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STARKER TROST FÜR TRAUERNDE
IN WÜRDE ABSCHIED NEHMEN Trauerrednerin Rita Scheurer begleitet Angehörige in den schwierigsten Momenten
Erwachsenenbildnerin und Trauerrednerin Rita Scheurer steht Menschen beim Abschied von ihren Angehörigen bei. Sie gab uns Einblicke in ihr so interessantes wie bewegendes Tätigkeitsfeld. Bianka Balmer
Trauerfeiern im kleinen, persönlichen Rahmen.
In der Zeit der jahreszeitlich, durch die Pandemie und andere Faktoren bedingten grossen Anzahl von Beerdigungen haben Bestatter viel Arbeit. Der Bereich der Bestattungen und Trauerfeiern hat sich im Laufe der Zeit verändert: Nicht mehr alle Familien wollen eine Feier in der Kirche und eine Abschiedspredigt durch eine/n Geistliche/n. Deshalb übernehmen heute mehr und mehr Trauerredner/ innen diese Aufgabe. Es war eher unpersönlich oder ein chronologischer Lebenslauf wurde vorgelesen. Bei anderen Trauerfeiern hingegen wurden echte Lebensgeschichten erzählt. Da konnte ich auch tröstende oder auf bauende Worte mitnehmen, an die ich mich lange erinnerte. 2016 starben meine Schwiegereltern kurz hintereinander, und die Trauerfeier wurde von Susanna Cerny, einer erfahrenen Trauerrednerin, geleitet. Es war ein passendes, persönliches Abschiednehmen von Menschen, die ich sehr gerne hatte. Als im Januar 2019
«Die Rede soll einen eine Freundin
Raum schaffen, um starb, war ich von der Trauer Abschied zu nehmen und feier echt be-
Mut machen.» rührt und machte mich auf die Suche, um genau das zu lernen. Bei der ZeremonienAkademie absolvierte ich Anfang 2021 die 10-tägige Ausbildung zur Trauerrednerin und bin seitdem in diesem Bereich tätig.
Liebe Frau Scheurer, erzählen Sie uns etwas über Ihr bisheriges Leben! Ich bin in den 1960er Jahren in einem Dorf im Seeland als jüngstes von vier Kindern aufgewachsen. Weil es noch keine Spitex gab, arbeitete meine Mutter für ein kleines Entgelt bei Sterbenden als Pflegerin. Oft ging ich auf dem Schulweg bei ihr vorbei – dorthin, wo sie gerade jemanden pflegte. Wenn jemand gestorben war, wurde er/sie im Haus aufgebahrt und meine Mutter fragte, ob ich die Person noch sehen wolle. Ich war sehr neugierig und staunte, wie die Menschen nach dem Tod meist friedlich aussahen. Später als Pflegefachfrau begleitete ich selbst sterbende Menschen und deren Angehörige und hätte in diesem Beruf oft gerne mehr Zeit für die Angehörigen gehabt. Als Erwachsenenbildnerin arbeite ich gerne mit Menschen in unterschiedlichen Situationen. Mein grosses Interesse an Menschen und ihren Geschichten hilft mir dabei.
Gab es ein Schlüsselerlebnis, das Sie zu Ihrer Tätigkeit führte? An manchen Beerdigungen in meiner Vergangenheit hatte ich den Eindruck, dass die Reden und die Rituale eigentlich kaum etwas mit der verstorbenen Person zu tun hatten: «Meine Motivation: Menschen in der sensiblen Zeit des Todes und danach zu unterstützen.» Kaum jemand kann sich den Lebensunterhalt mit Trauerreden finanzieren. In meinem heutigen Beruf als Erwachsenenbildnerin bin ich gewohnt, vor vielen Menschen zu sprechen. Die Auseinandersetzung mit Sterben und Tod hat mich schon länger beschäftigt: Menschen in diesem sensiblen Moment ein Stück zu begleiten und dann kreativ zu sein bei der Gestaltung der Abschiedsfeier. Es ist diese Kombination, die mich fasziniert: mit den Angehörigen die schönen und traurigen oder schweren Momente im Leben der verstorbenen Person zu besprechen und daraus eine individuelle Rede zu gestalten. Diese soll einen Raum schaffen, um Abschied zu nehmen, und Mut machen, das Leben weiterzuleben.
Was ist Ihnen bei Ihrer Arbeit besonders wichtig? Oft wünschen sich Sterbende keine grosse Trauerfeier. Die Familien entscheiden sich für einen besonderen Abschied – zum Beispiel an der Aare, in einer Hostet, in der man rund um eine Feuerschale steht, oder einfach eine Urnenbeisetzung am Grab. Das Wichtigste ist, beim Vorbereitungsgespräch gut zuzuhören. So erfahre ich viel über einen Verstorbenen aus verschiedenen Perspektiven. Es gab schon Momente, in denen mir Angehörige nach dem Gespräch sagten: «Das hat mir jetzt gutgetan.» Im Gespräch geht es zu etwa zwei Drittel um das Leben der Verstorbenen und um Beziehungen. Wenn ich genau nachfrage und mir Zeit nehme, kommen häufig sehr schöne Geschichten zum Vorschein, und es wird oft auch gelacht. Diese schönen Episoden kennen nicht alle, die an der Beerdigung dabei sind. Wenn sie dann in der Kapelle auch lachen können über die besonderen Geschichten aus dem Leben der Verstorbenen, sind dies wunderschöne Momente. So schwer es ist, jemanden zu verlieren, so schön sind oft die Erinnerungen an die Menschen.
Welche besonderen Erfahrungen konnten Sie in diesem Beruf machen? Eine Familie wollte die Asche ihres Vaters in die Aare streuen. Die Witwe und beide Söhne streuten nacheinander einen Teil der Asche in die Aare, und es wurden dabei farbige Rosenblätter ins Wasser gelegt. Anschliessend gab es bei einem Feuer Glühwein und Häppchen. Dazu lief Musik von AC/DC. Bei einer anderen Bestattung standen in einem Dorf etwa 200 Personen auf einer Wiese, um Abschied zu nehmen. Die Tochter des Verstorbenen fragte mich kurz vorher, ob es möglich sei, das Vaterunser zu beten. Selbstverständlich las ich es vor und viele beteten mit. Kurz danach kam ihr 13-jähriger Sohn mit einem Schmunzeln im Gesicht zu mir und sagte: «Jetzt würde das Musikstück ‹Don’t worry, be happy› passen.»
Was hat sich für Sie seit der Pandemie verändert? Eine schöne Trauerfeier im engen Kreis, so wie es seit Corona schon fast üblich geworden ist, ist für manche Familien richtig: Sie können in einem vertrauten Kreis Abschied nehmen. Einmal organisierten wir eine Liveübertragung der Feier in der Kirche über Facetime. Der Enkel des Verstorbenen konnte nicht vor Ort dabei sein, weil er sich kurz vorher mit Covid angesteckt hatte. Abschiedsfeiern finden öfter draussen statt, so erübrigt sich die Zertifikatsfrage. Ich schlage den Familien vor, das anschliessende Zusammensein statt in einem Restaurant draussen zu planen.
Trauerrednerin Rita Scheurer. Bilder: zVg
Welche Wünsche und Pläne haben Sie für die Zukunft? Ich hoffe, viele Familien begleiten und sie beim Abschied eines geliebten Menschen unterstützen zu können. Ich wünschte mir auch, dass mehr betagte oder schwerkranke Menschen mir noch zu Lebzeiten ihre Geschichten erzählen würden. Dabei könnte ich unterstützen, und es würde sie selbst und auch die Zurückbleibenden entlasten.
Liebe Frau Scheurer, vielen Dank für dieses Interview und Ihre Arbeit. Wir wünschen Ihnen alles Gute!
Für weitere Informationen: https://www.scheurer-abschiedsfeiern.ch
Abschiedszeremonie im Freien.
KATHARINA ALTAS NADJA KEHRLIFELDMANN
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WÜRDEVOLL, TRANSPARENT UND PERSÖNLICH Egli Bestattungen begleitet Angehörige in schwierigen Momenten
Seit über 45 Jahren unterstützt die Firma Egli Bestattungen Menschen beim Abschied von Angehörigen. Nach der Erneuerung und Erweiterung der Räumlichkeiten bieten sich noch bessere Möglichkeiten. Geschäftsführer Reto Zumstein gab uns Einblicke in sein interessantes und anspruchsvolles Arbeitsumfeld. Bianka Balmer
1974 in Bern gegründet, ist die Firma Egli Bestattungen & Co. seit 1994 im Besitz der Familie Andreas und Elisa Egli-Huggler, die in Beromünster auch die einheimische Egli Sargproduktion AG betreibt.
Ein Familienunternehmen mit langjähriger Tradition Für den Familienbetrieb mit langjähriger Tradition bedeutet dies auch, sich stetig zu verändern und den Anforderungen an moderne BestatterInnen gerecht zu werden: Neben der herkömmlichen Tätigkeit im Bestattungsbereich steht primär die kompetente Beratung und Betreuung der Hinterbliebenen im Fokus. «Unsere MitarbeiterInnen bilden sich laufend im In- und Ausland weiter. Seit 2017 heisst unsere Firma Egli Bestattungen AG Bern und ist heute ein führendes Bestattungsunternehmen in der Stadt Bern und der Agglomeration», berichtet Reto Zumstein aus der Geschichte: «Dank sehr guter Vernetzung, professionellen Bestattern und der Zusammenarbeit mit all unseren Partnern auf Augenhöhe ist es uns möglich, einen rundum hochstehenden Service anzubieten.» Im internationalen Sektor arbeite man sehr eng mit dem Polizeiinspektorat und den hier vertretenen Botschaften zusammen, was der Firma ermöglicht, Rückführungen ins Geburtsland der Verstorbenen anbieten zu können. Was vor über 45 Jahren an der Münstergasse unter der Leitung von William Frey mit zwei Mitarbeitern begann, hat sich zu einem Unternehmen mit heute 5 Bestattern, 4 Pikettmitarbeitern und 2 Telefonistinnen entwickelt. In den nächsten Wochen wird man eine weitere Person anstellen können.
«Angehörigen in einer schwierigen Lebenssituation zu helfen ist unsere Berufung.» Zumstein arbeitet seit über 20 Jahren hier, wurde vor rund 5 Jahren stellvertretender Geschäftsführer und leitet die Firma seit September 2021. «Als einziger im Team hatte ich bereits Erfahrungen in diesem Beruf, da meine Eltern in der Innerschweiz ein kleines Bestattungsunternehmen führten und ich dort bereits mit 16 Jahren mithalf», erzählt er aus seinem Leben: «Ich hatte in Bern mein Musikstudium abgeschlossen und bin vor über 20 Jahren zurückgekehrt ins Bestattungswesen.» «Angehörigen in einer schwierigen Lebenssituation kann ich in vielen Bereichen helfen. Das ist sehr erfüllend, und wir erhalten viele positive Rückmeldungen diesbezüglich», freut sich der Geschäftsführer und erlebt seinen Beruf als unglaublich vielfältig und spannend: «Jedes Beratungsgespräch ist anders, ich muss mich jedes Mal neu einstellen, da jeder Mensch unterschiedlich reagiert bei einem Todesfall. Jede Familie hat eine andere Situation, die wir dann berücksichtigen.» Eine besondere Herausforderung in seinem Tätigkeitsfeld ist die erforderliche 24-Stunden-Erreichbarkeit. Der damit verbundene PikettDienst kann sehr belastend sein und die körperliche wie auch die psychische Belastung sehr herausfordernd: «Vielseitigkeit ist besonders gefragt – sei es bei der Führung des Beratungsgesprächs, beim Herrichten des Sargs, beim Ankleiden, Einsargen und Überführen der verstorbenen Person oder bei der Organisation der Beerdigung, dem Drucken der Leidzirkulare usw.»
Umfassende Veränderungen durch die Pandemie Die Situation im ersten Lockdown beschreibt Zumstein als «besonders schlimm für die Angehörigen, weil nur 5 Personen an der Beisetzung teilnehmen durften. Im Rückblick finde ich unfassbar, dass nicht einmal die ganze Familie sich am Grab verabschieden konnte.» Seinerzeit verzeichnete das Unternehmen einen grossen Rückgang an Sterbefällen, da Altersheime wie Spitäler rigoros abgeriegelt waren und man es somit auch mit einer viel kleineren Anzahl «normaler» Todesfälle zu tun hatte: «Die Mitarbeitenden konnten in dieser Zeit sehr viel Überzeit abbauen. In der zweiten Welle im November/Dezember/Januar betreuten wir dann sehr viele Covid-Fälle.» Da grosse Trauerfeiern nicht mehr möglich waren, konnten Dienstleistungen wie das Arrangieren von Blumen, Leidzirkularen usw. weniger angeboten werden als vorher. Durch die lange Pandemie entschieden sich viele Angehörige, Beerdigungen im engsten Familienkreis durchzuführen, obwohl die Möglichkeiten für grössere Beerdigungen einige Zeit später wieder bestanden hätten. «Ebenfalls verändert hat sich der ganze Ablauf einer Beerdigung: Viele Personen werden nicht mehr aufgebahrt, damit sich Familie, Freunde und Bekannte verabschieden können. Sehr viele Urnen werden nicht mehr auf dem Friedhof, sondern in der Natur, im eigenen Garten, in einem Bach oder See beigesetzt.»
Nach dem Umbau optimierte Möglichkeiten bei Räumlichkeiten und Service Die Erweiterung der Räumlichkeiten war dem Unternehmen schon lange ein Bedürfnis. Nach der Zusage der Besitzerfamilie und der Liegenschaftsverwaltung konnte dieser Wunsch im letzten Jahr während einer circa 5-monatigen Umbauzeit verwirklicht werden. «Wichtig war uns, den Angehörigen einen Aufbahrungsraum anbieten zu können, um dem vorab beschriebenen Trend etwas entgegenhalten zu können. Persönlich finde ich es wichtig, dass man sich von Verstorbenen verabschieden kann, da dieses Ritual den Prozess des Loslassens sehr unterstützt», berichtet Zumstein von den Veränderungen der letzten Zeit. Die Firma habe in der Vergangenheit immer wieder Anfragen für einen Raum für kleinere Gesellschaften erhalten. Neu ist es möglich, Abschiedsfeiern mit maximal 20 Per-
Geschäftsleiter Reto Zumstein. Bilder: zVg
sonen zu organisieren. Dank der guten Lage am Breitenrainplatz mit lokalem Gewerbe kann im Anschluss daran beispielsweise ein kleiner Apéro stattfinden. Nach dem Umbau gibt es ein einheitliches Grundkonzept für alle Räumlichkeiten. Am 4. Dezember 2021 präsentierte die Firma ihr neues Konzept an einem «Tag der offenen Tür» der Öffentlichkeit.
«Mein grosser Dank gilt unserem Team, das fantastische Arbeit leistet.» «Als Erstes möchte ich meinem Team danken, das in den letzten Monaten und Jahren fantastische Arbeit geleistet hat mit immer wieder zum Teil wöchentlich ändernden Rahmenbedingungen. Ich bin sehr stolz auf dieses Team», sagt Reto Zumstein dankbar und fügt hinzu: «Für die Zukunft wünsche ich mir wie vermutlich viele andere Leute eine Beruhigung und Entspannung der Situation. Es wäre schön, wenn wir unsere sozialen Kontakte wieder mehr pflegen können, ohne ein ungutes Gefühl zu haben. Ausserdem sollten wir allgemein wieder mehr Vertrauen in unsere Gesellschaft haben und versuchen, einen Weg zu finden, um Unstimmigkeiten vernünftig, ruhig und sachlich lösen können. Und vor allem: Bleiben wir gesund.»
Lieber Herr Zumstein, vielen Dank für dieses Interview sowie dem ganzen Team für den Einsatz. Wir wünschen Ihnen alles Gute!
Für weitere Informationen: https://www.egli-ag.ch/