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DIGITALE DEMENZ Wie wir uns und unseren Kinder um den Verstand bringen.

MAFRED SPITZER



DIGITALE DEMENZ Wie wir uns und unseren Kinder um den Verstand bringen. MAFRED SPITZER

DROEMER


Ich f端rchte mich vor dem Tag, an dem die Technologie unsere Menschlichkeit 端bertrifft. Auf der Welt wird es nur noch eine Generation aus Idioten geben. Albert Einstein


INHALT Macht Google uns dumm?

01

Wo ist das Problem?

10

Wer denken l채sst, wird kein Experte

13

Ewig gestrig, romantisch, technnik feindlich?

15

Es geht um unsere Kinder

19

Mehr wissen

27


Macht Google uns dumm? so lautet der Titel eines medienk-

und Jugendlichen im Alter von acht bis

ritischen Essays des amerikanischen

achtzehn Jahren ergab. In Deutschland

Publizisten und Internetexperten Nich-

liegt die Mediennutzungszeit von Neunt

olas Carr. Wenn man sich mit den dig-

klässlern bei knapp 7,5 Stunden täglich,

italen Medien und den von ihnen aus-

wie eine große Befragungvon 43.500

gehendenmöglichen Gefahren befasst,

Schülern ergab. Das Nutzen von Hand-

dann sollte sich die Aufmerksamkeit alle-

ys und MP3-Playemist dabei noch nicht

rdings nicht nur auf Google richten - und

mitberücksichtigt.

es kann auch nicht allein um Dummheit gehen. Die moderne Gehirnforschung legt

Die folgende Tabelleliefert eine Über-

sichtnach Medien und Geschlecht aufgeschlüsselt.

nämlich nahe, dass wir bei der Nutzung der digitalen Medien in einem größeren Rahmen allen Grund zur Sorge haben. Denn unser Gehirn befindet sich in einem fortwährenden Veränderungsprozess, und daraus folgt zwingend, dass der tägliche Umgang mit digitalen Medien eines nicht haben kann: keine Auswirkungen auf uns, die Nutzer. Digitale Medien - Computer, Smartphones, Spielkonsolen und nicht zuletzt das Fernsehen verändern unser Leben. In den USA verbringen Jugendliche mittlerweilemehr Zeit mit digitalen Medien - gut siebeneinhalb Stunden täglich als mit Schlafen, wie eine repräsentative Studie mit mehr als zweitausend Kindern

01


Mediennutzung in den USA in den Jahren

1999,2004,2009 in Stunden und Minuten pro Tag.

02


d st 40 0:

0: 30

0: 18

st d

d

st

0:30 std 0:50 std

0:40 std

0:2 td

2s

0:5 0 std

1 : 2 0s td

Auch hierzulande wird mit Medienkonsum mehr Zeit zugebracht als in der Schule (knapp vier Stunden). Eine ganze Reihe von Studien zum Medienkonsum zeigt mittlerweile Ăźberdeutlich, dass dies im hĂśchsten MaĂ&#x;e Anlass zur Besorgnis geben sollte. Darum habe ich diesen Text geschrieben.

03


st d 5

td 4s 3 std

11 st d

td

8s GESAMTZEIT MEDIENNUTZUNG

td 9s 1:30 std 2 std

st d

16

29 %

3 std

%

0: 27

ANTEIL

MULTITASKINGS

% 26

1 d st

8 st d

td

td

2s

6s

ZEIT td 7s

04


Mediennutzung von Neuntklässlern

in Deutschland in

2009

JUNGEN MÄDCHEN MITTEL

05


st d 3: 33

std 3:2 7

3:21 s td

1:43 std

1:48 std

0: 56

1:53 std

st d

39 1:

d st

1s

2:2

std 50

7:37 std

td

6:

GESAMT 4 std 7:1

06


Es wird in den Augen vieler Menschen

Wer in die Apothekegeht und eine

ein unbequemer Text sein, ein sehr un-

Kopfschmerztablette kauft, ein Auto

bequemer. Als Psychiater und Gehirn-

oder Flugzeug besteigt, den Herd oder

forscher kann ich aber nicht anders. Ich

auch nur das Licht einschaltet (von Fern-

habe Kinder und möchte nicht, dass sie

seher oder Computer gar nicht zu re-

mir in zwanzig Jahren vorhalten: “Papa,

den!), der hat im Grunde jedes Mal schon

du Wusstest das alles - und warum hast

unterschrieben, wie sehr er sich auf die

du dann nichts getan?”

Erkenntnisse der Wissenschaft verlassen

Weil ich mich seit Jahrzehnten mit

kann und auch tatsächlich verlässt. Wer

Menschen, dem Gehirn, Lernprozessen

die Verlässlichkeit der Ergebnisse von

und den Medien beschäftige und weil

Wissenschaft in Bausch und Bogen ein-

ich Entwicklungen- sicherlich durch die

fach ablehnt, der weiß entweder nicht,

Brille des Vaters und auch durch die

was er sagt, oder sagt bewusst die Un-

des Gehimforschers - anders sehe als

wahrheit.

die meisten Menschen, möchte ich die Fakten, Daten und Argumente so klar wie möglich auf den Tisch legen. Ich beziehe mich dabei in der Hauptsache auf wissenschaftliche Studien aus guten, bekannten und für jedermann zugänglichen wissenschaftlichen Fachblättem. “Ach, Sie mit Ihrer Wissenschaften” höre ich Kritiker schon entgegnen. Hierzu nur ganz kurz: Wissenschaft ist das Beste, was wir haben! Sie ist die gemeinschaftliche Suche nach wahren, verlässlichen Erkenntnissen über die Welt einschließlich unserer selbst.

Wo ist das Problem? Im Jahre 1913 schrieb Thomas Edison

der Erfinder der Glübirne, des

Plattenspielers und des Kinos in einer New Yorker Zeitung: >>Bücher werden in Schulen bald obsolet sein ... Es ist möglich, jeden Zweig des Wissens der Menschheit mit Hilfe von zehn Jahren vollkommen verändert sein. >> Als kanpp fünfzig Jahre später des Fernsehen aufkam, gab es ähnlich optimistische Stimmen, die meinten, man könnte nun endlich Kultur, Werte und Wissen bis in

07


die letzten Winkel der Welt bringen und so den Bildungsstand der Menschheit insgesamt deutlich verbessern. Noch einmal fünfzig Jahre später bringt er Computer die Leute dazu, wieder von völlig neuen Möglichkeiten zu sprechen, die das Lernen in der Schule revolutionieren werden. Dieses Mal ist allerdings alles anders, werden Scharen

aufzunehmen, wie sie durch das Netz geliefert werden: In Form eines rasch

bewegten Stroms kleiner Teilchen (...) Meine Freunde sagen dasselbe: Je mehr sie das Netz benutzen, desto

mehr müssen sie kämpfen, um sich auf das Schreiben längere Abschnitte zu konzentrieren”

von Medienpädagogen nicht müde zu

Zu Beantwortung der Frage, was das

betonen. Dabei sind wir schon Zeuge

Internet und die neuen Digitalen Medi-

des Aufstiegs und Falls des E-Learning

en mit uns machen, gibt es weiter mehr

geworden, so wie wir in den siebziger

als nur Erlebnisberichte und empirische

Jahren das Scheitern von Sprachlaboren

Studien aus der Medienwirkungsfor-

und Programmierten Unterricht erlebt

schung. Auch die Grundlagenforschung

haben.

zur Funktion des Gehirns kann hier

Das Lernen allein am Computer funk-

einiges beitragen. In ähnlicher Weise,

tioniert nicht - darüber sind sich mittle-

wie die Biochemie unseren Blick für St-

rweile sogar die größten Fürsprecher

offwechselerkrankungen

der Computernutzung einig. Warum ist

möglicht uns heute das Verständnis der

das so? Und was bedeutet das für die-

Mechanismen von Lernen, Gedächtnis,

jenigen, die dauernd mit Computer und

Aufmerksamkeit und Entwicklung eine

Internet umgehen? Der Publizist Nicho-

klarere Sicht auf die Gefahren digitaler

las Carr beschreibt die von ihm erlebten

Medien. Zu den wichtigsten Erkenntnis-

Folgen seiner Internetnutzung wie folgt:

sen im Bereich der Neurobiologie ge-

“Das Netz scheint mir meine Fähigkeit

zur

Konzentration

und

kontempla-

tion zu zerstören. Mein Geist erwartet

08

nun, Informationen in genau der Weise

schärft,

er-

hört, dass sich das Gehirn durch seinen Gebrauch permanent ändert. Wahrnehmen, Denken, Erleben, Fühlen und Han-


deln - all dies hinterlässt Sogenannte

itiv nicht gehörten. Und ebenso wie man

Gedächtnisspuren. Waren diese bis in

heute sehr viele Zivilisationskrankheiten

die achtziger Jahre des letzten Jahrhun-

als Ausdruck eines Missverhältnisses der

derts noch hypothetische Gebilde, so

früheren Lebensweise (Jagen und Sam-

kann man sie heute sichtbar machen. Die

meln, also viel Bewegung und ballastst-

Synapsen - jene plastischen, sich verän-

offreiche Nahrung) und des modernen

dern den Verbindungsstellen zwischen

Lebensstils (wenig Bewegung, ballast-

Nervenzellen, über welche die elek-

stoffarme Nahrung) versteht, lassen

trischen Signale laufen, mit denen das

sich die negativen Auswirkungen der

Gehirn arbeitet - können heute fotogra-

digitalen Medien auf geistig-seelische

fiert und sogar gefilmt werden.

Prozesse im evolutions-und neurobiolo-

Man kann zusehen, wie sie sich bei Le-

gischen Rahmen besser begreifen.

rnprozessen verändern. Auch die Größe

Es können hierbei ganz unterschiedli-

und die Aktivität ganzer Bereiche des

che Mechanismen und Prozesse bes-

Gehirns lassen sich mittels bildgebend-

chrieben werden, die kognitive Leistun-

er Verfahren sichtbar machen, und so

gen wie Aufmerksamkeit, Sprach oder

lassen sich die neuronalen Auswirkun-

Intelligenz entwicklung betreffen, sich

gen von Lernprozessen im großen Stil

also letztlich auf die Funktion des men-

nachweisen. Wenn nun aber das Ge-

schlichen Geistes beziehen. Dies hat er-

hirn immerlernt (es kann eines nicht:

hebliche Auswirkungen auf emotionale

nicht lernenl),dann hinterlässt auch die

und soziale psychische Prozesse, bis hin

mit digitalen Medien verbrachte Zeit

zu

ihre Spuren. Hierbei ist auch noch Fol-

sowie unsere Eigenperspektive, also un-

gendes zu beachten: Unser Gehirn ist

sere personale Identität.

ethisch-moralischen

Einstellungen

das Produkt der Evolution; es entstand

“Digitale Demenz — so ein Unfug!«,

also über einen langen Zeitraum durch

höre ich meine Kritiker schon laut rufen.

Anpassung an bestimmte Umweltbedin-

Dabeibräuchten sie nur selbst ins wel-

gungen, zu denen digitale Medien defin-

tumspannende digitale Datennetz zu

09


gehen, um sich vom Gegenteil zu überzeugen. Googelt man die Stichwörter >>digitale Demenz-x bzw. >>digital dementia<<, dann erhält man in etwas weniger als einer Fünftelsekunde etwa 8000 und auf Englisch 38 000 Einträge.”

Wer denken lässt, wird kein Experte Wer jetzt noch zweifelt, der überlege einmal kurz: Die Telefonnummern der

Magisterarbeit einer Dissertation zum Thema Gehirn und x [setzen Sie für die

Variable x jeden beliebigen Sachverhalt ein]. Können Sie mir/uns bitte die genden Fragen beantworten: (1 ) Wie funktioniert das Gehirn? (2)... {Und wenn es

sich beim Absender und Schüler handelt, findet sich nicht selten der fol-

genden Schlussatz.} Bitte beachten Sie noch, dass wir morgen abegen müssen;

es wäre also gut wir hätte Ihre Antworten gleich...

Verwandten, Freunde und Bekannten

Wenn ich überhaupt Antworte ( das

sind im Handy gespeichert. Den Weg

hängt von meiner Tagesform, Zeit und

zum verabredeten Treffen mit ihnen

der Nettigkeits des Schreibens ab), dann

zeigt das Navigationssystem. Die be-

schicke ich Artikel, die von den Betref-

ruflichen und privaten Terminehat man

fenden selbst gelesen werden müssen.

ebenfalls im Handy oder im PDA (dem

Und das sage ich ihnen auch. Denn wer

Personal Digital Assistant). Wer etwas

im Netz einfach jemanden fragt, statt

wissen will, der googelt; seine Fotos,

sich selbst mit einem Thema zu beschäf-

Briefe, Mails, Bücher und Musik hat man

tigen, der hat gar nicht begriffen, warum

in der Wolke. Selbst denken, speichern,

er diese Arbeit überhaupt macht: Die

überlegen - Fehlanzeige. Jeden Tag be-

schüler sollen ja lernen, selbst zu den-

komme ich von Schülern und Studenten

ken! So lässt sich vermeiden, was drei

E-Mails etwa der folgenden Art:

Schüler passiert ist: Sie sollen ein Referat

LieberHerr Professor,

über Georgien halten und lieferten eine

ich/wir arbeite/n gerade an einem

10

Referat einer Hausarbeit eine BacheIor/

sehr schöne Power-Point-Präsentation


ab - über Georgia!

bestehen, aber es wird vor allem auf ein-

Was mir sehr zu denken gibt, ist die

er sicheren Kenntnis von Quellen und

Tatsache, dass sogar manche Lehrer

deren Zuverlässigkeit und vielem mehr

und Professoren nicht begriffen zu ha-

beruhen. Kurzum: Ein Sachverhalt will

ben scheinen, was lernen eigentlich

durchdrungen sein.

bedeutet. Denn Studeneten schreiben

Es geht hier nicht um >>Auswen-

mir nach meiner Verweigerung eines

diglerne<< Niemand wird Bergsteiger,

Interviews oder einer Fragenbeantwor-

wenn er die Namen von Bergen oder

tung: >>Ich bekomme eine schlechtere

die Wegmarken von Routen auswendig

Note wenn ich nicht Experte zum The-

lernt! (Wohlgemerkt: Bergsteiger verfü-

ma befrage. << Den Lehrkräften würde

gen über dieses Wissen; aber es ist of-

ich dann gerne antworten (und zuweilen

fensichtlich, dass dies nicht alles ist und

sende ich dem Schüler/Studenten ein-

dass es darum auch gar nicht geht. Man

en entsprechenden Text): So wenig wie

lernt das nebenbei.) Oft werde ich ge-

man Bergsteigen dadurch erlernt, wenn

fragt, ob es schlecht sei, dass man heute

jemand einen auf den Gipfel trägt, wird

in der Schule weniger Gedichte auswen-

ein Junger Mensch zum Experten (für

dig lernt.

welches Sachegebiet auch immer), wenn er einen Experten fragt.

Ich bin mir da nicht sicher, aber ich weiß, dass man dadurch lernen kann, seinen

Sich Wissen aus Quellen selbst anzu-

Geist als Speicher zu gebrauchen, und

eignen, es kritisch zu hinterfragen,

dies ist nicht unwichtig, wenn man et-

abzuwägen, die Quelle selbst zu hin-

was lernt. Wer schon weiß, dass er den

terfragen, die Details eines Puzzles zu

Sachverhalt, mit dem er sich gerade

einer sinnvollen Einheit zusammenzufü-

beschäftigt, gar nicht lernen kann oder

gen - all das muss man selbst tun, um

will, der lernt ihn auch tatsächlich deut-

es irgendwann zu können. Dieses kön-

lich schlechter. Wer also nicht darauf aus

nen wird, wie jedes Expertent um, auch

ist, dass etwas hängenbleibt, bei dem

in der Kenntnis mancher Sachverhalte

bleibt auch deutlich weniger hängen-

11


Demenz ist mehr als nur Vergesslichkeit

Größenordnung im Geist mitbedenken

Und so geht es mir bei der digitalen De-

und kann kein völlig unwahrscheinliches

menz auch um mehr als nur darum, dass

Ergebnis liefern.

besonders junge Menschen immer vergesslicher zu werden scheinen, worauf erstmals koreanische Wissenschaftler im Jahre 2007 hingewiesen haben. Es geht vielmehr um geistige Leistungsfähigkeit,

“Sie sind ja völlig altmodisch! Wollen

Denken, Kritikfähigkeit, um die Übersicht

Sie nicht gleich zurück in die Höhle?”,

im >>Dickicht der Informationsflut<<.

werden Kritiker mir wieder entgegnen.

Wenn die Kassiererin 2 plus 2 mit der

Nein, das will ich nicht. Im Gegenteil:

Maschine berechnet und nicht merkt,

Wenn wir nicht aufpassen und nicht end-

dass das Ergebnis 400 falsch sein muss,

lich damit aufhören, die nächste Gener-

wenn die NASA einen Satelliten in den

ation systematisch zu verdummen, dann

Sand (bzw. ins endlose All) setzt, weil

werden spätestens deren Kinder zwar

niemandem aufgefallen ist, dass Inches

nicht in der Höhle, aberjedenfalls in un-

und Meilen nicht dasselbe sind wie Zen-

günstigeren Umständen leben. Denn un-

timeter und Kilometer, oder wenn Bank-

ser Wohlstand und unsere Gesellschaft

er sich mal eben um 55 Milliarden Euro

hängen wesentlich davon ab, dass viele

verrechnen, dann heißt dies letztlich al-

von uns Experten sind und irgend etwas

les nur, dass keiner mehr mitdenkt.

12

Ewig gestrig, romantisch, technikfeindlich?

richtig gut können. Ich bin auch kein Me-

Offenbar hat in diesen Fällen nie-

dienhasser, wie immer wieder behauptet

mand grob im Kopfüberschlagen,was

wird. Jede Woche am Freitag um 22.45

größenordnungsmäßig herauskommen

läuft meine Sendung Geist und Gehirn,

müsste, sondern sich stattdessen auf

und wenn Sie sich diese 15 Minuten

irgendeinen digitalen Assistenten ver-

Fernsehen wöchentlich gönnen, dann

lassen. Wer hingegen mit Rechenschie-

gebe ich Ihnen hiermit schriftlich, dass

beroder Abakus rechnet, der muss die

dies Ihrem Gehirn nicht schadet.


Seit mehr als einem Vierteljahrhundert

unter dem Tisch rechts vor dem Stuhl.

arbeite ich auch nahezu täglicham Com-

Dann bleibendie Waden fit, und wir

puter. Der ist aus meinem Leben ebenso

gewöhnen sie auch gleich ans Auto-

wenig wegzudenken wie aus dem Leben

fahren!. So hätten sich Heerscharen von

der meisten Menschen. Warum arbeit-

Verkehrspädagogen vor dreißig Jahren

en Millionen Menschen am Computer?

schon äußern können, wäre das Argu-

Weil er Arbeitsabläufe beschleunigt,in-

ment nicht für jeden nachvollziehbar

dem er uns geistige Arbeit abnimmt.

lächerlich. Bei digitalen Medien ist das

Warum fahren Menschen mit dem Auto?

ebenso, und viele Menschen merke-

Weil dies unsere Fortbewegung be

nauch, dass das Marktgeschrei von der

schleunigt, indem es uns die körperli-

digitalen Revolution im Klassenzimmer

chen Mühen der Fortbewegung abn-

nicht stimmt. Es heißt, dass die neuen

immt. Und genauso, wie ich täglichein-

Medien heute eben zum Alltag gehören

en Computer benutze, fahre ich täglich

und wir die Kinder an sie gewöhnen

Auto.

müssen. Dem muss entgegnet werden:

Wie die meisten Autofahrer weiß ich

Neue Medien haben wie Alkohol, Niko-

aber auch, dass ich mich zu wenig be-

tin und andere Drogen ein Suchtpoten-

wege. Stellen Sie sich nun vor, es käme

zial. Computer- und Internetsucht sind

jemand auf die Idee, ein Gaspedal ohne

hierzulande mittlerweilehäufig auftre-

Auto zu bauen, um es in Schulen zum

tende Phänomene mit verheerenden

Training der wegen Bewegungsmangel

Folgen für die Betroffenen.

verkümmernden Wadenmuskulatur der

Man könnte also auch behaupten: Bier

Schüler einzusetzen. !Wir sind eine der

und Wein sind Bestandteil unserer Ge-

größten Autonationen der Welt. Unsere

sellschaft und Kultur. Wir müssen den

Schüler brauchenmehr Training; also

Kindern schon im Kindergarten den

müssen wir ihnen das Autofahren früh-

kritischen Umgang damit beibringen.

zeitig nahebringen. Was könnte besser

Daher gehören sie dorthin.<< Eine

sein als ein Gaspedal für jeden Schüler,

ganze Industrie würde sich über solche

13


14

Empfehlungen sehr freuen, viele Men-

genau passen insbesondere natürlich

schen und die Gesellschaft insgesamt

den Kindern. Vor dem Hintergrund

würden jedoch großen Schaden davon-

der wirtschaftlichen Depression in den

tragen. Herr Spitzer, Sie sind technik-

dreißiger Jahren des letzten Jahrhun-

feindlich,mögen mir einige vorwerfen.

derts wurde zudem argumentiert, dass

Nein das bin ich nicht. Ich bin jedoch

gut passende Schuhe länger halten dass

sehr dafür, dass wir vorsichtig sind, was

man also durch das Gerät Geld spare.

neue Technik anbelangt.

Man machte sich zudem die Tatsache

Anhand eines Beispiels sollten wir aus

zunutze, dass in den Jahren zuvor das

der Geschichte lernen: Als vor gut hun-

Stromnetz in nahezu alle Haushalte

dert Jahren die Röntgenstrahlen erfun-

Einzug gehalten hatte, wodurch der

den wurden, waren Röntgengeräte bald

Siegeszug

danach auf Partys der Oberschicht der

Beteiligten sehr deutlich vor Augen ge-

Renner, und man fotografierte sich ge-

führt worden war:

der

Technisierung

allen

genseitig die Knochen. Allein in den

Niemand konnte dem Argumentwid-

USA hielten Mitte der zwanziger bis

erstehen, dass jetzt endlich alles besser

Mitte der fünfziger Jahre des vergan-

werden würde, auch wenn es keinerlei

genen Jahrhunderts mehr als 10.000 Pe-

wissenschaftliche Daten gab, welche die

doskope Einzug in Schuhgeschäfte, mit

Einführung und breite Verwendung der

denen man seine Fußknochen betracht-

Apparate rechtfertigte. >Das dornige

en konnte.

Problem der Wahrheit in der Werbung

Den Verkauf der Geräte beförderte in-

wurde aufdiese Weise fein säuberlich

teressanterweise die Angst der Kunden

umgangen, bemerken die kanadischen

vor nicht gut passenden Schuhen vor

Medizinhistoriker Jacalyn Duffin and

allem auch bei ihren Kindern: Ihre Füße

Charles Hayter in einer Übersicht zu

haben Sie lebenslänglicher, erinnerte

diesen Geräten lakonisch. In Wahrheit

man die Kunden durch entsprechende

war das Ganze ein Trick, um die Men-

Werbung, und daher sollten die Schuhe

schen in die Schuhgeschäfte zu locken.


Vor allem Kinder, die für alles Neue

gesundheitlichen Folgen. Dennoch dau-

einfachzu begeistern sind, hatten einen

erte es noch mehr als zwanzig Jahre, bis

Riesenspaß daran, ihre eigenen Fuß-

auch die letzten Geräte aus den Läden

knochen zu betrachten,weswegen die

verschwanden.

Maschinen für Kinder so aufregendwar-

Über das Ausmaß an Krankheit und

en wie geschenkte Luftballons und Daue

Tod durch ihren weltweiten Einsatz über

lutscher Man stellte die Geräte daher

vier jahrzehnte hinweg können heute nur

auch entsprechend im Schuhgeschäft

noch Vermutungen angestellt werden.

auf:

Aber eines sollte klar sein: Werbung

“Wir empfehlen Ihnen, die Maschine

zur Verkaufsförderung,

gemischt mit

in der Mitte des Ladens aufzustellen,

Angst und zunehmenden wirtschaftli-

so dass man von allen Seiten gut an sie

chen Schwierigkeiten bei eher armen

herankommt. Natürlich sollten sie in der

Schichten der Bevölkerung vor dem Hin-

Nähe der Damen und Kinderabteilung

tergrund der gerade erfolgten flächen-

aufgestellt werden, weil dort mehr Um-

decken den Einführung eines neuen

satz gemacht wird”, hieß es in der An-

Netzanschlusses, waren schon damals

weisung zur Aufstellung der Geräte.

die treibenden Kräfte für die Verbreitung

Erst als man nach dem Abwurf der

neuer Maschinen, deren Funktion durch

Atombomben auf Hiroschima und Na-

eine einfache Messlatte ebenso gut er-

gasaki im Jahre 1945 die massiven

füllt wurde und deren Gefährlichkeit für

Strahlenschäden bei den Überlebenden

die Volksgesundheit erst Jahrzehnte

zur Kenntnis nahm, wurde den Menschen

später erkannt wurde.

weltweit die Gefahr durch elektromag-

Die Ähnlichkeiten mit der Vermarktung

netische Strahlen bewusst. Im Jahr 1950

von Computern im Bildungsbereich

publizierte Messungen an Pedoskopen

sind verblüffend: Nach den vorliegen-

ergaben eine aus heutiger Sicht unver

den wissenschaftlichen Erkenntnissen

antwortlich hohe Strahlenbelastung mit

braucht man einen Computer zum Le-

gerade bei Kindem kaum abschätzbaren

rnen genauso dringend wie ein Fahrrad

15


zum Schwimmen oder ein Röntgengerät,

wollen und wovor sie sich ängstigen.

um Schuhe anzuprobieren. Weil jedoch

Dies hat beispielsweise die Auswertung

gerade sozial schwache Familien perma-

von Daten der PISA-Studie zum Ein-

nent erzählt bekommen, wie wichtig ein

fluss der Verfügbarkeit von Computern

Computer für das Lernen sei, kaufen vor

auf die Leistungen in der Schule durch

allem diese von ihren ohne hin geringen

Thomas Fuchs und Ludger Wößmann

Ersparnissen ein Gerät — letztlich aus

gezeigt: Ein Computer zu Hause führt zu

Sorge um die Zukunft der Kinder — und

schlechteren Schulleistungen. Dies zeigt

bewirken damit genau das Gegenteil

sich beim Rechnen wie beim Lesen.

dessen, was sie für ihre Kinder wollen: bessere Bildungschancen.

nisse wie folgt: “Das bloße Vorhanden-

Denn Computer fördern nicht die Bil-

sein von Computern zu Hause führt

dung der jungen Menschen, sondern

zunächst einmal dazu, dass die Kinder

verhindern sie eher oder haben beste

Computerspiele spielen. Dies hält sie

falls gar keinen Effekt, wie in den folge

vom Lernen ab und wirkt sich negativ

den Kapiteln detailliert gezeigt wird. Die

aufden Schulerfolg aus. [...] Im Hinblick-

Industrie operiert also geschickt mit der

auf den Gebrauch von Computern in

Angst der Eltern aus sozial schwachen

der Schule zeigte sich einerseits, dass

Schichten, um ihnen auch noch das letz-

diejenigen Schülerinnen und Schüler,

te Geld aus den Taschen zu ziehen.

die nie einen Computer gebrauchen,

Es geht um unsere Kinder Um es noch einmal mit aller Deutlichkeit zu sagen: Das Gemeine am Marktgeschrei für Computer in den Schulen ist, dass das, was die Eltern tun

sie

kaufen ihrem Fünftklässler einen Computer , genau das bewirkt, was sie nicht

16

Die Autoren kommentieren ihre Ergeb-

geringfügig schlechtere Leistungen aufweisen als diejenigen, die den Computer einige Male pro Jahr bis einige Male pro Monat benutzen. Auf der anderen Seite sind die Leistungen im Lesen und Rechnen von denjenigen, die den Computer mehrmals wöchentlich einsetzen, deutlich schlech-


ter. Und das Gleiche zeigt sich auch für

vor dem Computer sitzen. Die Comput-

den Intemet gebrauch in der Schule”.

ernutzung im frühen Kindergarten al-

Vom heute üblichen täglich mehr stündi-

ter kann zu Aufmerksamkeitsstörungen

gen Gebrauch ist hier gar nicht die Rede

und im späteren Kindergarten alter zu

Beim Vergleich der Vermarktungsstrat-

Lesestörungen führen.

egien digitaler Medien mit denen für

Im Schulalter wird vermehrt soziale Iso-

Röntgengeräte in Schuhgeschäften ist

lation beobachtet, wie amerikanische

zudem interessant, dass man den ganz

und mittlerweile auch deutsche Studien

großen Markt für Computer und Bildung

zeigen. Dem wird seit einigen Jahren

bei den Kindern sieht. Sie seien, wie es

entgegengehalten, dass die per Com-

heißt, immer so neugierig und würden

puter, Handy oder Tablet-PC mittlerwei-

so gern mit dem Computer arbeiten.

le zugänglichen sozialen Medien diesen

Ja, Kinder stürzen sich auf alles, was

Trend umgekehrt haben; die jungen

neu ist. Das liegt nicht daran, dass sie der

Menschen seien heute im Netz über-

Computer ganz besonders interessiert,

wiegend im sozialen Bereich unterwegs.

und schon gar nicht daran, dass er ihnen

Hierzu ist jedoch anzumerken, dass

besonders guttut (das interessiert Kind-

gerade die digitalen sozialen Netzwerke

er gar nicht!), sondern ist einfach darauf

keines wegs zu mehr und besseren Kon-

zurück zuführen, dass der Computer mit

takten, sondern zu sozialer Isolation und

all seinen Möglichkeiten und Angebo-

oberflächlichen Kontakten führen. Nur

ten neu ist. Zudem liefert er bunte Bild-

für wenige Mädchen sind Online-Freun-

chen, spielt Musik ab und er möglicht in

demit positiven Gefühlen verknüpft.

Sekundenschnelleden Zugang zu vielen

Dem wird seit einigen Jahren entge-

Inhalten aus dem weltumspannenden

gengehalten, dass die per Comput-

Datennetz - vor allem zu solchen In-

er, Handy oder Tablet-PC mittlerweile

halten, die für Kinder und Jugendliche

zugänglichen sozialen Medien diesen

verboten sind. Das wissen Kinder und

Trendumgekehrt haben; die jungen

jugendliche, und deswegen wollen sie

Menschen seien heute im Netz über-

17


18

wiegend im sozialen Bereich unterwegs.

der Tod anderer Menschen ist. Auch die

Hierzu ist jedoch anzumerken, dass

Tabakbranche - die nachweislichtödliche

gerade die digitalen sozialen Netzwerke

Produkte herstellt und verkauft , manche

keines wegs zu mehr und besseren Kon-

Lebensmittelhersteller die vor allem un-

takten, sondern zu sozialer Isolation und

sere Kinder mit ihren Produkten krank

oberflächlichen Kontakten führen.Nur

machen oder die Werbebranche die un-

für wenige Mädchen sind Online-Freun-

ter anderem der Tabak und Lebensmit-

demit positiven Gefühlen verknüpft.

telbranche zu ihren tödlichen Absätzen-

Diese erleben sie viel mehr vor allem

verhilft sind hier zu nennen. Und eben

mit persönlichen Freunden. Man fragt

auch die Großkonzerne, die den Markt-

sich natürlich, warum nichts geschieht,

der digitalen Medien beherrschen.

wenn das alles so ist. Warum wehrt sich

Intel, Apple, Google, Facebook und

niemand gegen die tägliche Verdum-

andere sehr große Firmen wollen Geld

mung? Als Psychiater halte ich nichts von

verdienen und leisten Lobbyarbeit. Sie

Verschwörungstheorien, die einer bösen

streuen geschickt falsche Informationen,

Macht die Absicht zuschreiben, durch

wie die Raucherlobbyin den siebziger-

die Verbreitung der digitalen Medien

jahren

eine schleichende Demenz der Bev-

die Wissenschaft sei sich uneins etc.).

ölkerung herbeiführen zu wollen, weil sie

Sie verdrehen die Fakten, vemebeln

dann leichter zu beherrschen sei. Nein,

und verdunkeln. Und solange sich nie-

ich glaube, die Sache ist viel einfacher.

mand aufregt, geschieht eben nichts.

Es gibt viele Leute, die mit den digitalen

“Aber Herr Spitzer, jetzt übertreiben Sie

Produkten sehr viel Geld verdienen und

wirklich maßlos!”, höre ich Medienpäd-

denen das Schicksal von Menschen, ins-

agogen (die von den Medien ja leben

besondere von Kindern, egal ist.

und sich aus genau diesem Grund nicht

(Rauchensei

nicht

gefährlich,

Man kann zum Vergleich durch aus die

kritisch äußern), Vertreter der freiwilligen

Waffenproduzenten und -händler an-

Selbstkontrolle und der Medien selbst

führen, deren Geschäft bekanntermaßen

schon sagen.


Das ist zu erwarten. Traurig und aus meiner Sicht viel gefährlicherist, dass sogar Kirchenvertreter, Politiker, das Gesundheitsministerium, das Bildungs und Forschungsministerium, die Bundeszentrale für politische Bildung und die Enquete-Kommission “Internet und digitale Gesellschaft” des Bundestags in

Ernähren Sie sich gesund! Die häufig-

sten Krankheiten essen wir uns an, und dies müsste nicht sein. Hinzu kommen Heidelbeeren, Brokkoli, gelegentlich

ein Kästchen Schokolade und ein Glas Rotwein sowie etwas Fisch (möglichst kleine, die großen Fische haben die

kleinen gegessen und deren Schadst-

das Hohelied auf die digitalen Medien

offe dabei konzentriert).

völlig kritiklos einstimmen.

Täglicheine halbe Stunde Bewegung

Sie nehmen die Erkenntnisse der Wissenschaft nicht nur nicht zur Kenntnis, sondern verbreiten bewusst falsche Aussagen und machen sich so letztlich selbst zu Lobbyisten. Was ist also zu tun? Zunächst wäre ein Anfang gemacht, wenn mehr Menschen das Problem überhaupt zur Kenntnis nehmen würden. Darüberhinaus werde ich hier konkrete Vorschläge unterbreiten, was jeder für sich und was man als Teil der Gesellschaft für alle tun könnte, um der digitalen Demenz Einhalt zu gebieten.

(z.B. zum Arbeitsplatz oder zum

Einkaufenlaufen und zurück) ist das Beste, was Sie für Ihren Körper tun können.

Versuchen Sie, weniger “in Gedanken

zu sein”. Seien Sie mit Ihrer bewussten Aufmerksamkeit im Hier und

Jetzt! Eine im Fachblatt Science pub-

lizierte Studie hat den uralten Rat von

Meditationslehrern bestätigt, dass man mit seiner Konzentrationim Hier und

Jetzt sein soll, nicht irgendwo anders. Wer das schafft, ist unterm Strich

glücklicher, wer (vor allem im Alter

über die Vergangenheit) grübelt, ist weniger glücklich.

19


Nehmen Sie sich nur Dinge vor, die

werden ein Teilvon uns - es sei denn,

zu hohe Ansprüche an uns selbst zu

uns Sachen auch nichts mehr.

auch machbar sind. Wir neigen dazu, stellen. Dabei können wir im Grunde nur scheitern und sind noch mehr

enttäuscht von uns. Auf diese Weise bringen wir uns selbst das Scheitern bei und machenuns unglücklich.

Hören Sie gelegentlich ganz bewusst

Musik. Die Gehirnforschung hat nach-

gewiesen, dass allein Musik die Aktiv-

ität der für Angst zuständigen Gehimbereiche einschränkt und zugleich die

Helfen Sie anderen. Große Studien

Aktivität der für Glück zuständigen

den Helfenden ist und dass Geld nur

Musik um wie mit gutem Essen: Man

ausgibt.

beit oder im Fahrstuhl genießen. Das

Apropos Geld: Es macht weder glück-

Konzentration hat man mehr davon.

haben gezeigt, dass Hilfegesund für

Areale steigert. Gehen Sie mit guter

den glücklich macht, der es für andere

sollte beides nicht während der Ar-

lich noch gesund. Der Gedanke daran

ist zwar auch möglich, aber bei voller

nährt ganz im Gegenteil Geiz und Eins-

Singen Sie, denn das ist sehr gesund.

Geld ausgeben wollen, dann geben

haben, es könnte jemand zuhören,

Sachen. Dinge werden alt, verrosten,

einen Sender mit Musiktiteln ein, die

werden immer lästiger und ziehen uns

fachlaut mit.

amkeit. Und wenn Sie schon unbedingt

Wenn Sie sich nicht trauen oder Angst

Sie es für Ereignisse aus und nicht für

dann singen Sie im Auto. Stellen Sie

brauchen Platz und verstauben. Sie

Ihnen gefallen, und singen Sie ein-

herunter. Bei Ereignissen ist das Ge-

genteil der Fall: Je länger sie zurückliegen, desto rosiger erscheinen sie uns.

Man bewahrt sie in Erinnerung, und sie

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wir werden dement. Aber dann nützen


Lächeln Sie! Auch wenn Ihnen gerade

Auto oben ankommt, gleich ins Cafe

keine Einbahnstraße vom Gehirn zu

den Wald, die Luft und die Stille über-

nicht danach ist. Unsere Gefühle sind

Drüsen und Muskeln. Vielmehr nimmt unser Gehirn auch Informationen aus dem Körper auf und erschließt sich

damit den eigenen Gefühlszustand:

Wer plötzlich Herzklopfen hat, kann

allein schon deswegen Angst erleben, und man weint nicht nur, weil man

traurig ist, sondern mit unter ist man auch traurig, weil man weint. Nicht anders ist es mit dem Lachen. Wer

lächelt, auch ohne Grund, unterstützt

damit die für gute Gefühle zuständigen Gehirnareale. Botox verhindert nicht

nur Lachfalten, sondern auch Glücksgefühle.

Seien Sie aktiv und überwinden Sie

Hindernisse! Wer fühlt sich besser - der Hochlandtourist, der mit der Seilbahn auf einen Berg gefahren ist, oder der Wanderer, der den Berg erklommen hat? Ganz eindeutig derjenige, der

oben schwitzend ankommt, denn er ist stolz aufseine Leistung und genießt

die Aussicht von oben ganz anders als

rennt, noch ein Souvenir mitnimmt und haupt nicht mitbekommen hat.

Vereinfachen Sie Ihr Leben! Wir kaufen einen Rasenmäher, auf dem man sit-

zen, fahren und ganz bequem mähen

kann, und nehmen einen Heimtrainer, auf dem wir Rad fahren oder rudern,

weil man ja heute so wenig Bewegung

hat, gleich mit. Vielleicht sogar in demselben Geschäft. Kurz, wir benutzen-

Rolltreppen, Fahrstühle und fahren mit dem Auto ins Fitness-Studio, könnten es aberviel einfacher haben: weniger

Sachen und weniger Terminebrauchenweniger Pflege, Wartung und bringen weniger Verpflichtungen.

An nahezu alles, was unsere Glückszentren auf Trab bringt, gewöhnen wir uns relativ schnell. Wichtigste Ausnahme: andere Menschen. Ein Lächeln, gute

Gespräche, eine gemeinsame Mahlzeit, eine kleine Aktivität zusammen das ist der Stoff, der uns ein erfülltes Leben beschert. Ein Abendessen mit drei

der, der mit der Seilbahn oder mit dem

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Freunden macht viel glücklicher und

Für unsere gesamte Gesellschaft gilt:

virtuelle Kontakte in Facebook.

nächsten Generation, wenn es um

bewirkt viel mehr als dreihundert

Verbringen Sie Zeit in der freien Natur, denn sie tut Körper und Geist gut. Al-

lein schon der Anblick von Wiesen und Bäumen steigert unsere Lebenszufriedenheit. Wer nach einer Gallenopera-

tion ins Grüne blickt, kommt einen Tag früher aus dem Krankenhausals der

Patient, der Mauern vor dem Fenster hat.

Sofern Sie Kinder haben, gilt dies alles für diese erst recht!

Und last, but not least: Meiden Sie die digitalen Medien. Sie machen tatsächlich dick, dumm, aggressiv, einsam,

krank und unglücklich. Beschränken Sie

bei Kindern die Dosis, denn dies ist das Einzige, was erwiesenermaßen einen

positiven Effekt hat. Jeder Tag, den ein Kind ohne digitale Medien zugebrachthat, ist gewonnene Zeit.

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Wir haben nichts außerdie Köpfe der unseren Wohlstand und den Erhalt

unserer Kultur geht. Hören wir auf, sie systematisch zu vermüllen!


Mehr Wissen

Digitale Medien nehmen uns gesitige Arbeit ab. Was wir frührer einfach mit dem Kopf gemacht haben, wird heute vom Computern, Smartphones, Organizern und Navis erledigt. Das birgt immense Gefahren, so der Renommierte Gehirnforscher Manfred Spitzer. Doe von ihm diskutierten Forschungsergebnisse sind alarmierend: Digitale Medien Machen süchtig. Sie schaden langfristig dem Körper und vor allem dem Geist.

Manfred Spitzer DIGITALE DEMENZ Wie wir uns und unsere Kinder um den Verstad bringen. ISBN 978-3-426-41706-5

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Über Manfred Spitzer Prof. Dr. Dr. Manfred Spitzer, geboren 1958, studierte Medizin, Psychologie und Philosophie und habilitierte sich anschließend für das Fach Psychiatrie. Zweimal war er Gastprofessor and der Harvard University. Er leitet die Psychiatrische Universitätsklinik in Ulm und das Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen. Zahlreiche Buchveröffentlichungen, darunter die Bestseller Lernen und Vorsicht Bildschirm. Auf Bayern Alpha moderiert er wöchentlich die Senderreie Geist und Gehirn. Manfred Spitzer ist einer der bedeutesten deutschen Gehirnforscher. Kaum jemand kann wissenschaftliche Erkenntnisse derart unterhaltsam und anschaulich präsentieren.

Über Dieses Buch Was wir frührer einfach mit dem Kopf gemacht haben, wird heute vom Computern, Smartphones, Organizern und Navis erledigt. Das birgt immerse Gefahren, so der renommierte Gehirnforscher Manfred Spitzer. Diese Denkanstoß entstamt dem Jahrbuch Querdenken 2014, das die neuesten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschfat präsentiert.

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IMPRESUM 2012 Droemer Verlag Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Kanur Nachf. GmbH & Co. KG, M端nchen Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf - auch teilweise - nur mit Genehmigung des Verlags wiedergegeben werden. Covergestaltung: ZERO Werbeagentur, M端nchen Coverabbildung: FinePic, M端nchen ISBN: 978-3-426-42372-1

Editorial Design

Gustavo Zschommler 6. Sem Prof. Cyrus Khazaeli



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