der Entscheidung für die Betroffenen kein Misserfolg entsteht. Spätestens dann büßt man Glaubwürdigkeit ein und hat damit jedenfalls ein Problem mit der Durchsetzbarkeit seiner Entscheidungen.
Was verlangt der Beruf des Offiziers? Der Beruf eines Offiziers verlangt jedenfalls, dass man sich bemüht, jedes Problem in seiner Komplexität zu erfassen, alle Faktoren zu bedenken, gemäß ihrer Wichtigkeit zu behandeln und
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ein klares Ziel zu formulieren. Dabei müssen Sicherheit und Unversehrtheit „seiner“ Soldatinnen und Soldaten im Vordergrund stehen und für diese klar erkennbar sein. Der Offizier muss aber auch in der Lage sein, auf Verbesserungsvorschläge und Einwände eingehen zu können und diesen in seinen Entscheidungen entsprechenden Raum zu geben. / Das ist unabhängig von der Funktion (Kommandant oder Mitglied eines Stabes) und ist sowohl im zivilen als auch im militärischen Bereich für Führungskräfte durchaus vergleichbar. Dort, wo es nur darum geht, die eigene Meinung durchzusetzen, eventuell andere Meinungen zu unterlaufen, als schlecht hinzustellen oder als unwirksam zu qualifizieren, dort sind Probleme vorprogrammiert und werden Konflikte die Zielerreichung zumindest behindern. / Das aber ist gerade im Einsatz militärischer Kräfte – egal zu welchem Zweck – unbrauchbar, weil gerade dort zumeist ein hoher Zeitdruck besteht, um Entscheidungen herbeizuführen und Gefahren abzuwenden. / Daher kommt es darauf an, dass Offiziere entsprechend gebildet sind, ein möglichst breites Allgemeinwissen haben, ihre Soldatinnen und Soldaten kennen, sich eine Meinung über jede einzelne Person bilden können und Fachwissen besitzen. / Dr. Bernhard Kaiser, Angehöriger des Lehrkörpers an der Theresianischen Militärakademie, hat in einer wissenschaftlichen Studie die Kompetenzen von Stabsmitgliedern erforscht und ist dabei, diese Studie nunmehr auf den Offiziersberuf ganz allgemein auszudehnen. Dem Ergebnis dieser wissenschaftlichen Arbeit will ich hier nicht vorgreifen. Ich glaube aber aus meiner Erfahrung, dass die oben angeführten Behauptungen stimmen und sich daher in der Studie von Dr. Kaiser wiederfinden werden. Der Weg des Bundesheeres, für die Berufsoffiziere eine akademische Ausbildung vorzusehen, ist die logische Konsequenz aus den Erfordernissen und gepaart mit der entsprechenden handwerklichen Ausbildung der Führungskräfte des Bundesheeres zwingend erforderlich. Für die Milizoffiziere gilt, dass diese zumindest die handwerkliche Ausbildung ebenfalls durchlaufen müssen. Hinsichtlich der akademischen Ausbildung könnte man feststellen, dass diese durch zivile Studien (die meisten Milizoffiziere absolvieren nach der Matura ja ein Studium) substituiert werden kann. In den meisten Fällen kann man auch Lebens- und Berufserfahrung miteinbeziehen, weil Milizoffiziere meist
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auch im Zivilleben vergleichbare Führungsfunktionen bekleiden.
Fazit Der Offiziersberuf ist eine Führungsaufgabe, verlangt auf Grund der Komplexität der Aufgabe eine akademische Ausbildung und muss daher auch in der „Hierarchie der Arbeitswelt“ eine entsprechende Einstufung erfahren.
DIE INTERESSENGEMEINSCHAFT DER BERUFSOFFIZIERE (IGBO) wurde 1990 durch das Statement des Kommandanten des Landwehrstammregimentes 35 – heute würden wir sagen des Kommandanten einer Milz-Jägerbrigade – in der Fachzeitschrift „Truppendienst“ initiiert und 1991 formal als Verein gegründet.
Als Sinn und Zweck des Vereines ist in den Statuten verankert: 1. Die Interessengemeinschaft der Berufsoffiziere ist eine auf demokratischer, überparteilicher Grundlage aufgebaute und auf freiwilliger Mitgliedschaft beruhende Berufsvereinigung zur Vertretung der sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Interessen ihrer Mitglieder nach innen und nach außen. 2. Der Verein bezweckt die • Vertretung der Interessen der Berufsoffiziere innerhalb der Gewerkschaft öffentlicher Dienst und der Personalvertretung durch Unterstützung und enge Zusammenarbeit. • Förderung der Interessen der Berufsoffiziere in ideeller und rechtlicher Hinsicht sowie Wahrung und Hebung des Ansehens des Berufsstandes. • Verfassung von Kundgebungen, Petitionen und Eingaben an die gesetzgebenden Körperschaften, Ämter und Behörden. • Mitwirkung bei der Erstellung oder Änderung der Studienordnung für die Ausbildung und für die berufsbegleitende Weiterbildung der Berufsoffiziere des österreichischen Bundesheeres. • Mitwirkung bei der Erstellung oder Änderung der Durchführungsbestimmungen für die Ausbildung im ÖBH. • Unterstützung von unschuldig in Not geratenen Mitgliedern der IGBO bzw. deren Familien. 3. Der Verein hat seine Ziele gemeinnützig zu verfolgen und ist nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet Seit ihrer Gründung hat die IGBO in zahlreichen Gesprächen mit höchsten Beamten, Politikern und Gewerkschaftsvertretern versucht, eine Lösung für die tatsächliche Ungleichbehandlung der Offiziere des Truppendienstes im Vergleich mit anderen Beamten herbeizuführen. Da es bisher vor allem am politischen Willen zu einer Änderung der einschlägigen Gesetzesmaterie mangelte, ergreift die IGBO nunmehr rechtliche Schritte, um eine Gleichbehandlung der Offiziere des Truppendienstes herbeizuführen. Darüber hinaus hat die IGBO in zahlreichen Presseaussendungen versucht, im Sinne der Statuten positiven Einfluss auf politische oder politisch motivierte Vorgänge rund um das Bundesheer zu nehmen. Durch den eingerichteten Notfonds konnte die IGBO in mehreren Fällen Kameraden oder deren Hinterbliebenen unbürokratisch und effektiv helfen.
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Verzicht auf Mobilität?
Klartext OBERST MAG. BERNHARD MEURERS
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s ist die Pflicht der gewählten politischen Verantwortungsträger in Bund, Land und Gemeinden, diesem Staat, seinen Bürgern und seiner Gesellschaft die Existenzgrundlagen zu schaffen, zu erhalten und zu schützen. Dazu gehört neben dem Eintreiben von Steuern vor allem der Schutz für Leib und Leben derselben: Das ist neben anderem die Sicherheit nach innen und außen. Was dafür zu leisten ist, steht in der Verfassung und im Wehrgesetz. Dieser Pflicht wird allerdings schon lange nicht mehr nachgekommen. / Stattdessen wird gerade dort der Sparstift am radikalsten angesetzt, wo er immer schon angesetzt wurde, beim Bundesheer. Dieses Mal allerdings so weit, dass es die ihm übertragenen Aufgaben kaum noch erfüllen können wird. Man war ohnehin nie begeistert, zum Schutz der Bevölkerung Geld auszugeben und ein hinreichendes Militär zu unterhalten. Und spätestens nach der „Wende“ in den ehemals kommunistischen Ländern wird dies sowieso nicht mehr für notwendig erachtet. Der ewige Friede sei ausge-
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brochen, glaubt man seitdem und hält ein paar friedensbewegte asymmetrisch kämpfende Soldaten für ausreichend. In die „Krise gehen“, damit diese nicht zu einem kommt, sollte genügen und darf vor allem nur wenig kosten. Dass auf einmal die Sache in der Ukraine anders läuft, passt zwar nicht in dieses Konzept, wird aber trotz aller Konsequenzen für Europa hinsichtlich erhöhter Sicherheitsanstrengungen wahrscheinlich keine Folgerungen nach sich ziehen. Dass das weitgehend in ganz Westeuropa so ist, mag für manche unserer Führer handlungsleitend sein, ist aber nur ein schwacher Trost. Bedrohungen werden sich jedenfalls nicht danach ausrichten. / Nachdem nun schon seit Jahren das Geld der Steuerzahler für alle möglichen, meist Gesellschaft und Werte zerstörenden Unsinnigkeiten mit vollen Händen verschleudert wird und der Sozialstaat offenkundig zum Selbstbedienungsladen verkommen ist, fehlen nun die Mittel an allen Ecken und Enden. Angesichts jahrelanger Korruption, Steuerhinterziehung und Hypo- und sonstigen Affären muss jetzt erst recht gespart
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„Der Sparstift wird am radikalsten angesetzt, wo er immer schon angesetzt wurde, beim Bundesheer.“ Sicherheit insgesamt woanders einzusparen, steht nie zur Diskussion und ist politisch unkorrekt. Der politische Wille sei so, wird gesagt. Aber welcher? Der, welcher sich auf den nächsten Wahlsieg begründet, oder der des Volkes? Der dürfte nämlich ein anderer sein, wie das überdeutliche Votum für ein Bundesheer mit allgemeiner Wehrpflicht gezeigt hat. Dabei sehen Bürgerinnen und Bürger durchaus ein, dass gespart werden muss. Die Frage ist nur, wo und wie, mit welchen Prioritäten, zu welchen Bedingungen und unter welchen Risiken. / Für das Heer ist Sparen ja nichts Neues. Jede Reform der letzten Jahre – und das waren nicht gerade wenige – war weniger der Sache gewidmet, als vielmehr dem Diktat fehlender und ständig schwindender Ressourcen, wobei Aufgaben und Aufträge nie geringer, sondern immer umfangreicher geworden sind. Allein dem Idealismus und Engagement der Soldaten, ihrem Improvisationsvermögen sowie vor allem ihrem Herzblut und dem Rückhalt in der Bevölkerung
ist es zu verdanken, dass dieses Heer bisher seine Aufgaben zur Zufriedenheit aller erfüllen konnte und überhaupt noch vorhanden ist! / Jetzt allerdings wird ein Programm gefahren werden, welches so sehr an die Substanz geht, dass das Bundesheer kaum mehr seine Aufgaben erfüllen und eigentlich nicht mehr als einsatzfähig betrachtet werden kann. Ganze Waffengattungen werden gestrichen, der Ausverkauf von Panzer und Artillerie betrieben und so die Stoßkraft genommen. Mit dem Verkauf von LKW und Klein-Kfz wird auf Mobilität verzichtet. Und indem keine Übungen mehr stattfinden können, wird der Verlust der Einsatzbereitschaft eingeläutet. Das alles ist so, als würde man der Feuerwehr statt Schläuchen Eimer verschreiben. / Das Ganze ist absurd. Da wird eine Österreichische Sicherheitsstrategie beschlossen, da liegt ein noch nie da gewesenes Volksvotum auf dem Tisch, in dessen Folge eine ambitionierte Wehrdienstreform angegangen wird, und dann nimmt man dem Heer sozusagen das „letzte Hemd“ und leert das „Fass bis zum Boden“. Das ist Verhöhnung der Soldaten. Das ist Verhöhnung der Bürgerinnen und Bürger. Wir Soldaten dürfen dies nicht so einfach hinnehmen. Denn auch wir sind dem Votum verpflichtet und haben uns diesem würdig zu erweisen. Mag sein, dass wir die Dinge nicht beeinflussen können. Es ist aber unsere Verantwortung, aufzuzeigen, wo man die Bevölkerung und uns belügt. Es ist unsere Aufgabe, „Klartext“ zu reden, anstatt alles wieder zu beschönigen und zu verharmlosen. Und zwar so, dass es die Leute auch verstehen und davon berührt werden. / Es gilt, ehrlich aufzuzeigen, was im nächsten Ernstfall noch geht und was nicht. Und das wird unter den jetzigen Bedingungen nicht mehr sehr viel sein. Es sei denn, die Lage ändert sich schlagartig und erheblich zum Besseren. Dabei muss Kritik erlaubt und darf Emotion nicht verboten sein. Hier sind alle gefordert, mutig zu sein.
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und Geld lukriert werden. / Die Budgetentwicklung des Heeresressorts der letzten Jahre jedoch zeugt nicht nur von fahrlässiger, sondern von beinahe vorsätzlicher Interesselosigkeit der politisch Verantwortlichen in Regierung und Parlament als Kontrollorgan. Zu Gunsten von Heer bzw. Schutz und
ZUR PERSON Oberst Mag. Bernhard Meurers war Lehroffizier für Stabsdienst, Führungsund Organisationslehre an der Landesverteidigungsakademie und ist derzeit Kommandant des Stabsbatailloms 7 sowie Generalsekretär der Arbeitsgemeinschaft Katholischer Soldaten.
Cross-Mentoring-Programm im Bundesdienst (CMPB) MAG.A RER. NAT. ROSWITHA MATHES
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ieses Programm basiert auf einem formellen, transparenten Konzept, mit dem im öffentlichen Dienst derzeit ausschließlich Frauen als Mentees angesprochen werden. Dadurch eröffnet sich für Frauen die Möglichkeit, ihre berufliche Entwicklung mit einer Mentorin oder einem Mentor aus anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes zu besprechen. / Die Grundlage für diese spezielle Mentoringform bilden das Arbeitsprogramm der österreichischen Bundesregierung sowie der daraus resultierende Nationale Aktionsplan (NAP) „Gleichstellung von Frauen und Männern am Arbeitsplatz“. Die Initiative CMPB wurde mit Ministerratsbeschluss vom 9. März 2004 im Rahmen der Frauenförderung beschlossen und wird seither jährlich umgesetzt. Dem Bundeskanzleramt (BKA) obliegen die organisationsübergreifende Koordination respektive die Schirmherrschaft dieses Projektes. / Die Gleichstellung von Frauen und Männern ist das oberste Ziel der Europäischen Union und deren Mitgliedstaaten. Die Erreichung der Geschlechtergleichstellung wird auf unterschiedliche
Art und Weise verfolgt: einerseits durch die Nutzung mehrerer, ineinandergreifender Strategien wie jene der Gleichbehandlung, Frauenförderung, Gender Mainstreaming, Gender Budgeting und Diversity Management und andererseits durch die Festlegung von Wirkungszielen sowie wirkungsorientierten Maßnahmen. Nennenswert wäre hier das Gleichstellungswirkungsziel des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport (BMLVS) sowie des Österreichischen Bundesheeres (ÖBH), das im Rahmen der Haushaltsrechtsreform bzw. des Bundes-Finanzrahmengesetzes festgelegt wurde. Mit diesem Ziel positioniert sich das Ressort als attraktiver Dienstgeber für Frauen und Männer. / Die Zielerreichung bedarf der Umsetzung einer Vielzahl von Einzelmaßnahmen wie beispielsweise die aktive Beteiligung des BMLVS/ÖBH am CMPB. Das Mitwirken am CMPB leistet somit im weiteren Sinne einen Beitrag zur Erreichung der Gleichstellung von Frauen und Männern im Ressort. / Ausschlaggebend für das CMPB war der Wunsch der Initiierenden, ein Programm zu entwickeln, das Frauen
in ihrer Karriereplanung und persönlichen Entwicklung unterstützt. / Viele Organisationen des öffentlichen Dienstes entschieden sich für eine Teilnahme an diesem Programm. Dazu zählen u. a. die Bundesministerien für Finanzen, Landesverteidigung und Sport, Inneres, europäische und internationale Angelegenheiten, das BKA sowie der Rechnungshof. Grundsätzlich werden von jeder teilnehmenden Organisation je sechs Mentees und Metorinnen/Mentoren ausgewählt, die schlussendlich organisationsübergreifende Tandems bilden. Je nach Anzahl der mitwirkenden Organisationen und Mentees bzw. Mentorinnen/Mentoren kommt es zu zirka 20 bis 25 Mentoringbeziehungen. / Ziel dieser Strategie ist es, die Kompetenzen von Frauen sichtbar und nutzbar zu machen. Frauen sollen befähigt werden, in ihren Ressorts wichtige Positionen einzunehmen. Neben den bereits vorhandenen männlichen Netzwerken wird versucht, unterstützende weibliche Netzwerke aufzubauen. Somit wird eine Karriereförderung auch in männerdominierten Berufen ermöglicht.
Gleichstellung
Gleichbehandlung
Frauenförderung
Gender Budgeting
Gender Mainstreaming
Diversity Management
Gleichstellung von Frauen und Männern
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BMLVS-Mentoren und Mentees 2013/2014
Alumni-Netzwerk Das CMPB sieht darüber hinaus ein „Alumni-Netzwerk“ vor. Es beinhaltet Treffen aller aktuellen und ehemaligen CMPB-Teilnehmenden sämtlicher partizipierenden Organisationen zum Zwecke des Kontaktaufbaues. Darauf aufbauend fand im Jahr 2014 im BMLVS erstmals ein interner „Alumni-Day“ statt. Er stand unter dem Motto „Ein Miteinander stärkt einander“. Dieser Tag diente als Plattform zum gegenseitigen Kennenlernen und des Erfahrungsaustausches. Weiters hatte er auch die Erhebung der gender- und diversitätsspezifischen Interessen und Bedürfnisse der Teilnehmenden für zukünftige Alumni-Day-Veranstaltungen zum Ziel. Nicht zuletzt diente dieses Kick-off auch zur allgemeinen Informationsweitergabe, für Updates und einen programmspezifischen Vortrag zum Thema „Frauen führen anders“. Der Alumni-Day wurde von Militärpersonen und Zivilbediensteten verschiedenen Alters, aus unterschiedlichen Branchen und Bundesländern etc. besucht.
Auswahl und Tandembildung Das Mentoringjahr (April bis Juni des Folgejahres) beginnt mit der internen Erhebung der Interessierten für die Funktion als Mentee als auch als Mentorin/Mentor. / Nach Auswahl und Nominierung der Teilnehmenden werden diese dem
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BKA genannt. In weiterer Folge sind durch die Mentees und die Mentorinnen/Mentoren die Profile zur eigenen Person (z. B. Lebenslauf, Foto, Arbeitsund Fachbereich, Position …) für die BKA-Homepage zu erarbeiten (http:// www.jobboerse.gv.at/aufstieg/crossmentoring). Anhand des Profils können die Nominierten einen ersten Eindruck voneinander gewinnen. Es stellt somit für beide Seiten ein relevantes Auswahlkriterium für die Tandembildung dar. / Das Kick-off des jeweiligen Mentoringjahrs bietet allen TeilnehmerInnen mehrere Möglichkeiten wie etwa gegenseitiges Kennenlernen, persönliche Erstkontaktaufnahme zu diversen Mentorinnen/Mentoren sowie Vorselektion von „Wunsch-Mentorenperson“. Da Mentoring von den Erwartungen der Mentees und den Möglichkeiten der Mentorinnen/Mentoren bestimmt wird, ist die passende Zusammenführung von Mentee und Mentorin/Mentor nicht unerheblich. Dieser Vorgang erfolgt in Form eines elektronischen Verfahrens, dem sogenannten E-Matching. Dabei kann sich jede Mentee bei maximal drei Mentorinnen/Mentoren ihrer Wahl bewerben. / Mentees sollten nicht enttäuscht sein, wenn sie nicht bei der/dem bevorzugten Mentorin/Mentor landen. Mentorinnen/Mentoren wiederum sollten nicht unruhig werden, wenn sie nicht gleich ausgewählt werden
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und zunächst ohne Mentee dastehen. Das ist normal und weckt vielleicht alte enttäuschte „(Rendezvous-)“ Erinnerungen. Wichtig ist in diesem Zusammenhang die Erkenntnis, dass hier keine private, sondern eine berufliche Beziehung angebahnt wird bzw. zustande kommt. Daher unterliegen die Kriterien für eine Tandembildung anderen Prinzipien als im Privatleben und werden hauptsächlich nach den Kriterien Homogenität/Heterogenität, Fachlichkeit und Karriereaufstieg ausgerichtet. / Im Falle der Mentees ist damit gemeint, dass sie Gleich- bzw. Ungleichheit im Geschlecht anstreben können. Frauen präferieren grundsätzlich eine Mentorin, da sie ein Rollenvorbild hinsichtlich der Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben (Work-Life-Balance) brauchen. Will eine Frau mehr über die Regeln wissen, nach denen ein Mann sein Berufsleben ausrichtet, dann wird sie einen Mentor wählen. Hinsichtlich des Kriteriums der Fachlichkeit kommt es auch auf ein bisschen Glück an, da nicht immer für das entsprechende Spezialgebiet passende Mentorinnen/Mentoren am jeweiligen CMPB teilnehmen. / Sind sich Mentee und Mentorin/ Mentor einig, kommt es zur Tandembildung. Ab diesem Zeitpunkt arbeiten Mentee und Mentorin/Mentor für den Zeitraum von ca. neun Monaten (Oktober–Juni) miteinander, wobei ›
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BMLVS-Alumnitreffen
mindestens vier Mentoringtreffen einzuplanen sind. Mentoringbeziehungen beschäftigen sich z. B. mit Themen zur persönlichen Entwicklung, mit Netzwerkaufbau bzw. -vertiefung, Selbstbild-Fremdbild, Karriereplanung etc.
Begleitende Veranstaltungen Im Rahmen des CMPB wird eine Reihe von Veranstaltungen (Seminare, Workshops, Vernetzungstreffen …) angeboten. Die Teilnahme an diesen Veranstaltungen und die individuellen Treffen der Mentoringtandems gelten als Dienstzeit, jedoch dürfen keine Mehrdienstleistungen anfallen. / Im Einführungsworkshop – getrennt für Mentees und Mentorinnen/Mentoren – werden die zu erbringenden Aufgaben und Tätigkeiten erläutert, offene Fragen geklärt sowie eventuelle Unklarheiten besprochen.
Über das Mentoringjahr hinweg finden zwei Vernetzungstreffen statt. Sie haben jeweils ein bestimmtes Thema zum Schwerpunkt. Die Organisation und Ausrichtung dieser Treffen übernehmen abwechselnd die partizipierenden Institutionen. Das BMLVS richtete bisher zweimal ein Vernetzungstreffen aus, erstmals im Programmjahr 2009/2010, wo das Treffen im Heeresgeschichtlichen Museum stattfand. Die Landesverteidigungsakademie war der Gastgeber für das erste Vernetzungstreffen im laufenden CMPB-Jahr 2013/2014. Diese Veranstaltungen haben u. a. die Förderung des persönlichen Austauschs untereinander sowie die Aktivierung von Netzwerken zum Ziel. Ebenso werden vorgegebene Themen aus Bereichen wie etwa Work-Life-Balance, Karrierehindernisse und Arbeitszeitmodell anhand verschiedener Methoden und Zu-
gänge (Podiumsdiskussion, World-Café, Interviews …) er- und bearbeitet. / Dem gegenüber steht die Supervision, die zum intensiven rollenbezogenen Erfahrungsaustausch innerhalb der jeweiligen Gruppe dient. / Die Durchführung einer Potenzialanalyse inklusive Coaching bietet Mentees die Chance, fundierte Informationen über ihre Stärken und Schwächen zu erhalten. Zu diesem Zweck wird BMLVS-intern für Mentees und Mentorinnen/Mentoren ein psychologisches Testverfahren namens „Bochumer Inventar zur berufsbezogenen Persönlichkeitsbeschreibung (BIP)“ zur freiwilligen Teilnahme angeboten. Der BIP misst mittels etwa 200 Aussagen berufsrelevante Aspekte der Persönlichkeit, die den folgenden vier Hauptbereichen zuzuordnen sind: berufliche Orientierung, Arbeitsverhalten, soziale Kompetenz und psychische Konstitution. Die Diskussion der Ergebnisse dieser Fähigkeitsanalyse in der Mentoringbeziehung erscheint zweckmäßig, da sie unter Umständen einen Einfluss auf die gemeinsame Zielfestlegung und dem Weg dorthin haben. / Darüber hinaus werden Mentees eingeladen, Seminare an der Verwaltungsakademie des Bundes zu besuchen. Es empfiehlt sich grundsätzlich ,jene Seminare zu wählen, die thematisch zu den vereinbarten Zielen passen. Die Teilnehmenden dürfen aber auch spezielle Seminare aus dem Managementprogramm besuchen.
Motivation für eine Projektteilnahme Egal ob als Mentorin/Mentor oder als Mentee: Hilfsbereitschaft sollte nicht das stärkste Motiv für die Programm-
mehr sicherheit, weniger sorgen. seit 1824 nehmen wir sorgen ab
ihre sorgen möchten wir haben wienerstaedtische.at facebook.com/wienerstaedtische
Vermittlung von Fachwissen geht. Vielmehr steht die Weitergabe von Erfahrungen und Informationen, die in der Regel nicht in Büchern stehen, im Mittelpunkt. / Das Mentoringjahr endet im Juni des Folgejahres mit einer würdigen Abschlussveranstaltung. Allen Mentees und Mentorinnen/Mentoren wird eine Teilnahmebestätigung durch eine Bundesministerin (bislang durch die Frauenministerin) oder einen Bundesminister überreicht.
Militärpersonen und Zivilbedienstete anzusehen ist, ein Soldatinnen-Mentoring im BMLVS/ÖBH durchgeführt. Ziel dieses Soldatinnen-Mentoring ist es, den Anteil der weiblichen Soldatinnen im Ressort zu erhöhen. Dazu fungieren Soldatinnen in der Rolle als Mentorinnen und sollen neueinsteigenden Soldatinnen (Mentees) beratend zur Seite stehen.
Evaluation Zur Erhebung der Zufriedenheit und zwecks Verbesserung des Projektes wird abschließend eine Onlinebefragung durch das BKA, aber auch intern, durchgeführt.
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teilnahme sein. Zum einen können daraus berufliche Anforderungen an die Mentees entstehen, die diesen noch zu illusionär scheinen. Die Mentorin/ der Mentor ist im Berufsweg sicher schon weiter. Zum anderen kann aus falsch verstandener Hilfsbereitschaft heraus auch die notwendige, professionelle Distanz außer Acht gelassen werden. Daraus folgt möglicherweise die Entwicklung einer zu nahen und persönlichen Mentoring-Beziehung. Des Weiteren ist die gemeinsame Zeit mit ca. neun Monaten beschränkt. Dies kann zu Verwicklungen führen, weil geglaubt wird, man müsse sich so oft wie möglich treffen und so viel wie möglich engagieren. Mentoring verlangt aber eher Sicherheit durch Ansprechbarkeit und nicht so und so viele Treffen innerhalb kürzester Zeit. / Obwohl die meisten Menschen daran glauben (möchten), dass der Aufstieg in eine höhere Position nur über fachliche Kompetenz und Leistung geschieht, ist aus der Forschung bekannt, dass dem nicht so ist. Für die Karriere mindestens so ausschlaggebend sind neben sozialer Kompetenz, sozialem Background und allgemeinen Umgangsformen auch die Aktivierung und Vitalisierung von Netzwerken. Auch in diesem Bereich ist die Mentorin/der Mentor in der Lage, die entsprechenden Auskünfte und Empfehlungen zu geben. / Hilfreich zu wissen ist, dass es beim Mentoring in erster Linie nicht um die
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Dabei werden Inhalte abgefragt, wie • Zufriedenheit mit der Betreuung durch die ressortbeauftragte Person • Weiterempfehlung des Projektes • Bedarf an internen Treffen • Erreichung der Mentoringziele • Qualität der Arbeit im Mentoringteam • Inhalte der Mentoring-Beziehung • Nutzen für Mentees und Mentorinnen/Mentoren
Mag.a rer. nat. Roswitha Mathes, derzeit im Auslandseinsatz im Kosovo, ist klinische, Gesundheits-, Notfallsund Arbeitspsychologin mit Ausbildung zum Gender (Field) Advisor. Mathes ist stellvertretende Gender-MainstreamingBeauftragte im BMLVS mit Sitz im Generalstab sowie Ressortbeauftragte des Cross-Mentoring-Programms im Bundesdienst und Gesamtkoordinatorin der Anti-Mobbing-Initiative des BMLVS.
Soldatinnen-Mentoring Beginnend mit 2014 wird zusätzlich zum CMPB, welches als frauenspezifisches Karriereförderungsprojekt für
VORRAUSSETZUNGEN UND VORTEILE DER CMPB-MITWIRKUNG
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VORAUSSETZUNGEN/BEREITSCHAFT
VORTEILE
Mentor/Mentorin
• Mentees in beruflichen Belangen beraten, führen und Orientierungshilfen geben. • Vermittlung eigener Erfahrungen • Einführen der Mentees in Netzwerke
• Weitergabe eigener Erfahrungen • Feedback durch Mentees • Training der beratenden Fähigkeiten • Erweiterung der Führungskompetenzen
• Bereitschaft zu beruflicher und persönlicher Weiterentwicklung
• Bessere Einschätzung der persönlichen und beruflichen Qualitäten • Ideen für berufliche Weiterentwicklung • Zielstrebige Entwicklung der Karriere • Netzwerke als berufliche Impulse • Wahrnehmung eigener Entwicklungsmöglichkeiten
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Miliz rückt ein
Übung „Schutz 2014“
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on 10. bis 18. Juni 2014 übten mehr als 5.500 Soldatinnen und Soldaten unter der Leitung des Streitkräfteführungskommandos in Vorarlberg und Tirol mit Sicherheitsbehörden, Polizei, zivilen Behörden und weiteren Sicherheitsorganisationen, den ÖBB sowie Energieversorgungsunternehmen. Ziel war es, den Schutz hochrangiger Infrastruktur und somit die Lebensgrundlage der Bevölkerung sicherzustellen. / Geübt wurde in den Bundesländern Tirol und Vorarlberg, planerisch waren auch Salzburg und Kärnten integriert. Beübt wurden bei den nachgeordneten Kommanden die Führungsabläufe, bei den eingesetzten Truppen die taktischen Verfahren und die intensive Zusammenarbeit mit staatlichen und nichtstaatlichen Organisationen. Aufgaben im Hochgebirge lösten Soldatinnen und Soldaten des Jägerbataillons 23. / Erstmals seit 13 Jahren übten drei Milizbataillone, zwei Miliz-Pionierkompanien sowie die Milizanteile der aktiven Teile – zusammen 1.700
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Milizsoldaten – gemeinsam bei einer Übung. Über 1.100 Rekruten konnten ihr Gelerntes bei der Bewältigung von einsatznahen Aufgaben anwenden. Damit hat die Übung „Schutz 2014“ einen wichtigen Teil zur Attraktivierung des Grundwehrdienstes beigetragen. / Die Übung wurde von einem dramatischen Flugunfall mit einer OH-58 im Aufklärungseinsatz überschattet, bei dem ein Unteroffizier getötet und zwei schwer verletzt wurden.
Besuche Verteidigungsminister Gerald Klug gemeinsam mit den Wehrsprechern Otto Pendl, Bernd Schönegger, Georg Vetter und Hubert Fuchs besuchten die Übung „Schutz 2014“ in Tirol. / „Diese Übung dient der unmittelbaren Sicherheit Österreichs und somit jeder Österreicherin und jedem Österreicher“, sagte der Verteidigungsminister bei der Präsentation des Einsatzszenarios in Hall in Tirol. / Die größte Übung des Österreichischen Bundesheeres, die „Schutz
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2014“, erweckte nationales wie internationales Interesse. Vertreter der zivilen Einsatzorganisationen, der zivilen Verwaltung und des Österreichischen Bundesheeres sowie die Präsidenten der ÖOG und der ÖUOG wurden in die Übung eingewiesen. / Besonders interessiert zeigte sich auch der Chef des Heeresstabes der Schweizer Armee, Brigadier Jaques F. Rüdin, der Kommandant der Territorialregion 3 Divisionär Marco Cantieni sowie der Kommandeur des Landeskommandos Bayern Brigadegeneral Helmut Dotzler. / Eine Delegation der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) wurde im Zuge einer Inspektion in die Übungstätigkeiten in Vorarlberg und Tirol eingewiesen.
Die angenommene Lage Am afrikanischen Kontinent gibt es zwischen zwei fiktiven Ländern seit langem eine massive Krise. Die Europäische Union wurde vom UN-Sicherheitsrat beauftragt, zwischen diesen beiden
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Pamzer am Marsch über die Europabrücke
Miliz im Zusammenwirken mit der Polizei
Ländern eine Pufferzone einzurichten. Daher ist es notwendig, militärische Kräfte aus Nord- und Mitteleuropa über Österreich nach Süden zu transportieren. Soldaten und Sympathisanten beider Krisen-Staaten versuchen, diese Transporte durch bewaffnete Aktionen zu behindern, auch die heimische Bevölkerung ist davon betroffen. / Das Österreichische Bundesheer wird beauftragt, gemeinsam mit der Polizei die Bewohner zu schützen und die Truppenbewegungen zu sichern. Um diesen Auftrag umsetzen zu können, ist eine intensive Zusammenarbeit vieler Organisationen notwendig. Die Militärkommanden Tirol und Vorarlberg, als territorial zuständige Kommanden, waren gefordert, ihre im Frieden aufgebauten Vernetzungen und Vorbereitungen für so einen Fall zu erproben. / Dem Militärkommando Tirol waren für den Auftrag im Rahmen der Übung „Schutz 2014“ ca. 2.400 Mann und 30 gepanzerte Fahrzeuge unterstellt. Die Beurteilung der gegnerischen Lage ergab eine zu erwartende Kleinkriegsführung durch mehrere Trupps in Stärke von vier bis fünf Angehörigen von feindlichen Spezialeinsatzkräften, die mit tragbaren schweren Waffen und durch Hinterhalte, Überfälle und Sprengstoffanschläge Zerstörungen
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„Der Schutz der Bevölkerung ist im Krisenfall eine wichtige militärische Aufgabe, die nur im engsten Zusammenwirken mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei sichergestellt werden kann.“ an Verkehrsinfrastrukturen und zugehöriger Energieanlagen durchführen könnten, um Instandsetzungs- und Rettungskräfte in einen Hinterhalt zu locken und durch die Summe der Aktionen einen Durchmarsch der EUBG zu verhindern bzw. mit maximaler Aufmerksamkeit zu verzögern.
Der Einsatz am Beispiel Militärkommando Tirol Das verstärkte Militärkommando Tirol führte mit Masse ab 10. Juni 2014 eine Schutzoperation gem. § 2 Abs 1 lit a WG 2001, schützte zugewiesene kritische Infrastruktur, führte mit Teilen sihpolAssE gem. § 2 Abs 1 lit b WG 2001 im Befehlsbereich 6 weiter und unterstützte die Sicherheits- und Verwaltungsbehörden unter enger Abstützung und Koordination der Einsatzführung mit
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den polizeilichen und zivilen Einsatzkräften. Hierbei wurden das übende Jägerbataillon Tirol an Schutzobjekten im Wipptal, das übende Jägerbataillon Salzburg im Unterinntal eingesetzt. Die Jägerbataillone wurden durch Kampfund Kampfschützenpanzer für den Objektschutz verstärkt, kompaniestarke Infanterieteile bildeten jeweils die Reserve und eine Verfügungskraft des Militärkommandos Tirol. Gepanzerte Aufklärung entlang der Bewegungslinien im Befehlsbereich 6 mit Schwergewicht an Autobahn und Eisenbahn wurde durchgeführt, die territoriale Führung aller Kasernen sowie die territorialdienstliche Unterstützung aller im Befehlsbereich 6 dislozierten Teile der Streitkräfte wurden wahrgenommen und zu den Landes- und Bezirksverwaltungsbehörden sowie zur Landes›
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Zivilmilitärische Zusammenarbeit an der Eisenbahnumfahrung
polizeidirektion wurden die vorgesehenen Verbindungselemente abgestellt. / Ziel des Einsatzes war es, die Wahrung der Souveränität im Verantwortungsbereich sicherzustellen, die für den Durchmarsch notwendige kritische Infrastruktur in Tirol nutzbar zu halten und den ungehinderten Durchmarsch der angenommenen Transitkräfte zu ermöglichen.
Landeskatastrophenübung Als Besonderheit wurde erstmals die jährlich stattfindende „Landeskatastrophenschutzübung Tirol“ in eine Bundesheerübung integriert. Als Annahme galt, dass es bei der Durchfahrt eines Güterzuges durch den Eisenbahnumfahrungstunnel Innsbruck zu einer Zugentgleisung und Austritt chemischer Flüssigkeit gekommen ist. Ein entgegenkommender Zug musste eine Schnellbremsung einleiten, wodurch es zu Verletzten kam. Da es bei dieser Annahme
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im ersten Ansatz unklar war, ob es sich um einem Anschlag oder einen Unfall handelte, mussten die am Schutzobjekt eingesetzten gepanzerten und infanteristischen militärischen Kräfte an beiden Tunnelportalen zuerst eine mit zusätzlichen Teilen unterstützte Sicherung aufbauen, um den gem. zivilen Alarmplan heranzuführenden Rettungskräften ein sicheres Arbeiten zu ermöglichen. Unter dem Schutz der militärischen Kräfte (Verstärkungen, gepanzerte Aufklärung, infanteristische luftgelandete Reserven) wurde das in der Folge als Unfall qualifizierte Ereignis bahn-, feuerwehr- und rettungstechnisch abgearbeitet, die militärische Sicherung fortgesetzt und die Bahnanlage für den angekündigten Transit wieder frei gemacht.
Zivil-militärische Zusammenarbeit Im Zuge des sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatzes erfolgte eine enge
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Zusammenarbeit mit den polizeilichen Einsatzeinheiten Tirols, die mit Blackhawk-Unterstützung an die Einsatzorte verbracht wurden. In der zweiten Übungswoche wurde ein erster Konvoi im Straßenmarsch durch Überwachung der Strecke, Sicherung neuralgischer Punkte und Bedeckungen geschützt. / Ein Scharfschießen der Miliz mit allen Waffen inklusive der schweren Waffen am Truppenübungsplatz Lizum/ Walchen, das Errichten einer D-Brücke durch die Pionierkompanie Tirol mit dem vom Land Tirol beschafften Brückengerät und eine Leistungsschau mit dem auf der Übung eingesetzten Gerät mit über 17.000 Besuchern rundeten das Übungsvorhaben ab. / Der Schutz der Bevölkerung ist im Krisenfall eine wichtige militärische Aufgabe, die nur im engsten Zusammenwirken mit den Sicherheitsbehörden und der Polizei sichergestellt werden kann. (red.)
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Die Politik hat die Verantwortung für die Budgetierung der Landesverteidigung zu tragen
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undespräsident Dr. Heinz Fischer hat dazu aufgerufen, die Leistungen, die vom österreichischen Bundesheer unter außerordentlich schwierigen finanziellen Bedingungen erbracht werden, anzuerkennen und die auf eine restriktive Budgetierung zurück zu führenden Probleme richtig zuzuordnen. / „Man darf Ursache und Wirkung nicht miteinander verwechseln“, sagte der Bundespräsident. / Die Angehörigen des österreichischen Bundesheeres erbringen immer
Ausgabe 3/2014
wieder Beweise dafür, dass sie bemüht sind, die Sparziele der österreichischen Bundesregierung und des Nationalrates loyal mitzutragen. Wenn aber die finanziellen Parameter von Jahr zu Jahr verändert werden, wird eine erfolgreiche Arbeit immer schwieriger. Dafür darf man aber nicht das österreichische Bundesheer und seine Führung verantwortlich machen. / Der Vorrang der Politik im Bereich der Landesverteidigung ist in der österreichischen Bundesverfassung verankert.
Offizier DER
„Daraus folgt aber, dass die Politik auch die Verantwortung für die Budgetierung und für die Konsequenzen der Budgetierung der Landesverteidigung zu tragen hat. Das schließt auch die Verantwortung dafür ein, dass die aktuellen Budgetzahlen zu sehr schmerzlichen Sparmaßnahmen führen müssen“, sagte der Bundespräsident. Bundespräsident
Dr.
Heinz
Fischer,
Oberbefehlshaber des Österreichischen Bundesheers (zitiert nach eine APA/OTS Aussendung vom 28.08.2014)
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